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24/01 Strafgesetzbuch;Norm
RAO 1868 §5 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des Dr. G in G, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 16. April 2003, Zl. 908.235/1- III 6/2002, betreffend Streichung aus der Verteidigerliste, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund des Vorbringens in der Beschwerde und des vorgelegten, angefochtenen Bescheides sowie der weiters vorgelegten Beilagen geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:
Der Beschwerdeführer wurde im Jahr 1986 in die vom Präsidenten der Oberlandesgerichtes X geführte Verteidigerliste und im Jahr 1987 in die Liste der Rechtsanwälte im Bundesland Y eingetragen (Anmerkung: das Geburtsdatum des Beschwerdeführers und damit sein Alter ist aktenkundig, wird aber aus Gründen der Anonymisierung hier nicht angeführt, wie auch sonst gewisse Daten nur verkürzt wiedergegeben werden).
Mit Urteil des Landesgerichtes Z als Schöffengericht vom 31. Juli 1997 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der teils versuchten, teils vollendeten geschlechtlichen Nötigung nach den § 202 Abs. 1 und § 15 StGB (es geht um zwei Fälle) und des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach dem § 207 Abs. 1 StGB (es betrifft dies einen Fall) schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten verurteilt, wobei ein Teil dieser Freiheitsstrafe im Ausmaß von acht Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde (Anmerkung: der vollständige Wortlaut des Schuldspruches wird übereinstimmend im angefochtenen Bescheid wie auch in der Beschwerde wiedergegeben). Mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 22. April 1998 wurde die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verworfen und seiner Berufung nicht Folge gegeben. Ein Wiederaufnahmeantrag blieb erfolglos. Mit Beschluss vom 2. September 1999 wurde hingegen seinem Antrag auf nachträgliche Strafmilderung Folge gegeben und die ursprünglich in der Höhe von 12 Monaten verhängte Freiheitsstrafe auf zehn Monate herabgesetzt, wobei ein Teil der Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Als Grund hiefür wurde die nachträgliche Schadenswiedergutmachung hinsichtlich der beiden Frauen, welche Opfer der Vergehen der teils versuchten, teils vollendeten geschlechtlichen Nötigung gewesen seien, sowie die Bereitschaft zur Schadenswiedergutmachung bezüglich des (zum Tatzeitpunkt) unmündigen Mädchens herangezogen, weiters wurde das Vorliegen eines Strafmilderungsgrundes im Sinne des § 32 Abs. 2 und des § 34 Z 11 StGB festgestellt.
Auf Grund der Ergebnisse des Strafverfahrens wurde der Beschwerdeführer vom Disziplinarrat der örtlich zuständigen Rechtsanwaltskammer im Jahr 1996 zunächst das Vertretungsrecht in Strafsachen vor dem Landesgericht Z in weiterer Folge das Vertretungsrecht vor allen Gerichten in Strafsachen im Bundesgebiet entzogen. 1998 wurde über den Beschwerdeführer die Disziplinarstrafe der Streichung von der Liste der Rechtsanwälte im Bundesland Y verhängt, seiner dagegen erhobenen Berufung wurde keine Folge gegeben. Auf Grund dessen verfügte der Ausschuss der örtlich zuständigen Rechtsanwaltskammer am 22. August 2000 die amtswegige Löschung des Beschwerdeführers aus der Liste der Rechtsanwälte im Bundesland Y.
Offenbar bereits aus Anlass der im Jahr 1996 vom Disziplinarrat der örtlich zuständigen Rechtsanwaltskammer verhängten einstweiligen Maßnahmen wurde der Beschwerdeführer aus der vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes X geführten Verteidigerliste faktisch gestrichen, ohne dass ein förmliches Verfahren durchgeführt, oder dass hierüber bescheidmäßig abgesprochen worden wäre.
Mit Schriftsatz vom 30. November 2001 beantragte der Beschwerdeführer beim Präsidenten des Oberlandesgerichtes X die "Eintragung in die Verteidigerliste", weil ihm mitgeteilt worden sei, dass er in der Verteidigerliste nicht mehr aufscheine. Er habe einen entsprechenden Bescheid jedoch nicht erhalten. Daher beantrage er "die Ausstellung einer Amtsbestätigung", hilfsweise die Erlassung eines Feststellungsbescheides dahin, dass er noch immer in der Verteidigerliste eingetragen sei. Sollte seine Ausschließung aus dieser Liste bislang noch nicht erfolgt sein, wäre eine nunmehrige Streichung im Hinblick auf die lang zurückliegenden Ereignisse und sein Wohlverhalten nicht gerechtfertigt. Für den Fall, dass seine Streichung aus der Verteidigerliste formlos vorgenommen worden wäre, beantrage er die Aufnahme in diese Liste.
