TE Vwgh Erkenntnis 2003/9/17 2002/20/0427

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Veröffentlicht am 17.09.2003
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §15 idF 1999/I/004;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Berger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des A in M, geboren 1971, vertreten durch Mag. Peterpaul Suntinger, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Pfarrplatz 17, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 29. November 2001, Zl. 223.116/5-II/04/01, betreffend § 15 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, reiste zu einem aus den vorgelegten Aktenteilen nicht ersichtlichen Zeitpunkt in das Bundesgebiet ein und beantragte am 9. Jänner 2001 Asyl. Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 27. Juni 2001 gemäß § 7 AsylG ab und stellte im zweiten Spruchpunkt dieses Bescheides gemäß § 8 AsylG fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan sei nicht zulässig.

Der Beschwerdeführer bekämpfte die Abweisung des Asylantrages mit Berufung an die belangte Behörde und beantragte unter Bezugnahme auf den zweiten Spruchpunkt des erstinstanzlichen Bescheides in einem an das Bundesasylamt gerichteten Schriftsatz vom 11. Oktober 2001 die Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 AsylG.

Mit Bescheid vom 18. Oktober 2001 wies das Bundesasylamt den Antrag auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung als unbegründet ab, weil der Beschwerdeführer bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens im Besitz einer ihm gemäß § 19 Abs. 2 AsylG erteilten vorläufigen Aufenthaltsberechtigung sei und die in § 15 Abs. 1 AsylG normierte Voraussetzung, sich "ohne rechtmäßigen Aufenthalt" im Bundesgebiet zu befinden, daher nicht erfülle.

Diesen vom Beschwerdeführer mit Berufung bekämpften Bescheid änderte die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 38 Abs. 1 AsylG dahin gehend ab, dass der Antrag des Beschwerdeführers vom 11. Oktober 2001 "im Grunde des § 15 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen" werde.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, gemäß dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Juni 2001, G 138/00 u.a., wäre das Bundesasylamt - bei Fehlen einer anderen als der auf § 19 AsylG gegründeten vorläufigen Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers - verpflichtet gewesen, die Erteilung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit dem Bescheid vom 27. Juni 2001 zu verbinden. Das Unterbleiben dieses Ausspruches mache den erstinstanzlichen Bescheid (gemeint offenbar: den Ausspruch gemäß § 8 AsylG) rechtswidrig. Da der Beschwerdeführer den zweiten Spruchpunkt des Bescheides vom 27. Juni 2001 allerdings unbekämpft gelassen habe, könne die belangte Behörde nicht in die Lage kommen, ihm die befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen. Die Rechtswidrigkeit sei jedoch nur mittels Berufung, "nicht aber mittels selbständigen, an das Bundesasylamt gerichteten Antrages (dessen Zulässigkeit das Vorliegen eines 'selbständigen Verfahrensgegenstandes' voraussetzte) zu bekämpfen". Wenn Rohrböck in seinem Kommentar zum AsylG (Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (1999) Rz 493) eine Antragslegitimation ausdrücklich bejaht habe, so sei er dabei "gerade von der vom Verfassungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht, dass die Entscheidung nach § 15 AsylG (stets) einen selbständigen Verfahrensgegenstand bilde, ausgegangen". Der Antrag des Beschwerdeführers sei daher "mangels Antragslegitimation" als unzulässig zurückzuweisen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der angefochtene Bescheid wurde zwar - nach den Behauptungen der belangten Behörde in der Gegenschrift - auf Grund eines Kanzleiversehens erst am 26. Juni 2002 abgefertigt, trägt aber das Genehmigungsdatum 29. November 2001. Der in der Beschwerde vertretenen Ansicht, er sei durch die zum gleichen Thema ergangene Senatsentscheidung der belangten Behörde vom 24. Juni 2002 (vgl. zu dieser das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2002/20/0399) "überholt", vermag sich die belangte Behörde dessen ungeachtet nicht anzuschließen. Stattdessen heißt es in der Gegenschrift:

