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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des N, geboren 1973, vertreten durch Dr. Friedrich Fromherz, Mag. Dr. Wolfgang Fromherz und Mag. Dr. Bernhard Glawitsch, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Graben 9, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 29. Juli 2003, Zl. St-162/03, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 29. Juli 2003 wurde gegen den Beschwerdeführer, dem Beschwerdevorbringen zufolge ein Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm den §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Den Feststellungen der Bundespolizeidirektion Linz (der Erstbehörde) im Bescheid vom 30. Mai 2003 zufolge lebe der Beschwerdeführer seit April 1993 in Österreich und sei im Besitz einer vom Magistrat der Landeshauptstadt Linz ausgestellten, bis 31. Jänner 2004 befristeten Niederlassungsbewilligung.
Während seines Aufenthaltes in Österreich sei er von österreichischen Gerichten wie folgt verurteilt worden:
1. vom Bezirksgericht Linz am 20. Juni 1995 gemäß § 223 Abs. 2 StGB zu einer bedingten Geldstrafe von 80 Tagessätzen, weil er am 31. Jänner 1995 anlässlich einer polizeilichen Lenker- und Fahrzeugkontrolle einen gefälschten Führerschein zum Beweis eines Rechtes, nämlich einer Berechtigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Verkehr, gebraucht habe;
2. vom "LG" (offensichtlich gemeint: Bezirksgericht) Linz-Land am 28. Juli 1997 gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen, weil er
3. a) am 9. November 1995 den J. durch Versetzen eines Faustschlages und
4.
weiterer Schläge und
5. b)
am 7. April 1997 in Linz den L., ebenfalls durch Versetzen eines
6.
Faustschlages,
7.
am Körper verletzt habe;
8.
vom Landesgericht Linz am 13. März 2003 gemäß § 83 Abs. 1, § 84 Abs. 2 Z. 2, § 15 und § 87 Abs. 1 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, wovon ein Teil von elf Monaten bedingt nachgesehen worden sei, weil er am 18. November 2002 in Linz gemeinsam mit zwei anderen Personen den K. dadurch, dass er ihn mit Faustschlägen und Fußtritten attackiert habe, vorsätzlich am Körper verletzt habe und ihn dadurch, dass er einen Hammer gegen seinen Kopf geworfen, diesen verfehlt und sodann mit einem Holzpflock mit voller Wucht auf den Kopf des Genannten geschlagen habe, absichtlich eine schwere Körperverletzung zuzufügen versucht habe.
Ferner schienen bei der Erstbehörde die Verhängung von vier verwaltungsbehördlichen Geldstrafen (über den Beschwerdeführer) auf, und zwar gemäß § 102 Abs. 3 fünfter Satz KFG, § 42 Abs. 1 KFG und zweimal gemäß § 20 Abs. 2 StVO.
In seiner im erstinstanzlichen Verfahren erstatteten Stellungnahme vom 29. April 2003 habe der Beschwerdeführer vorgebracht, er wäre im April 1993 nach Österreich gekommen und würde nun gemeinsam mit seiner Gattin und seinen drei Kindern - ebenso wie sein Vater und seine Geschwister - im Bundesgebiet leben. Seit 1996 wäre er immer mit Ausnahme der Dauer seiner Untersuchungshaft einer Beschäftigung nachgegangen. Derzeit wäre er als Leasingarbeiter im Baugewerbe beschäftigt. Auf Grund seines langjährigen Aufenthalts in Österreich wäre er in die österreichische Gesellschaft integriert. Dieser Stellungnahme habe er eine Bestätigung seiner Bewährungshelferin beigelegt, der zufolge er sehr um seine Familie bemüht und arbeitsam wäre.
In seiner gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen vorgebracht, dass die Erstbehörde die Schwere seiner Straftaten falsch eingeschätzt hätte, weil er von den Strafgerichten lediglich zu zwei Geldstrafen verurteilt worden wäre und von der über ihn verhängten zwölfmonatigen Haftstrafe ein Teil von elf Monaten bedingt nachgesehen worden wäre. Da das Gericht offensichtlich - ebenso wie die Bewährungshilfe - von einer positiven "Zukunftsprognose" ausgegangen wäre, läge eine Mangelhaftigkeit der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides vor.
