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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1997 §29 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Berger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 27. Jänner 2003, Zl. 231.544/0-VI/42/02, betreffend Zurückweisung der im Wiedereinsetzungsverfahren in einer Asylangelegenheit erhobenen Berufung (weitere Partei: C, geboren 1971, zuletzt in G), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der Asylantrag der Mitbeteiligten, einer georgischen Staatsangehörigen, wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11. Juli 2002 gemäß § 7 AsylG abgewiesen und gemäß § 8 AsylG festgestellt, dass ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Georgien zulässig sei. Eine Ausfertigung dieses Bescheides wurde der Mitbeteiligten am 17. Juli 2002 beim Bundesasylamt ausgehändigt. Der Bescheid ist infolge ungenützten Verstreichens der Berufungsfrist in Rechtskraft erwachsen.
Aus Anlass eines fremdenrechtlichen Verfahrens stellte die Mitbeteiligte einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 16. September 2002 gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG abgewiesen wurde.
Die dagegen (fristgerecht) erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 27. Jänner 2003 als unzulässig zurückgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens aus, der erstinstanzliche Bescheid sei ausschließlich in deutscher Sprache "gehalten" und enthalte den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung nicht in einer der Berufungswerberin - die unstrittig der deutschen Sprache nicht mächtig sei - verständlichen Sprache.
Daraus folgerte die belangte Behörde rechtlich:
"Gemäß § 29 Abs. 1 AsylG haben Bescheide den Spruch, die Rechtsmittelbelehrung und den Hinweis nach § 61a AVG in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten. (...). Der Verwaltungsgerichtshof geht hinsichtlich der Rechtsfolge einer unterlassenen Übersetzung des Spruches in der Sache davon aus, dass in diesem Fall der Bescheid - jedenfalls soweit es sich (wie im hier vorliegenden Fall des erstinstanzlichen Asylverfahrens) um ein Einparteienverfahren handelt - nicht rechtswirksam erlassen wurde (vgl. VwGH 29.03.2001, Zl. 2000/20/0473). Unter Zugrundelegung dieser Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes geht die Berufungsbehörde daher davon aus, dass der erstinstanzliche Bescheid des Bundesasylamtes vom 16. 09.2002 nicht rechtswirksam erlassen wurde, sodass sich die Berufung vom 30.09.2002 als unzulässig erweist."
Dem (im Berufungsverfahren unter anderem vorgetragenen) Argument des Bundesasylamtes, dass § 29 Abs. 1 AsylG auf Bescheide im Wiedereinsetzungsverfahren nicht anwendbar sei, hielt die belangte Behörde den Wortlaut dieser Bestimmung entgegen, der "zwanglos" dahingehend zu verstehen sei, dass damit Bescheide im Rahmen der von den Asylbehörden durchzuführenden Verfahren erfasst werden. Es sei nicht ersichtlich, warum (allenfalls nur manche) verfahrensrechtliche Bescheide, die im Rahmen von Asylverfahren erlassen werden, vom Anwendungsbereich dieser Norm ausgenommen sein sollten. Auch in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage werde auf "Bescheide nach diesem Bundesgesetz" Bezug genommen, womit nicht nur Bescheide angesprochen würden, welche die materiell-rechtlichen Ansprüche des AsylG betreffen. Schließlich verwies die belangte Behörde in diesem Zusammenhang noch auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. April 1998, Zl. 96/01/0589, wonach ein in verfahrensrechtlichen Angelegenheiten ergangener Bescheid letzten Endes mit der Frage der Asylgewährung bzw. Aufrechterhaltung des Asyls verknüpft sei und deshalb die für materiellrechtliche Entscheidungen vorgesehenen verfahrensrechtlichen Regelungen auch in einem solchen Fall heranzuziehen seien. Letztlich erwiderte die belangte Behörde dem Hinweis des Bundesasylamtes auf die "ständige Rechtspraxis" der belangten Behörde, wonach erstinstanzliche Entscheidungen im Wiedereinsetzungsverfahren auch ohne Übersetzung des Spruches als erlassen angesehen und die dagegen erhobenen Berufungen inhaltlich behandelt worden seien, dass die belangte Behörde jedenfalls seit dem erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. März 2001 "nicht explizit" die Auffassung vertreten habe, § 29 Abs. 1 AsylG beziehe sich nicht auf Bescheide betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde des Bundesministers für Inneres, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die Amtsbeschwerde tritt vor allem dem von der belangten Behörde zur Stützung ihres Standpunktes herangezogenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. März 2001, Zlen. 2000/20/0473, 2001/20/0089, entgegen. Der beschwerdeführende Bundesminister bestreitet, dass der Gesetzgeber mit § 29 Abs. 1 AsylG eine Änderung der bisherigen Rechtslage beabsichtigt habe und vertritt die Auffassung, diese Bestimmung sei - so wie § 18 Abs. 1 letzter Satz Asylgesetz 1991 - als bloße Ordnungsvorschrift zu verstehen, sodass das Fehlen der Übersetzung des Spruches "weder die Rechtswirkung (wohl gemeint: Rechtswirksamkeit) noch die Rechtmäßigkeit des Bescheides" berühre. Im Übrigen wiederholt die Amtsbeschwerde den im Verwaltungsverfahren bereits vom Bundesasylamt eingenommenen Standpunkt, § 29 Abs. 1 AsylG sei auf verfahrensrechtliche Bescheide wie jenen über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht anzuwenden und verweist auch auf die erwähnte "ständige Rechtspraxis" der belangten Behörde in Bezug auf gleichartige, keine Übersetzung des Spruches enthaltende erstinstanzliche Bescheide.
In dem bereits mehrfach angesprochenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. März 2001, Zlen. 2000/20/0473, 2001/20/0089, dem ein (im Asylverfahren ergangener) verfahrensrechtlicher Bescheid (der Berufungsbehörde) ohne Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung zu Grunde lag, hat der Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich Folgendes erwogen:
"§ 29 Abs. 1 AsylG 1997 lautet:
'Bescheide haben den Spruch, die Rechtsmittelbelehrung und den Hinweis nach § 61a AVG in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten. Wird der Antrag als offensichtlich unbegründet abgewiesen oder aus den Gründen der §§ 4 und 5 wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen, so ist dem Bescheid eine in dieser Sprache gehaltene Übersetzung der maßgeblichen Gesetzesbestimmung (§§ 4 bis 6) beizugeben.'
Bereits § 18 Abs. 1 zweiter Satz AsylG 1991 bestimmte, dass Bescheiden, die einem Asylwerber zuzustellen sind, welcher der deutschen Sprache nicht hinreichend kundig ist, eine Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung in die Muttersprache des Asylwerbers oder in eine andere ihm ausreichend verständliche Sprache anzuschließen ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dieser Bestimmung in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, der Umstand, dass dem angefochtenen Bescheid keine Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung in einer für den Asylwerber ausreichend verständlichen Sprache angeschlossen war, und damit die Bestimmung des § 18 Abs. 1 AsylG 1991, bei der es sich um eine bloße Ordnungsvorschrift handle, missachtet wurde, könne nicht (einmal) als tauglicher Wiedereinsetzungsgrund angesehen werden (vgl. z.B. die hg. Beschlüsse vom 14. Dezember 1994, Zl. 94/01/0771, vom 17. Februar 1994, Zl. 94/19/0939, und vom 7. Oktober 1993, Zlen. 93/01/0444 und 93/01/0910, u.v.a.). Umso weniger könne ein der belangten Behörde unterlaufener Verstoß gegen diese Bestimmung die Rechtswirksamkeit eines ohne die Beigabe der Übersetzung zugestellten Bescheides oder dessen Rechtmäßigkeit berühren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. September 1993, Zl. 92/01/1074).
Zur nunmehr geltenden Rechtslage nach § 29 Abs. 1 AsylG hat der Verwaltungsgerichtshof bereits judiziert (Erkenntnis vom 6. Oktober 1999, Zl. 99/01/0056), dass es sich bei der nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung dem Bescheid in bestimmten Fällen 'beizugebenden' Übersetzung der dort angeführten Gesetzesbestimmungen - wie bei der Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung nach alter Rechtslage - um eine bloße 'Bescheidbeigabe' handle. § 29 Abs. 1 zweiter Satz AsylG enthalte somit in dieser Hinsicht wie ehemals § 18 Abs. 1 zweiter Satz AsylG 1991 (nur) eine Ordnungsvorschrift. Abgesehen davon, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 zweiter Satz AsylG nicht gegeben sind, und der diesbezügliche, die Übersetzung von Gesetzesbestimmungen betreffende Beschwerdeeinwand schon deshalb unberechtigt ist, müsste er nach dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch erfolglos bleiben.
