Index
L55001 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Burgenland;Norm
B-VG Art132;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des Ing. R in Neusiedl am See, vertreten durch Dr. Michaela Iro, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Invalidenstraße 13/1/15, betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht der Burgenländischen Landesregierung in einer Angelegenheit nach dem Burgenländischen Naturschutz- und Landschaftspflegegesetz, gemäß § 42 Abs. 4 zweiter Satz VwGG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Antrag des Beschwerdeführers vom 17. April 2002 auf Überprüfung faunistischer Schutzinteressen wird zurückgewiesen.
Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte in seiner am 11. November 2002 erhobenen Säumnisbeschwerde, der Verwaltungsgerichtshof möge in Stattgebung der Beschwerde in der Sache selbst erkennen und seinem (an die Burgenländische Landesregierung) gerichteten Antrag auf "Überprüfung faunistischer Schutzinteressen" kostenpflichtig stattgeben.
Zur Begründung führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, er sei Eigentümer der Liegenschaft EZ. 3701 der KG N., die aus mehreren Grundstücksnummern bestehe. Die Grundstücke grenzten direkt an das nördliche Ufer des Neusiedler Sees und befänden sich im "Refugium", einer südlich der Stadtgemeinde Neusiedl am See gelegenen Siedlung von Wohn-, Ferien- und Wochenendhäusern sowie einigen Betriebsniederlassungen. Mit Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 16. Juli 1999 sei sein Antrag auf Erteilung einer naturschutzbehördlichen Bewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses auf dem genannten Grundstück abgewiesen worden. In der Begründung dieses Bescheides werde auf ein naturschutzbehördliches Sachverständigengutachten verwiesen, wonach "das ggst. Vorhaben den genannten Schilfbestand auch in seiner Funktion als Lebensraum für möglicherweise darin vorkommende Teichrohrsänger und Bartmeisen, sowie anderer schilfbewohnender Kleinvögel und eine Vielzahl von schilfbewohnenden Arthropoden gefährdet." Da sowohl seinem schriftlichen Ersuchen vom 13. Dezember 1999 als auch seinen wiederholten mündlichen Bitten, die zitierten Vermutungen durch wissenschaftliche Erhebungen zu verifizieren bis dato nicht nachgekommen worden sei, habe er am 17. April 2002 erneut einen schriftlichen Antrag an die Burgenländische Landesregierung auf Überprüfung faunistischer Schutzinteressen gerichtet. Er habe dabei den Antrag gestellt, das tatsächliche Vorkommen von Teichrohrsängern, Bartmeisen, anderer schilfbewohnender Kleinvögel sowie von schilfbewohnenden Arthropoden im genannten Schilfbereich zu erheben, und wissenschaftliche Untersuchungen bezüglich des Umstandes durchzuführen, warum allfällig faunistische Schutzinteressen auf jener ca. 15 m2 großen Schilffläche durch sein auf dem genannten Grundstück zu bauen beabsichtigtes Wohnhaus möglicherweise gefährdet würden, nicht jedoch durch die bereits bestehenden umliegenden Häuser. Wie bereits mehrfach angeboten, stelle er für die genannten Erhebungen gerne ein Boot zur Verfügung. Sollte auch diesem Antrag unter Negierung der amtswegigen Verpflichtung zur Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht nachgekommen werden, ersuche er um bescheidmäßige Ablehnung. Über diesen Antrag sei durch mehr als sechs Monate hindurch nicht entschieden worden.
Mit Verfügung vom 27. Jänner 2003 leitete der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 35 Abs. 3 VwGG das Vorverfahren ein. Gemäß § 36 Abs. 2 VwGG wurde der belangten Behörde die Beschwerde mit dem Auftrag zugestellt, innerhalb einer Frist von drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und dem Verwaltungsgerichtshof eine Abschrift vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt, und dazu gemäß § 36 Abs. 1 VwGG die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen. Diese Verfügung wurde der Burgenländischen Landesregierung nachweislich am 13. Februar 2003 zugestellt.
Die belangte Behörde teilte daraufhin mit Schreiben vom 11. April 2003 mit, die Anträge des Beschwerdeführers auf Vornahme einer Anschüttung und Errichtung einer Uferbefestigung sowie auf Errichtung eines Wohnhauses seien mit Bescheiden vom 6. Juli 1999 und 1. März 2000 rechtskräftig abgewiesen worden. Dagegen seien Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof erhoben worden. Das Schreiben des Beschwerdeführers vom 17. April 2002 sei bei der für Naturschutz zuständigen Abteilung der Burgenländischen Landesregierung gar nicht eingelangt. Diese habe nur das Antwortschreiben der Biologischen Station Neusiedler See erhalten, das als Beilage zum Verwaltungsakt genommen worden sei, da das naturschutzbehördliche Verfahren rechtskräftig abgeschlossen und nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof anhängig gewesen sei. Die belangte Behörde habe keine Veranlassung gesehen, vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes weitere Ermittlungsschritte, wie die Einholung von Gutachten, zu setzen. Im Burgenländischen Naturschutz- und Landschaftspflegegesetz finde sich keine Bestimmung, die einen Rechtsanspruch auf Einholung eines Sachverständigengutachtens außerhalb eines anhängigen Verwaltungsverfahrens begründe. Für die Erlassung eines Feststellungsbescheides sei kein Raum. Die belangte Behörde sei sich daher im Hinblick auf einen zu erlassenden Bescheid keiner Säumigkeit bewusst.
