Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hanslik, über die Beschwerde des N in W, vertreten durch Riedl & Ringhofer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 27. März 2000, Zl. 15 1311/51-II/15/00, betreffend Ruhegenussbemessung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der 1944 geborene Beschwerdeführer steht - seit seiner mit Spruchpunkt 1 des Bescheides des Bundesministers für Landesverteidigung vom 17. Dezember 1997 mit Ablauf des 31. Jänner 1998 gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979 erfolgten Versetzung in den Ruhestand - als Amtsdirektor i. R. in einem öffentlichrechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund. Seine letzte Dienststelle war das Bundesministerium für Landesverteidigung. Mit Spruchpunkt 2 des vorgenannten Bescheides vom 17. Dezember 1997 wurde dem Beschwerdeführer aus Anlass der Versetzung in den Ruhestand gemäß § 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340 (PG 1965), in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 426/1985, zu seiner ruhegenussfähigen Bundesdienstzeit der für die Erlangung des Ruhegenusses im Ausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage erforderliche, das Höchstausmaß von zehn Jahren nicht übersteigende Zeitraum, zugerechnet. Beide Spruchteile dieses Bescheides erwuchsen in Rechtskraft.
Im Zuge des Ruhestandsversetzungsverfahrens wurde der Beschwerdeführer am 17. November 1997 im Heeresfachambulatorium/Untersuchungsstelle (im Folgenden: HFA) einer ärztlichen Untersuchung unterzogen. Aus dem "ärztlichen Sachverständigenbeweis" des Leiters der Untersuchungsstelle Dr. F. ist auszugsweise Folgendes zu entnehmen:
"Spitals- und Heilstättenaufenthalt (Grund, Zeit, Anstalt, Aufenthaltsdauer):
1982
Angiographie, HSP
1993
DU- HSP
1995
Angiographie, AKH-Wien
1996
Spiroergometrie, AKH-Wien
Kuren (Grund, Zeit, Ort, Aufenthaltsdauer):
1982
acht Wochen Rehab Bad Tatzmannsdorf, St.p. Vorderwandinfarkt.
1993
vier Wochen Bad Schallerbach, KHK.
1995
vier Wochen Bad Schallerbach, KHK.
1997
vier Wochen Bad Schallerbach, KHK.
Invalidität (MdE in Prozent und Angabe des Invalidenamtes):
70 %
Im Bezug einer Invalidenrente:
Nein
...
B) JETZIGE BESCHWERDEN
(nach den Angaben des Untersuchten)
Massives Schwindelgefühl besonders bei 'Herzstolpern'. Bei körperlicher und nervlicher Belastung Atemnot sowie Druckgefühl auf der Brust mit auftretender Übelkeit, (Auftreten im Durchschnitt 2-3x tägl. im Krankenstand 2-3x wöchentl. max.), Durchschlafstörungen, starke Wetterfühligkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schmerzen in der Halswirbelsäule, Angst bei körperlicher Betätigung vor blutenden Verletzungen.
...
D) KRANKHEITSBEZEICHNUNG (Diagnose)
1.
Hypercolesterinämie.
2.
Hochgradige dilatative Kardiomyopathie mit Akinesie des Septums
Koronare Herzkrankheit.
3. St.p. Myocardinfarkt hochgradig eingeschränkte Leistungsfähigkeit
35 % der Norm.
E) ÄRZTLICHE BEURTEILUNG (Gutachten)
...
Zusammenfassend handelt es sich beim Untersuchten um einen multifaktoriellen Leidenszustand. Im Vordergrund des Krankheitsbildes steht eine schwere Erkrankung am Herzen. Die Leistungsfähigkeit des Untersuchten ist dermaßen herabgesetzt, dass ihm keinerlei erwerbsmäßige Tätigkeit im Rahmen einer geregelten Arbeitszeit (8-Std Tag) zumutbar ist.
...
Eine Besserung des Leidenszustandes ist höchstwahrscheinlich
nicht mehr zu erwarten."
