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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FinStrG §115;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des C in M, vertreten durch Dr. Martina Zadra, Rechtsanwalt in 1190 Wien, Döblinger Hauptstraße 48, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 10. September 2002, Zl. RV/91-10/02, betreffend Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 31. Oktober 2001 leitete das Finanzamt gegen den Beschwerdeführer gemäß § 83 Abs. 1 FinStrG das Finanzstrafverfahren ein, weil der Verdacht bestehe, dass er als Geschäftsführer und somit steuerlich Verantwortlicher der V.H. GmbH vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht Verkürzungen an Umsatz- und Körperschaftsteuer für die Jahre 1998 bis 2000 in noch festzusetzender Höhe bewirkt habe, indem er unrichtige Abgabenerklärungen eingebracht habe. Er habe damit das Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 FinStrG begangen. In der Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe lt. Feststellungen "bei der laufenden Betriebsprüfung betrieblich bedingte Zahlungen auf verschiedene Bankkonten erhalten, diesbezügliche Kontoauszüge aber trotz mehrfacher Aufforderungen nicht vorgelegt". Dieses Verhalten sei geeignet, den angeführten Verdacht in objektiver und subjektiver Hinsicht zu begründen.
Die gegen diesen Einleitungsbescheid eingebrachte Administrativbeschwerde wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Dabei wurde der Spruch des Einleitungsbescheides dahingehend ergänzt, dass nach dem Passus "als Geschäftsführer" die Worte "bzw. als faktischer Machthaber" eingefügt wurden. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird ausgeführt, die Administrativbeschwerde sei u. a. damit begründet, dass die im Einleitungsbescheid genannten Kontoauszüge erstmals mit Schreiben vom 19. September 2001 angefordert worden seien. Seit 7. September 2001 werde die V.H. GmbH nicht mehr durch den Beschwerdeführer, sondern durch A.T. vertreten. A.T. habe am 30. Oktober 2001 schriftlich bei den kontoführenden Stellen die Kontoauszüge angefordert. Zu den fünf angeführten Konten habe der Beschwerdeführer mitgeteilt, dass davon nur zwei Konten in der Zeit seiner Geschäftsführertätigkeit geführt worden seien und er nunmehr zu diesen Konten die gehörigen Auszüge und Belege vorlege. Durch die Kontenvorlage sei der - ohnedies zu Unrecht angenommene Tatverdacht - ausreichend entkräftet, weshalb der Antrag auf Aufhebung des Einleitungsbescheides gestellt werde. Im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides wird ausgeführt, bei der V.H. GmbH sei für den Zeitraum 1997 bis 1999 eine Betriebsprüfung durchgeführt worden, welche mit der Schlussbesprechung vom 19. Juni 2001 beendet worden sei. Vor Ausfertigung des Prüfungsberichtes sei beim Betriebsprüfer eine Mitteilung eingelangt, dass es sich bei Rechnungen einer Partnerfirma des Unternehmens, nämlich der D.P. GmbH, um Scheinrechnungen gehandelt habe. Des Weiteren hätten Erhebungen bei der H.B. GmbH ergeben, dass von diesem Unternehmen Zahlungen an die V.H. GmbH gegangen seien, die bei dieser GmbH offensichtlich keinen Eingang in die Buchhaltung gefunden hätten. Diese Umstände seien zum Anlass genommen worden, um eine neuerliche Prüfung nach § 99 FinStrG durchzuführen. Zum Zwecke der Überprüfung der Kontogebarung der V.H. GmbH sei die Finanzstrafbehörde erster Instanz um die Einleitung eines Strafverfahrens ersucht worden. Der Beschwerdeführer sei vom 14. April 1999 bis 29. September 2001 alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der V.H. GmbH gewesen. Die Finanzstrafbehörde zweiter Instanz habe in Form einer Momentaufnahme im Zeitpunkt der Entscheidung festzustellen, ob ein begründeter Tatverdacht bestehe oder nicht. Da dem gegenständlichen Verfahren keine Ergebnisse einer abgeschlossenen Prüfung zu Grunde lägen, sei zunächst zur "Verbreiterung der Entscheidungsgrundlagen" der Stand des Betriebsprüfungsverfahrens zu erheben gewesen. Vor Einleitung des Finanzstrafverfahrens sei bereits bekannt gewesen, dass die V.H. GmbH im Jahr 1998 zwar über keinen im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführer verfügt habe, jedoch nach Ausscheiden des vorherigen Geschäftsführers V.H., des Vaters des Beschwerdeführers, der Beschwerdeführer bereits im Jahr 1997 faktisch die Geschäfte der GmbH übernommen und Rechnungen ausgestellt habe. Der Betriebsprüfer habe im Zuge einer Zeugeneinvernahme am 5. September 2002 ausgesagt, dass der Beschwerdeführer ihm in Gesprächen während der ersten Betriebsprüfung auch gesagt habe, dass Zahlungen in der Geschäftsbeziehung mit der H.B. GmbH in der Größenordnung von ca. 150.000 S bar erfolgt seien. Durch Erhebungen bei der H.B. GmbH stehe fest, dass nicht alle Zahlungen Eingang in das Rechenwerk gefunden hätten, die entsprechenden Kontoverbindungen seien durch Einsichtnahme in das Belegwesen und die Kontoauszüge der H.B. GmbH aufgefunden worden. Aus diesem Umstand sowie der Tatsache, dass 1998 drei verschiedene Sorten von Ausgangsrechnungen Verwendung gefunden und "bei laufender Durchnummerierung, zahlreiche Rechnungen nicht vorgelegt werden konnten," habe