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90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des H in R, vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf, Rechtsanwalt in 4722 Peuerbach, Steegenstraße 3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 15. November 2002, Zl. VerkR-394.733/1-2002-Kof/Eis, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 15. November 2002 wurde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Klasse B gemäß §§ 24 Abs. 1 Z. 1, 25 Abs. 1 und 3 iVm § 7 Abs. 1 und Abs. 3 Z. 9 sowie § 7 Abs. 4 FSG für die Zeit von 36 Monaten, gerechnet ab Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides (am 12. September 2002), entzogen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei mit rechtskräftigem Urteil vom 5. April 2002 vom Landesgericht Wels wegen
1.
des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 StGB und
2.
des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten (davon 5 Monate unbedingt und 15 Monate bedingt auf 3 Jahre) verurteilt worden.
Grund für diese Verurteilung sei gewesen, dass "der nunmehrige Berufungswerber in der Zeit vom 18. November 2001 bis 19. November 2001 in P. seine Gattin G.A.
1. mit schwerer, gegen sie gerichteter Gewalt zur wiederholten Vornahme und Duldung des Beischlafes und dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen genötigt hat, indem er ihr über einen längeren Zeitraum eine Vielzahl von Schlägen in das Gesicht und gegen den Körper versetzte, durch Anwendung erheblicher Gewalt ihre körperliche Gegenwehr überwand, sie gewaltsam auszog und mit Lederbändern an den Armen fesselte, die Lederbänder an den daran befestigten Karabinern an zwei etwa 1,50 m langen Rundhölzern mit Metallringen befestigte, um sie dadurch hilflos zu machen und einzuschüchtern, gegen ihren Willen mehrfach vaginalen, analen und oralen Geschlechtsverkehr bis zur Ejakulation an ihr durchgeführt hat ,ihr einen Vibrator vaginal eingeführt und ihr von seinem Plan erzählt hat, dass er sie hierher gebracht habe, um sie hier einige Tage festzuhalten und von einigen "angeheuerten" Männern an ihr einen Geschlechtsverkehr durchführen zu lassen, die ganze Szene zu filmen und sie dann mit diesem Filmmaterial unter Druck zu setzen, wobei die Tat bei G.A. zumindest Prellungen an beiden Oberarmen und an beiden Mammen, einen Strecksehnenausriss am linken Ringfinger und eine Zerrung des Innenseitenbandes am linken Knie zur Folge gehabt hat, und
2. sie widerrechtlich gefangen gehalten hat, indem er ihr verweigerte, den Raum in dem die zu 1. angeführten Tathandlungen erfolgten, zu verlassen, und als es Frau G.A. trotzdem einmal gelungen war, aus dem Raum zu flüchten, sie einholte und gewaltsam in das Zimmer zurückbrachte und dort über einen längeren Zeitraum gegen ihren Willen festhielt.
Diese Tathandlungen dauerten - siehe Entscheidungsgründe im Gerichtsurteil Seite 6, 7, 8 - vom 18. November 20.00 Uhr bis 19. November 4.00 Uhr (somit ca. 8 Stunden!)."
Die belangte Behörde führte weiters zur Begründung aus, auf Grund des Tatherganges und der dabei mit großer Brutalität ausgeübten Gewalt ergebe sich eine besondere Verwerflichkeit im Sinne des § 7 Abs. 4 FSG. Der Beschwerdeführer sei als verkehrsunzuverlässig anzusehen, wobei diese Frage von der Behörde zu beurteilen sei, sodass der Antrag des Beschwerdeführers auf Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen zum Beweis seiner Verkehrszuverlässigkeit verfehlt sei. Es komme ferner bei Gewaltdelikten nicht darauf an, ob der Beschwerdeführer anlässlich der Tatbegehung ein Kraftfahrzeug verwendet habe. Von Kraftfahrzeuglenkern werde wegen der häufig im Straßenverkehr auftretenden Konfliktfälle verlangt, dass sie eine nicht zur Gewalttätigkeit neigende Sinnesart aufweisen. Im Hinblick auf die dargestellten Umstände sei die von der erstinstanzlichen Behörde ausgesprochene Entziehungsdauer von 36 Monaten rechtmäßig.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die im Beschwerdefall einschlägigen Bestimmungen des Führerscheingesetzes-FSG in der von der belangten Behörde anzuwendenden Fassung der 5. FSG-Novelle, BGBl. I Nr. 81/2002, lauten (auszugsweise):
"§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
...