Auch zum Fehlen einer Übersetzung der Rechtsmittelbelehrung in einer für den Asylwerber verständlichen Sprache hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12. Mai 1999, Zl. 99/01/0191, bereits klargestellt, dass auch in dieser Hinsicht keine Änderung der Rechtslage eingetreten sei. Wenn gemäß § 61 Abs. 2 AVG selbst das vollständige Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung nicht die Ungültigkeit der Zustellung oder die Verlängerung der Rechtsmittelfrist zur Folge habe, dann könne dies umso weniger durch eine fehlende Übersetzung der Rechtmittelbelehrung bewirkt werden.
Bereits in dem zitierten Erkenntnis vom 6. Oktober 1999 wurde aber darauf hingewiesen, dass die im § 18 Abs. 1 zweiter Satz AsylG 1991 gewählte Formulierung ('..., ist eine Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung in dieser Sprache anzuschließen.') im § 29 Abs.1 erster Satz AsylG dahin geändert wurde, dass 'Bescheide ... den Spruch, die Rechtsmittelbelehrung und den Hinweis nach § 61a AVG ... zu enthalten' haben, allerdings wurde offengelassen, ob und gegebenenfalls inwieweit dadurch eine Änderung der Rechtslage eingetreten ist (vgl. auch Rohrböck, Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, 1999, Rz 880 ff).
Rohrböck (a.a.O, Rz 881) ist darin beizupflichten, dass nach dem wiedergegebenen Gesetzeswortlaut auch der Spruch in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache Bestandteil des Bescheides ist und dessen Fehlerhaftigkeit eine inhaltliche Rechtswidrigkeit bewirken kann (vgl. in diesem Sinn inzwischen auch das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 2000, Zl. 99/01/0435; ferner die hg. Erkenntnisse vom 6. Oktober 1999, Zl. 99/01/0219, und vom 20. Oktober 1999, Zl. 99/01/0231, in denen eine Abweichung der übersetzten von der deutschen Fassung des Spruches als Verfahrensfehler behandelt wurde). Welche Rechtsfolgen das - im vorliegenden Fall zu beurteilende - (gänzliche) Fehlen des Spruches in der fremdsprachigen Fassung nach sich zieht, wird von Rohrböck allerdings als 'fraglich' offengelassen.
Nach den Gesetzesmaterialien (686 BlgNR 20. GP 27 f) hat die 'Ausdehnung der Übersetzungspflicht' in § 29 Abs. 1 AsylG 'in rechtsstaatlichen - im näheren in rechtsschutzstaatlichen - Überlegungen ihren Ursprung und ist unabdingbare Voraussetzung dafür, dass der Betroffene die ihm zustehenden Rechtsschutzmöglichkeiten zweckentsprechend wahrnehmen kann.' Auch diese dargestellte Absicht des Gesetzgebers lässt erkennen, dass der aufgezeigten Änderung des Gesetzeswortlautes normative Bedeutung zukommen sollte.
Mit der Frage, welche Rechtsfolgen die unterlassene Zustellung einer vorgeschriebenen Übersetzung eines Bescheides nach sich zieht, hatte sich der Verfassungsgerichtshof bei seiner Judikatur zu § 16 des Volksgruppengesetzes, BGBl. Nr. 396/1976, zu befassen (vgl. auch die in der Folge ergangenen hg. Erkenntnisse vom 21. November 1983, Zl. 83/10/0231, und vom 17. Februar 1997, Zl. 95/10/0211). Diese Bestimmung normiert, dass (unter anderem) Entscheidungen, die zuzustellen sind und die in der Sprache einer Volksgruppe eingebrachte Eingaben oder Verfahren betreffen, in denen in der Sprache einer Volksgruppe bereits verhandelt worden ist, in dieser Sprache und in deutscher Sprache auszufertigen sind. Diese Anordnung verstand der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28. Juni 1983, B 499/82, VfSlg. 9744, dahin, dass erst mit Zustellung des Bescheides in beiden Sprachen, d.h.