Mit Bescheid des Bundespensionsamtes als Pensionsbehörde erster Instanz vom 26. Jänner 1998 wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer gemäß den §§ 3 bis 7 und 62b PG 1956 vom 1. Februar 1998 an ein Ruhegenuss von monatlich brutto S 25.224,-- gebühre. Da seine Ruhestandsversetzung 82 Monate vor dem Ablauf des Monats, in dem er das sechzigste Lebensjahr vollendet haben werde, wirksam geworden sei, betrage die Ruhegenussbemessungsgrundlage 66,33 % des ruhegenussfähigen Monatsbezuges.
In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er fühle sich auf Grund seines äußerst schlechten Gesundheitszustandes nicht in der Lage, dauernd einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen. Sein Gesundheitszustand sei durch wiederholte ärztliche Untersuchungen untermauert. Er verweise auf die Ausführungen Dris. F., wonach "eine schwere Erkrankung am Herzen" bewirke, dass ihm "keinerlei erwerbsmäßige Tätigkeit im Rahmen einer geregelten Arbeitszeit (8-Std Tag) zumutbar ist."
Im Berufungsverfahren standen dem mit der Erstellung eines "ärztlichen Sachverständigengutachtens zur Leistungsfeststellung" befassten leitenden Arzt des Bundespensionsamtes Dr. Z. neben dem "medizinischen Sachverständigenbeweis" Dris. F. folgende weitere medizinische Unterlagen zur Verfügung: "Ärztlicher Befundbericht" des Rehabilitationszentrums Bad T. vom 10. August 1982, drei Befundberichte des Rehabilitations- und Kurzentrums Bad Sch. (vom 26. Mai 1993, 19. Juni 1995 und vom 28. Februar 1997), Bericht über die Aufnahme des Beschwerdeführers ins Allgemeine Krankenhaus der Stadt Wien vom 1. Dezember 1995 sowie eine Fahrradergometrie des Facharztes für Innere Medizin Dr. H. vom 6. November 1997. Dr. Z. gelangte in seinem Gutachten vom 3. Oktober 1998 zu folgender Beurteilung:
"Diagnosen: (Nach Relevanz hinsichtlich Arbeitsunfähigkeit)
1.
Coronare Herzerkrankung
2.
Hypercolesterimänie
3.
Adipositas
Leistungskalkül:
Restarbeitsfähigkeit:
(X) Ja
( ) Nein
Begründung:
Im Rahmen einer Herzkranzgefäßerkrankung ist es 1982 zu einem komplikationslos verlaufenen Vorderwandinfarkt gekommen. Bis dahin bestanden keine Beschwerden von Seiten des Herzens.
1993: Eine 5/93 durchgeführte Herzkatheteruntersuchung zeigte eine 50 %ige proximale LAD-Stynose.
1995: In der Folge trat Wetterfühligkeit, besonders bei Föhn, mit Benommenheit, Schwindel sowie Müdigkeit und Mattigkeit auf. Eine bestehende Extrasystolie wurde nur in Ruhe wahr genommen, rhythmogene Beschwerden waren nicht erhebbar, bei körperlicher Betätigung bestand Wohlbefinden. Eine Echokardiographie ergab eine deutliche Erweiterung des linken Ventrikels durch eine Infarktnarbe. Eine systolische Auswurffraktion wurde als um 33 % reduziert eingeschätzt, war also deutlich reduziert. Dies bedeutet eine mittelgradige Einschränkung der Ventrikelfunktion, bei gleich bleibender Pumpfunktion seit der letzten Untersuchung. Es lag ein stabiler klinischer Verlauf mit anhaltender cardialer Beschwerdefreiheit vor.
Am 20.11.95 wurde nach zunehmender Schwindel- und Angina pectoris Symtomatik im Wiener AKH eine Herzkatheteruntersuchung gemacht, Ergebnis war eine 90 %ige Einengung eines Ramus diagonalis der LAD. Eine Iliacasdenose wurde festgestellt. Die Medikation wurde geändert.
