TE Vwgh Beschluss 2003/9/19 2002/12/0068

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Veröffentlicht am 19.09.2003
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §113 Abs5;
FrG 1997 §14 Abs3;
FrG 1997 §21 Abs3;
VwGG §33 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hanslik, in der Beschwerdesache der am 12. August 1978 geborenen G, nunmehr: I, vertreten durch Dr. Paul Delazer und Dr. Rudolf Kathrein, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 2/1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. September 1998, Zl. 123.697/2-III/11/98, betreffend Abweisung eines Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Ein Zuspruch von Aufwandersatz findet nicht statt.

Begründung

Die Beschwerdeführerin verfügte zunächst über Aufenthaltsbewilligungen mit dem Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Fremden" für den Zeitraum vom 23. Februar 1995 bis 1. Februar 1996 und vom 2. Februar 1996 bis 2. Februar 1997. In weiterer Folge wurde ihr auf Grund eines Antrages vom 29. Jänner 1997 am 11. Februar 1998 eine bis 3. August 1998 gültige Aufenthaltserlaubnis mit dem Aufenthaltszweck "Student" erteilt.

Am 12. März 1998 (Einlangen bei der erstinstanzlichen Behörde) stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, den ihr am 11. Februar 1998 erteilten Aufenthaltstitel (Aufenthaltserlaubnis) dahin gehend zu berichtigen, dass ihr eine Niederlassungsbewilligung zum Zweck "Familiengemeinschaft mit Fremden" erteilt werde. Sie brachte vor, der Zweck für ihre Einreise nach Österreich sei "Familiennachzug" gewesen, der Zweck ihres Aufenthaltes in Österreich sei "Familiengemeinschaft mit Fremden". Der erstinstanzlichen Behörde sei bekannt, dass sie sich an der Universität Innsbruck lediglich für den "Deutschkurs für Ausländer" angemeldet habe und keine Chance hätte, tatsächlich zu studieren.

