Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Köhler und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde der Ö-GmbH in U, vertreten durch Schönherr OEG, Rechtsanwaltspartnerschaft in 1014 Wien, Tuchlauben 13, gegen den Bescheid des Bundeskanzlers vom 31. März 2000, Zl. 332.147/0-VI/B/12/00, betreffend Zulassung gesundheitsbezogener Angaben, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 8. November 1998 gemäß § 9 Abs. 3 LMG die gesundheitsbezogene Angabe "Das gesunde Plus" beim Inverkehrbringen der Produkte "Kieselerde-Calcium-Kapseln", "Vitamin C-Kapseln", "Lecithin-Kapseln", "Knoblauch-Weizenkeim-Kapseln", "Magnesium-Kapseln", "Multivitamin-Kapseln", "Beta-Carotin-Kapseln", "Calcium-Kapseln", "Vitamine für Raucher Kapseln", "Guarana-Kapseln", "Selen ACE-Kapseln", "Vitamin E-Kapseln", "Ginseng-Kapseln", "Mate-Kapseln", "Schwarzkümmelöl-Kapseln", "Vitamin C (Pulver)", "Eisen + Vitamin C-Brausetabletten mit Orangengeschmack", "Vitamin C-Brausetabletten mit Zitronengeschmack", "Vitamin-C-Brausetabletten mit Blutorangengeschmack", "Multivitamin & Mineral-Brausetabletten mit Orangengeschmack", "Multivitamin-Brausetabletten mit Orangengeschmack", "Calcium-Brausetabletten mit Orangengeschmack" und "Magnesium-Brausetabletten mit Zitronengeschmack" zuzulassen, abgewiesen.
Die belangte Behörde führte begründend aus, dass die Einholung eines lebensmittelchemischen Gutachtens ergeben habe, dass die gesundheitsbezogene Angabe "Das gesunde Plus" eine Selbstverständlichkeit hervorhebe.
Dieses Ermittlungsergebnis sei der beschwerdeführenden Partei nachweislich zur Kenntnis gebracht worden, jedoch habe diese von der ihr eingeräumten Gelegenheit zur Stellungnahme nicht Gebrauch gemacht.
§ 9 Abs. 3 LMG gewähre einen Rechtsanspruch auf Zulassung gesundheitsbezogener Angaben, wenn dies mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung vereinbar sei. Irreführend und folglich mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung nicht vereinbar sei beispielsweise auch die Hervorhebung einer Selbstverständlichkeit.
Wie in dem eingeholten Sachverständigengutachten dargestellt worden sei, werde mit der in Rede stehenden Angabe eine gesund erhaltende Wirkung der betreffenden Produkte zum Ausdruck gebracht. Eine derartige besondere, einseitige Hervorhebung der jedem für den menschlichen Genuss bestimmten Produkt objektiv eigenen beziehungsweise gesetzlich vorgeschriebenen Eigenschaft, nicht gesundheitsschädlich zu sein, sei geeignet, "völlig falsche" Vorstellungen über den wahren Wert und die Bedeutung der in Rede stehenden Produkte hervorzurufen.
Ohne Bedeutung sei es, dass es sich bei der in Rede stehenden Angabe um eine registrierte Marke handle, zumal aus der Berechtigung zur Führung einer Marke, die gesundheitsbezogene Angaben enthalte, nicht gefolgert werden könne, dass diese - ungeachtet des Verbotes des § 9 Abs. 1 lit. a LMG - verwendet werden dürfte.
Insoweit die beschwerdeführende Partei durch das Verbot des Vertriebes der solchermaßen bezeichneten Produkte eine Maßnahme mit der gleichen Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung gemäß Art. 30 EGV (nunmehr Art. 28 EG) erblicke, sei Folgendes festzuhalten:
§ 9 LMG enthalte Vorschriften über gesundheitsbezogene Angaben beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln und stelle (teilweise) die Umsetzung der Richtlinie 79/112/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hiefür (Etikettierungsrichtlinie) dar. Nach Art. 2 Abs. 1 lit. a sub. lit. iii dieser Richtlinie dürften die Etikettierung und die Art und Weise, in der sie erfolge, nicht geeignet sein, den Käufer irrezuführen, und zwar insbesondere nicht indem zu verstehen gegeben werde, dass das Lebensmittel besondere Eigenschaften besitze, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Eigenschaften besäßen. Nach dem Grundsatz der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung nationalen Rechts sei dieses im Lichte des Wortlautes und des Zweckes der genannten Richtlinie auszulegen.
Für die Auslegung des § 9 Abs. 3 LMG bedeute dies, dass eine Angabe wegen Unvereinbarkeit mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung nicht zuzulassen sei, wenn diese Angabe gegen Art. 2 Abs. 1 lit. a sub lit. iii der Richtlinie 79/112/EWG verstoße.