1997 folgte ein Wiederholungsaufenthalt in Bad Schallerbach vom 24.1. bis 20.2. nach einem grippalen Infekt 12/96 mit subjektiver Verschlechterung der cardialen Situation. Ein komplexes Bewegungsprogramm wurde beschwerdefrei mit Leistungssteigerung absolviert, zusammenfassend kam es zu einer deutlichen Besserung der cardialen Situation, zurückzuführen auf die Medikamentenumstellung im Herbst 1996.
Vom 6.11.1997 liegt eine Fahrradergometrie Dris. H vor, die ein Auftreten von Belastungs-Angina pectoris ab 50 Watt ergab, 35 % des Sollwertes wurden erreicht.
Anlässlich der Untersuchung zur Ruhestandsversetzung vom 27.11.1997 werden massive Schwindelgefühle, besonders bei Herzstolpern angegeben, Es treten bei körperlicher und nervlicher Belastung Atemnot sowie Druckgefühl auf der Brust mit Übelkeit, Schmerzen im Bewegungsapparat und vegetative Beschwerden auf.
Diese Zustände treten 2-3 mal täglich, im Krankenstand aber nur 2-3 mal wöchentlich auf.
Es liegt eine koronare Herzerkrankung vor, seit einem Vorderwandinfarkt besteht eine Wandnarbe. Der Verlauf war bisher komplikationslos, die Rehabaufenthalte verliefen äußerst erfolgreich. Eine neuerliche Verschlechterung der cardialen Situation ist aus den vorliegenden Befunden, insbesondere nach der einmaligen Ergometrie vom 6.11.1997 nicht nachzuvollziehen, auch die bei Dr. F angeführten Beschwerden sind in das Krankheitsgeschehen bisher einzuordnen, für eine momentane Verschlechterung liegen keine objektivierbaren Befunde vor.
Eine Tätigkeit unter schwerer und mittelschwerer körperlicher Belastung, mit Hebe- und Tragearbeiten und unter besonderer psychischer Belastung und Verantwortung mit erhöhtem Zeit- und Leistungsdruck ist nicht mehr möglich.
Eine Tätigkeit in wohl temperierten Räumen, in wechselnder Körperhaltung, überwiegend im Sitzen mit Verrichtung einfacher Büroarbeit, an einem bildschirmunterstützten Schreibtischarbeitsplatz, ist weiterhin durchführbar, soferne Pausen zur Entspannung und Medikamenteneinnahme jede Stunde über fünf Minuten eingehalten werden können."
Im Zuge des Parteiengehörs führte der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 29. Dezember 1998 aus, die von Dr. Z. in der Anamnese erhobenen Angaben entsprächen den Tatsachen. Für ihn sei jedoch die Aussage Dris. Z. nicht erklärlich, dass eine neuerliche Verschlechterung der cardialen Situation aus den vorliegenden Befunden nicht nachzuvollziehen sei, obwohl eine Ergometrie, die von dem ihn seit Jahren behandelnden Facharzt für interne Medizin Dr. H. durchgeführt worden sei, eine massive Verschlechterung seines Gesundheitszustandes nachgewiesen habe. Auch die zur Ruhestandsversetzung herangezogenen Befunde Dris. F. akzeptiere Dr. Z. nicht als "objektivierende Befunde". Hingegen nehme der Ruhestandsversetzungsbescheid auf seine schwere Erkrankung Bezug. Daraus sei zu entnehmen, dass er nach Auffassung Dris. F. nach dessen eingehender Untersuchung über keine Restarbeitsfähigkeit verfüge und auch nicht mehr verfügen werde. Dazu könne er nur feststellen, dass sich sein Gesundheitszustand im Jahre 1997 derart verschlechtert habe, dass er - wie auch im Gutachten festgestellt worden sei - an seinem früheren Arbeitsplatz in der Leitung der Sektion IV des BMLV, wo ständig unter besonderem Zeitdruck, aber auch unter psychischem Druck zu arbeiten sei, nicht mehr die geforderte Leistung zu erbringen im Stande gewesen sei.