Mit dem erstinstanzlichen Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes X vom 27. Mai 2002 wurde der Beschwerdeführer aus der von diesem Präsidenten zu führenden Liste gestrichen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung nicht Folge gegeben und der bekämpfte erstinstanzliche Bescheid bestätigt.
Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der Vorgeschichte aus, im Hinblick auf den Antrag des Beschwerdeführers vom 30. November 2001 seien vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes X daraufhin die Oberstaatsanwaltschaft X, sowie die Rechtsanwaltskammern für die Bundesländer Y und Q um Mitteilung ersucht worden, ob aus deren Sicht nach wie vor Umstände vorlägen, die einen Ausschluss des Beschwerdeführers von der Tätigkeit der Strafverteidiger bewirken würden.
Die Oberstaatsanwaltschaft X habe sich gegen die Aufnahme des Beschwerdeführers in die Verteidigerliste ausgesprochen, weil er den unbedingten Teil der über ihn vom Landesgericht Z verhängten und nachträglich gemilderten Freiheitsstrafe erst am 24. Februar 2000 verbüßt und die Tilgungsfrist erst mit dem Vollzug der Strafe zu laufen begonnen habe.
Der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer für das Bundesland Q habe mitgeteilt, dass ihm der Beschwerdeführer unbekannt sei, weil er nie in der Liste dieser Rechtsanwaltskammer eingetragen gewesen sei. Es lägen daher auch keine begründbaren Bedenken gegen die begehrte Eintragung in die Verteidigerliste vor.
Der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer für das Bundesland Y habe dargelegt, dass ihm außer den seinerzeit zur Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte Anlass gebenden Vorfällen keine weiteren Umstände bekannt geworden seien, die gegen die gebotene Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers sprechen würden, der jedoch seit der Streichung aus der Liste nicht mehr der standesrechtlichen Aufsicht unterliege. Der zwischenzeitlich von ihm am 6. Juni 2001 gestellte Antrag auf Wiedereintragung in die Liste der Rechtsanwälte sei mangels Ablaufes der Sperrfrist des § 18 des Disziplinarstatutes (DSt) ohne materielle Prüfung zurückgewiesen worden.
In seiner Stellungnahme zu diesen Äußerungen habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass er zwar erst am 24. Februar 2000 die nachträglich gemilderte Freiheitsstrafe verbüßt habe, jedoch die zugrundeliegenden Tathandlungen größtenteils in den Jahren 1994 und 1995 stattgefunden hätten und er seit Mai 1996 in keiner Weise mehr auffällig geworden sei. Vielmehr habe er sich mit seinem seinerzeitigen persönlichen Problem auseinander gesetzt, eine psychotherapeutische Langzeittherapie bei einer kompetenten fachlich versierten Ärztin absolviert und sich jeglichen Alkoholkonsums enthalten. Im Übrigen habe eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Richtern seine Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte befürwortet.
