RS OGH 1985/8/22 12Os83/85, 13Os128/66, 15Os127/87, 15Os21/89, 11Os50/89, 11Os9/90, 14Os61/90, 13Os7

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Veröffentlicht am 22.08.1985
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Norm

StGB §76

Rechtssatz

Der objektive Maßstab des Durchschnittsmenschen kann auch bei geistesschwachen, aber noch zurechnungsfähigen Tätern zur Anwendung gelangen, weil er nicht auf ein intellektuelles Durchschnittsniveau, sondern auf durchschnittliche Rechtstreue (Verbundenheit mit den rechtlich geschützten Werten) der Maßfigur abstellt; für unter dem charakterlichen Niveau der Maßfigur liegende Charaktereigenschaften, die den Affektdurchbruch herbeigeführt oder gefördert haben, haftet sohin auch der geistig primitive Täter. Von diesem entscheidenden Charakterzug (durchschnittliche Rechtstreue) abgesehen, muss sich jedoch die Maßfigur dem individuellen Täter möglichst annähern, ihm also hinsichtlich sozialer Stellung, Lebenskreis, Alter, körperlichen Eigenschaften, Gesundheit, Beruf, Bildung, Herkunft etc gleich gedacht werden. Demnach kommt es auf den rechtstreuen Menschen von der geistigen und körperlichen Beschaffenheit des Täters in der speziellen Tatsituation an - individualisierter objektiver Maßstab.

