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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 1997 §21;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 22. Mai 2003, Zl. VwSen-400656/2/WEI/Ke, betreffend Schubhaft (mitbeteiligte Partei: AP in G, vertreten durch Dr. Walter Hasibeder und Dr. Josef Strasser, Rechtsanwälte in 4910 Ried im Innkreis, Roßmarkt 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn ordnete mit Bescheid vom 30. April 2003 über den Mitbeteiligten die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung an. Gegen den Mitbeteiligten bestehe ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot bis 1. Dezember 2008. Sein Asylantrag sei in zweiter Instanz negativ beschieden worden. Der Mitbeteiligte sei seit seiner Haftentlassung (Haft wegen Betruges) unsteten Aufenthaltes und mittellos, sodass zu befürchten sei, dass sich der Mitbeteiligte den notwendigen fremdenpolizeilichen Maßnahmen entziehen werde. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass sich die Gattin des Mitbeteiligten mit dem gemeinsamen Kind in Bundesbetreuung befinde, in G gemeldet und aufhältig sei.
Mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 22. Mai 2003 wurden der erstinstanzliche Schubhaftbescheid vom 30. April 2003 sowie die Anhaltung des Mitbeteiligten in Schubhaft seit dem 30. April 2003 für rechtswidrig erklärt.
Aus der Aktenlage gehe hervor - so die belangte Behörde in der entscheidungswesentlichen Begründung des angefochtenen Bescheides - dass der Mitbeteiligte am 10. September 2002 bei der Außenstelle Traiskirchen des Bundesasylamtes einen (weiteren) Asylantrag eingebracht habe und daraufhin auch in Bundesbetreuung übernommen worden sei. Über diesen Asylantrag sei bisher noch nicht entschieden worden. Der Einvernahmetermin vor dem Bundesasylamt sei für den 27. Mai 2003 vorgesehen.
Daraus folge, dass der Mitbeteiligte nach wie vor als Asylwerber anzusehen sei. Die Legaldefinition des § 1 Z. 3 Asylgesetz 1997 unterscheide nicht zwischen Asylwerbern verschiedener Qualität. Auch die einschlägige "Schutznorm" des § 21 Abs. 2 Asylgesetz 1997 sehe keine Einschränkungen des Verbotes der Zurückschiebung oder Abschiebung vor. Nach dieser asylrechtlichen Gesetzeslage komme es für das Rückschiebungsverbot offenbar nur darauf an, dass jemand tatsächlich Asylwerber sei. Es werde im § 21 Abs. 2 Asylgesetz 1997 nicht unterschieden, ob jemand erstmals oder mehrmals einen Asylantrag eingebracht habe.
Der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 20. Oktober 2000, Zl. 99/20/0406, die Meinung zum Ausdruck gebracht, die Zurück- oder Abschiebung von Asylwerbern sei ausnahmslos und bedingungslos untersagt.
Die Behörde erster Instanz hätte somit im Beschwerdefall - so die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides weiter - im Hinblick auf das unbedingte Abschiebungsverbot des § 21 Abs. 2 Asylgesetz 1997 auch keine Schubhaft verhängen dürfen, die allein dem Zweck der Sicherung der Abschiebung diene. Denn solange eine Abschiebung schon aus rechtlichen Gründen nicht zulässig sei, könne auch rechtens keine Schubhaft erforderlich sein, die der Sicherung der (unzulässigen) Abschiebung diene. Das Ziel der Schubhaft müsse gemäß § 69 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 voraussichtlich bereits im Zeitpunkt der Inschubhaftnahme erreichbar seien. Dass in Hinkunft einmal die Abschiebung auf Grund eines durchsetzbaren Aufenthaltsbeendigungstitels zulässig werden könnte, genüge als Argument nicht, weil eine vorbeugende Schubhaftverhängung im Gesetz nicht vorgesehen sei und auch aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zulässig wäre.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Amtsbeschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Entgegen der Ansicht der belangten Behörde und des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Mitbeteiligten erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig: Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 2001, Zl. 98/02/0119) bedarf es des Vorliegens aller Voraussetzungen des § 21 AsylG 1997, damit u.a. § 61 FrG 1997 betreffend die Schubhaft auf den Mitbeteiligten nicht anwendbar wäre. Zu diesen Voraussetzungen zählt aber auch das Vorliegen einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung; dass diese beim Mitbeteiligten gegeben gewesen wäre, ist den Feststellungen der belangten Behörde nicht zu entnehmen und bietet auch der Akteninhalt hiefür keinen Anhaltspunkt (vgl. den Aktenvermerk vom 5. Mai 2003).
Die belangte Behörde hat sich zur Begründung ihres Bescheides allein auf die dargelegte, vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilte Rechtsansicht gestützt. Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 23. September 2003
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003020154.X00Im RIS seit
13.10.2003