2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),
...
§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen
1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr ... gefährden wird,
2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.
...
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand
...
9. eine strafbare Handlung gegen die Sittlichkeit gemäß den §§ 201 bis 207 oder 217 StGB begangen hat,
...
(4) Für die Wertung der im Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
...
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkerberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkerberechtigung zu entziehen ...
...
§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Diese ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.
...
(3) Bei der Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. ..."
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Feststellungen der belangten Behörde zum Hergang der Tat und auch nicht, dass er derentwegen vom Landesgericht Wels mit Urteil vom 5. April 2002 zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten, hievon 15 Monate bedingt auf 3 Jahre, verurteilt wurde. Er wendet jedoch ein, dass die belangte Behörde die Wertung seines Verhaltens nur ungenügend vorgenommen und insbesondere kein medizinisches Gutachten zum Beweis seiner Verkehrszuverlässigkeit eingeholt habe. Es werde auch bestritten, dass der Beschwerdeführer bei Ausführung der Tat ein Kraftfahrzeug verwendet habe.
Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.
Zu Recht ging die belangte Behörde davon aus, dass auf Grund der vom Beschwerdeführer begangenen Handlungen eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 FSG vorliegt. Die belangte Behörde hat auch zu Recht nach den Umständen des von ihr geschilderten Tatherganges angenommen, dass insbesondere wegen der damit verbundenen Gewaltanwendung und der Tatausführung in grober und brutaler Weise, wobei er seine Frau einem längeren Martyrium aussetzte, das zweifellos schwerwiegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers von besonderer Verwerflichkeit war. Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde den Beschwerdeführer als verkehrsunzuverlässig angesehen hat.
Insoweit der Beschwerdeführer die Nichteinholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens rügt, ist ihm - im Einklang mit den Ausführungen der belangten Behörde - zu entgegnen, dass die Charaktereigenschaft der Verkehrszuverlässigkeit keiner ärztlichen Beurteilung zugänglich ist, sondern als Rechtsfrage von der Behörde ohne Heranziehung eines Sachverständigengutachtens zu lösen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1999, Zl. 98/11/0197). Der Einwand des Beschwerdeführers, er habe kein Kraftfahrzeug verwendet, schlägt schon deshalb fehl, weil die belangte Behörde ihrer rechtlichen Beurteilung ohnehin nicht zu Grunde legte, er habe anlässlich der Tatbegehrung ein Kraftfahrzeug verwendet.
Die Beschwerde ist jedoch begründet, insoweit mir ihr geltend gemacht wird, die festgesetzte Dauer der Entziehung sei zu lang.
Die belangte Behörde stellte zwar fest, dass der Beschwerdeführer zu 20 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurde, wobei 15 Monate hievon auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden, maß diesem Umstand aber offensichtlich keine Bedeutung zu.
Dem ist entgegen zu halten, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung zum Führerscheingesetz bereits wiederholt ausgesprochen hat, dass die bedingte Strafnachsicht zwar für sich allein noch nicht zwingend dazu führt, dass der Betreffende bereits als verkehrszuverlässig anzusehen sei, gleichzeitig aber darauf hingewiesen, dass nach § 43 Abs. 1 StGB im Rahmen der Entscheidung über die bedingte Strafnachsicht die Art der Tat, die Person des Rechtsbrechers, der Grad seiner Schuld, sein Vorleben und sein Verhalten nach der Tat zu berücksichtigen seien und es sich dabei im Einzelfall durchwegs um Umstände handeln könne, die für die in § 7 Abs. 4 FSG genannten Wertungskriterien von Bedeutung sein können (siehe dazu unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 23. April 2002, Zlen. 2001/11/0406 und 2002/11/0019, und vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0108, sowie vom 25. Feber 2003, Zl. 2001/11/0335, jeweils mwN).
Die belangte Behörde setzte sich im angefochtenen Bescheid mit der bedingten Strafnachsicht hinsichtlich eines Teiles von drei Viertel der verhängten Freiheitsstrafe und der Frage des Verhaltens des Beschwerdeführers seit der Tat im Einzelnen nicht auseinander, weil sie offensichtlich in Verkennung der dargestellten Rechtslage der Auffassung war, dass dies nicht von Bedeutung wäre.
Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 24. September 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003110172.X00Im RIS seit
16.10.2003