Mit dem erstinstanzlichen Bescheid sei sodann der Beschwerdeführer aus der Verteidigerliste gestrichen worden. Zur Begründung sei im Wesentlichen ausgeführt worden, dass er zunächst faktisch ohne Bescheid gestrichen worden sei (wird näher dargelegt). Da dieser Vorgang nicht rechtsverbindlich sei, gelte er weiterhin als eingetragener Verteidiger, weshalb die Verteidigerliste entsprechend zu berichtigen gewesen sei. Mangels tatsächlicher Ausübung der Rechtsanwaltschaft seien die Voraussetzungen für die Eintragung in die bzw. die Aufrechterhaltung der Eintragung in der Verteidigungsliste nach dem zweiten Satz des § 39 Abs. 3 StPO nicht erfüllt, sodass das Vorliegen der Erfordernisse nach dem dritten Satz dieser Bestimmung, insbesondere der Vertrauenswürdigkeit im Sinn des § 5 Abs. 2 RAO, zu prüfen sei. Da hiebei Gedanken der Resozialisierung keine Rolle spielten, könne die psychotherapeutische Langzeittherapie und die Aufarbeitung des seinerzeitigen Verhaltens unter medizinischer Kontrolle nicht zur Wiederherstellung der Vertrauenswürdigkeit führen. Angesichts der Schwere des vom Beschwerdeführer in den Jahren 1994 und 1996 gesetzten Fehlverhaltens, insbesondere wegen des Zusammenhanges der Straftat bzw. der Disziplinarverfehlungen mit der Ausübung des Rechtsanwaltsberufes und des in derartige Berufe gesetzten besonderen Vertrauens, liege zur Zeit die Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers auch bei Berücksichtigung des behaupteten Bemühens um Schadenswiedergutmachung nicht vor, für deren Erbringung im Übrigen keinerlei Beweise erbracht worden seien. Bei Betrachtung des gesamten Verhaltens des Beschwerdeführers und nach Beurteilung des durch die disziplinäre und strafgerichtliche Verurteilung geprägten Vorlebens sei vielmehr davon auszugehen, dass ihm jene Charaktereigenschaften fehlten, die für die Ausübung des Berufes des Strafverteidigers verlangt werden müssten.
Dagegen habe der Beschwerdeführer eine zulässige und rechtzeitige Berufung erhoben, der jedoch keine Berechtigung zukomme.
Nach Wiedergabe des Wortlautes des § 39 Abs. 3 StPO heißt es weiter begründend, Voraussetzung für die Eintragung in die bzw. den Verbleib in der Verteidigerliste eines für die Rechtsanwaltschaft oder das Notariat geprüften Rechtsverständigen nach § 39 Abs. 3 dritter Satz StPO sei demnach, dass keine Umstände vorlägen, die ihn nach dem Gesetz von der Rechtsanwaltschaft oder vom Notariat ausschlössen. Nach § 5 Abs. 2 RAO sei die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte zu verweigern, wenn der Bewerber eine Handlung begangen habe, die ihn des Vertrauens unwürdig mache. Zur Erlangung einer Notarstelle werde gemäß § 6 Abs. 1 lit. a NO unter anderem gefordert, dass der Bewerber von ehrenhaftem Vorleben sei. Im Hinblick auf den engen Zusammenhang zwischen dieser Voraussetzung und der Vertrauenswürdigkeit sei auch dieses zu prüfen (Hinweis auf Wagner/Knechtel), Notariatsordnung5, § 6 Rz 4). Nach § 117a Abs. 3 NO könne die Eintragung in das Verzeichnis der Notariatskandidaten unter anderem bei mangelnder Vertrauenswürdigkeit verweigert werden. Somit sei eine Person, welcher die Vertrauenswürdigkeit fehle, vom Notariat ausgeschlossen. Die mangelnde Vertrauenswürdigkeit stelle daher auch ein Eintragungshindernis bzw. einen Ausschließungsgrund bezüglich der Verteidigerliste dar.
Soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, heißt es weiter, der Auffassung des Beschwerdeführers könne nicht beigetreten werden, es werde in den eingeholten Äußerungen zum Ausdruck gebracht, dass seine Vertrauenswürdigkeit derzeit vorliege. Es treffe zwar zu, dass in den Stellungnahmen der befassten Rechtsanwaltskammern keine neuen Umstände aufgezeigt worden seien, die gegen seinen Verbleib in der Verteidigerliste sprächen, doch sei dies dadurch bedingt, dass der Beschwerdeführer nie in die Liste der Rechtsanwälte im Bundesland Q eingetragen gewesen sei und seit seiner Streichung aus der Rechtsanwaltsliste der Aufsicht der Rechtsanwaltskammer für das Bundesland Y nicht mehr unterliege. Auch anlässlich seines Antrages auf Wiedereintragung in die Rechtsanwaltsliste habe sich diese Kammer mit seiner Vertrauenswürdigkeit überhaupt nicht auseinander gesetzt, sondern seinen Antrag allein wegen der ihrer Auffassung nach noch nicht abgelaufenen Sperrfrist des § 18 DSt zurückgewiesen.