Der zur Stellungnahme aufgeforderte Dr. Z. veranlasste daraufhin am 19. März 1999 die Übermittlung weiterer medizinischer Unterlagen mit der Begründung: "GA Dr. F. ist nicht nachvollziehbar". Das HFA übersandte daraufhin einen Befundbericht über eine am 17. November 1997 durchgeführte Untersuchung mit den dazugehörigen Untersuchungsprotokollen. Der Beschwerdeführer legte den Bescheid des Bundessozialamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 7. August 1996 vor, demzufolge der Grad seiner Behinderung (§ 3 BEinstG) 70 vH beträgt.
Die um eine Stellungnahme für das Berufungsverfahren ersuchte leitende Ärztin des Bundespensionsamtes Dr. W. erstattete daraufhin am 16. September 1999 ein weiteres "ärztliches Sachverständigengutachten zur Leistungsfeststellung" mit folgendem Inhalt:
"Diagnosen (nach Relevanz hinsichtlich Arbeitsfähigkeit)
1. Koronare Eingefäßerkrankung mit mittelgradig reduzierter globaler systemischer Linksventrikelfunktion. Klinischer Ausdruck ist eine ventriculäre Extrasystolie LOWN IV a, die medikamentös gut beherrscht wird.
2. Abgelaufener Vorderwandinfarkt 1982 mit einer geringfügigen cardialen Einschränkung - auf 88 % des Sollwertes bei wiederholten Ergometrien objektiviert - und einer Wandnarbe im Bereich der Vorderwand, die jedoch keine zusätzlichen Leistungseinschränkungen oder Komplikationen bewirkt.
Leistungskalkül
Restarbeitsfähigkeit:
(X) Ja
( ) Nein
Begründung:
Auf Grund der cardialen Leistungseinschränkung auf rund 80 % des Sollwertes bei medikamentös gut eingestellter ventriculärer Extrasystolis LOWN IV a sind leichte körperliche Arbeiten in wechselnd sitzend, stehend, gehender Arbeitshaltung ausführbar. Nach einer 1-stündigen Arbeitshaltung ist ein Positionswechsel oder eine 5-minütige Lockerungspause erforderlich. Heben, Tragen und Schieben von Lasten bis maximal 10 kg ist zulässig. Zwangshaltungen, Überkopfarbeiten und gebückte oder kniende Arbeitshaltungen sind nicht möglich. Das Besteigen von Leitern oder anderer Steighilfen über 2 m ist nicht möglich. Exponierte Lagen sind nicht zulässig. Länger anhaltende Kälte-, Hitze- oder Nässeexposition ist zu vermeiden. Es sind leichte und mittelschwere grob- und feinmotorische manuelle Tätigkeiten ausführbar. Bildschirmarbeit kann bis zu 10 % der Gesamtarbeitszeit ausmachen. Die Feinmotorik ist nicht maßgeblich vermindert. Greifsicherheit liegt vor. Gehen und Stehen sollte 30 % der Tagesarbeitszeit nicht überschreiten. Gehen in unebenem oder steilem Gelände ist nicht möglich. Außendienste, Nacht- und Schichtarbeiten können nicht ausgeführt werden. Kundenkontakte sind wegen der zusätzlichen Stressbelastung nicht zweckmäßig. Das berufsmäßige Lenken eines KFZ ist nicht möglich. Auf Grund der cardialen Situation sollten lediglich mäßig verantwortungsvolle Tätigkeiten mit geringem Zeit- und Leistungsdruck ausgeführt werden.
Eine Besserung des Gesundheitszustandes kann nicht erwartet werden. Mit vermehrten Krankenständen, insbesondere regelmäßigen Rehabilitationsaufenthalten etwa 1 Mal jährlich für 4 Wochen sind zu erwarten. Das Gesamtausmaß wäre mit 6 Wochen anzuberaumen."
