TE Vfgh Beschluss 2000/6/19 G250/98

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Veröffentlicht am 19.06.2000
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Index

L2 Dienstrecht
L2400 Gemeindebedienstete

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
Nö Gemeinde-VertragsbedienstetenG 1976 §26 Abs9

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des Nö Gemeinde-VertragsbedienstetenG 1976 betreffend Beendigung des Dienstverhältnisses nach einjähriger Dienstverhinderung wegen Krankheit infolge Zumutbarkeit des gerichtlichen Rechtsweges

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. In ihrem auf Art140 B-VG gestützten Antrag vom 16. Dezember 1998 begehrt die Antragstellerin die Aufhebung des §26 Abs9 NÖ Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetz 1976, LGBl. 2420 (im Folgenden: GVBG), "hinsichtlich des Dienstverhältnisbeendigungsgrundes 'Krankheit'" wegen Verfassungswidrigkeit.

2. §26 Abs9 GVBG, in der geltenden Fassung LGBl. 2420-32, hat folgenden Wortlaut:

"Haben Dienstverhinderungen wegen Unfalles oder Krankheit oder aus den Gründen des Abs7 ein Jahr gedauert, so endet das Dienstverhältnis mit Ablauf dieser Frist, es sei denn, daß vorher seine Fortsetzung vereinbart wurde. Bei der Berechnung der einjährigen Frist gilt eine Dienstverhinderung, die innerhalb von sechs Monaten nach Wiederantritt des Dienstes eintritt, als Fortsetzung der früheren Dienstverhinderung."

3. Die Antragstellerin behauptet, durch diese gesetzliche Bestimmung aus den folgenden Gründen unmittelbar nachteilig betroffen zu sein: Gemäß der angefochtenen Bestimmung ende das Dienstverhältnis ex lege, wenn eine Dienstverhinderung ein Jahr gedauert habe. Gegen diese vom Gesetz vorgesehene ex lege-Beendigung des Dienstverhältnisses bestehe keinerlei Rechtsmittel. Zur Veranschaulichung der Sachlichkeit eines Gesetzes sei stets auch das Verhältnis der überprüften Norm zu anderen, ähnlich gelagerten Rechtsnormen zu beachten. In ihrem Fall zeige ein Vergleich mit den entsprechenden Bestimmungen der NÖ Gemeindebeamtendienstordnung, die eine bescheidmäßige - daher mit Berufung bekämpfbare - Versetzung in den Ruhestand vorsehe, die sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Vertragsbediensteten und Beamten in niederösterreichischen Gemeinden. Es liege daher jedenfalls Gleichheitswidrigkeit im Sinne des Art7 B-VG vor; aus dieser Ungleichbehandlung ergebe sich aber überdies eine Diskriminierung einer bestimmten Arbeitnehmergruppe im Sinne des Art14 EMRK bzw. - aufgrund der zu erwartenden höheren Anzahl an Krankenständen - eine besondere Diskriminierung behinderter Menschen.

4. Die Niederösterreichische Landesregierung beantragt in ihrer Äußerung in erster Linie die Zurückweisung des Individualantrags mangels Vorliegens der notwendigen Prozessvoraussetzungen und führt dazu Folgendes aus:

"Nun enthält der vorliegende Antrag wohl auf Seite 2 eine Darstellung des zugrunde liegenden Sachverhaltes und sodann die Behauptung, dass 'diese Gesetzesbestimmung ... ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung bzw. ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden' ist, der Antrag legt jedoch nicht dar, warum der Antragstellerin ein zumutbarer Weg nicht zur Verfügung stand.

Nach der Judikatur des VfGH ist es grundsätzlich zumutbar, den Klagsweg zu beschreiten, im folgenden gerichtlichen Rechtsstreit Bedenken gegen präjudizielle Vorschriften vorzubringen und vor dem in zweiter Instanz zur Entscheidung berufenen Gericht die Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages beim VfGH anzuregen. Dabei kommt es bloß darauf an, dass sich im Zuge eines derartigen gerichtsförmigen Verfahrens Gelegenheit bietet, verfassungsrechtliche Bedenken gegen präjudizielle Vorschriften über ordentliche Gerichte an den VfGH heranzutragen.