     "Hinsichtlich des Bescheides des Senates I des unabhängigen

Bundesasylsenates vom 24.6.2002 ist zunächst einzuräumen, dass zu

diesem ... Bescheid insoferne eine Divergenz besteht, als der hier

angefochtene Bescheid eben jene Erledigung - Zurückweisung des

Antrages - ausgesprochen hat, welche mit der Senatsentscheidung in

eine bloße Behebung abgeändert wurde. Freilich lässt die

Begründung dieser Senatsentscheidung - welche keinerlei

Rechtsausführungen enthält, welche mit dem hier angefochtenen

Bescheid des gefertigten Einzelmitgliedes in Widerspruch stehen

... - nicht erkennen, warum der im dortigen Verfahren angefochtene

Bescheid des Bundesasylamtes nicht nur hinsichtlich seiner

Begründung, sondern auch hinsichtlich seines Spruches abgeändert

wurde ... enthält (der Senatsbescheid) ... keine Sanierung des

eingetretenen Versäumnisses, insbesondere auch keine

Handlungsanleitung für das Bundesasylamt, wie dieses im

fortgesetzten Verfahren ... verfahren solle, dies im Unterschied

zum angefochtenen Bescheid, der diese Antwort bereits selbst, in Ausschöpfung der der Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG zugewiesenen Befugnis und Verpflichtung, sehr wohl gegeben hat."

Diese Ausführungen sind stellenweise - etwa in der Formulierung, der Bescheid vom 24. Juni 2002 habe eine erstinstanzliche Zurückweisung eines Antrages "in eine bloße Behebung abgeändert", und in den abschließenden Bemerkungen über die Vorteile der Zurückweisung eines Antrages - schwer verständlich, scheinen aber insgesamt zum Ausdruck zu bringen, dass die erwähnte Senatsentscheidung mangelhaft begründet und im Ergebnis falsch sei. Dem ist zunächst aus den Gründen, aus denen die dagegen erhobene Amtsbeschwerde des Bundesministers für Inneres mit dem schon zitierten Erkenntnis vom heutigen Tag abgewiesen wurde, nicht beizupflichten. Im Einzelnen wird hiezu gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.

Darüber hinaus ist zu erwähnen, dass sich die in der Gegenschrift kritisierte Senatsentscheidung der belangten Behörde nicht nur auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Juni 2001, sondern aus der eigenen Vorjudikatur auf einen Bescheid vom 25. April 2002 stützt, der vom selben Einzelmitglied der belangten Behörde stammt wie der hier angefochtene Bescheid und die Gegenschrift. In diesem - mit dem Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2002/20/0333, bestätigten - Bescheid wurde zur Frage, ob der Antrag vom Bundesasylamt inhaltlich zu behandeln sei, im Anschluss an die Bejahung der Verpflichtung des Bundesasylamtes zur amtswegigen Erteilung der befristeten Aufenthaltsberechtigung u. a. ausgeführt:

"Das Bundesasylamt ist dieser Verpflichtung nun auch nicht etwa dadurch ledig geworden, dass es diese verletzt hat; vielmehr dauert diese Verpflichtung, ungeachtet des - gleichwohl zulässigen (vgl. ROHRBÖCK, Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl. Kommentar, Rz 493; vgl. auch UBAS vom 20.12.2001, Zl. 217.568/3- II/04/01) - Antrages des Berufungswerbers weiter an. Das Bundesasylamt wird sich daher unverzüglich damit auseinander zu setzen haben, ob für die Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung an den Berufungswerber die 'übrigen Voraussetzungen' vorliegen ... Liegen die Voraussetzungen zum Zeitpunkt des Abschlusses der Prüfung noch vor, dann hat das Bundesasylamt die befristeten (gemeint: befristete) Aufenthaltsberechtigung zu erteilen; andernfalls ist im gegenständlichen Fall, in dem ein förmlicher Antrag auf Erteilung gestellt wurde, dieser Antrag mit Bescheid abzuweisen (nicht aber etwa, wie im gegenständlichen Fall geschehen, als unzulässig zurückzuweisen)."