Die Nichtzulassung einer gesundheitsbezogenen Angabe, durch welche zu verstehen gegeben werde, dass die solchermaßen ausgelobten Produkte eine besondere Eigenschaft besäßen, obwohl alle vergleichbaren Produkte derselben Produktkategorie über dieselben Eigenschaften verfügten, finde somit auch in der Etikettierungsrichtlinie Deckung und stelle keinen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht dar.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde macht einen Verstoß gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht und innerstaatliches Recht geltend, da es sich bei der in Rede stehenden Angabe "Das gesunde Plus" um eine Markenbezeichnung handle und diese auch nicht geeignet sei, Verbraucher irrezuführen.
Es werde weder gesagt, noch angedeutet, dass die Produkte besondere Eigenschaften besäßen oder gesünder als vergleichbare Lebensmittel wären. Vielmehr sei die Wortfolge "Das gesunde Plus" der zwangslose Ausdruck für ein Nahrungsergänzungsmittel (welches, wie schon das Wort sage, der normalen Nahrung als ein "Plus", nämlich als Ergänzung, hinzugefügt werde) und für das unbestreitbare Faktum, dass die zusätzliche Zufuhr von Vitaminen, Mineralstoffen und anderen wertvollen Substanzen - anerkanntermaßen - eine wichtige Voraussetzung für die Aufrechterhaltung von Gesundheit, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit sei, was durch das Wort "gesund" zum Ausdruck gebracht werde.
"Gesund" sei selbstverständlich nicht das Synonym von "nicht gesundheitsschädlich". Die von der beschwerdeführenden Partei vertriebenen Produkte zeichneten sich nicht dadurch aus "nicht gesundheitsschädlich" zu sein, sondern durch wesentlich mehr. Es diene der Gesunderhaltung - und sei demnach gesund -, wenn in Form von Nahrungsmittelergänzungsmitteln dem Körper Nährstoffe zugeführt würden, die dieser nicht oder nicht ausreichend selbst erzeugen könne. Falsche - geschweige denn "völlig falsche" - Vorstellungen "über den wahren Wert und die Bedeutung der ... Produkte" könnten daher nicht hervorgerufen werden. Die gegenständlichen Produkte wiesen besondere Eigenschaften auf, weil ihre Zufuhr nach den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen als positiv zu beurteilen sei. Diese Eigenschaften stellten im Lebensmittelbereich keine Selbstverständlichkeit dar, und sei eine besondere Eigenschaft der Produkte niemals hervorgehoben worden.
Im Übrigen erfordere der Tatbestand der irreführenden Werbung mit Selbstverständlichkeiten, dass selbstverständliche Tatsachen betont - und nicht bloß erwähnt - würden. Auch lasse der angefochtene Bescheid gänzlich offen, welche vergleichbaren Lebensmittel welche Eigenschaften besitzen sollten und mit welchen Eigenschaften der in Rede stehenden Produkte diese vergleichbar wären.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 9 Abs. 1 LMG, BGBl. Nr. 86/1975, ist es verboten, beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen
a) sich auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen oder auf physiologische oder pharmakologische, insbesondere jung erhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende oder gesund erhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck einer derartigen Wirkung zu erwecken;
b) auf Krankengeschichten, ärztliche Empfehlungen oder auf Gutachten hinzuweisen;
c) gesundheitsbezogene, bildliche oder stilisierte Darstellungen von Organen des menschlichen Körpers, Abbildungen von Angehörigen der Heilberufe oder von Kuranstalten oder sonstige auf Heiltätigkeiten hinweisende Abbildungen zu verwenden.
Nach § 9 Abs. 3 leg. cit., idF BGBl. I Nr. 21/1997, hatte der Bundeskanzler auf Antrag für bestimmte Lebensmittel oder Verzehrprodukte gesundheitsbezogene Angaben mit Bescheid zuzulassen, wenn dies mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung vereinbar ist.
Mit Abschnitt J Z 19 des Teiles 2 der Anlage zu § 2 BMG in der Fassung der Bundesministeriengesetznovelle 2000, BGBl. I Nr. 16, wurden die Angelegenheiten der Nahrungsmittelkontrolle, wozu insbesondere auch die Angelegenheiten des Verkehrs mit Lebensmitteln, Verzehrprodukten, Zusatzstoffen, kosmetischen Mitteln und Gebrauchsgegenständen gehören, in die Zuständigkeit des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen übertragen. Diese Bestimmung trat am 1. April 2000 in Kraft.
Gemäß § 16a BMG gelten dann, wenn auf Grund von Änderungen des BMG Änderungen im Wirkungsbereich der Bundesministerien vorgesehen sind, Zuständigkeitsvorschriften in besonderen Bundesgesetzen als entsprechend geändert. Dementsprechend galt auch § 82 lit. f LMG 1975 betreffend die Zuständigkeit zur Vollziehung aller übrigen Bestimmungen des LMG 1975, die in den vorstehenden literae nicht aufgezählt sind, als geändert.
