RS OGH 1984/12/4 10Os160/84, 10Os211/84, 14Os116/05y, 13Os1/07g

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 04.12.1984
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Norm

StGB §28 D
StPO §281 Abs1 Z10 B
StPO §282 C

Rechtssatz

1) Ungeachtet der Annahme eines Fortsetzungszusammenhangs zwischen den betreffenden Taten kann die Anklage (und dementsprechend auch das Urteil) auf bestimmte Einzelfakten (hier: auf den Diebstahl von durch Art und Menge bestimmten Sachen) präzisiert und damit beschränkt sein.

2) Betrifft das Urteil dagegen (nach Spruch und Gründen) ein "fortgesetztes Delikt" in seiner Gesamtheit, dann erfaßt es uneingeschränkt alle in dem betreffenden Zeitraum begangenen Taten dieser Art (hier: alle Diebstähle von Gußkästen und Elektromaterial).

3) Die dadurch, daß es sich auf ein fortgesetztes Delikt in seiner Gesamtheit erstreckt, im Vergleich zu der auf Einzelfakten gerichteten Anklage vergrößerte Reichweite eines Urteils kann vom Angeklagten gleichwie vom Ankläger angefochten werden.

4) Beim Umfang der Diebsbeute aus einem vollständig abgeurteilten fortgesetzten Delikt geht es (anders als beim Beuteumfang aus Einzelfakten) nicht um das (objektbezogene) Substrat der strafbaren Handlung als solches (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a), sondern nur um die Berechnung des Gesamtwertes der (pauschal erfaßten) gestohlenen Sachen mit einem Mindestbetrag (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO).

Entscheidungstexte

  • 10 Os 160/84
    Entscheidungstext OGH 04.12.1984 10 Os 160/84
  • 10 Os 211/84
    Entscheidungstext OGH 02.07.1985 10 Os 211/84
    Vgl auch
  • 14 Os 116/05y
    Entscheidungstext OGH 22.11.2005 14 Os 116/05y
    Vgl aber; Beisatz: Hinweis, wonach in jüngerer Rechtsprechung die Rechtsfigur des fortgesetzten Deliktes zugunsten der deliktsspezifisch angelegten tatbestandlichen Handlungseinheit aufgegeben wurde. (T1)
  • 13 Os 1/07g
    Entscheidungstext OGH 11.04.2007 13 Os 1/07g
    Verstärkter Senat; Vgl aber; Beisatz: Soweit in früherer Rechtsprechung unter dem Begriff des „fortgesetzten Delikts" (nach Maßgabe zuweilen geforderter, indes uneinheitlich gehandhabter weiterer Erfordernisse) mehrere den gleichen Tatbestand (ob versucht oder vollendet) erfüllende, mit einem „Gesamtvorsatz" begangene Handlungen zu einer dem Gesetz nicht bekannten rechtlichen Handlungseinheit mit der Konsequenz zusammengefasst wurden, dass durch die je für sich selbständigen gleichartigen Straftaten doch nur eine einzige strafbare Handlung begründet würde, hat der Oberste Gerichtshof diese Rechtsfigur der Sache nach bereits mit der Bejahung ihrer prozessualen Teilbarkeit durch die Grundsatzentscheidung SSt 56/88 = EvB l1986/123 aufgegeben. Seither reduziert er deren Bedeutung auf den unverzichtbaren Kernbereich der der Rechtsfigur zugrunde liegenden Vorstellung, den er als tatbestandliche Handlungseinheit bezeichnet.In der Anerkennung des Fortsetzungszusammenhangs bloß nach Maßgabe tatbestandlicher Handlungseinheiten liegt gezielte Ablehnung einer absoluten Sicht des fortgesetzten Delikts und ein Bekenntnis zur deliktsspezifischen Konzeption. Denn der Unterschied zwischen der Rechtsfigur des fortgesetzten Delikts und der tatbestandlichen Handlungseinheit besteht darin, dass die Rechtsfigur des fortgesetzten Delikts aus dem allgemeinen Teil des materiellen Strafrechts abgeleitet wird, die der tatbestandlichen Handlungseinheit aber gleichartige Handlungen nach Maßgabe einzelner Tatbestände zusammenfasst. Die Kriterien einer Zusammenfassung können demnach durchaus deliktsspezifisch verschieden sein, ohne dass daraus das ganze Strafrechtssystem erfassende Widersprüche auftreten. Von einer tatbestandlichen Handlungseinheit spricht man im Anschluss an Jescheck/Weigend5 (711 ff) bei einfacher Tatbestandsverwirklichung, also der Erfüllung der Mindestvoraussetzungen des gesetzlichen Tatbestands, insbesondere bei mehraktigen Delikten und Dauerdelikten (tatbestandliche Handlungseinheit ieS) und dort, wo es nur um die Intensität der einheitlichen Tatausführung geht (SSt 56/88), demnach bei wiederholter Verwirklichung des gleichen Tatbestands in kurzer zeitlicher Abfolge, also bei nur quantitativer Steigerung (einheitliches Unrecht) und einheitlicher Motivationslage (einheitliche Schuld), auch wenn höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Träger verletzt werden, sowie bei fortlaufender Tatbestandsverwirklichung, also der Annäherung an den tatbestandsmäßigen Erfolg durch mehrere Einzelakte im Fall einheitlicher Tatsituation und gleicher Motivationslage, etwa beim Übergang vom Versuch zur Vollendung oder bei einem Einbruchsdiebstahl in zwei Etappen (tatbestandliche Handlungseinheit iwS). (T2)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:RS0090603

Dokumentnummer

JJR_19841204_OGH0002_0100OS00160_8400000_001
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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