Nach Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde weiter begründend aus, dass der Beschwerdeführer wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Straftaten (gegen Leib oder Leben) und am 13. März 2003 zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt worden sei, sodass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei.
Bei der Gesamtbeurteilung des Sachverhalts sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer bei Verwirklichung der Tathandlungen seine Aggression und Gewaltbereitschaft gesteigert habe, was insbesondere durch die seiner letzten Verurteilung zu Grunde liegende Straftat zum Ausdruck komme. So habe er versucht, einen anderen absichtlich schwer zu verletzen, indem er einen Hammer gegen dessen Kopf geworfen und anschließend mit einem Holzpflock mit voller Wucht gegen den Kopf geschlagen habe. Nicht einmal vorangehende Verurteilungen hätten ihn davon abhalten können, erneut mit Gewalt gegen einen anderen vorzugehen. Auch im Hinblick auf seine verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen bringe er für die Behörde seine Gleichgültigkeit und sein Desinteresse an der Einhaltung der österreichischen Gesetze zum Ausdruck. Was sein Vorbringen betreffend eine positive "Zukunftsprognose" anlange, so sei ihm entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde die Frage des Gerechtfertigtseins des Aufenthaltsverbotes ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts zu beurteilen habe. Während seine familiäre und wirtschaftliche Integration infolge seines langjährigen Aufenthalts in Österreich zu bejahen sei, sei ihm die Integration in die österreichische Gesellschaft in sozialer Hinsicht auf Grund der von ihm begangenen Straftaten und unter Berücksichtigung seiner Gewaltbereitschaft und seines Aggressionspotentials noch nicht gelungen.
Es sei daher nicht nur die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Licht des § 37 Abs. 1 leg. cit. gerechtfertigt. Zudem sei das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers "doch schwerwiegenderer Art", weshalb von der Ermessensbestimmung des § 36 Abs. 1 leg. cit. habe Gebrauch gemacht werden müssen, dies insbesondere in Anbetracht seiner besonders verwerflichen und aggressiven Vorgehensweise.
Im Hinblick auf die für seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu stellende negative "Zukunftsprognose" wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation, weshalb das Aufenthaltsverbot auch im Sinn des § 37 Abs. 2 leg. cit. zulässig sei. Daran könne der Umstand, dass seine Frau, seine Kinder, sein Vater und seine Geschwister in Österreich lebten, nichts ändern.
Die von der Erstbehörde festgesetzte Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes sei nicht als rechtswidrig zu erkennen, weil erst nach Ablauf dieser Zeit erwartet werden könne, dass sich der Beschwerdeführer an die im Bundesgebiet geltenden Normen halten werde.
Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei auch nicht gemäß § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG unzulässig, weil der Beschwerdeführer sämtliche strafbaren Handlungen noch innerhalb von zehn Jahren nach seiner Einreise begangen habe, sodass ihm die österreichische Staatsbürgerschaft vor Beginn der Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts nicht hätte verliehen werden können.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Auf dem Boden der insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde zu den strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers - (u.a.) wurde über den Beschwerdeführer, der vom Bezirksgericht Linz-Land am 28. Juli 1997 gemäß § 83 Abs. 1 StGB bestraft worden war, mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 13. März 2003 gemäß § 83 Abs. 1, § 84 Abs. 2 Z. 2, § 15 und § 87 Abs. 1 StGB eine teilbedingte Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verhängt - begegnet die (unbekämpfte) Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, keinem Einwand.
2. Den unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid zufolge war über den Beschwerdeführer bereits am 20. Juni 1995 vom Bezirksgericht Linz eine (bedingte) Geldstrafe verhängt worden, weil er am 31. Jänner 1995 bei einer polizeilichen Lenker- und Fahrzeugkontrolle einen gefälschten Führerschein zum Beweis eines Rechtes gebraucht hatte. Trotz dieser Bestrafung wurde er nur wenige Monate nach dieser Verurteilung neuerlich straffällig, indem er am 9. November 1995 den J. durch Versetzen von Schlägen am Körper (vorsätzlich) verletzte. Nachdem er am 7. April 1997 einen anderen (L.) ebenfalls durch Versetzen eines Schlages (vorsätzlich) am Körper verletzt hatte und über ihn wegen dieser Körperverletzungsdelikte am 28. Juli 1997 eine Geldstrafe verhängt worden war, wurde er schließlich am 18. November 2002 erneut, und zwar in weit massiverer Weise als zuvor, straffällig, indem er gemeinsam mit zwei anderen Personen den K. durch Faustschläge und Fußtritte (vorsätzlich) am Körper verletzte sowie dadurch, dass er einen Hammer in Richtung des Kopfes des K. warf und mit voller Wucht mit einem Holzpflock auf den Kopf des Genannten schlug, versuchte, diesem absichtlich eine schwere Körperverletzung zuzufügen.