Genau dieser - zumindest vorübergehend aktuelleren - Position der belangten Behörde entsprechend hat sich das Bundesasylamt, ausgehend von der Annahme, die Voraussetzungen einer stattgebenden Erledigung seien nicht gegeben, im vorliegenden Fall (anders als in den mit den Erkenntnissen vom heutigen Tag, Zl. 2002/20/0333 und Zl. 2002/20/0399, erledigten Fällen) verhalten.

Die dem gegenüber im angefochtenen Bescheid und nunmehr - anders als in den dazwischen liegenden Bescheiden vom 25. April 2002 und vom 24. Juni 2002 - im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wieder vertretene Gegenposition der belangten Behörde läuft nicht darauf hinaus, dass die Erteilung der befristeten Aufenthaltsberechtigung wegen der Unzulässigkeit eines gesonderten Antrages überhaupt nicht durchsetzbar sein solle. Letzteres würde eine Rückkehr zur früheren Rechtslage bedeuten, die in diesem Punkt besonders heftig kritisiert worden war (vgl. etwa Davy, Asylrecht und internationales Flüchtlingsrecht II (1996) 156 f). Dass davon abgegangen werden sollte, wird entstehungsgeschichtlich schon durch die Erläuterungen des Ministerialentwurfes zu einem Fremdenrechtsänderungsgesetz (1996) belegt, die den später Gesetz gewordenen Teil der damals ins Auge gefassten Regelung einer zweiten Fallgruppe, in der die befristete Aufenthaltsberechtigung ausdrücklich "nur von Amts wegen" erteilt werden sollte, gegenüber stellten.

Die belangte Behörde meint jedoch im vorliegenden Fall, aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes - das in einem spezifisch verfassungsrechtlichen Kontext vom Fehlen eines "selbständigen Verfahrensgegenstandes" spricht und die Erteilung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit einer "Nebenbestimmung" vergleicht - sei abzuleiten, dass die Durchsetzung nur im Wege einer Berufung gegen den Bescheid, mit dem gemäß § 8 AsylG der Schutz vor Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat gewährt wurde, möglich sein solle, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung der befristeten Aufenthaltsberechtigung wegen des Fehlens einer vom Asylverfahren unabhängigen Aufenthaltsberechtigung schon im Asylverfahren eintreten (vgl. dazu das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2002/20/0399; auf dieses "Stadium" beschränken sich jedenfalls die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes).

Diese Schlussfolgerung auf die (zumindest zeitweise) Unzulässigkeit eines außerhalb einer Berufung gestellten Antrages - worüber das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes keinerlei Ausführungen enthält - ist aber jedenfalls nicht zwingend und nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu ziehen. Hat die Berufungsbehörde nämlich - worauf sich die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes beziehen - bei der positiven Erledigung einer Berufung gegen die Nichtgewährung des Abschiebungsschutzes zugleich auch von Amts wegen die befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, die bei Gewährung von Abschiebungsschutz in erster Instanz schon vom Bundesasylamt mit dieser zu verbinden ist, und bedeutet dies wegen des engen Zusammenhanges nicht, dass der belangten Behörde - wie im verfassungsgerichtlichen Verfahren behauptet - "mangels irgendeines Anfechtungsgegenstandes" - eine erstinstanzliche Angelegenheit zugewiesen wird, so ändert sich daran auch nichts, wenn die Partei einen darauf abzielenden Antrag stellen kann. Die Konsequenz der im angefochtenen Bescheid vertretenen Betrachtungsweise, dass nämlich mangels Erhebung einer Berufung gegen den Ausspruch über die Gewährung des Abschiebungsschutzes die Rechtskraft der unvollständigen Entscheidung deren Ergänzung entgegen stünde, will auch die belangte Behörde nicht ziehen. Wenn es im angefochtenen Bescheid an einer Stelle heißt, das Bundesasylamt werde die Erteilung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nun "gegebenenfalls" von Amts wegen nachzuholen haben, so scheint das mit den Gründen, aus denen ein diesbezüglicher Antrag nicht zulässig sein soll, aber nicht kombinierbar zu sein.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 17. September 2003

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002200427.X00

Im RIS seit

10.10.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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