Dem Beschwerdeführer sei allerdings dahin zuzustimmen, dass für die Frage, ob er aus der Verteidigerliste zu streichen sei, seine nunmehrige Vertrauenswürdigkeit - und nicht seine Vertrauenswürdigkeit zum Zeitpunkt seiner strafgerichtlichen Verurteilung - zu prüfen sei. Wenn sich der Gesetzgeber des Wortes "Vertrauenswürdigkeit" zur Umschreibung einer Eigenschaft bedient habe, über die auch ein Verteidiger verfügen müsse, habe er einen sogenannten unbestimmten Gesetzesbegriff gebraucht, der mittels der aus der Rechtsordnung unter Heranziehung der jeweiligen gesellschaftlichen Vorstellungen abzuleitenden Wertungen auszulegen sei. Bei der Prüfung der Vertrauenswürdigkeit komme es darauf an, ob das gesamte Verhalten geeignet sei, Vertrauen in die korrekte Berufsausübung zu erwecken, wobei ein strenger Maßstab anzulegen sei. Es sei unmaßgeblich, in welchen Bereichen die Ursachen für den Verlust der Vertrauenswürdigkeit gelegen seien, weil es nur darauf ankomme, ob das erforderliche Maß an Vertrauenswürdigkeit dem Verteidiger überhaupt zukomme oder nicht. Vorstrafen könnten bei der Prüfung der zur Ausübung des Verteidigerberufes erforderlichen Vertrauenswürdigkeit selbst noch nach ihrer Tilgung berücksichtigt werden; umso mehr gelte dies für noch nicht getilgte Verurteilungen. Auch bei längerem Wohlverhalten in anderen Berufsstellungen müsse die Fortdauer der Vertrauensunwürdigkeit angenommen werden, wenn sie auf Verfehlungen beruhe, die im reiferen Alter begangen worden seien und deren Schwere und Wiederholung auf Charaktermängel schließen ließen (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 21. Dezember 1999, Zl. 97/19/0787, und vom 15. Juni 1961, Zl. 723/60, Slg. NF Nr. 5591/A).
Die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe wegen insgesamt drei in den Jahren 1994 und 1996 (somit in einem näher bezifferten Alter) begangenen strafbaren Handlungen gegen die Sittlichkeit mache ihn unter der gebotenen Zugrundelegung eines strengen Maßstabes auch jetzt noch vertrauensunwürdig. Angesichts der wiederholten Begehung - teils schwerer - Straftaten während eines Zeitraumes von fast zwei Jahren sei die seither verstrichene Zeit, während der sich der Beschwerdeführer seinem Vorbringen zufolge wohlverhalten habe, jedenfalls noch zu kurz, um seine Vertrauenswürdigkeit wieder herzustellen, auch wenn man von der von ihm behaupteten Schadensgutmachung und seiner Auseinandersetzung mit den Ursachen der Taten im Rahmen einer psychotherapeutischen Langzeittherapie ausgehe. Irrelevant sei in diesem Zusammenhang sein Vorbringen, dass er bis heute seiner (zulässigen) Tätigkeit als Verteidiger in Strafsachen nicht nachgegangen sei, weil nicht ersichtlich sei, inwiefern dadurch sein Wohlverhalten unter Beweis gestellt werden solle. Seine Streichung aus der Verteidigerliste mangels Vertrauenswürdigkeit sei somit - jedenfalls derzeit - berechtigt.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der im Beschwerdefall maßgebliche § 39 Abs. 3 der Strafprozessordnung, BGBl. Nr. 631/1975, lautet:
"(3) Der Präsident jedes Gerichtshofes zweiter Instanz hat für seinen Sprengel eine Verteidigerliste anzulegen, mit Anfang eines jeden Jahres zu erneuern und allen Strafgerichten zuzustellen, bei denen sie zu jedermanns Einsicht offenzuhalten ist. In diese Liste sind vorerst alle im Sprengel des Gerichtshofes zweiter Instanz die Rechtsanwaltschaft wirklich ausübenden Rechtsanwälte aufzunehmen. Auf ihr Ansuchen sind aber auch für die Rechtsanwaltschaft oder das Notariat geprüfte Rechtsverständige aufzunehmen, sofern nicht Umstände vorliegen, die nach dem Gesetz die Ausschließung von der Rechtsanwaltschaft oder dem Notariat zur Folge haben. Wer sich durch die Ausschließung aus der Verteidigerliste gekränkt erachtet, kann sich binnen vierzehn Tagen, nachdem ihm die Entscheidung zugestellt worden ist, beim Bundesministerium für Justiz beschweren."