Im dazu gewährten Parteiengehör legte der Beschwerdeführer am 17. September 1999 einen weiteren Arztbrief des Rehabilitations- und Kurzentrum Bad Sch. vor, wo er in der Zeit von 14.7.1999 bis 3.8.1999 zur stationären Behandlung gewesen war.
Dazu erstattete Dr. Z. am 22. Oktober 1999 folgende "Ergebnisdokumentation:
Die während des Aufenthaltes vom 14.7. bis 3.8.1999 durchgeführten Untersuchungen bestätigen, dass unter der laufenden Therapie die cardiale Belastbarkeit in einem Ausmaß gegeben ist, welche die Durchführung der im Leistungskalkül zusammenfassend zugemuteten Tätigkeiten auf Dauer ermöglicht. Die zugemuteten Arbeitsbelastungen sind auch mit einem so weitgehenden Wegfall von Stressfaktoren verbunden, dass die anfallenden psychischen und körperlichen Belastungen durch die am Arbeitsplatz anfallenden Tätigkeiten zu keiner Verschlechterung des körperlichen und geistigen Beschwerdebildes führen.
Auf Grund sämtlicher vorhandener, medizinisch verwertbarer, Unterlagen wird abschließend folgendes Leistungskalkül erstellt:
Schwere und mittelschwere körperliche Arbeiten, verbunden mit Hebe- und Tragearbeiten, sowie Arbeiten unter besonderer psychischer Belastung und Verantwortung, mit erhöhtem Zeit- und Leistungsdruck sind nicht mehr möglich. Durchgeführt werden kann eine körperlich leichte Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung, in wohl temperierten Räumen, an einem bildschirmunterstützten Schreibtischarbeitsplatz. Die nachgereichten medizinisch verwertbaren Befunde bestätigen insgesamt in ihrer Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit die bereits erfolgten ärztlichen Beurteilungen vom 3.10.1998 und 16.9.1999."
Auf Basis dieser Stellungnahme Dris. Z. und seinem vorangegangenen Gutachten sowie dem Gutachten Dris. W. gelangte der berufskundliche Sachverständige Dr. S. am 18. November 1999 zu folgendem berufskundlichen Gutachten:
"Insgesamt ergibt das vorliegende medizinische Leistungskalkül berufskundlicherseits keine Unfähigkeit zum dauernden Erwerb nach § 4 Abs. 7 PG 1965.
Danach sind dem Beschwerdeführer folgende Arbeitsplätze des freien und allgemeinen Arbeitsmarktes zumutbar (Aufzählung ohne Vollständigkeitscharakter):
-
Telefonisten
-
Bürokräfte mit einfachen Arbeiten in Verrechnung, Buchhaltung, Registratur, Karteiwesen, Textverarbeitung udgl.
-
Pförtner und Portiere ohne Nachtdienst
Die angeführten Arbeitsplätze enthalten einfache Tätigkeiten und normale Geschäftsfälle, welche nach gegebenen genauen Anweisungen und Richtlinien verrichtet werden, wobei in der Regel nur kurze Einarbeitungszeiten erforderlich sind (Verwendungsgruppe 2 der KV für Privat-, Industrie- und Handelsangestellte). Die im medizinischen Leistungskalkül angeführte Belastbarkeit des Beschwerdeführers wird dabei in der Regel und üblicherweise nicht überschritten."
