TE Vwgh Erkenntnis 2003/9/25 99/18/0172

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Veröffentlicht am 25.09.2003
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1997 §114 Abs3;
FrG 1997 §35 Abs3 Z2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §44;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des M, geboren  1969, vertreten durch Dr. Alexander Thomas, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 29A (Trattnerhof 2), gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. Jänner 1999, Zl. SD 966/98, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 13. März 1995 war gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden.

Die Bundespolizeidirektion Wien begründete den Bescheid damit, dass sich der Beschwerdeführer seit 5. Mai 1993 in Österreich befinde und eine bis zum 30. Juni 1994 gültige Aufenthaltserlaubnis erhalten habe. Der Beschwerdeführer sei am 20. Juni 1994 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1, 130 zweiter Fall und 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren, davon sechs Monate unbedingt, rechtskräftig verurteilt worden. Nach der am 8. Juli 1994 erfolgten Haftentlassung sei der Beschwerdeführer am 21. August 1994 festgenommen und am 16. November 1994 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen §§ 15, 127 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von einem Jahr rechtskräftig verurteilt worden. Der Beschwerdeführer sei ledig. Seine Familie lebe in Bosnien. Er sei keiner geregelten Beschäftigung nachgegangen.

2. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 19. Jänner 1999 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 30. Juni 1998 auf Aufhebung des gegen ihn mit dem vorgenannten Bescheid erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbotes gemäß § 44 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe den Aufhebungsantrag im Wesentlichen damit begründet, dass er sich gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin um das ihr zugesprochene Pflegekind kümmere und er sie heiraten wolle. Er sei auf Grund einer ihm während des Bürgerkrieges in Bosnien zugefügten Verletzung in ständiger Behandlung. Auf Grund der Kriegsereignisse sei er traumatisiert.

Ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 44 FrG könne - so die belangte Behörde weiter - nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände unter gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 114 Abs. 3 leg. cit. zu Gunsten des Fremden geändert hätten, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen sei.

Das Aufenthaltsverbot hätte auch nach den Bestimmungen des FrG erlassen werden können. Es könne kein Zweifel daran bestehen, dass das der Behörde nunmehr zukommende Ermessen zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausfallen müsse. Hinsichtlich der §§ 19 und 20 Abs. 1 Fremdengesetz 1992 sei durch das FrG keine Änderung eingetreten. Auf Grund der kurzen Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers im Bundesgebiet kämen auch die Bestimmungen des § 38 FrG nicht zur Anwendung.

Entscheidend sei, ob sich die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebenden Umstände zu Gunsten des Beschwerdeführers geändert hätten. Er sei offenbar seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen und trotz des Aufenthaltsverbotes unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieben. Am 6. Oktober 1997 sei er wegen Fälschung besonders geschützter Urkunden zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten neuerlich rechtskräftig verurteilt worden. Der Beschwerdeführer mache geltend, dass sich seine privaten Umstände zu seinen Gunsten geändert hätten und er nicht gesund sei. Er sei nicht in das Staatsbürgerschaftsregister seines Heimatstaates eingetragen. Eine Rückkehr in seine Heimat sei ihm nicht möglich, weil er nicht islamischen Glaubens sei.

Die belangte Behörde verweise darauf, dass bei der Abwägung gemäß § 37 FrG lediglich die Lebensumstände des Fremden in Österreich Berücksichtigung fänden. Das auf die Umstände in seinem Heimatstaat bezogene Vorbringen des Beschwerdeführers sei daher für die Beurteilung der privaten bzw. familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers in Österreich ohne Belang. Was den Gesundheitszustand betreffe, so sei nicht ersichtlich, dass dem Beschwerdeführer die medizinische Behandlung nicht auch außerhalb Österreichs zukommen könne. Den privaten Beziehungen des Beschwerdeführers komme letztlich kein entscheidendes Gewicht zu. Angesichts seines neuerlichen Fehlverhaltens könnten diese privaten Bindungen die Interessenlage keinesfalls zu seinen Gunsten verschieben. Die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten, seien nicht weggefallen.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Nach der Übergangsbestimmung des § 114 Abs. 3 FrG sind (auf der Grundlage früher geltender Bestimmungen erlassene) Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes (mit 1. Jänner 1998) noch nicht abgelaufen sind, auf Antrag oder - wenn sich aus anderen Gründen ein Anlass für die Behörde ergibt, sich mit der Angelegenheit zu befassen - von Amts wegen aufzuheben, wenn sie nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht hätten erlassen werden können. Aufenthaltsverbote sind somit dann aufzuheben, wenn sie bei fiktiver Geltung des FrG im Zeitpunkt ihrer Verhängung nicht hätten erlassen werden dürfen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. November 2001, Zl. 99/18/0205, mwN).