Nach § 5 Abs. 2 der Rechtsanwaltsordnung (RAO), RGBl. Nr. 96/1868, ist die Eintragung in die Liste (der Rechtsanwälte) zu verweigern, wenn der Bewerber eine Handlung begangen hat, die ihn des Vertrauens unwürdig macht.
Der Beschwerdeführer bringt (zusammengefasst) vor, die belangte Behörde berufe sich zwar auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, der Verwaltungsgerichtshof habe aber auch ausgesprochen, dass die Verneinung der Vertrauenswürdigkeit eines aus der Liste gestrichenen Rechtsanwalts nicht auf eine vor fast 20 Jahren erfolgte Verurteilung und die Schwere eines Deliktes allein gestellt werden könne, weil ein Mensch sich auch nach einem schweren Fehltritt völlig ändern und durch ehrlichen und anständigen Lebenswandel ein völlig verloren gegangenes Vertrauen wieder gewinnen könne (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1924, Zl. A 300/24, Slg. Nr. 13.644/A (richtig statt: "13.664" in der Beschwerde)). Daraus folge in jedem Fall, dass sich die belangte Behörde nicht habe damit begnügen können, seine nicht getilgte Verurteilung und die in diesem Zusammenhang stehende "Schwere" (in der Beschwerde in Anführungszeichen) der Handlungen darzustellen und allein daraus auf eine noch immer vorliegende Vertrauensunwürdigkeit zu schließen, sondern sie hätte sich mit den Umständen, die seinen Behauptungen zufolge zu einer Sanierung seiner "seinerzeitigen Mängel" geführt hätten, auseinander setzen müssen.
Im Konkreten habe er dabei nachstehende Umstände ins Treffen geführt: Er habe die Schadenswiedergutmachung als Zeichen seiner gedanklichen Umkehr angeführt. Weiters habe er eine psychotherapeutische Langzeittherapie absolviert und habe sich jeglichen Alkoholkonsums enthalten.
Hinsichtlich der Schadenswiedergutmachung sei der belangten Behörde entgegenzuhalten, dass er eine solche nicht nur behauptet habe, sondern sie habe vielmehr stattgefunden. Sie übersehe, dass die gegen ihn ursprünglich verhängte Freiheitsstrafe von 12 Monaten auf Grund der Schadenswiedergutmachung um zwei Monate auf zehn Monate, hievon drei Monate unbedingt, herabgesetzt worden sei. Der Umstand der Schadenswiedergutachtung sei ein gewichtiges Indiz dafür, dass seine Persönlichkeit eine entsprechende Weiterentwicklung erfahren habe, welche sich auch dadurch manifestiere, dass ein Fehlverhalten eingesehen worden sei und als Konsequenz daraus - neben dem Eingehen einer entsprechenden therapeutischen Behandlung - auch eine Befassung mit dem Schaden, welcher seinem damaligen Fehlverhalten entsprungen sei, stattgefunden habe. Eine Schadenswiedergutmachung setze voraus, dass er das damalige Opfer als verletzten Rechtsgutträger erkannt habe und freiwillig einen Schritt gesetzt habe, an dem von ihm begangenen Unrecht zu arbeiten. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei nicht nur das in der Vergangenheit gesetzte Verhalten des "Bewerbers" (gemeint: um die Eintragung in die Liste), sondern auch dessen Verhalten nach der Straftat und der Verurteilung zu berücksichtigen. Ein Wohlverhalten des Beschwerdeführers seit diesem Zeitpunkt sei daher bei der Prognose seines zukünftigen Verhaltens und bei der Beurteilung seiner Vertrauenswürdigkeit grundsätzlich zu beachten. Daraus folge, dass auch die Frage der Vertrauenswürdigkeit nicht nur auf einen Ist-Status abstelle, sondern in einem gewissen Umfang auch eine Prognoseentscheidung enthalten müsse.
