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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des N, geboren 1953, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 26. Mai 1999, Zl. SD 372/99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 26. Mai 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und Z. 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides seien auch für die Berufungsentscheidung maßgebend. Der Beschwerdeführer befinde sich seit Juli 1992 im Bundesgebiet und habe zuletzt Aufenthaltsbewilligungen zum Zweck der Familiengemeinschaft mit Fremden bis zum 15. April 1997 erhalten. Er sei im Besitz eines Befreiungsscheines und stehe als Maurer in einem Beschäftigungsverhältnis. Am 3. Mai 1995 sei er vom Landesgericht Korneuburg wegen § 224 StGB (Fälschung eines Führerscheines) rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Wien vom 30. Jänner 1995 und mit Strafverfügung der Bezirkshauptsmannschaft Korneuburg vom 31. Oktober 1995 sei er jeweils wegen Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO rechtskräftig bestraft worden. Auf Grund seines Verhaltens habe ihm die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg bereits im April 1996 die Aufenthaltsbewilligung entzogen. Das Entziehungsverfahren sei nach Bestätigung durch den Bundesminister für Inneres mittlerweile vom Verwaltungsgerichtshof auf Grund des § 115 FrG eingestellt worden.
Die bereits erfolgten Bestrafungen hätten den Beschwerdeführer nicht davon abgehalten, neuerlich straffällig zu werden. In der Zeit zwischen März und April 1998 habe er in drei Angriffen Sachen gekauft, die ein anderer durch Einbruchsdiebstahl an sich gebracht habe. Er sei deswegen am 31. August 1998 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs. 2 und 4 zweiter Satz StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten, davon sechs Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt worden.
Der Beschwerdeführer habe die Tatbestände des § 36 Abs. 2 Z. 1 und Z. 2 FrG verwirklicht. Sein Fehlverhalten gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit, sodass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch im Grund des § 36 Abs. 1 FrG - vorbehaltlich der §§ 37 und 38 leg. cit. - gerechtfertigt sei.
Auf Grund des beinahe sechsjährigen (richtig: siebenjährigen) inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers und im Hinblick darauf, dass er mit seiner Ehegattin und seinen beiden Kinder im gemeinsamen Haushalt lebe, liege ein mit dem Aufenthaltsverbot verbundener Eingriff in sein Privat- und Familienleben vor. Dennoch sei die Zulässigkeit der gegen ihn gesetzten Maßnahme im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zu bejahen. Der Beschwerdeführer habe keine Bedenken, sich über die zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit aufgestellten Normen seines Gastlandes hinwegzusetzen und schrecke auch nicht davor zurück, in fremdes Eigentum einzugreifen. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier:
zur Verhinderung strafbarer Handlungen und zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit sowie zum Schutz der Rechte Dritter - als dringend geboten zu erachten.
Im Rahmen der gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass der aus dem inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbaren Integration kein entscheidendes Gewicht zukomme, weil die erforderliche soziale Komponente durch dessen strafbares Verhalten erheblich gemindert worden sei. Dem stünden die hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen an der Verhinderung der Eigentumskriminalität und an der Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit gegenüber. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen keinesfalls schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen.
Ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes könne nicht vor Verstreichen des für das Aufenthaltsverbot festgesetzten Zeitraumes von zehn Jahren erwartet werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Unter dem Titel der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde habe den angefochtenen Bescheid unzureichend begründet, indem sie auf die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides verwiesen und den Umstand übergangen habe, "dass diese Gründe in einem Verfahren releviert wurden, das vom VwGH mit Beschluss vom 05.03.1999 zur Zahl 96/19/3550 eingestellt wurde und dabei die Behörde I. Instanz dem VwGH nicht gem. § 115 Abs. 2 FrG mitgeteilt hat, dass gewichtige öffentliche Interessen an einer unverzüglichen Aufenthaltsbeendigung bestünden."
1.2. Die Verweisung auf die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides ist zulässig. Die Berufungsbehörde entspricht ihrer Begründungspflicht, wenn sie auf die Begründung des unterinstanzlichen Bescheides verweist, im Übrigen aber - wie im vorliegenden Fall - auf alle in der Berufung vorgebrachten Tatsachen und Rechtsausführungen eingeht (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 27 zu § 67 AVG). Auch ist die Rechtmäßigkeit des nunmehrigen Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer nicht lediglich an dem Fehlverhalten zu messen, das der zuletzt erfolgten strafgerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegt. Die im Hinblick auf § 36 Abs. 1 FrG zu erstellende Gefährdungsprognose verlangt eine materielle Prüfung des Gesamtverhaltens der Partei (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Juli 2001, Zl. 98/21/0338). Auf dieses Gesamtverhalten - sohin auch auf das einem früheren Aufenthaltsverbot zu Grunde liegende Fehlverhalten - ist auch dann abzustellen, wenn die Behörde erster Instanz dem Verwaltungsgerichtshof in dem von ihm eingestellten Verfahren nach § 115 Abs. 2 FrG nicht mitgeteilt haben sollte, dass gewichtige öffentliche Interessen an einer unverzüglichen Aufenthaltsbeendigung des betroffenen Fremden bestünden.