sowohl in der Staatssprache als auch in der Volksgruppensprache,
eine ordnungsgemäße 'Zustellung' im Sinne des Volksgruppengesetzes
vorliege, welche die Rechtsmittel-(Einspruchs-)Frist in Gang setze
(vgl. auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom
1. Juli 1983, B 457/82, VfSlg. 9752). In seinem Erkenntnis vom
26. September 1994, B 771/94, VfSlg. 13.850, verwies der
Verfassungsgerichtshof auf das Erkenntnis VfSlg. 9744/1983, wonach
'erst mit Zustellung des Bescheides ... in beiden Sprachen, d.h.
sowohl in der Staatssprache als auch in der Volksgruppensprache,
... eine ordnungsgemäße 'Zustellung' im Sinne des
Volksgruppengesetzes vorliege, welche die Rechtsmittel- ... Frist
in Gang setze', und folgerte daraus für den dort zu beurteilenden Fall, dass die Zustellung der Erledigung nur in kroatischer Sprache nicht ordnungsgemäß gewesen sei. Zwar könne eine Beschwerde gegen einen Bescheid bereits erhoben werden, bevor er dem Beschwerdeführer zugestellt oder verkündet worden sei, doch müsse er überhaupt erlassen, d.h. einer (anderen) Partei zugestellt oder verkündet worden sein. Davon könne im Beschwerdefall nach der Aktenlage keine Rede sein, weshalb die Beschwerde mangels tauglichen Anfechtungsgegenstandes zurückgewiesen wurde.
Diese Überlegungen lassen sich zumindest der Art nach (Unterstreichung nicht im Original) auch auf den vorliegenden Fall des Fehlens der vorgeschriebenen Übersetzung des Spruches als (notwendigen) Bescheidbestandteil übertragen. Allerdings wurde der hier angefochtene Bescheid - anders als in dem Fall, der dem zuletzt referierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zugrunde lag - einer anderen Partei, nämlich dem Bundesasylamt (vor Erhebung der Beschwerde) zugestellt. Dass (auch) diese Ausfertigung des Bescheides keine Übersetzung des Spruches enthielt, ändert schon deshalb nichts an der Rechtswirksamkeit dieser Zustellung, weil § 29 Abs. 1 erster Satz AsylG teleologisch dahin zu reduzieren ist, dass die dort vorgeschriebene Übersetzung des Spruches nur dann die Rechtmäßigkeit der Zustellung (Erlassung) des Bescheides berühren kann, wenn dem Empfänger die deutsche Sprache nicht verständlich ist. Der in Rede stehende Bescheid der belangten Behörde war daher jedenfalls wirksam erlassen, sodass der Beschwerdeführer dagegen auch Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof führen konnte, mag der Bescheid ihm gegenüber auch noch nicht rechtswirksam - jedenfalls nicht mit der Wirkung des Beginns der Beschwerdefrist (Unterstreichung nicht im Original) - zugestellt worden sein. Der vom Beschwerdeführer in Ansehung der fehlenden Übersetzung des Spruches erhobene Einwand geht somit im vorliegenden Fall ins Leere."
Zunächst ist der belangten Behörde darin beizupflichten, dass sich weder dem Gesetzestext noch den Gesetzesmaterialien Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, dass sich § 29 Abs. 1 AsylG nur auf Bescheide bezieht, mit denen inhaltlich über die Frage der Asylgewährung (oder Asylaberkennung) abgesprochen wird. Wenn in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (686 BlgNR 20. GP 27 f) von "Bescheiden nach diesem Bundesgesetz" die Rede ist, kann dies den gegenteiligen Standpunkt des beschwerdeführenden Bundesministers nicht stützen. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich bereits zu der vergleichbaren, im § 44 Abs. 2 AsylG enthaltenen Wendung "Bescheide nach dem Asylgesetz 1991" judiziert, dass mit einer gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid (dort auch: Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages gegen die Versäumung der Berufungsfrist) gerichteten Beschwerde letzten Endes auf eine Entscheidung über die Asylgewährung bzw. Aufrechterhaltung des Asyls abgezielt werde, die in Anwendung des AsylG 1991 zu ergehen hätte. Deshalb seien die für materiellrechtliche Entscheidungen vorgesehenen verfahrensrechtlichen Regelungen (dort: § 44 Abs 2 und 3 AsylG) auch in einem solchen Fall heranzuziehen (Beschluss vom 28. Jänner 1998, Zl. 95/01/0209; vgl. auch den bereits von der belangten Behörde zitierten Beschluss vom 22. April 1998, Zl. 96/01/0589). Aber auch nach dem Gesetzeszweck, den - bei typisierender Betrachtung der deutschen Sprache nicht mächtigen - Asylwerbern die Möglichkeit einzuräumen, auf Grund der Übersetzung des Spruches die Tragweite der Entscheidung zu überblicken und anhand der Übersetzung der Rechtsmittelbelehrung fristgerecht geeignete Rechtsbehelfe zu ergreifen, ist § 29 Abs. 1 AsylG dahin zu verstehen, dass er auch auf im Zusammenhang mit Verfahren nach dem Asylgesetz ergehende Bescheide der Asylbehörden, wie etwa im vorliegenden Wiedereinsetzungsverfahren, anzuwenden ist. Die in der Amtsbeschwerde geforderte Auslegung würde diesem Gesetzeszweck aber nicht gerecht.