Die Freiwilligkeit bestehe auch hinsichtlich der eingeleiteten psychotherapeutischen Behandlung, auf welche die belangte Behörde nicht eingegangen sei. Die belangte Behörde führe lediglich aus, dass auch eine Psycholangzeittherapie nicht in der Lage sei, eine Vertrauenswürdigkeit wieder herzustellen. Eine solche Therapie beabsichtige (aber) geradezu, nicht nur Ursachenforschung zu betreiben, sondern auf Grund gezielter therapeutischer Maßnahmen eine Änderung des gesamten Verhaltensmusters, allenfalls auch eines Teiles des Wertemusters des zu Behandelnden zu bewirken. Eine solche Therapie im Zusammenhang mit anderen Maßnahmen, welche eine Verhaltensveränderung des Beschwerdeführers bereits evident werden ließen (Schadenswiedergutmachung, Alkoholabstinenz), sei sehr wohl geeignet, auch innerhalb einer Zeit von sieben Jahren eine allenfalls fehlende Vertrauenswürdigkeit wieder herzustellen. Ohne darauf einzugehen, habe die belangte Behörde nicht die notwendigen sicheren Feststellungen treffen können. Zweifellos sei die Beiziehung eines Sachverständigen nicht unbedingt notwendig gewesen, weil eine solche nur dann anzuordnen sei, wenn die Verwaltungsvorschriften dies ausdrücklich vorsähen oder wenn die Beantwortung entscheidungsrelevanter Tatfragen ein besonderes Fachwissen erfordere, über welches das Verwaltungsorgan selbst nicht verfüge. Richtig sei sicherlich auch, dass die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit keine derartige Fachfrage sei, sondern eine Rechtsfrage. Ob jedoch ein vorliegender Charaktermangel durch eine gezielte Langzeittherapie behandelt werden könne und ob eine solche Behandlung auch tatsächlich zu einem Erfolg führe, sei keine Rechtsfrage sondern eine Tatfrage, und hätte von der belangten Behörde beurteilt werden müssen, allenfalls auch unter Beiziehung eines hiefür Sachverständigen.
Auch die freiwillige Alkoholabstinenz des Beschwerdeführers sei ein weiterer Anhaltspunkt, dass er an seinem Fehlverhalten und seinen Fehlleistungen gearbeitet habe. Insbesondere im Hinblick auf die - sich ebenfalls aus dem Strafakt ergebende - Alkoholunverträglichkeit und der im Zusammenhang stehenden herabgeminderten Schuldfähigkeit erscheine eine Änderung seines Verhaltens auch im Sinne einer wiederhergestellten Vertrauenswürdigkeit erkennbar.
In Anbetracht der von ihm auch in seiner Berufung angeführten Argumente, weshalb seine Vertrauenswürdigkeit nunmehr wiedergegeben sei, bedürfe es nochmals einer näheren Erläuterung dieses Begriffes. Dieser unbestimmte Gesetzesbegriff "Vertrauenswürdigkeit" sei aus der Rechtsordnung und unter Heranziehung der jeweiligen gesellschaftlichen Vorstellung abzuleitenden Wertungen auszulegen. Es komme darauf an, ob das gesamte Verhalten geeignet sei, Vertrauen in eine korrekte Berufsausübung zu wecken.
Als richtig sei der belangten Behörde zuzugestehen, dass dabei ein strenger Maßstab anzulegen sei, und dass der Gedanke einer Resozialisierung bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit keine Rolle spiele. Wohl sei aber eine Resozialisierung auch als Motivation für eine Änderung einer Persönlichkeit nicht unbeachtet zu lassen. Einfacher ausgedrückt bedeute dies, dass die wirtschaftlichen Komponenten beim Willen, einen Beruf auszuüben, bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit ohne jeden Belang seien. Wohl sei aber im konkreten Fall des Beschwerdeführers, welcher zahlreiche Maßnahmen gesetzt habe, um an seiner Persönlichkeitsänderung im positiven Sinn zu arbeiten, eine mögliche Resozialisierung als Ziel, somit auch als seine Motivation zu weiterem Wohlverhalten zu sehen. Dass er sich seit dem Jahr 1996 wohl verhalten habe, habe er mittlerweile unter Beweis gestellt. Wenn dem die belangte Behörde entgegenhalte, dass aus der Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer für das Bundesland Y dies nicht abgeleitet werden könne, weil er seit seiner Streichung aus der Liste der Aufsicht dieser Kammer nicht mehr unterlägen sei, so sei dem entgegenzuhalten, dass eine Streichung erst 1999 erfolgt sei und die amtswegige Löschung erst am 22. August 2000, der Beschwerdeführer somit bis zu diesem Tag in der Rechtsanwaltsliste dieser Kammer eingetragen gewesen sei und daher der Aufsicht jener Kammer bis zu diesem Tage unterlägen sei.
