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L34007 Abgabenordnung Tirol;Norm
BAO §217 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde des K in T, vertreten durch Dr. Michael Goller, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Edith-Stein-Weg 2, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 5. Februar 2002, Zl. Ib-1594/21, betreffend Säumniszuschläge für Gemeindeabgaben (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Tux, 6293 Lanersbach 470), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen:
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit zwei Bescheiden vom 10. Mai 2001 setzte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde für im Einzelnen aufgelistete, die vier gastronomischen Betriebe des Beschwerdeführers betreffende Gemeindeabgabenbeträge in einem Fall die Mahngebühr gemäß § 175 Abs. 5 TLAO in Höhe von S 50,-- und den Säumniszuschlag gemäß § 166 TLAO in Höhe von S 11.570,--, im anderen Fall Mahngebühr und einen Säumniszuschlag gemäß § 166 TLAO in Höhe von S 12.118,-- fest. In der Begründung wurde darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer Anträge auf Verrechnung von Abgabenvorschreibungen und Selbstbemessungsabgaben mit der von ihm entrichteten Getränkesteuer auf alkoholische Getränke für den Zeitraum 1996 bis 1999 gestellt habe. Die Verrechnungsanträge seien alle durch Bescheid der Abgabenbehörde abgewiesen und für unzulässig erklärt worden und dem Beschwerdeführer eine Nachfrist von zwei Wochen zur Entrichtung der fälligen Abgaben gewährt worden. Trotz Setzung dieser Nachfrist seien die rückständigen, bereits fälligen Abgaben nicht entrichtet worden. Es sei daher die Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages in Höhe von 2 % des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages eingetreten.
In seiner dagegen erstatteten Berufung verwies der Beschwerdeführer darauf, die Verrechnungsanträge seien in Anbetracht dessen gestellt worden, dass mit Bescheiden vom 28. August 2000 ohne gesetzliche Grundlage erfolgte Getränkesteuerzahlungen von insgesamt S 3,929.080,42 festgestellt worden seien. Es sei zwar richtig, dass auf Verrechnungsanträge hin entsprechende Ablehnungsbescheide ergangen seien, zutreffend sei aber auch, dass die Ablehnungsbescheide fristgerecht angefochten worden seien und diesbezüglich keine rechtskräftigen Erledigungen vorlägen. Die landesgesetzlichen Bestimmungen des § 162 Abs. 1 TLAO wie § 11 Abs. 3 des Getränke- und Speiseeissteuergesetzes 1993 (GetrStG) stellten von Amts wegen wahrzunehmende Verrechnungsregelungen dar, sodass diesbezügliche Parteienanträge gar nicht erforderlich gewesen wären. Nach § 159 Abs. 1 lit. g TLAO würde die zu verrechnende Abgabenschuld am Tag der Entstehung des Guthabens als entrichtet gelten. Daher seien die Abgabenverbindlichkeiten, die für die Nebengebührenforderung herangezogen worden seien, schon längst als getilgt anzusehen.
Bei den in der Berufung genannten Bescheiden vom 28. August 2000 handelt es sich um Berufungsvorentscheidungen des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde, mit denen jeweils an Stelle der entrichteten Steuer für alkoholische Getränke in der Höhe von S 96.408,08 (Betrieb S.), S 341.871,34 (Betrieb K.) S 2,589.396,65 (Betrieb R.) und S 901.404,35 (Betrieb B.) die Steuer mit S 0,00 festgesetzt wurde. In allen vier Fällen erging allerdings am selben Tag jeweils eine Berufungsvorentscheidung mit folgendem Spruch:
"Die Verrechnung mit Abgabenschuldigkeiten, Verwendung zur Tilgung vollstreckbarer Abgabenschuldigkeiten und Rückzahlung = die Erstattung der mit Bescheid vom 28. August 2000 mit S 0,-- festgesetzten und in der Höhe von S (jeweils der oben genannte Betrag) entrichteten Steuer auf alkoholische Getränke ist nicht zulässig."
In der Begründung wurde darauf hingewiesen, dass auf Grund des Urteiles des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 9. März 2000 die Steuer auf alkoholische Getränke mit S 0,-- festgesetzt worden sei. Die Erstattung der bereits entrichteten Steuer sei aber nicht zulässig, weil die Getränke gegen Entgelt an die Konsumenten weiter gegeben worden seien und somit die Getränkesteuer im Wege der Verkaufspreise auf die Konsumenten überwälzt worden sei. Gemäß § 187a TLAO sei ein dadurch entstehendes Guthaben nicht mit Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen.
Diese Bescheide sind nicht in Rechtskraft erwachsen; nach Vorlageanträgen wurden die Verfahren ausgesetzt.
Bezüglich der hier gegenständlichen Säumniszuschläge wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 26. November 2001 die Berufung als unbegründet ab. Die Bestimmung des § 162 TLAO sei durch § 187a TLAO verdrängt worden. § 11 Abs. 3 lit. b GetrStG könne nur auf die Getränkesteuer, nicht aber auf die anderen Gemeindeabgaben angewendet werden. Auch diese Bestimmung werde aber durch die Spezialbestimmung des § 187a TLAO unanwendbar.