Die belangte Behörde hat in weiterer Folge das Schreiben des Beschwerdeführers vom 17. April 2002 sowie die Antwortnote der Biologischen Station vorgelegt. Ein Bescheid wurde nicht erlassen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach Lage der vorgelegten Unterlagen war das Schreiben des Beschwerdeführers vom 17. April 2002 an das Amt der Burgenländischen Landesregierung, Abteilung 5 - Anlagenrecht, Umweltschutz und Verkehr, Biologische Station Neusiedler See in Eisenstadt adressiert und an den Leiter der biologischen Station gerichtet. Das Schreiben trägt den Einlaufstempel der Burgenländischen Landesregierung vom 16. April 2002 und wurde offensichtlich ohne weitere Veranlassung an die Biologische Station Neusiedler See weitergeleitet, wo es am 18. April 2002 eingelangt ist.
Nach dem Antwortschreiben der Biologischen Station vom 3. Mai 2002 sei auf 15 m2 Schilf auch bei kleinen Vogelarten wie dem Teichrohrsänger mit Reviergrößen ab etwa 100 m2 keine dauerhafte Ansiedlung zu erwarten. Das Gebiet sei daher für Vögel nur als kurzfristig genutzter Rastplatz bzw. Nahrungsraum von Bedeutung. Zur Arthropodenfauna der gegenständlichen Fläche lägen keine Untersuchungen vor. Es gebe jedoch keinen Grund zur Annahme, dass sich diese von irgendeinem anderen faunistischen Punkt im Schilfgürtel mit vergleichbarer Struktur, Wasser- und Nährstoffversorgung wesentlich unterscheiden könnte. Aufwendige Untersuchungen, die zur Abklärung dieser Frage erforderlich wären, seien daher weder sinnvoll noch notwendig. Hinsichtlich der negativen Beurteilung des vom Beschwerdeführer beabsichtigten Baues eines Wohnhauses auf dem genannten Grundstück sei auf die wiederholt erfolgte, erschöpfende Darstellung in den vergangenen Jahren zu verweisen.
Dieses Schreiben wurde der Abteilung 5/III - Naturschutz der Burgenländischen Landesregierung übersendet. Eine Mitteilung an den Beschwerdeführer erfolgte nicht.
Gemäß Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch Verwaltungsbehörden einschließlich der unabhängigen Verwaltungssenate erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war.
Nach § 27 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten entschieden hat.
Die Partei des Verwaltungsverfahrens hat einen Anspruch auf Erlassung eines Bescheides, wenn ein Antrag oder eine Berufung offen ist. Dieser Anspruch ist auch dann gegeben, wenn die Voraussetzungen für die Zurückweisung des Antrages oder der Berufung vorliegen. In diesem Fall hat sie den Anspruch auf Erlassung eines Bescheides betreffend die Zurückweisung ihres Antrages oder ihrer Berufung; auch im Streit um Parteistellung und Antragsbefugnis besteht, insoweit diese zur Entscheidung stehen, Parteistellung und entsprechende Entscheidungspflicht (vgl. etwa das Erkenntnis eine verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, VwSlg. 9458/A).
Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer einen Antrag an die belangte Behörde auf "Überprüfung faunistischer Schutzinteressen" gestellt hat. Wenngleich im Gesetz ein Anspruch auf Überprüfung der genannten Interessen außerhalb eines Bewilligungsverfahrens bzw. nach Abschluss desselben nicht eingeräumt wird, hätte die belangte Behörde im Hinblick auf seinen ausdrücklichen Antrag auf "bescheidmäßige Ablehnung" darüber zu entscheiden gehabt. Die Säumnisbeschwerde ist daher zulässig.
Der Antrag des Beschwerdeführers ist allerdings zurückzuweisen, weil das Gesetz die (bescheidmäßige) "Überprüfung faunistischer Schutzinteressen" (außerhalb eines vom Gesetz sonst vorgesehenen Verfahrens) nicht anordnet.
Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand war ein "Vorlageaufwand" nicht zuzuerkennen.
Wien, am 15. September 2003
Schlagworte
Anspruch auf Sachentscheidung Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002100197.X00Im RIS seit
16.10.2003