Die belangte Behörde wäre jedenfalls verhalten gewesen, sein gegenwärtiges Persönlichkeitsbild zu untersuchen. Allein der Bezug auf die wiederholte Begehung von Straftaten während eines Zeitraumes von fast zwei Jahren, nämlich in den Jahren 1994 bis 1996, könne nicht eine Beurteilung der mangelnden Vertrauenswürdigkeit im Sinne des § 5 Abs. 2 RAO ersetzen.
Die von der belangten Behörde genannten hg. Entscheidungen könnten nicht auf diesen Fall angewendet werden. So betreffe das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 1961 (Slg. NF Nr. 5591/A) den Fall eines 12mal gerichtlich verurteilten ehemaligen Verteidigers, welcher unter anderem wegen der Verbrechen der Erpressung sowie der Veruntreuung und der Verleumdung mehrfache unbedingte Haftstrafen zu verbüßen gehabt habe. Dabei sei vom Verwaltungsgerichtshof als besonderes Indiz für die mangelnde Vertrauenswürdigkeit bzw. als besonders ins Gewicht fallend gewertet worden, dass der damalige Beschwerdeführer diese Verfehlungen zum Teil im Zusammenhang mit der Ausübung seines früheren Berufes als Rechtsanwalt (und damit auch als Verteidiger in Strafsachen) begangen habe. Gerade dies könne dem Beschwerdeführer nicht vorgehalten werden. Seine Verurteilungen umfassten ein Verhalten, welches in keinem Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit stattgefunden habe. Selbst wenn dies nicht "automatisch" zu einer Wiederherstellung seiner Vertrauenswürdigkeit führen könne, sei darauf dennoch in Anbetracht seiner Bemühungen zur Wiederherstellung seiner Vertrauenswürdigkeit Bedacht zu nehmen.
Der belangten Behörde sei weiters entgegenzuhalten, dass auch eine Vorstrafe nicht automatisch zu einer Vertrauensunwürdigkeit eines Anwaltes oder Strafverteidigers führe. Bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit komme es nicht darauf an, ob die Person unbescholten sei, oder ob eine gerichtliche Strafe getilgt sei, sondern ausschließlich darauf, ob das gesamte berufliche und charakterliche Verhalten dieser Person geeignet sei, Vertrauen zur konkreten Ausübung des Anwaltsberufes (bzw. eines Verteidigers in Strafsachen) zu erwecken.
Letztlich werde ihm auch unterstellt, dass er Charaktermängel habe. Welche diese sein sollten, hätten die Behörden aber nicht festgestellt. Schließlich sei der belangten Behörde auch vorzuwerfen, dass sie keine entsprechenden Ermittlungen angestellt habe, um eine klare Entscheidungsgrundlage zu gewinnen. Weshalb nämlich eine vom Beschwerdeführer durchgeführte Langzeittherapie im Zusammenhang mit seiner Alkoholabstinenz und seiner Vergangenheitsbewältigung auch unter Berücksichtigung der von ihm getätigten Schadenswiedergutmachung unter keinem Umstand geeignet sein könne, seine Vertrauenswürdigkeit zu bejahen, sei ohne Ermittlungen über Art und Umfang der Therapie und der sonstigen vom Beschwerdeführer gesetzten Maßnahmen nicht zu beurteilen. Es habe ihn auch die belangte Behörde nicht persönlich vernommen, obwohl er dies angeboten habe.
Nicht unerwähnt (weil für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit nicht ganz unwesentlich) könne bleiben, dass, wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid selbst ausführe, eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Richtern die Wiedereintragung des Beschwerdeführers befürwortet hätten. Im Hinblick darauf, dass eine Vertrauenswürdigkeit bei einem berufsmäßigen Parteienvertreter vor allem auch von der rechtssuchenden Bevölkerung, aber auch von dem mit der Rechtsprechung befassten Organen beurteilt werde, wären hier ebenfalls ergänzende Feststellungen oder Ermittlungen erforderlich gewesen, weil die Zustimmung "von Organen der Richterschaft" zumindest als Indiz für das Vorliegen einer Vertrauenswürdigkeit heranzuziehen sei.