Die Novelle zum BMG durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 16/2000 trat gemäß § 17b Abs. 13 Z 1 BMG hinsichtlich des Abschnitts J des Teiles 2 der Anlage zu § 2 (dies ist der Zuständigkeitskatalog betreffend den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) mit 1. April 2000 in Kraft. Mit diesem Datum lag die Zuständigkeit zur Erlassung von Bescheiden nach § 9 Abs. 3 LMG 1975 somit beim Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen; eine ausdrückliche Übergangsvorschrift, dass etwa anhängige Verfahren nach der bis dahin geltenden Rechtslage zu Ende zu führen wären, wurde nicht geschaffen.
Der angefochtene Bescheid wurde der beschwerdeführenden Partei am 11. April 2000 zugestellt. Er weist im Vorspruch auf die Entscheidung des Bundeskanzlers hin und ist für den Bundeskanzler gefertigt. Er ist somit dem Bundeskanzler zuzurechnen. Auch der zitierte § 16a BMG bewirkt nicht, dass Bescheide in Angelegenheiten der Nahrungsmittelkontrolle, die nach dem 1. April 2000 namens des Bundeskanzlers ausgefertigt wurden, etwa nicht dem Bundeskanzler, sondern dem zuständigen Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen zuzurechnen wären.
Nach ständiger hg. Rechtsprechung ist ein schriftlicher Bescheid - also soweit nicht eine ordnungsgemäß beurkundete mündliche Verkündung vorliegt - erst mit seiner Zustellung erlassen (vgl. Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrens7, Rz 427, und die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, unter E 311 zu § 56 AVG wiedergegebene Rechtsprechung). Maßgebend für die Zuständigkeit einer Behörde zur bescheidmäßigen Erledigung einer bestimmten Angelegenheit ist, sofern gesetzlich nichts anderes vorgesehen ist, die im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides geltende Rechtslage (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 13. Jänner 1994, Zl. 93/18/0351, mit weiteren Nachweisen, oder das hg. Erkenntnis vom 27. September 1995, Zl. 95/21/0590).
Es ist auch eine zwischen Unterfertigung eines Bescheides und dessen Zustellung erfolgte Änderung der Rechtslage zu berücksichtigen (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, unter E 312 zu § 56 AVG wiedergegebene Rechtsprechung). Der Umstand, dass der angefochtene Bescheid am 31. März 2000 für den Bundeskanzler approbiert wurde, ändert nichts an der Tatsache, dass der Bescheid erst mit seiner Zustellung erlassen wurde. Die Prüfung, ob der Bescheid von der zuständigen Behörde erlassen wurde, hat - jedenfalls bei monokratischen Organen (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, unter E 313 zu § 56 AVG wiedergegebene Rechtsprechung) - nicht auf den Zeitpunkt der Approbation, sondern auf jenen der Zustellung abzustellen (vgl. zu einem vergleichbaren Sachverhalt - Approbation des Bescheides vor einer Änderung der Rechtslage, aber Zustellung nach dem Zeitpunkt der Rechtsänderung - das hg. Erkenntnis vom 13. Jänner 1994, Zl. 93/18/0351). Zu diesem Zeitpunkt war jedoch nach dem Vorgesagten gemäß § 16a BMG iVm Abschnitt J des Teiles 2 der Anlage zu § 2 BMG der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen zur Erlassung des Bescheides zuständig.
Die Unzuständigkeit der belangten Behörde führt nach ständiger Rechtsprechung auch dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, wenn sie vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht wurde (vgl. bereits die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 581, wiedergegebene hg. Rechtsprechung sowie die hg. Erkenntnisse vom 23. Februar 1996, Zl. 93/17/0200, vom 25. Oktober 1996, Zl. 94/17/0300, vom 25. Jänner 2001, Zl. 99/20/0009, vom 5. April 2002, Zl. 2001/18/0159, vom 12. August 2002, Zl. 2001/17/0208, und vom 29. April 2003, Zl. 99/02/0299).
Der angefochtene Bescheid war daher - ohne Eingehen auf das Beschwerdevorbringen in der Sache - gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.
Da nicht auf die inhaltlichen Fragen einzugehen ist, ist auf die sich aus dem Urteil des EuGH vom 23. Jänner 2003, Rs C-221/00, Kommission/Republik Österreich ergebenden Konsequenzen nicht einzugehen und auch der Ausgang des beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Zl. C-150/00 anhängigen Verfahrens über die Feststellungsklage der Europäischen Kommission gegen die Republik Österreich für das vorliegende verwaltungsgerichtliche Verfahren nicht präjudiziell.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2. Die von der beschwerdeführenden Partei entrichtete Pauschalgebühr in der Höhe von S 2.500,-- war dabei gemäß § 3 Abs. 2 Z 3 Euro-Gesetz, BGBl. I Nr. 72/2000, mit EUR 181,68 in Ansatz zu bringen.
Wien, am 15. September 2003
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der RechtswirkungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2000100082.X00Im RIS seit
27.10.2003