2.1. Im Übrigen bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend die Tatbestände des § 36 Abs. 2 Z. 1 und Z. 2 FrG verwirklicht seien, unbekämpft. Im Hinblick auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 31. August 1998 sowie die Strafverfügungen der Bundespolizeidirektion Wien vom 30. Jänner 1995 und der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 31. Oktober 1995 jeweils wegen Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO bestehen gegen diese Beurteilung keine Bedenken.
2.2. Der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe sich in einem unzureichenden Ermittlungsverfahren nicht mit seinem Vorbringen auseinander gesetzt, dass er im Zusammenhang mit der abgeurteilten Straftat nach § 164 StGB "nur einige Male auf einem Flohmarkt Gegenstände gekauft hat, insbesondere Werkzeug für seine Tätigkeit als Maurer, wobei er nicht wusste, dass es sich um gestohlene Gegenstände handelte, ihm der diesbezügliche Beweis im Strafverfahren jedoch nicht gelungen ist, zumal er der deutschen Sprache nicht mächtig ist".
Dazu ist er auf das erwähnte rechtskräftige Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 31. August 1998 zu verweisen. Die belangte Behörde und der Verwaltungsgerichtshof sind an diesen Urteilsspruch insoweit gebunden, als die materielle Rechtskraft des Schuldspruches bewirkt, dass dadurch mit absoluter Wirkung, somit gegenüber jedermann, bindend festgestellt ist, dass der Verurteilte die strafbare Handlung entsprechend den konkreten Tatsachenfeststellungen des betreffenden Urteils rechtswidrig und schuldhaft begangen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2000, Zl. 2000/18/0133). Aus dem Urteil ergibt sich, dass der Beschwerdeführer in der Zeit zwischen März und April 1998 in Stockerau in drei Angriffen Sachen gekauft hat, deren Wert S 25.000,-- nicht überstieg, welche Mikica O. durch Einbruchsdiebstahl - sohin durch eine aus einem anderen Grund als wegen gewerbsmäßiger Begehung mit einer Freiheitsstrafe, die fünf Jahre erreicht oder übersteigt, bedrohten Handlung - erlangt hat, wobei er die Umstände kannte, die diese Strafdrohung begründen. Der Beschwerdeführer hat hiedurch das Verbrechen der Hehlerei nach § 164 Abs. 2 und 4, zweiter Satz StGB begangen.
Die Auffassung der belangten Behörde, es sei in Anbetracht des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, ist - unter Bedachtnahme auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen gegen die Zuverlässigkeit von Urkunden und Beweiszeichen und der Verhinderung der Eigentumskriminalität (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. März 2000, Zl. 99/18/0343) sowie im Hinblick auf die von alkoholisierten KfZ-Lenkern ausgehende große Gefahr für die Allgemeinheit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2000, Zl. 98/18/0218) - ebenfalls unbedenklich, zumal sich der Beschwerdeführer trotz der Verurteilung wegen Fälschens eines Führerscheines, trotz zweimaliger Bestrafung wegen Lenkens eines Fahrzeuges im alkoholisierten Zustand und trotz der erfolgten Einleitung eines Verfahrens zur Entziehung der Aufenthaltsbewilligung nicht davon abhalten ließ, neuerlich strafbare Handlungen - diesmal das Verbrechen der Hehlerei - zu begehen.
3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit Juli 1992, also seit sieben Jahren, das Zusammenleben mit seiner Frau und den beiden Kindern sowie seine Berufstätigkeit berücksichtigt. Den daraus ableitbaren, sehr gewichtigen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht die aus seinen mehrfachen Straftaten resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen durch seinen weiteren Aufenthalt im Inland gegenüber. Im Hinblick auf die massive Beeinträchtigung öffentlicher Interessen auf Grund des gesamten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit, Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), keinen Bedenken.
4. Der Beschwerdeführer wendet ein, dass die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheides die für die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes allein maßgebliche Bestimmung des § 39 FrG nicht angeführt habe.
Damit zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit auf. Die belangte Behörde hat im Spruch des angefochtenen Bescheides den erstinstanzlichen Bescheid - mit einer im vorliegenden Zusammenhang nicht bedeutsamen Maßgabe - bestätigt. Dieser stützt sich hinsichtlich der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes auf § 39 FrG. Damit beruht auch der angefochtene Bescheid auf dieser Rechtsgrundlage. Der Umstand, dass diese im Spruch des angefochtenen Bescheides nicht ausdrücklich noch einmal genannt wurde, ist normativ ohne Relevanz, weshalb eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers nicht vorliegt.
5. Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. April 2000, Zl. 2000/18/0047) ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird. Die Annahme der belangten Behörde, dass dies erst nach Ablauf von zehn Jahren der Fall sein werde, begegnet im Hinblick auf das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers, das er auch noch gesetzt hat, nachdem ihm mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg im April 1996 die Aufenthaltsbewilligung entzogen worden war (wobei das in der Folge anhängige verwaltungsgerichtliche Verfahren erst mit Beschluss vom 5. März 1999, Zl. 96/19/3550, eingestellt worden war), keinen Bedenken. Die Beschwerde zeigt keine Umstände auf, die den Schluss zuließen, dass der Wegfall der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe vor Ablauf dieses Zeitraumes erwartet werden könne.
6. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 25. September 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:1999180262.X00Im RIS seit
23.10.2003