In seiner dagegen erhobenen Vorstellung erklärte der Beschwerdeführer, er habe die Fälligkeit der zur Verrechnung gebrachten Abgaben nie in Frage gestellt. Er fordert die primäre Anwendung des § 11 Abs. 3 GetrStG, zumal diese Bestimmung nur für die Erhebung der Getränkesteuer und Speiseeissteuer gelte. Zu § 187a TLAO sei die behauptete Überwälzung nicht geprüft worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. Die Säumniszuschlagspflicht setze nicht den Bestand einer sachlich richtigen Abgabenschuldigkeit voraus, sondern nur einer formellen. Die den Säumniszuschlag festsetzende Behörde habe lediglich die objektiven Voraussetzungen der Säumnis, nicht aber die Richtigkeit des zu Grunde liegenden Abgabenbescheides zu prüfen. Ein Guthaben als Voraussetzung der vom Beschwerdeführer geforderten Verrechnung liege nicht vor, zumal diese Frage im § 187a TLAO geregelt sei.
In seiner dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Nichtvorschreibung der Nebengebühren verletzt. Er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Beschwerdeführer replizierte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Dass jene Abgabenverbindlichkeiten, die Basis für die Berechnung des Säumniszuschlages von 2 % bildeten, fällig sind, bestreitet der Beschwerdeführer nicht. Er macht jedoch die Tilgung auf Grund der Mehrleistungen geltend, die sich aus den Bescheiden vom 28. August 2000 ergeben, mit denen die in der Gesamthöhe von S 3,929.080,42 entrichtete Getränkesteuer mit S 0,-- festgesetzt worden sei.
Gemäß § 159 Abs. 1 lit. g TLAO gilt bei Umbuchung oder Überrechnung von Guthaben (§ 162) eines Abgabenpflichtigen auf Abgabenschuldigkeiten desselben Abgabenpflichtigen am Tag der Entstehung der Guthaben die Abgabe als entrichtet.
Nach § 162 Abs. 1 TLAO sind Guthaben eines Abgabenpflichtigen, auf die Voraussetzungen für eine Rückzahlung nach § 187 Abs. 3 zutreffen, zur Tilgung vollstreckbarer Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die der Abgabenpflichtige bei der selben Abgabenbehörde hat.
Gemäß § 164 Abs. 1 TLAO tritt, wenn eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wurde, mit Ablauf dieses Tages die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages ein.
Die Fälligkeit der hier gegenständlichen Abgabenforderungen ist unbestritten; strittig ist allein, ob der Beschwerdeführer diese Abgaben mittels der von ihm beschriebenen Form der Verrechnung "entrichtet" hat. Für die Frage, ob der Beschwerdeführer einen Säumniszuschlag für die fälligen Abgabenforderungen deswegen vermeiden kann, weil er diese Abgaben bereits "entrichtet" hätte, kommt es daher darauf an, ob ein Guthaben besteht. Die §§ 187 und 187a TLAO lauten auszugsweise:
"§ 187
(1) Die Rückzahlung von Guthaben kann auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen erfolgen. Ist der Abgabepflichtige nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähig, ... .
(2) ... .
(3) Anträge nach Abs. 1 können bis zum Ablauf des fünften Kalenderjahres gestellt werden, das auf das Jahr folgt, in dem das Guthaben entstanden ist.
§ 187a
Ausschluss der Verrechnung, der Verwendung von Guthaben und der Rückzahlung von Selbstbemessungsabgaben, bescheidmäßige Vorschreibung
(1) Besteht bei Selbstbemessungsabgaben für die Abgabenbehörde aus europarechtlichen Gründen oder nach dem Ausspruch der Rechtswidrigkeit einer innerstaatlichen Norm die Verpflichtung,
a) eine durch Erklärung festgesetzte Abgabe mit Bescheid neu festzusetzen oder
b) einen Abgabenbescheid aufzuheben oder zu ändern, so hat sie ein dadurch entstehendes Guthaben insoweit nicht mit Abgabenschulden zu verrechnen, zur Tilgung vollstreckbarer Abgabenschulden zu verwenden oder zu erstatten, als sie dem Abgabepflichtigen nachweist, dass er die Abgabe auf andere überwälzt hat. Dies gilt auch, wenn das Guthaben auf Grund einer Abgabenerklärung entstanden ist.
(2) Soweit eine nach Abs. 1 überwälzte Abgabe noch nicht entrichtet wurde, hat die Abgabenbehörde diese mit gesondertem Bescheid vorzuschreiben.
(3) ... ."
