TE Vwgh Erkenntnis 2003/9/25 2001/18/0021

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Veröffentlicht am 25.09.2003
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2001/18/0031

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, 1. über die Beschwerde des I, vertreten durch Schönherr, Barfuss, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in 1014 Wien, Tuchlauben 13, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 26. Juli 2000, Zl. SD 525/00, betreffend Abweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen einen Aufenthaltsverbots-Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien (hg. Zl. 2001/18/0021), und 2. über die weitere Beschwerde des Genannten, vertreten durch Dr. Manfred Macher, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Wohllebengasse 60/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 26. Juli 2000, Zl. SD 525/00, betreffend Zurückweisung der Berufung gegen den vorgenannten Aufenthaltsverbots-Bescheid (hg. Zl. 2001/18/0031), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 712,30 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 26. Juli 2000 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 13. Jänner 2000, mit dem gegen ihn gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 7 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen wurde, nach § 71 Abs. 2 AVG nicht stattgegeben.

Mit Bescheid vom 13. Jänner 2000 sei gegen den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot erlassen worden. Dieser Bescheid sei diesem noch am selben Tag eigenhändig zugestellt worden. Der Beschwerdeführer habe sich zu diesem Zeitpunkt in Schubhaft befunden. Am 28. Jänner 2002 sei er aus dieser entlassen worden und habe mit Schriftsatz vom 8. Februar 2000, zur Post gegeben am 11. Februar 2000, den vorliegenden Antrag eingebracht. Er habe geltend gemacht, dass er auf Grund fehlender Deutschkenntnisse nicht im Stande gewesen wäre, den Inhalt des besagten Bescheids zu erfassen. Darüber hinaus wäre er mit den österreichischen Rechtsvorschriften nicht vertraut. "Durch seine Schubhaft" wäre ihm von der Polizei verwehrt worden, mit einem Rechtsbeistand Kontakt aufzunehmen, der seine Sprache sprechen würde. Erst nach Entlassung aus der Schubhaft wäre es ihm möglich gewesen, mit dem Flughafen-Sozialdienst Kontakt aufzunehmen, der auch über Mitarbeiter verfügen würde, die seine Muttersprache sprechen würden. In der Berufung habe er darüber hinaus vorgebracht, die Feststellung der Erstbehörde, er wäre während der Haft in Betreuung durch den "Schubhaftsozialdienst" gestanden und hätte diesem jederzeit sein Anliegen vorbringen können, wäre unrichtig.

Zunächst sei festzuhalten, dass der genannte Aufenthaltsverbotsbescheid dem Beschwerdeführer - wie er selbst in seinem Schriftsatz vom 3. April 2000 zugestehe -  vollständig, "d.

h. Wort für Wort", vom anwesenden Dolmetscher übersetzt worden sei. Darüber hinaus bestehe nach dem Fremdengesetz kein Anspruch eines Fremden auf Erlassung eines Bescheides in einer ihm verständlichen Sprache; weiters stelle die Verhängung der Schubhaft über den Fremden keine taugliche Begründung für den Wiedereinsetzungsantrag dar. Es fehle nämlich einem in Schubhaft befindlichen Fremden die Dispositionsfähigkeit nicht soweit, dass er allein deshalb zur Wahrung der Rechtsmittelfrist außer Stande wäre. Der Beschwerdeführer zeige nicht auf, welche Umstände ihn während der Schubhaft gehindert hätten, mit einem Dolmetscher bzw. einer Kontaktperson in Verbindung zu treten und mit deren Hilfe die Berufung rechtzeitig einzubringen. Vielmehr sei aktenkundig, dass der Beschwerdeführer durch den Schubhaftsozialdienst während seiner Haft tatsächlich beraten worden sei und "über diesen" sogar einen Asylantrag gestellt habe. Warum es ihm nicht möglich gewesen sein sollte, gegen den erlassenen Aufenthaltsverbotsbescheid rechtzeitig Berufung zu erheben, sei der belangten Behörde nicht einsichtig. Die verhängte Schubhaft sei - ebenso wie mangelnde Rechtskenntnis oder Rechtsirrtum - für sich allein kein Grund, der es zulassen würde, die Unterlassung einer rechtzeitigen Berufungseinbringung als unverschuldet oder als ein über den minderen Grad des Versehens nicht hinausgehendes Verschulden zu werten. Weiters habe der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet, dass er sich um die fristgerechte Einbringung der Berufung bzw. der Erlangung einer entsprechenden Hilfestellung hierfür konsequent bemüht habe. Da aus den angeführten Gründen die Voraussetzungen zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gegeben gewesen seien, habe der Berufung keine Folge gegeben werden können.