Dem ist Folgendes zu entgegnen:
Auch wenn man davon ausgeht, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers bezüglich der Schadensgutmachung, der Langzeittherapie sowie seines Wohlverhaltens seit den Straftaten zutrifft, ist für ihn letztlich hieraus nichts zu gewinnen, wenngleich es auch richtig ist, dass die "Vertrauenswürdigkeit" zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zu beurteilen ist und insofern eine Prognoseentscheidung (unter Bedachtnahme auf vergangene Ereignisse) vorzunehmen ist.
Bei der Prüfung der Vertrauenswürdigkeit kommt es darauf an, ob das gesamte Verhalten geeignet ist, Vertrauen in die korrekte Berufsausübung zu erwecken; dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. das Erkenntnis vom 21. Dezember 1999, Zl. 97/19/0787).
Ob die "Vertrauenswürdigkeit" im Sinne des § 5 Abs. 2 RAO iVm § 39 Abs. 3 StPO zu bejahen ist, ist letztlich nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Dabei ist nicht allein auf die Persönlichkeitsstruktur des Betreffenden abzustellen, sondern (unter anderem) auch darauf, dass auch Verteidiger in Strafsachen wie Rechtsanwälte zu den Organen der Rechtspflege zählen (objektiver Aspekt). Bei der Ausschließung aus der Liste der Strafverteidiger handelt es sich ja um eine Maßnahme, die Nachteile für die Rechtspflege und das Ansehen der Strafverteidiger und der Strafjustiz hintanhalten soll (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 19. März 2002, Zl. 2001/10/0255). Auch die von der belangten Behörde wie auch vom Beschwerdeführer (wenngleich in unterschiedlicher Richtung) thematisierte zeitliche Komponente ist im gegebenen Zusammenhang rechtserheblich. Einerseits gestattet ein längerer Beobachtungszeittraum eine verlässlichere Prognoseentscheidung. Andererseits verliert das Unrecht vergangener Straftaten mit zunehmender zeitlicher Entfernung auch aus der "Sicht der Allgemeinheit" gleichsam an Gewicht (wie dies etwa in den Regelungen hinsichtlich der Tilgung strafrechtlicher Verurteilungen zum Ausdruck kommt), wobei wiederum diese "Sicht der Allgemeinheit" aus dem Blickwinkel relevant ist, dass, wie gesagt, die Maßnahme der Streichung aus der Liste Nachteile für das Ansehen der Strafjustiz und der Strafverteidiger hintanhalten soll.
Unter Bedachtnahme auf die Art und Schwere der Anlasstaten (Sittlichkeitsdelikte, unter anderem zum Nachteil einer Unmündigen), dass die Verurteilung offensichtlich noch nicht getilgt ist, und den Umstand, dass die Ausschließung aus der Liste der Strafverteidiger, wie mehrfach gesagt, eine Maßnahme ist, die auch Nachteile für das Ansehen der Strafverteidiger und der Strafjustiz hintanhalten soll, ist der Verwaltungsgerichtshof mit der belangten Behörde der Auffassung, dass auch dann, wenn man dem Vorbringen des Beschwerdeführers folgend, sein Wohlverhalten seither, die Schadensgutmachung, seine Alkoholabstinenz bejahte sowie auch seinem Vorbringen hinsichtlich einer freiwillig eingeleiteten psychotherapeutischen Behandlung folgte, die zeitliche Komponente noch dem Begehren des Beschwerdeführers entgegensteht, somit seinem Begehren zu Recht ein Erfolg versagt wurde. Dazu kommt, dass das Vorbringen, "eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Richtern" hätten die Wiedereintragung des Beschwerdeführers in die Verteidigerliste befürwortet, zur Dartuung der Vertrauenswürdigkeit ungeeignet ist.
Da sich dies schon auf Grund des Vorbringens in der Beschwerde ergibt, war diese ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Da der Verwaltungsgerichtshof einerseits die Sachverhaltsfrage in völliger Übereinstimmung mit dem Beschwerdevorbringen seinem Erkenntnis zugrundegelegt hat und andererseits auf dieser Sachverhaltsgrundlage eine lediglich einfache Rechtsfrage zu lösen war, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch im Lichte der Anforderungen des Art. 6 MRK und der dazu ergangenen Judikatur des EGMR zur Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung nicht verhalten.
Wien, am 18. September 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003060103.X00Im RIS seit
22.10.2003