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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §46 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über den Antrag des Dipl. Ing. A in G, vertreten durch Vieider & Corti Wirtschaftsprüfungs GmbH in 8010 Graz, Radetzkystraße 6, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ergänzung der Beschwerde gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 9. April 2001, RV 639/1- 8/02, betreffend Einkommensteuer 1999 und 2000, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird bewilligt.
Begründung
Mit Beschluss vom 24. Oktober 2002, 2002/15/0105, stellte der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren über die Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid ein, nachdem der Beschwerdeführer innerhalb der ihm gesetzten Mängelbehebungsfrist den angefochtenen Bescheid nicht vorgelegt hatte.
Der Beschwerdeführer beantragt nunmehr - unter Vorlage des angefochtenen Bescheides - die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist des Mängelbehebungsauftrages mit dem bescheinigten Vorbringen, sein Vertreter, eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, habe nach Erhalt des Mängelbehebungsauftrages durch den Organwalter Mag. TC der Kanzleikraft aufgetragen, den angefochtenen Bescheid und die anderen Bescheide, die dem Verfahren materiell zugrunde lägen, zu kopieren und Mag. TC die Kopien mit der Beschwerde zur Wiedervorlage vorzulegen. Dies sei erfolgt. Mag. TC habe die Kopien auf Vollständigkeit überprüft. Der angefochtene Bescheid habe sich unter den Kopien befunden. Mag. TC habe ein Begleitschreiben verfasst, kontrolliert und unterfertigt und sodann sämtliche Unterlagen zur Postabfertigung an die mit der Postabfertigung vertraute Kanzleiangestellte übergeben. Die Kanzleiangestellte habe die Kuvertierung und Postabfertigung ohne Aufsicht vorgenommen; dabei sei ihr das Missgeschick unterlaufen, dass sie den angefochtenen Bescheid (bzw dessen Kopie) sowie das Begleitschreiben nicht einkuvertiert, und damit lediglich die anderen Bescheide (das sind Bescheide des Finanzamtes) dem Verwaltungsgerichtshof übermittelt habe.
Im Hinblick auf dieses Versehen sei der Beschwerdeführer durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Erfüllung des Verbesserungsauftrages gehindert gewesen.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erlitten hat.
Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter (dessen Verschulden dem der Partei selbst gleichzuhalten ist) darf nicht auffallend sorglos gehandelt, somit nicht die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben (vgl. zum Ganzen etwa den hg. Beschluss vom 2. Oktober 1996, 96/21/0407).
Ein berufsmäßiger Parteienvertreter mit einem ordnungsmäßigen Kanzleibetrieb darf sich im allgemeinen, solange er nicht durch Fälle von Unzuverlässigkeit zu persönlicher Aufsicht und zu Kontrollmaßnahmen genötigt wird, darauf verlassen, dass sein Kanzleipersonal einem von ihm verfassten Schriftsatz die aufgetragene Beilage auch tatsächlich anschließt; es ist nicht notwendig, dass sich der Parteienvertreter nach der Übergabe der Poststücke an die zuständige und versierte Kanzleikraft in jedem Fall noch von der tatsächlichen Durchführung der Expedierung der Sendung, etwa durch nochmalige Vorlage des Handaktes, überzeugt (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 658, angeführte Rechtsprechung).
Im vorliegenden Fall ist unter Beachtung der oben angeführten Rechtsprechung dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers keine Verletzung der Überwachungspflicht anzulasten, die über einen minderen Grad des Versehens hinausginge. Aus diesem Grund war die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.
Wien, am 18. September 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002150205.X00Im RIS seit
23.12.2003Zuletzt aktualisiert am
23.06.2010