2. Ebenfalls mit Bescheid vom 26. Juli 2000 wies die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer gegen den Aufenthaltsverbots-Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 13. Jänner 2000 am 11. Februar 2000 zur Post gegebene Berufung gemäß § 63 Abs. 5 iVm § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurück.

Der erstinstanzliche Bescheid sei dem Beschwerdeführer durch Übergabe am 13. Jänner 2000 zugestellt worden. Die zweiwöchige, in der Rechtsmittelbelehrung des genannten Bescheids richtig wiedergegebene Rechtsmittelfrist habe sohin am 27. Jänner 2000 geendet. Angesichts dieser Tatsache und im Hinblick darauf, dass sich der gleichzeitig eingebrachte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet erwiesen habe, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

3. Der Beschwerdeführer erhob gegen den unter I.1. sowie den unter I.2. genannten Bescheid jeweils eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, den jeweils bekämpften Bescheid aufzuheben.

4. Mit ihrer zum Bescheid betreffend die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages vorgelegten Gegenschrift übermittelte die belangte Behörde auch die Verwaltungsakten; zur Beschwerde den genannten Zurückweisungsbescheid betreffend wurde von der belangten Behörde ebenfalls eine Gegenschrift erstattet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

A. Zur Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages

1. Vorweg ist festzuhalten, dass - soweit stimmen die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens überein - die Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den Aufenthaltsverbots-Bescheid vom 13. Jänner 2000 versäumt wurde, somit die wesentliche Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Wiedereinsetzungsantrags erfüllt ist (§ 71 Abs. 1 AVG).

2. Nach der (vorliegend in Betracht kommenden) Bestimmung des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Nach § 71 Abs. 2 AVG muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

3.1. In seiner gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages gerichteten Beschwerde bringt der Beschwerdeführer vor, er habe in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dargelegt, dass es ihm während der Schubhaft "von der Polizei" verwehrt worden sei, mit einem Rechtsbeistand Kontakt aufzunehmen, der seine Muttersprache spreche. Erst nach Entlassung aus der Schubhaft habe er mit dem Flughafen-Sozialdienst Kontakt aufnehmen können, der auch über Mitarbeiter verfüge, die seine Muttersprache sprechen würden. Zwar sei dem Beschwerdeführer der Aufenthaltsverbotsbescheid vom 13. Jänner 2000 durch einen Dolmetscher übersetzt worden, eine rechtliche Beratung durch den Schubhaftsozialdienst während der Schubhaft sei jedoch nicht in der Muttersprache des Beschwerdeführers erfolgt. Die "näheren Umstände der Schubhaft (keine Möglichkeit einer Rechtsberatung in (der) ... Muttersprache (des Beschwerdeführers))" hätten daher der rechtzeitigen Erhebung der Berufung gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid entgegengestanden. Der Umstand, dass es dem Beschwerdeführer während der Schubhaft nicht möglich gewesen sei, mit einem Rechtsbeistand Kontakt aufzunehmen, der seine Muttersprache spreche, sei als unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinn des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG zu qualifizieren. An der Versäumung der Berufungsfrist durch den Beschwerdeführer treffe diesen kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens. Da damit die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorgelegen hätten, hätte die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Erstbescheid Folge geben müssen. Da die belangte Behörde auf die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Haftumstände nicht näher eingegangen sei, sei ihr auch die Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens sowie die Verletzung ihrer verwaltungsrechtlichen Begründungspflicht vorzuwerfen.

