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27/01 Rechtsanwälte;Norm
GGG 1984 §16 Abs1 Z1 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der W in Wien, vertreten durch Dr. Helga Hofbauer, Rechtsanwältin in 1090 Wien, Garnisongasse 11/1, gegen den Bescheid des Präsidenten des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 15. Mai 2003, Jv 1410-33/03, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Schriftsatz vom 31. August 1993 erhob die Beschwerdeführerin beim Arbeits- und Sozialgericht Wien Klage gegen die G. Aktiengesellschaft wegen Feststellung mit einem Streitwert von S 15.000,--. Das Urteilsbegehren lautete folgendermaßen:
Es wird festgestellt, dass der klagenden Partei von der beklagten Partei ein Lebenshaltungszuschuss in der Höhe von S 2.884,-- brutto monatlich, 14 x jährlich, zu bezahlen und dieser jeweils jährlich um den Prozentsatz der Erhöhung der Kollektivvertragsgehälter nach dem Kollektivvertrag für die Handelsangestellten Österreichs anzuheben ist.
Für die Klage wurden keine Pauschalgebühren entrichtet. Am 7. Juli 1994 vereinbarten die Partein Ruhen des Verfahrens.
Am 30. September 2002 brachte die klagende Partei den Antrag auf Fortsetzung des ruhenden Verfahrens ein und modifizierte dabei das Urteilsbegehren auf folgende Weise:
Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei an die klagende Partei einen Lebenshaltungskostenzuschuss ab 1.10.2002, vierzehnmal jährlich, in der Höhe von 245,03 Euro zu zahlen hat und dieser Lebenshaltungskostenzuschuss jeweils jährlich um den Prozentsatz der Erhöhung oder der Verminderung der Kollektivvertragsgehälter nach dem Kollektivvertrag der Handelsangestellten zu verändern ist.
Pauschalgebühren wurden nicht entrichtet.
Mit Zahlungsauftrag vom 25. März 2003 wurde der Beschwerdeführerin eine Pauschalgebühr und eine Einhebungsgebühr von zusammen 558 EUR vorgeschrieben.
In dem gegen diesen Zahlungsauftrag erhobenen Berichtigungsantrag wurde ausgeführt, bei der gegenständlichen Klage handle es sich um eine Feststellungsklage. Bei Feststellungsklagen dürfe der Wert des Streitgegenstandes nur der ausdrücklichen Bewertungsangabe entnommen werden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berichtigungsantrag abgewiesen. In der Begründung wurde insbesondere ausgeführt, im Falle der Überschreitung der in TP 1 jeweils normierten Wertgrenzen durch eine Erweiterung des (ursprünglichen) Klagebegehrens sei der entsprechende Differenzbetrag auf die insgesamt zu entrichtende Pauschalgebühr ergänzend zu entrichten. Es sei eine Leistung von unbestimmter Dauer begehrt worden, nämlich die Feststellung, dass die beklagte Partei an die klagende Partei eine Lebenshaltungszuschuss von 245,03 EUR zu zahlen habe, weshalb das Dreifache der Jahresleistung für das ausgedehnte Klagebegehren anzunehmen gewesen sei (was einer Bemessungsgrundlage von 10.291,26 EUR entsprach).
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wird dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach Anmerkung 8 zu TP 1 GGG sind arbeitsrechtliche Streitigkeiten (einschließlich Mahnklagen und gerichtliche Aufkündigungen) bei einem Wert des Streitgegenstandes bis 20.000 S (ab 2002 1450 EUR) gebührenfrei.
Bemessungsgrundlage ist gemäß § 14 GGG, soweit nicht im Folgenden etwas anderes bestimmt ist, der Wert des Streitgegenstandes nach den Bestimmungen der §§ 54 bis 60 JN.
Gemäß § 16 Abs 1 Z 1 lit a GGG beträgt die Bemessungsgrundlage unter anderem bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten 630 EUR, soweit nicht ein Geldbetrag verlangt wird.