Das Vorbringen in der Amtsbeschwerde gibt auch keinen Anlass, von der wiedergegebenen Auffassung im Erkenntnis vom 29. März 2001 abzugehen. Insbesondere ist auf Grund des gegenüber § 18 Abs. 1 letzter Satz Asylgesetz 1991 geänderten Wortlautes im Zusammenhang mit dem in den Gesetzesmaterialien angesprochenen Rechtsschutzgedanken davon auszugehen, dass das Fehlen der in § 29 Abs. 1 erster Satz AsylG vorgeschriebenen Übersetzung des Spruches weiter gehende Rechtsfolgen nach sich ziehen soll, als mit der Verletzung einer bloßen Ordnungsvorschrift verbunden wären.
Entgegen der Auffassung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid wurde aber in dem genannten Erkenntnis - wie sich vor allem aus den oben durch Unterstreichung hervorgehobenen Passagen ergibt - zu der hier strittigen Rechtsfrage lediglich ausgesprochen, dass das Fehlen der vorgeschriebenen Übersetzung des Spruches die Rechtmäßigkeit der Zustellung (Erlassung) des Bescheides nur insoweit berühren kann, als der Bescheid dem (der deutschen Sprache nicht kundigen) Asylwerber gegenüber jedenfalls nicht mit der Wirkung des Beginns der Beschwerdefrist zugestellt worden ist. Dass ein solcher Bescheid als dem Rechtsbestand überhaupt nicht zugehörig anzusehen und eine dagegen erhobene Berufung als unzulässig zurückzuweisen wäre, ist den wiedergegebenen Entscheidungsgründen in dieser Form nicht zu entnehmen. Selbst unter besonderer Bedachtnahme auf den bereits mehrfach angesprochenen Rechtsschutzgedanken, der auch in den Gesetzesmaterialien in den Vordergrund gestellt wird, erscheint eine solche weit gehende Sanktion in der Form, dass ein keine Übersetzung des Spruches enthaltender Bescheid nicht rechtlich existent wäre, aber nicht geboten. Auch die belangte Behörde vermochte dafür sonst keine eigenen Argumente ins Treffen zu führen.
Mit der Zustellung des vorliegenden Bescheides des Bundesasylamtes an die Mitbeteiligte wurde er somit dieser gegenüber erlassen; mangels Übersetzung des Spruches in einer ihr verständlichen Sprache zwar nicht mit der Wirkung, dass die Berufungsfrist in Gang gesetzt wurde, doch hinderte dies die Mitbeteiligte nicht an der Erhebung einer Berufung (vgl. in diesem Sinn zu mündlich verkündeten Bescheiden etwa das Erkenntnis vom 24. April 2001, Zl. 2001/11/0031, mwN; siehe auch die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 262 zu § 63 AVG zitierten weiteren Nachweise aus der Rechtsprechung). Die Berufung wäre somit von der belangten Behörde meritorisch zu erledigen und nicht als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 17. September 2003
Schlagworte
Bescheidcharakter Bescheidbegriff Bejahung des Bescheidcharakters Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Voraussetzungen des Berufungsrechtes Bescheidcharakter der bekämpften Erledigung Vorhandensein eines bekämpfbaren BescheidesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003200073.X00Im RIS seit
23.10.2003Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008