sich der begründete Tatverdacht ergeben, dass umfangreiche Einnahmen im Zuge der ersten Prüfung nicht offen gelegt worden seien und die Kontoerhebungen Aufschlüsse über die tatsächlichen Umsätze des Unternehmens ergeben könnten. Nach Auskunft des Betriebsprüfers habe die Vorlage der beiden Bankkonten im Zuge der Administrativbeschwerde den Tatverdacht keinesfalls entkräften können, weil diese Unterlagen dem Betriebsprüfer bereits seit ca. einem Jahr bekannt gewesen seien. Die auf Grund der Einleitung des Finanzstrafverfahrens angeforderten Bankunterlagen zu zwei (näher angeführten) Bankkonten bestätigten den Verdacht der Behörde. Es treffe zwar zu, dass diese Konten Zeiträume umfassten, in denen eine handelsrechtliche Geschäftsführerschaft des Beschwerdeführers noch nicht bestanden habe, jedoch sei dieser auf beiden Konten zeichnungsberechtigt gewesen. Ein Konto sei von ihm eröffnet worden und habe ca. zwei Monate im Jahr 1998 bis 2. März 1998 bestanden. Das andere Konto weise V.H. und den Beschwerdeführer als Zeichnungsberechtigte aus und auf dieses Konto seien Zahlungen eingegangen, die gegenüber der Behörde nicht offen gelegt worden seien. Des Weiteren liege eine neue Kontrollmitteilung des Finanzamtes P. über eine Rechnung der "Firma" N." vom 2. Juli 1998 in der Höhe von 130.000 S vor; auch diese Rechnung sei nicht im Rechenwerk der V.H. GmbH erfasst. Die belangte Behörde sei zu dem Schluss gekommen, dass der begründete Tatverdacht bestehe, der Beschwerdeführer habe zunächst in seiner Funktion als tatsächlich Wahrnehmender der Geschäftsbeziehungen der H.V. GmbH, ab 14. April 1999 dann auch als handelsrechtlicher Geschäftsführer vorsätzlich nicht alle Umsätze einer Besteuerung zugeführt und somit durch die Abgabe unrichtiger Erklärungen eine Abgabenverkürzung bewirkt. Die konkrete Abgabennachforderung werde dem Beschwerdeführer nach Abschluss der Betriebsprüfung im nachfolgenden Untersuchungsverfahren mitzuteilen sein.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 157 erster Satz FinStrG ist auf das Rechtsmittelverfahren u.a. auch die Bestimmung des § 115 FinStrG sinngemäß anzuwenden, nach welcher die Finanzstrafbehörde im Untersuchungsverfahren den für die Erledigung der Strafsache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen festzustellen und dem Beschuldigten sowie dem Nebenbeteiligten Gelegenheit zu geben hat, ihre Rechte und rechtlichen Interessen geltend zu machen.
Im Beschwerdefall ist festzuhalten, dass der erstinstanzliche Einleitungsbescheid den gegen den Beschwerdeführer erhobenen Vorwurf der Abgabenhinterziehung in Hinblick auf den objektiven und den subjektiven Tatbestand im Wesentlichen nicht (vgl. zu den diesbezüglichen Begründungserfordernissen für viele beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Dezember 1998, 98/15/0060, vom 20. Jänner 1999, 98/13/0120, und vom 3. Juli 2003, 2003/15/0047) bzw. noch völlig anders begründet hat als der angefochtene Bescheid. Nachdem der Beschwerdeführer in seiner Administrativbeschwerde zu dem im Einleitungsbescheid vom 31. Oktober 2001 erhobenen Vorwurf der nicht erfolgten Vorlage von Kontoauszügen Stellung genommen hatte, führte die belangte Behörde ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durch (insbesondere Einvernahme des Betriebsprüfers) und erließ sodann den angefochtenen Bescheid, in dem erstmals nähere Ausführungen zur Verdachtslage in Bezug auf das vorgeworfene Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung enthalten sind. Auch im Verfahren zur Einleitung eines Finanzstrafverfahrens ist der Partei zumindest Gelegenheit zur Gegendarstellung zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen zu geben, sodass die in der Beschwerde erhobene Rüge des unterbliebenen Parteiengehörs zu Recht besteht. Da in der Beschwerde in Ausführung der Verfahrensrüge die im angefochtenen Bescheid zur Stützung des Tatverdachtes enthaltenen Ausführungen mit näherer Begründung im Einzelnen bestritten werden (so stammten z.B. alle von der Behörde vermuteten Malversationen aus dem Jahr 1998, die Annahme der faktischen Geschäftsführerschaft durch den Beschwerdeführer schon vor seiner formellen Bestellung zum Geschäftsführer per 14. April 1999 sei unzutreffend und Aussagen über die bloße Zeichnungsberechtigung auf einem Bankkonto sagten beispielsweise noch nichts über den Verdacht einer inkriminierten Vorgangsweise aus, zumal er eine nicht erfolgte Offenlegung von Bankeingängen während seiner Zeit als Geschäftsführer ausschließen könne), kann die Relevanz des Verfahrensvorwurfes auch nicht ausgeschlossen werden. Der angefochtene Bescheid war somit bereits deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, wobei von der beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden konnte.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den in der Stellungnahme zur Gegenschrift gesondert geltend gemachten Schriftsatzaufwand von 908 EUR, weil § 48 Abs. 1 VwGG Schriftsatzaufwand nur für die Einbringung der Beschwerde vorsieht (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 686).
Wien, am 18. September 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002150182.X00Im RIS seit
15.10.2003