Mit Schreiben vom 17. Jänner 2000 wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben, zum abschließenden Leistungskalkül Dris. Z. sowie zum berufskundlichen Gutachten Stellung zu nehmen. Diese Aufforderung wurde ihm am 21. Jänner 2000 durch Hinterlegung zugestellt. Eine weitere Stellungnahme wurde nicht abgegeben.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 27. März 2000 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und führte nach Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen und des Verwaltungsgeschehens, insbesondere der Sachverständigengutachten Dres. Z. und W. und einer sinngemäßen Zusammenfassung des berufskundlichen Gutachtens Dris. S. aus, auf Grund des durchgeführten ausführlichen Ermittlungsverfahrens sei davon auszugehen, dass beim Beschwerdeführer dauernde Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 4 Abs. 7 PG 1965 zum Zeitpunkt der Wirksamkeit seiner Ruhestandsversetzung nicht gegeben gewesen sei. Da auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 Z 3 PG 1965 nicht vorlägen, sei die Bemessung des ihm vom 1. Februar 1998 an gebührenden Ruhegenusses im erstinstanzlichen Bescheid zu Recht auf der Grundlage der nach § 4 Abs. 3 PG 1965 gekürzten Ruhegenussbemessungsgrundlage erfolgt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Ruhegenussbemessung in gesetzlicher Höhe nach den Bestimmungen des Pensionsgesetzes 1965 durch unrichtige Anwendung dieser Bestimmungen sowie durch unrichtige Anwendung der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung (§§ 1, 8 DVG, 37, 39, 60 AVG) verletzt.
Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (am 3. April 2000) stand § 4 Abs. 1, 2 und 5 PG 1965 in der Stammfassung dieser Absätze nach dem Bundesgesetz BGBl. Nr. 340, Abs. 3 in der Fassung nach Art. 4 Z. 1 des Strukturanpassungsgesetzes BGBl. Nr. 201/1996, die Abs. 4 und 7 in der Fassung nach Art. 4 Z. 1 und 1a des 1. Budgetbegleitgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 138, in Geltung. Er lautet:
"§ 4. (1) Der Ruhegenuss wird auf der Grundlage des ruhegenussfähigen Monatsbezuges und der ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit ermittelt.
(2) 80 vH des ruhegenussfähigen Monatsbezuges bilden die Ruhegenussbemessungsgrundlage.
(3) Für jeden Monat, der zwischen dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand und dem Ablauf des Monates liegt, in dem der Beamte sein 60. Lebensjahr vollendet haben wird, ist die Ruhegenussbemessungsgrundlage von 80% um 0,1667 Prozentpunkte zu kürzen. Das sich aus dieser Kürzung ergebende Prozentausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage ist auf zwei Kommastellen zu runden.
(4) Eine Kürzung nach Abs. 3 findet nicht statt
1.
...
2.
...
3.
wenn der Beamte zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung dauernd erwerbsunfähig ist.
(5) Die Ruhegenussbemessungsgrundlage darf 62% des ruhegenussfähigen Monatsbezuges nicht unterschreiten.
(6) ...
(7) Als dauernd erwerbsunfähig im Sinne des Abs. 4 Z 3 gilt ein Beamter nur dann, wenn er infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd außer Stande ist, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen.
..."
Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer (im Sinne des § 14 BDG 1979) dienstunfähig und (im maßgebenden Zeitpunkt seiner Ruhestandsversetzung im Sinne des § 9 Abs. 1 PG 1965 in der Fassung dieses Absatzes nach der 8. Pensionsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 426/1985) zu einem zumutbaren Erwerb unfähig war (vgl. dazu auch den den Beschwerdeführer betreffenden Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 17. Dezember 1997).
Strittig ist im vorliegenden Verfahren die Frage, ob der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung "dauernd erwerbsunfähig" war (§ 4 Abs. 4 Z. 3 und Abs. 7 PG 1965) und ob demnach die Kürzungsregelung des § 4 Abs. 3 PG 1965 zu Recht zur Anwendung gelangt ist oder nicht.