Die Beschwerde lässt die Auffassung der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot auch nach den Bestimmung des FrG hätte erlassen werden können, unbekämpft. Gegen diese Beurteilung bestehen keine Bedenken.

Auch bei fiktiver Geltung des FrG im Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes vom 13. März 1995 wäre die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme auf Grund der geschilderten gravierenden Straftaten des Beschwerdeführers gerechtfertigt, war doch der seit der Begehung der Straftaten verstrichene Zeitraum viel zu kurz, um auf einen Wegfall oder eine nennenswerte Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr schließen zu können. Angesichts der rechtskräftigen - einschlägigen - Verurteilung des Beschwerdeführers vom 16. November 1994 wegen einer der im § 35 Abs. 3 Z. 2 FrG genannten strafbaren Handlungen zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten wäre das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch unter dem Blickwinkel des der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessens eindeutig gewesen (vgl. den Beschluss vom 24. April 1998, Zl. 96/21/0490).

1.2. Es ist auch nicht erkennbar, dass zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die nach § 37 durchzuführende Abwägung zu Gunsten des Beschwerdeführers ausgegangen wäre. Die im angefochtenen Bescheid angegebenen, seinerzeit bei der Verhängung des Aufenthaltsverbotes berücksichtigten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers - andere führt die Beschwerde nicht ins Treffen - wären nämlich bei einer zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nach § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG durchgeführten Interessenabwägung nicht stärker ins Gewicht gefallen, als dies nach den inhaltsgleichen Regelungen der §§ 19 und 20 Abs. 1 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, tatsächlich in Rechnung gestellt wurde.

Die von der belangten Behörde im Grund des § 114 Abs. 3 FrG getroffene Beurteilung begegnet daher keinem Einwand.

2.1. Gemäß § 44 FrG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Bei der Beurteilung ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose im Grund des § 36 Abs. 1 FrG (weiterhin) zu treffen ist, sodass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich erscheint, um die vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes im Grund der §§ 37 und 38 leg. cit. zulässig ist. Darüber hinaus hat die Behörde bei dieser Entscheidung das ihr im § 36 Abs. 1 leg. cit. eingeräumte Ermessen zu üben. Ein Antrag kann nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben. Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen. Allerdings kann bei der Entscheidung über die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes die Rechtsmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 10. Mai 2000, Zl. 99/18/0168).

2.2. Zutreffend hat die belangte Behörde hervorgehoben, dass der Beschwerdeführer nach der Erlassung dieses Aufenthaltsverbotes weiterhin unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieben ist und am 6. Oktober 1997 vom Landesgericht für Strafsachen Wien neuerlich verurteilt wurde, diesmal gemäß § 223 Abs. 2, § 224 StGB zu einer bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe von sieben Monaten. Angesichts dessen vermag der von der Beschwerde ins Treffen geführte "Zeitablauf", also das Verstreichen von etwa vier Jahren seit Verhängung des Aufenthaltsverbotes, kein taugliches Argument dafür zu liefern, dass die vom Beschwerdeführer ausgehende beträchtliche Gefahr weggefallen oder auch nur wesentlich gemindert sein könnte.

3. Auch mit seinem Vorbringen, die belangte Behörde habe seine veränderten privaten Lebensumstände vor dem Hintergrund des § 37 FrG nicht entsprechend gewürdigt und nicht berücksichtigt, dass sich letztlich "alleine auf Grund des Zeitablaufs meine soziale Integrierung in Österreich noch verfestigt" habe, weil er mit einer Lebensgefährtin und deren minderjährigen Sohn in Österreich zusammenlebe, zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Eine seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes allenfalls gegebene Zunahme seiner persönlichen Interessen ist zwar nicht zur Gänze zu vernachlässigen, sie schlägt jedoch deshalb nicht entscheidend zu Gunsten des Beschwerdeführers aus, weil dieser in Missachtung des Aufenthaltsverbotes unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieben ist. Der Umstand, dass seine Lebensgefährtin ein Pflegekind zu betreuen hat, vermag die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet nicht maßgeblich zu verstärken. Schließlich zeigt der Beschwerdeführer mit dem Vorbringen, er habe keine Rückkehrmöglichkeit in seine Heimat, ebenfalls keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil mit einem Aufenthaltsverbot nicht ausgesprochen wird, dass der Beschwerdeführer in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er allenfalls abgeschoben werde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. September 2000, Zl. 2000/18/0149).

4. Aus dem Vorbringen, der Beschwerdeführer sei "weder medizinisch noch psychiatrisch-neurologisch gesund", kann schon wegen der mangelnden Substantiierung kein Anspruch auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots abgeleitet werden.

5. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 25. September 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:1999180172.X00

Im RIS seit

23.10.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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