3.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten wurden dem Beschwerdeführer anlässlich seiner im Besein eines Dolmetschers durchgeführten Einvernahme vor der Erstbehörde am 13. Jänner 2000 (u.a.) zur Kenntnis gebracht, dass beabsichtigt sei, gegen ihn "auf Grund des ermittelten Sachverhaltes ein auf 5 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot zu erlassen und dieses durch Außerlandesschaffung zu vollstrecken", dass weiters beabsichtigt sei, ihn "im Verwaltungswege wegen Aufenthalt im Bundesgebiet ohne Reisepass zu bestrafen", und dass ihm "der Bescheid betreffend der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Anschluss an diese Einvernahme zugestellt und die zwangsweise Außerlandesschaffung zum nächstmöglichen Termin durchgeführt" werde. Der Beschwerdeführer bestätigte mit seiner Unterschrift, dass er dies zur Kenntnis nehme sowie alles verstanden und nichts mehr hinzuzufügen habe (Aktenblatt 16). Nach den Verwaltungsakten wurde dem Beschwerdeführer nach der Strafverhandlung und der Erlassung des Straferkenntnisses betreffend die genannte Verwaltungsübertretung (Aktenblatt 17 f) der genannte Aufenthaltsverbots-Bescheid durch Übergabe im Beisein eines Dolmetschers zugestellt. Auf dem Boden des unstrittig festgestellten Umstands, dass dem Beschwerdeführer der Aufenthaltsverbots-Bescheid durch diesen Dolmetscher übersetzt wurde, musste der Beschwerdeführer vorliegend den amtlichen (behördlichen) Charakter des ihm ausgehändigten Schriftstückes und die im gegebenen Zusammenhang bestehende Wahrscheinlichkeit der damit verbundenen rechtlichen Konsequenzen erkennen, weshalb es ihm auch zumutbar war, sich aus eigenem um die Erlangung einer Hilfestellung für die Abfassung eines Rechtsmittels zu bemühen (vgl. aus der hg. Rechtssprechung das Erkenntnis vom 11. Oktober 2001, Zl. 99/18/0355). Diesbezüglich räumt der Beschwerdeführer (wie erwähnt) zwar ein, dass er - wie im angefochtenen Bescheid festgestellt - während der Schubhaft ohnehin vom Schubhaft-Sozialdienst rechtlich beraten wurde. Wenn er aber einwendet, dass diese rechtliche Beratung nicht in seiner Muttersprache erfolgt sei, zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, legt er doch nicht dar, dass dieser behauptete Mangel eine effektive rechtliche Beratung durch den Schubhaft-Sozialdienst gehindert habe, zumal er auch nicht in Abrede stellt, dass er mit dessen Hilfe während der Schubhaft einen Asylantrag gestellt habe. Von daher kann entgegen der Beschwerde nicht davon gesprochen werden, dass der Umstand, dass es dem Beschwerdeführer während der Schubhaft nicht möglich gewesen sei, mit einem Rechtsbeistand Kontakt aufzunehmen, der seine Muttersprache spreche, als unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinn des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG zu qualifizieren wäre. Vor diesem Hintergrund gehen auch die Verfahrensrügen fehl, dass das Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben und der angefochtene Bescheid nicht ausreichend begründet sei.

B. Zur Zurückweisung der Berufung gegen den Aufenthaltsverbots-Bescheid

Im Hinblick darauf, dass die Berufung unbestritten erst nach Ablauf der hierfür vorgesehenen zweiwöchigen Frist (§ 63 Abs. 5 AVG) eingebracht und sohin verspätet erhoben wurde, steht die Zurückweisung mit dem Gesetz (§ 66 Abs. 4 AVG) im Einklang.

C. Da sich unter Zugrundlegung der vorstehenden Erwägungen die in Rede stehenden Beschwerden als unbegründet erweisen, waren sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

D. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die belangte Behörde die Verwaltungsakten tatsächlich nur einmal vorlegte und ihr demzufolge der in beiden Gegenschriften begehrte Vorlageaufwand lediglich einmal zusteht.

Wien, am 25. September 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001180021.X00

Im RIS seit

05.11.2003

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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