Nach § 18 Abs 1 GGG bleibt die Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren gleich. Von diesem Grundsatz bestehen die im Abs 2 des § 18 GGG angeführten Ausnahmen:
Nach Z 1 des § 18 Abs 2 GGG bildet, wenn der Streitwert gemäß § 7 RATG geändert wird, - unbeschadet des § 16 GGG - der geänderte Streitwert die Bemessungsgrundlage.
Wird der Wert des Streitgegenstandes infolge einer Erweiterung des Klagebegehrens geändert oder ist Gegenstand des Vergleiches eine Leistung, deren Wert das Klagebegehren übersteigt, so ist die Pauschalgebühr nach § 18 Abs 2 Z 2 GGG unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes zu berechnen.
Im angefochtenen Bescheid ist die belangte Behörde offenkundig davon ausgegangen, dass eine Erweiterung des Klagebegehrens vorliegt, dass der Wert des Streitgegenstandes demzufolge nach den Bestimmungen der §§ 54 bis 60 JN zu berechnen und der Gebührenbemessung zu Grunde zu legen ist. Mit dieser Auffassung ist sie nicht im Recht:
Urteile auf Grund eines Leistungsbegehrens sind vollstreckbar. Feststellungsurteile auf Grund eines Feststellungsbegehrens sind hingegen rein deklarativ und können nicht zum Gegenstand gerichtlicher Vollstreckung werden (vgl das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 29. Juni 1971, B 52/70, Slg. Nr. 6484, unter Berufung auf Fasching, ZPO, Band III, zu § 228 ZPO). Mit den in § 16 Abs 1 Z 1 lit a GGG gebrauchten Worten "soweit in diesen Fällen nicht ein Geldbetrag verlangt wird" kann nur ein mit Leistungsklage geforderter Geldbetrag verstanden werden. Auch in den Fällen, in denen einem vor dem Arbeitsgericht anhängig gemachten Feststellungsbegehren eine Geldsumme zu Grunde liegt, tritt an die Stelle der Bewertung durch den Kläger als Bemessungsgrundlage der in der angeführten Gesetzesstelle genannte feste Betrag (vgl das hg Erkenntnis vom 22. Mai 2003, Zl 2002/16/0210, unter Berufung auf das genannte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes). Das Klagebegehren ist im Beschwerdefall nicht auf eine Leistung gerichtet, sondern vielmehr auf die Feststellung eines bestimmten (in der Zukunft zu leistenden) monatlichen Zuschusses. Es handelt sich dabei um ein Feststellungsbegehren, bei dem die Gebühren-Bemessungsgrundlage in dem im § 16 Abs 1 Z 1 GGG genannten Fixbetrag besteht.
Bei einem solchen mit einem Fixbetrag zu bemessenden Feststellungsbegehren ist aber - ebenso wie in den Fällen einer Änderung des Streitwertes nach § 7 RATG auf Grund der ausdrücklichen Bestimmung in § 18 Abs 2 Z 1 GGG (vgl dazu das hg Erkenntnis vom 22. Mai 2003, Zl 2002/16/0210) - eine "Erweiterung des Klagebegehrens" iS des § 18 Abs 2 Z 2 GGG, erster Fall, begrifflich ausgeschlossen. Besteht für derartige Feststellungsbegehren in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten nach der klar erkennbaren Absicht des Gesetzgebers eine gebührenrechtliche Begünstigung, bei der es nicht auf die Höhe des dem Feststellungsbegehren zu Grunde liegenden Geldbetrages ankommt, so kann die Anpassung des Feststellungsbegehrens an die seit der Klagseinbringung eingetretene Geldwertentwicklung nicht als "Erweiterung des Klagebegehrens" angesehen werden, weil dem dem Klagebegehren zu Grunde liegenden Geldbetrag von vornherein keine gebührenrechtliche Bedeutung zugekommen ist.
Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II Nr. 333/2003. Da im pauschalierten Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer bereits enthalten ist, war das diesbezügliche Mehrbegehren abzuweisen.
Wien, am 18. September 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003160102.X00Im RIS seit
27.10.2003