Nun mag der Antragstellerin wohl in dem Punkt zuzustimmen sein, dass die Bestimmung des §26 Abs9 NÖ Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetz, LGBl. 2420-37, aufgrund ihres klaren Wortlautes keiner gerichtlichen oder behördlichen Konkretisierung mehr bedarf, jedoch bedeutet dies noch nicht, dass damit für die Antragstellerin die Beschreitung des Gerichtsweges nicht offen sei.

Vielmehr wird wohl in §228 ZPO iVm §50 Abs1 Z1 ASGG eine Möglichkeit erblickt werden können, eine Feststellungsklage einzubringen und insofern überprüfen zu lassen, ob das Dienstverhältnis tatsächlich geendet hat oder mangels Eintreten der gesetzlichen Voraussetzungen nicht geendet hat.

Dass das einer derartigen Feststellungsklage gemäß §228 ZPO zugrunde liegende rechtliche Interesse nicht alleine in der Eröffnung des Zuganges zum VfGH liegt - wie der Verfassungsgerichtshof im Falle des Feststellungsverfahrens nach §54 ASGG durch Organe der Arbeitnehmerschaft in VfSlg. 13.880/1994 (Seite 187) erkannt hat - ergibt sich schon aus der Rechtsprechung des OGH, nach welcher eine Klage auf Feststellung eines bereits beendeten privatrechtlichen Dienstverhältnisses dann zulässig ist, wenn die Feststellung eines solchen zB für einen Verwaltungsbescheid über die Versicherungspflicht von Bedeutung sein kann. Nun erscheint offensichtlich, dass die Feststellung der Dauer des Dienstverhältnisses für die Antragstellerin wohl auch für einen Verwaltungsbescheid von Bedeutung sein wird, da an die Dauer des Dienstverhältnisses zahlreiche sozialrechtliche Folgen geknüpft sind.

Daher wird man auch im Lichte des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 29. September 1994 (VfSlg. 13.880/ 1994) davon ausgehen können, dass im vorliegenden Fall die aufgezeigte Beschreitung des Gerichtsweges wohl zumutbar sein wird. Dies bedeutet jedoch, dass damit das Nichtvorliegen eines zumutbaren Umweges als wesentliche Voraussetzung für den Antrag gemäß Art140 Abs1 B-VG nicht vorliegt und daher in diesem Punkt die Prozessvoraussetzungen nicht gegeben sind."

II. Der Antrag ist nicht zulässig.

1. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art140 Abs1 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 11.684/1988, 13.871/1994, 14.355/1995).

2. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Antragstellerin durch die von ihr bekämpfte Gesetzesbestimmung tatsächlich aktuell in ihrer Rechtssphäre beeinträchtigt wird, da j e d e n f a l l s ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der von ihr behaupteten Verfassungswidrigkeit offen steht. Die Antragstellerin hätte nämlich die Möglichkeit, zur Klärung der Frage des Bestandes ihres privatrechtlichen Dienstverhältnisses das Arbeitsgericht anzurufen und im Zuge dieses Verfahrens unter Darlegung der nach ihrer Auffassung gegen die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Gesetzesstelle sprechenden Argumente die Stellung eines Gesetzesprüfungsantrags durch das Gericht zweiter Instanz anzuregen (vgl. VfSlg. 14.355/1995). Auch kann von ins Gewicht fallenden Nachteilen, insbesondere einer besonderen Härte, der die Antragstellerin ausgesetzt wäre, wenn sie auf den erörterten Weg verwiesen wird, keine Rede sein (vgl. VfSlg. 8312/1978, S 333 f.; 9695/1983, S 375; jeweils mwN).

3. Der Individualantrag war sohin mangels Legitimation zurückzuweisen.

Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

Schlagworte

Dienstrecht, Vertragsbedienstete, Dienstverhinderung, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:G250.1998

Dokumentnummer

JFT_09999381_98G00250_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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