Mit Bescheid vom 10. April 1998 wies die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck unter Berufung auf ihre Zuständigkeit "gemäß den §§ 88 und 91 Fremdengesetz 1997" den Antrag der Beschwerdeführerin auf Änderung des Aufenthaltstitels mit dem Aufenthaltszweck "Student" in eine Niederlassungsbewilligung mit dem Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Fremden" gemäß den §§ 13 und 14 Abs. 2 FrG 1997 ab. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, der Gesetzgeber regle lediglich für den Fall einer Familienzusammenführung auf Grund eines Erstantrages die altersmäßige Beschränkung der zuziehenden Personen. Hinsichtlich der Verlängerung von Aufenthaltstiteln für den Zweck "Familiengemeinschaft" fehle jedoch eine solche Regelung im Fremdengesetz vollkommen. Diese vorhandene Gesetzeslücke sei durch die analoge Anwendung der im § 21 FrG 1997 vorgenommenen altersmäßigen Beschränkung zu schließen. Da diese Altersgrenze von der Beschwerdeführerin jedoch bereits überschritten worden sei, sei ihr Antrag auf Änderung des Aufenthaltstitels bzw. des Aufenthaltszweckes als unbegründet abzuweisen gewesen.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Im Zuge des Berufungsverfahrens teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 9. Juni 1998 mit, dass auf Grund ihrer "Großjährigkeit" die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung mit dem Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Vater" ausgeschlossen sei. Es bestehe lediglich die Möglichkeit, ihr eine Niederlassungsbewilligung mit dem Zweck "Privat" zu erteilen. In ihrer Stellungnahme vom 26. Juni 1998 beharrte die Beschwerdeführerin auf ihrem Standpunkt, dass ihr eine Niederlassungsbewilligung mit dem Zweck "Familiengemeinschaft mit Vater" zu erteilen sei. Eine Niederlassungsbewilligung mit dem Zweck "Privat" hätte laut Auskunft ihres Rechtsvertreters zur Folge, dass sie nach 5- jährigem Aufenthalt in Österreich vom Recht über den freien Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt gemäß dem Assoziationsabkommen EU-Türkei 1963 nicht Gebrauch machen könne. Mit weiterem Schreiben vom 28. August 1998 forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin auf, zur (allfälligen) Erteilung einer Niederlassungsbewilligung mit dem Zweck "jeglicher Aufenthaltszweck - ausgenommen unselbstständiger Erwerb" Stellung zu nehmen. In ihrer Äußerung vom 31. August 1998 brachte die Beschwerdeführerin vor, die Voraussetzungen des ersten Gedankenstriches des Artikels 7 ARB Nr. 1/80 zu erfüllen. Sie habe daher ein Aufenthaltsrecht und sei auch zum Arbeiten berechtigt. Sie stehe daher auf dem Standpunkt, dass die erforderliche Niederlassungsbewilligung auf "jeglichen Zweck" zu lauten habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 11. September 1998 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 14 Abs. 3, § 21 Abs. 3 und § 113 Abs. 5 FrG 1997 ab und führte in der Begründung nach Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen aus, auf Grund des Alters der Beschwerdeführerin sei die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft ausgeschlossen, weil eine gesetzliche Verpflichtung ihres Vaters auf Unterhaltsleistung bei einer derartigen Fallkonstellation - Familienzusammenführung - nicht gegeben sei. Nach der ständigen Judikatur der beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts und des EuGH bestehe kein Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung im Hinblick auf Art. 8 MRK für die nationalen Behörden, wenn dies nicht unbedingt (auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung) erforderlich scheine. Somit liege es im Ermessen der belangten Behörde, den Antrag der Beschwerdeführerin nach den bereits angeführten gesetzlichen Kriterien zu beurteilen. Der von ihr angeführte Zweck für einen Aufenthaltstitel sei ohne Grundlage und somit nicht zu erteilen. Zudem verfüge sie über keinerlei Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und erfülle nicht die Voraussetzungen des § 113 Abs. 5 FrG 1997 zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung mit dem Zweck "jeglicher Aufenthaltszweck". Aus den angeführten Gründen habe die belangte Behörde die öffentlichen Interessen höher beurteilt als die privaten Interessen der Beschwerdeführerin und ihr Begehren daher abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht, in Österreich eine Niederlassungsbewilligung mit jeglichem Aufenthaltszweck zu erhalten, verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte - unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift - die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck teilte am 6. Mai 2003 mit, dass der nunmehr mit einem österreichischen Staatsbürger verheirateten Beschwerdeführerin am 6. Mai 2003 eine bis 6. Mai 2004 gültige Erstniederlassungsbewilligung als begünstigte Drittstaatsangehörige eines Österreichers erteilt worden sei. Unter Bezugnahme auf diese Niederlassungsbewilligung brachte die belangte Behörde in ihrem Schriftsatz vom 26. Mai 2003 vor, das Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerin sei nachträglich weggefallen. Zu der zwischenzeitig erteilten Niederlassungsbewilligung vom Verwaltungsgerichtshof befragt, ob und bejahendenfalls in welchen subjektiven Rechten (im Rahmen des von ihr geltend gemachten Beschwerdepunktes) sie sich durch den angefochtenen Bescheid noch als verletzt erachte, gab die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 2. Juni 2003 bekannt, sich als klaglos gestellt zu erachten.

Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde. Bei einer Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist unter einer "Klaglosstellung" nach § 33 Abs. 1 und § 56 erste Satz VwGG nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides - im Besonderen durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommenden Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof - eingetreten ist (vgl. den Beschluss eine verstärkten Senates vom 9. April 1980, SlgNr. 10.092/A).

§ 33 Abs. 1 VwGG ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt, wie der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Beschluss vom 9. April 1980 darlegte, z.B. auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat.

Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Beschwerdefall gegeben, weil für die Beschwerdeführerin im Falle ihres Obsiegens im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine Niederlassungsbewilligung (und nur eine solche kommt für die Ausübung des geltendgemachten Aufenthaltszwecks in Betracht) nur mit Wirksamkeit ab dem Zeitpunkt der Erteilung diese Bewilligung hätte ausgestellt werden können (dies gilt auch für die Erteilung einer weitern Niederlassungsbewilligung, vgl. § 23 Abs. 1 letzter Satz FrG 1997, und das hg. Erkenntnis vom 30. April 1998, Slg. Nr. 14886/A). Da die Beschwerdeführerin eine den von ihr angestrebten Berechtigungsumfang umfassende Niederlassungsbewilligung erhalten hat, hat sie auch kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes.

Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Mangels einer formellen Klaglosstellung liegt die Voraussetzung für einen Kostenzuspruch gemäß § 56 VwGG nicht vor. Vielmehr kommt § 58 Abs. 2 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 88/1997 zur Anwendung, wonach der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu berücksichtigen ist. Da im vorliegenden Fall die Entscheidung über die Kosten allerdings einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde, hat der Gerichtshof nach freier Überzeugung entschieden, dass kein Aufwandersatz zugesprochen wird.

Wien, am 19. September 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002120068.X00

Im RIS seit

11.12.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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