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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über den Antrag des DI Harald Gnilsen in Wien, vertreten durch Dr. Erich Ehn, Rechtsanwalt in Wien 1, Seilerstätte 28, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 1. Juli 2003, Zl. BOB-201/03, betreffend einen Devolutionsantrag in einer Bausache, den Beschluss gefasst:
Spruch
Dem Antrag wird gemäß § 46 Abs. 1 VwGG stattgegeben.
Begründung
Der Einschreiter hat durch seinen bevollmächtigten Anwalt am 22. August 2003 eine Beschwerde gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 1. Juli 2003, Zl. BOB-125 und 126/02, an den Verwaltungsgerichtshof zur Post gegeben. Gleichzeitig wollte er sichtlich eine Beschwerde gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom selben Tag zur Zl. BOB-201/03 einbringen. Tatsächlich war die Beschwerde gegen den Bescheid BOB- 125 und 126/02 ordnungsgemäß ausgeführt, der angefochtene Bescheid war beigelegt. In einem gesonderten Kuvert war dieselbe Beschwerde, die sich auf die Zl. BOB-125 und 126/02 bezog, enthalten, in der Beilage lag jedoch der Bescheid BOB-201/03. Beide Kuverts waren am letzten Tag der Beschwerdefrist bezogen auf die Zustellung der Bescheide zur Post gegeben worden.
Durch telefonische Mitteilung der Berichterin am 27. August 2003 erlangte der bevollmächtigte Anwalt Kenntnis von dem Umstand, dass die Beschwerde zur Zl. BOB 201/03 unterblieben ist, weil im zweiten Kuvert keine eigene Beschwerde, sondern nur jene zur Zl. BOB-125 und 126/02 einlag.
Mit Eingabe vom 1. September 2003, zur Post gegeben am 3. September 2003, beantragte der Einschreiter durch seinen bevollmächtigten Anwalt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 1. Juli 2003, Zl. BOB- 201/03, zugestellt am 14. Juli 2003, zu bewilligen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Beschwerde gegen den Bescheid zur Zl. BOB- 201/03 sei mit dem Aktexemplar der Beschwerde zur Zl. BOB-125 und 126/02 vertauscht worden, anstelle der bereits unterschriebenen Beschwerde sei das Aktexemplar zur Zl. BOB-125 und 126/02 kuvertiert und allerdings mit dem richtigen anzufechtenden Bescheid zur Zl. BOB-201/03 eingeschrieben zur Post gegeben worden. Diese Verwechslung habe dadurch geschehen können, da in beiden Beschwerden der gleiche Einschreiter auf der Rubrik aufscheine und naturgemäß beide Beschwerden mit dem gleichen Datum datiert seien.
Bei dieser Verwechslung handle es sich um einen minderen Grad des Versehens durch eine Mitarbeiterin in der Kanzlei des Antragstellervertreters, wobei dieses Versehen auch dem einschreitenden Rechtsanwalt persönlich nicht mehr auffallen konnte, da nach Unterfertigung der Schriftsätze der Postversand durch die Mitarbeiterin in der Kanzlei geschehe. Ein gleich gelagerter Fehler sei in der Kanzlei des bevollmächtigten Anwaltes bis dato nicht aufgetreten, wobei beide mit der Abwicklung befassten Mitarbeiterinnen seit mehr als zehn Jahren in der Kanzlei tätig seien.
Gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid Zl. BOB-201/03 der Bauoberbehörde für Wien wurde die Beschwerde, datiert mit 22. August 2003 (ebenso wie jene zur hg. Zl. 2003/05/0152, die sich auf den Bescheid der belangten Behörde Zl. BOB-125 und 126/02 bezieht) vorgelegt.
Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist gemäß § 46 Abs. 1 VwGG dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Das Versehen eines Kanzleiangestellten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes stellt dann ein Ereignis gemäß § 46 Abs. 1 VwGG dar, wenn der Anwalt der im zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht jenem Bediensteten gegenüber nachgekommen ist (vgl. dazu den hg. Beschluss vom 25. April 2002, Zl. 2002/05/0184). Unter Zugrundelegung des glaubwürdigen Vorbringens im Wiedereinsetzungsantrag ist davon auszugehen, dass es dem Vertreter des Antragstellers nicht zumutbar war, zu überprüfen, ob sich nach der Kuvertierung noch Unterlagen im zweiten Handakt befänden, welche im Zuge der Einbringung der Beschwerde dem Gerichtshof vorzulegen gewesen wären. Da die rechtzeitige Einbringung der Beschwerde sohin allein auf das Versehen der Angestellten des Vertreters des Antragstellers zurückzuführen ist, also weder den Antragsteller noch dessen Vertreter ein über einen minderen Grad des Versehens reichendes Verschulden vorgeworfen werden kann, war dem vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag stattzugeben.
Die Beschwerde zur Zl. BOB-201/03 wird zur hg. Zl. 2003/05/0151 weiter bearbeitet werden.
Wien, am 16. September 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003050160.X00Im RIS seit
03.12.2003