Unter dem Aspekt der Verletzung von Verfahrensvorschriften führt der Beschwerdeführer zunächst aus, im Erstgutachten Dris. Z. hieße es u.a., die näher angeführten Leidenszustände würden "zwei bis drei Mal täglich, im Krankenstand aber nur zwei bis drei Mal wöchentlich" auftreten. Er habe in seiner Stellungnahme vom 29. Dezember 1998 sinngemäß zum Ausdruck gebracht, dass er mit dem Befund Dris. Z. konform gehe, dessen Schlussfolgerung auf eine verbleibende Arbeitsfähigkeit davon jedoch nicht gedeckt sei. Dementsprechend hätte sich die belangte Behörde mit der Schlüssigkeit des Gutachtens Dris. Z. auseinander setzen müssen. Dazu gehöre die Beantwortung der Frage, ob die Angaben des Beschwerdeführers über seine Beschwerden und deren Auftreten zwei bis drei Mal täglich oder zwei bis drei Mal wöchentlich, je nach dem, ob er gearbeitet oder sich in Krankenstand befunden habe, richtig seien. Dazu hätten sich weder Dr. Z noch Dr. W. geäußert. Auch die belangte Behörde treffe dazu keinerlei Feststellungen. Eine sich unmittelbar aufdrängende Frage lasse sich jedoch ohne ärztliche Sachverständigenangaben überhaupt nicht beantworten, nämlich welche gesundheitlichen Folgen zu erwarten seien, wenn er zur Arbeitsleistung unter Inkaufnahme dieser Beschwerden gezwungen würde.
Bereits mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf: Dr. F. gelangte in seinem Gutachten, worauf der Beschwerdeführer zutreffend hinweist, zwar zur "Schlussfolgerung", dass seine Leistungsfähigkeit bei den wiedergegebenen Beschwerden auf Grund eines multifaktoriellen Leidenszustandes, in dessen Vordergrund eine schwere Erkrankung am Herzen stehe, dermaßen herabgesetzt sei, dass ihm eine erwerbsmäßige Tätigkeit im Rahmen einer geregelten Arbeitszeit nicht zumutbar sei. Diese Ausführungen sind allerdings insofern überschießend, als sie bereits eine Vorwegnahme der - nicht vom fachärztlichen Sachverständigen zu treffenden - rechtlichen Beurteilung darstellen. Dementsprechend enthalten auch weder das Gutachten Dris. W. noch das darauf aufbauende, abschließende Gutachten Dris. Z. derartige "Schlussfolgerungen". Selbst wenn jedoch, wovon die belangte Behörde ausgeht, eine Restarbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung noch vorhanden gewesen sein sollte, wäre vom ärztlichen Sachverständigen eine Aussage dahingehend zu treffen gewesen, ob nicht durch die Ausübung dieser Restarbeitsfähigkeit eine weitere Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers zu erwarten gewesen wäre, bzw. vom berufskundlichen Sachverständigen, ob bei dieser Restarbeitsfähigkeit eine abstrakte Eingliederungsmöglichkeit im Sinne eines "regelmäßigen Erwerbes" gegeben wäre.
Schon aus diesem Grund ist der angefochtene Bescheid mit einem wesentlichen Feststellungs- und Begründungsmangel behaftet, sodass die Überprüfung des Bescheides auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes durch den Verwaltungsgerichtshof gehindert wurde.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde zunächst das ärztliche Sachverständigengutachten im oben aufgezeigten Sinn zu ergänzen und sodann erforderlichenfalls ein darauf aufbauendes berufskundliches Gutachten einzuholen haben, in dem nicht nur auf die Eingliederungsmöglichkeit des Beschwerdeführers im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse der Arbeitswelt, sondern auch auf zu erwartende leidensbedingte "Krankenstände" (siehe dazu vor allem das Gutachten Dris. W.) Bedacht zu nehmen sein wird (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. November 2001, Zl. 2000/12/0295). In diesem Zusammenhang wird weiters angemerkt, dass für den Fall einer wie bereits im bisherigen Verfahren angenommenen medizinisch indizierten Notwendigkeit, regelmäßige Pausen einzuhalten, der berufskundliche Sachverständige auch Ausführungen zu treffen haben wird, ob (bejahendenfalls in welchen Tätigkeiten) dem Beschwerdeführer unter diesen gravierenden Einschränkungen eine Teilnahme am Erwerbsleben möglich gewesen wäre.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 19. September 2003
Schlagworte
Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes FachgebietEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2000120128.X00Im RIS seit
14.10.2003