TE Vwgh Erkenntnis 2003/9/24 2003/04/0132

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Veröffentlicht am 24.09.2003
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §68 Abs1;
AVG §69;
GewO 1994 §175 Abs1 Z1;
GewO 1994 §175 Abs2;
GewO 1994 §258 Abs2 Z1;
GewO 1994 §258 Abs2 Z3;
VStG §24;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über der Beschwerde der I GmbH in G, vertreten durch Dr. Hansjürgen Tuengerthal, Rechtsanwalt in D-69118 Heidelberg, Köpfelweg 57, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 24. Juni 2003, Zl. 323.484/4-I/9/03, betreffend Bewilligung zur Gewerbeausübung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge wurde im Instanzenzug die von der beschwerdeführenden Partei beantragte Bewilligung zur Ausübung des Gewerbes der Überlassung von Arbeitskräften im näher bezeichneten Standort gemäß § 175 Abs. 2 GewO 1994 in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle BGBl. I Nr. 111/2002 in Verbindung mit §§ 175 Abs. 1 Z. 1 und 258 Abs. 2 Z. 1 leg. cit. verweigert.

Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, über die handelsrechtliche Geschäftsführerin E. I. der beschwerdeführenden Partei sei mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 10. Juli 2000 wegen einer von ihr begangenen Übertretung nach dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz eine Geldstrafe rechtskräftig verhängt worden. Nach der dem Rechtsbestand angehörenden, die Berufungsbehörde bei ihrer Entscheidung bindenden Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Baden stehe es fest, dass E. I. gegen eine Vorschrift des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes verstoßen habe. Eine neuerliche Prüfung der im rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren als erwiesen angenommenen Tatsache sei im gewerbebehördlichen Bewilligungsverfahren unzulässig. Soweit von der beschwerdeführenden Partei darauf hingewiesen worden sei, dass bei der Bezirkshauptmannschaft Baden ein Antrag auf Wiederaufnahme des mit Strafverfügung vom 10. Juli 2000 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens eingebracht worden sei, sei dem entgegen zu halten, dass dem Wiederaufnahmeantrag bisher nicht stattgegeben worden sei. Für ein Zuwarten mit der Entscheidung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Wiederaufnahmeverfahrens fehle die gesetzliche Grundlage.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 258 Abs. 2 GewO 1994, in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle BGBl. I Nr. 111/2002 ist für das bewilligungspflichtige gebundene Gewerbe der Überlassung von Arbeitskräften (§ 127 Z. 19 GewO 1994) die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne des § 175 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 vor allem dann nicht gegeben, wenn das bisherige Verhalten des Bewilligungswerbers die Annahme rechtfertigt, dass das Gewerbe in einer den Schutz und die Rechte der Arbeitskräfte nicht gewährleisteten Art ausgeübt werden wird; dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Bewilligungswerber

1. gegen die Vorschriften des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes verstoßen hat oder

2.

unzulässige Arbeitsvermittlung betrieben hat oder

3.

Verpflichtungen eines Arbeitgebers, die sich aus dem Arbeitsrecht einschließlich des Arbeitnehmerschutzes oder des Sozialversicherungsrechtes ergeben, erheblich verletzt hat (§ 258 Abs. 2 GewO 1994).

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt dargelegt hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 3. April 2002, Zl. 2002/04/0017, und die dort zitierte Vorjudikatur), handelt es sich beim Tatbestandsmerkmal "gegen die Vorschriften des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes verstoßen hat" (Z. 1) um eine "praesumtio iuris et de iure", die als solche bei deren sachverhaltsmäßiger Erfüllung einen Gegenbeweis gegen den dadurch normierten Mangel der "Zuverlässigkeit" nicht zulässt, und die weiters insbesondere auch tatbestandsmäßig - anders als etwa die Regelung der Z. 3 dieser Gesetzesstelle - nicht etwa auf die "Erheblichkeit" der entsprechenden Handlungsweise abstellt.

Die gegenteiligen, auf dem Boden einer verfassungskonformen Interpretationsmethode angestellten Ausführungen der beschwerdeführenden Partei überzeugen im Beschwerdefall nicht. Aus der vom Gesetzgeber gewählten Formulierungen ergibt sich eindeutig, dass bei Vorliegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes - dies ist im Beschwerdefall unbestrittenermaßen geschehen - die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne des § 175 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 für die Erteilung einer Bewilligung für das Gewerbe der Überlassung von Arbeitskräften nicht besteht.

Beim Verwaltungsgerichtshof sind aus Anlass des vorliegenden Beschwerdefalles auch keine Bedenken entstanden, dass mit der gesetzlichen Regelung in verfassungswidriger Weise eine Beschränkung der Erwerbsfreiheit angeordnet würde, weil etwa die beschränkende Maßnahme sachlich nicht zu rechtfertigen sei. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher auch nicht veranlasst, ein Gesetzesprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen.

Soweit die beschwerdeführende Partei (zusammenfassend) geltend macht, die belangte Behörde hätte nicht die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 10. Juli 2000 heranziehen dürfen, so wird das Wesen der Bindungswirkung verkannt. Die Behörde ist an rechtskräftige Bestrafungen insofern gebunden, als damit die Tatsache der Handlungen oder Unterlassungen, derentwegen die Bestrafung erfolgte, feststeht (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2000, Zl. 2001/04/0092, und die dort zitierte Vorjudikatur). An dieser Bindung vermag auch die Einbringung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens nichts zu ändern. An der Bindung als Folge der Rechtskraft der Entscheidung (hier der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 10. Juli 2000) vermag der Umstand, dass ein Antrag auf Wiederaufnahme eingebracht wurde (noch) nichts zu ändern.

Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 24. September 2003

Schlagworte

Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003040132.X00

Im RIS seit

20.10.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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