Im vorliegenden Fall sind hinsichtlich der tatsächlich entrichteten Getränkesteuer für alkoholische Getränke, die aber bescheidmäßig mit S 0,-- festgesetzt wurde, Bescheide in Anwendung des § 187a TLAO ergangen, nach denen die Verrechnung des entstandenen Guthabens mit den hier gegenständlichen Abgabenschulden unzulässig ist; die diesbezüglich auf Grund von Vorlageanträgen offenen Berufungsverfahren wurden ausgesetzt. Formell liegt damit ein Verrechnungshindernis vor.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Säumniszuschlagspflicht nicht den Bestand einer sachlich richtigen, sondern nur einer formellen Abgabenschuld voraussetzt; bei festgesetzten Abgaben besteht eine allfällige Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages ohne Rücksicht auf die sachliche Richtigkeit der Vorschreibung (hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 95/13/0130 m.w.N.). Die selben Erwägungen gelten aber auch für die Beurteilung der Frage, ob eine den Säumniszuschlag hindernde "Entrichtung" vorliegt oder nicht. Die Bescheide vom 28. August 2000, mit denen die Verrechnung als unzulässig erklärt wurde, gehören derzeit dem Rechtsbestand an; die gebotene formelle Betrachtungsweise verbietet es daher, von einer Entrichtung durch Verrechnung auszugehen, sodass im Sinne des § 164 Abs. 1 TLAO die gegenständlichen Abgabenschulden noch nicht entrichtet sind.
Für den Fall, dass die Bescheide vom 28. August 2000, die die Verrechnung für unzulässig erklärt haben, aus dem Rechtsbestand beseitigt werden sollten, schafft eine analoge Anwendung des § 169 Abs. 2 TLAO Abhilfe: Danach ist, wenn ein Abgabenbescheid geändert oder aufgehoben wird, der Säumniszuschlag auf Antrag des Abgabenpflichtigen insoweit herabzusetzen, als er bei der Bekanntgabe des den Abgabenbescheid ändernden oder aufhebenden Bescheides vor Eintritt der Säumnis nicht angefallen wäre; hätte der Säumniszuschlag zur Gänze zu entfallen, so ist der Bescheid, mit dem dieser festgesetzt wurde, aufzuheben. Da hier allein die mangelnde Verrechnungsmöglichkeit Ursache der den Zuschlag herbei führenden Säumnis war, muss in dem Fall, wenn die Verrechnungsmöglichkeit letztlich doch bestehen sollte, unter Heranziehung dieser Bestimmung der Bescheid über den Säumniszuschlag aufgehoben werden.
Der Beschwerdeführer führt für die von ihm behauptete Entrichtung durch Verrechnung die Bestimmung des § 11 Abs. 3 lit. b GetrStG ins Treffen, die die Frage der Erstattung abschließend regle, sodass es gar nicht zu einer Anwendung des § 187a TLAO komme.
Gemäß § 1 Abs. 2 TLAO gilt dieses Gesetz weiters für die Erstattung von Abgaben und Beiträgen und die Rückforderung von Erstattungen sinngemäß, soweit in anderen Abgabengesetzen nichts anderes bestimmt ist.
"Etwas anderes" soll aber nach Auffassung des Beschwerdeführers im § 11 Abs. 3 lit. b GetrStG bestimmt sein. Dazu ist vorweg darauf hinzuweisen, dass mit dem Landesgesetz LGBl. Nr. 11/2001 das GetrStG aufgehoben wurde. § 2 dieses Gesetzes lautet:
"§ 2
(1) Dieses Gesetz tritt mit 1. Jänner 2001 in Kraft.
(2) Das Tiroler Getränke- und Speiseeissteuergesetz 1993 ist auf die Erhebung gemeinschaftsrechtskonformer Steuern, die sich auf den Zeitraum bis zum In-Kraft-Treten dieses Gesetzes bezieht, weiterhin anzuwenden."
Der Beschwerdeführer begehrte mit seinen Anträgen vom 5. Dezember 2000 die Erstattung der Getränkesteuer für alkoholische Getränke gemäß § 11 Abs. 3 lit. b GetrStG; dieses Gesetz ist aber, da § 2 Abs. 2 des oben zitierten Gesetzes die Weitergeltung nur für gemeinschaftsrechtskonforme Steuern vorsieht, seit 1. Jänner 2001 nicht mehr anwendbar.
Für den hier zu beurteilenden Säumniszuschlag spielt aber weder diese Frage eine Rolle, noch die Frage, ob sich der Begriff der "Erstattung" im § 1 Abs. 2 TLAO mit dem selben Begriff im § 11 Abs. 3 lit. b GetrStG deckt. Hier wurden nämlich ausdrücklich auf § 11 Abs. 3 lit. b GetrStG gestützte Erstattungs- bzw. Verrechnungsanträge in Anwendung des § 187 lit. a TLAO abgewiesen. Ob dies zu Recht erfolgte, wird in jenen Verfahren zu klären sein; es kommt allein, wie oben ausgeführt, auf den formellen Rechtsbestand an, der keine Entrichtung als Negativvoraussetzung des Säumniszuschlages annehmen lässt.
Aus diesem Grund bedarf es weiters keiner Erörterung, ob eine bestimmte Passage in dem das Stundungsbegehren des Beschwerdeführers betreffenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Februar 2001, Zl. 2000/17/0252, den vom Beschwerdeführer gewünschten Gegenschluss zulässt.
Damit erweist sich die Beschwerde zur Gänze als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2.
Wien, am 18. September 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002160072.X00Im RIS seit
15.10.2003