Entscheidungstexte

  • 12 Os 83/85
    Entscheidungstext OGH 22.08.1985 12 Os 83/85
    Veröff: JBl 1986,241
  • 13 Os 128/66
    Entscheidungstext OGH 09.10.1986 13 Os 128/66
    Vgl auch; nur: Der objektive Maßstab des Durchschnittsmenschen kann auch bei geistesschwachen, aber noch zurechnungsfähigen Tätern zur Anwendung gelangen, weil er nicht auf ein intellektuelles Durchschnittsniveau, sondern auf durchschnittliche Rechtstreue (Verbundenheit mit den rechtlich geschützten Werten) der Maßfigur abstellt; für unter dem charakterlichen Niveau der Maßfigur liegende Charaktereigenschaften, die den Affektdurchbruch herbeigeführt oder gefördert haben, haftet sohin auch der geistig primitive Täter. (T1) Beisatz: Dieser objektiv-normative Maßstab lässt keinen Raum für eine Gesetzesauslegung, wonach der gegenüber § 75 StGB privilegierende Tatbestand des § 76 StGB einem verstandesschwachen oder unintelligenten Täter im größeren Umfang zugute kommen könne als einem Durchschnittsmenschen. (T2)
  • 15 Os 127/87
    Entscheidungstext OGH 29.09.1987 15 Os 127/87
    Veröff: JBl 1988,330
  • 15 Os 21/89
    Entscheidungstext OGH 07.03.1989 15 Os 21/89
    nur: Demnach kommt es auf den rechtstreuen Menschen von der geistigen und körperlichen Beschaffenheit des Täters in der speziellen Tatsituation an. (T3)
  • 11 Os 50/89
    Entscheidungstext OGH 06.06.1989 11 Os 50/89
    Vgl auch; Beisatz: Schlechte Charaktereigenschaften sind jedenfalls zu abstrahieren; die Maßfigur muss bei aller sonstiger Annäherung an den Täter ein mit den rechtlich geschützten Werten verbundener Mensch sein. (T4)
  • 11 Os 9/90
    Entscheidungstext OGH 21.03.1990 11 Os 9/90
    Vgl auch; Beisatz: Bei Prüfung der allgemeinen Begreiflichkeit eines Affektes ist ein objektiver Maßstab anzulegen, dabei jedoch die geistige und körperliche Beschaffenheit des Täters in der speziellen Tatsituation zu berücksichtigen. (T5)
  • 14 Os 61/90
    Entscheidungstext OGH 11.09.1990 14 Os 61/90
    nur T3
  • 13 Os 7/93
    Entscheidungstext OGH 10.03.1993 13 Os 7/93
    Vgl auch; nur T1
  • 13 Os 125/94
    Entscheidungstext OGH 14.09.1994 13 Os 125/94
    Vgl auch; Beisatz: Individualisierter, jedoch in rechtsethischer Hinsicht objektiv-normativer Maßstab. (T6)
  • 12 Os 104/94
    Entscheidungstext OGH 22.09.1994 12 Os 104/94
    nur: Individualisierter objektiver Maßstab. (T7)
  • 11 Os 4/00
    Entscheidungstext OGH 16.05.2000 11 Os 4/00
    Auch; Beisatz: Hat sich der Angeklagte, der sich in einer heftigen, durch seine Adoleszenzkrise und durch die Konfrontation mit homosexuellen Handlungen ausgelösten Gemütsbewegung befand, zu einem Mord hinreißen lassen, war dieser bei Anwendung eines hiefür erforderlichen objektiv-normativen Maßstabes nicht allgemein begreiflich. Dies wäre nur dann der Fall, wenn auch ein Mensch von durchschnittlicher Rechtstreue und mit vergleichbaren sozio-psycho-physischen Eigenschaften sich vorstellen könnte, er wäre in der Lage des Täters beim gegebenen Anlass samt seiner Vorgeschichte in eine derart heftige Gemütsbewegung geraten. Jugendliche (wie hier der Angeklagte) sind demnach an der Vergleichsfigur eines an sich rechtstreuen Jugendlichen, der unter ähnlichen Umständen aufgewachsen ist, zu messen. (T8) Beisatz: Einen Jugendlichen mit Sexual- (und Drogen-)erfahrung konnte es anlässlich einer ihm anfangs durchaus genehmen homosexuellen Begegnung kaum bestürzen, dass sein Partner gleichartige Sexualpraktiken, die er soeben selbst vorgenommen hat, auch von ihm fordert. (T9)
  • 13 Os 51/04
    Entscheidungstext OGH 16.06.2004 13 Os 51/04
    Vgl; Beis wie T8; nur: Allgemein begreiflich nur dann, wenn auch ein Mensch von durchschnittlicher Rechtstreue und mit vergleichbaren sozio-psycho-physischen Eigenschaften sich vorstellen könnte, er wäre in der Lage des Täters beim gegebenen Anlass samt seiner Vorgeschichte in eine derart heftige Gemütsbewegung geraten. Jugendliche (wie hier der Angeklagte) sind demnach an der Vergleichsfigur eines an sich rechtstreuen Jugendlichen, der unter ähnlichen Umständen aufgewachsen ist, zu messen. (T10)
  • 14 Os 149/04
    Entscheidungstext OGH 05.04.2005 14 Os 149/04
    Vgl; Beisatz: Die heftige Gemütsbewegung muss auch aus der Sicht eines durchschnittlich rechtstreuen Menschen mit vergleichbaren sozio-physischen Eigenschaften unter Anlegung eines objektiv-normativen Maßstabes, der auch die soziale Stellung, den Lebenskreis und eine leichte Erregbarkeit des Angeklagten umfassen kann, verständlich sein. (T11)
  • 14 Os 75/07x
    Entscheidungstext OGH 31.07.2007 14 Os 75/07x
    Vgl auch; Beisatz: Die Maßfigur muss sich dem individuellen Täter hinsichtlich sozialer Stellung, Lebenskreis, Beruf, Bildung, Herkunft usw möglichst annähern. (T12)
  • 12 Os 67/14s
    Entscheidungstext OGH 28.08.2014 12 Os 67/14s
    Vgl auch; Beisatz: Die allgemeine Begreiflichkeit einer zur Tat führenden Gemütsbewegung ist unter der gebotenen Abwägung eines objektiv?normativen Maßstabs aus der Sicht eines durchschnittlich rechtstreuen Menschen mit vergleichbaren sozio-physischen Eigenschaften zu beurteilen. § 76 StGB erfasst nur solche Gemütsbewegungen, die im Verhältnis zu ihrem Anlass allgemein, das heißt für einen Durchschnittsmenschen ? als objektiver Maßstab ? in dem Sinn verständlich sind, dass sich dieser vorstellen kann, auch er geriete unter den gegebenen besonderen Umständen in eine solche Gemütsverfassung. Die Maßfigur ist ein rechtstreuer Mensch von der geistigen und körperlichen Beschaffenheit des Täters in der spezifischen Tatsituation. Diese Maßfigur muss sich dem individuellen Täter möglichst annähern, ihm also hinsichtlich sozialer Stellung, Lebenskreis, Alltag, Gesundheit, Beruf, Bildung, Herkunft usw gleich gedacht werden. (T13)
  • 14 Os 33/22t
    Entscheidungstext OGH 31.05.2022 14 Os 33/22t
    Vgl

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:RS0092360

Im RIS seit

15.06.1997

Zuletzt aktualisiert am

04.07.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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