In Anbetracht dieses Gesamtfehlverhaltens begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand. Wenn die Beschwerde behauptet, der Beschwerdeführer habe sich bei der seiner Verurteilung vom 13. März 2003 zu Grunde liegenden Straftat in einer "notwehrähnlichen Situation" befunden, weil sein Bruder von anderen bosnischen Staatsangehörigen angegriffen worden und er (der Beschwerdeführer) der Meinung gewesen sei, dass einer der Angreifer bewaffnet wäre, so führt dies zu keiner anderen Beurteilung seines Fehlverhaltens. Auf Grund dieser strafgerichtlichen Verurteilung steht die Tatbestandsmäßigkeit seines Verhaltens, insbesondere in Ansehung der §§ 15, 87 Abs. 1 StGB - nämlich, dass er einem anderen absichtlich eine schwere Körperverletzung zufügen wollte - in bindender Weise fest (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 2002, Zl. 2002/18/0201). Von daher ist auch die in der Beschwerde erhobene Rüge, die belangte Behörde hätte den diese Verurteilung betreffenden Strafakt beischaffen müssen, nicht zielführend.
3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG hat die belangte Behörde den langjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet (seit April 1993), seine daraus ableitbare Integration und den Umstand, dass auch seine Ehegattin, seine Kinder, sein Vater und seine Geschwister hier leben, berücksichtigt. Seine Integration ist jedoch in ihrer sozialen Komponente dadurch nicht unwesentlich gemindert, dass er ab dem Jahr 1995 wiederholt und in weiterer Folge überdies in einschlägiger Weise straffällig wurde. Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Inland steht die große Beeinträchtigung von öffentlichen Interessen durch die von ihm verübten Straftaten gegenüber. Davon ausgehend kann die Ansicht der belangten Behörde, die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei gemäß § 37 Abs. 1 FrG gerechtfertigt, somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten, und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation wögen jedenfalls nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 FrG), nicht als rechtswidrig erkannt werden, und zwar auch dann, wenn man in diese Beurteilung die Behauptung des Beschwerdeführers einbezieht, dass er als männliche Bezugsperson für seine drei hier aufgewachsenen Kinder erforderlich sei.
4. Im Hinblick darauf, dass - wie dargestellt - der Beschwerdeführer innerhalb eines der Erlassung des angefochtenen Bescheides vorangehenden Zeitraumes von nahezu acht Jahren viermal straffällig wurde und ihn zwei strafgerichtliche Verurteilungen nicht davon abhalten konnten, am 18. November 2002 in massiver Weise einen anderen vorsätzlich am Körper zu verletzen bzw. zu versuchen, einem anderen eine schwere Körperverletzung absichtlich zuzufügen, kann der belangten Behörde auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertreten hat, dass der Zeitpunkt des Wegfalls des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes nicht vor Ablauf der für die Dauer dieser Maßnahme festgesetzten Frist erwartet werden könne.
5. Ferner kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass der belangten Behörde bei ihrer Entscheidung ein (materieller) Ermessensfehler unterlaufen sei, macht doch die Beschwerde mit den vorzitierten Behauptungen keine besonderen Umstände geltend, die unter Berücksichtigung des massiven Fehlverhaltens des Beschwerdeführers eine Ermessensübung zu seinen Gunsten geboten hätten. Auch aus dem übrigen Beschwerdevorbringen und den Feststellungen im angefochtenen Bescheid lässt sich in dieser Hinsicht für den Standpunkt der Beschwerde nichts gewinnen.
6. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 25. September 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003180236.X00Im RIS seit
20.10.2003