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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
GewO 1994;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag 1.) des J,
2.)
des K, 3.) des F, 4.) der M, 5.) des A, 6.) des F, 7.) des M,
8.)
der Elisabeth Dengg, 9.) des D, 10.) der M, 11.) des Dipl.- Ing. H, 12.) des J, 13.) der H, 14.) des J, 15.) des B und
16.) des W, allevertreten durch Dr. K, Mag. S und Mag. M, Rechtsanwälte, der gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 10. Juni 2003, Zl. U-3896-C/24, betreffend gewerbliche Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: W Gesellschaft m.b.H., vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt), erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 23. Mai 2002 wurde der mitbeteiligten Partei die gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Grünschnittkompostieranlage und einer Altholzaufbereitungsanlage im näher bezeichneten Standort erteilt.
Gegen diesen Bescheid haben die Antragsteller Berufung erhoben.
Der Landeshauptmann von Tirol hat mit Bescheid vom 10. Juni 2003 die Berufungen gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zur hg. Zl. 2003/04/0130 protokollierte Beschwerde, die mit dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden ist. Der Aufschiebungsantrag ist im Wesentlichen damit begründet, dass die negativen Auswirkungen, die eine sofortige Vollstreckung des angefochtenen Bescheides für die Antragsteller mit sich bringen würden, bei weitem schwerer wögen, als die Nachteile, die der mitbeteiligten Partei aus einer Hemmung der Vollstreckung entstehen würden. Bei sofortiger Vollstreckbarkeit des angefochtenen Bescheides wäre die mitbeteiligte Partei befugt, sofort mit dem Betrieb der Grünschnittkompostieranlage und Altholzaufbereitungsanlage zu beginnen. Eine sofortige Inbetriebnahme wäre insbesondere deshalb möglich, weil der Großteil der benötigten technischen Geräte nach den eingereichten Projektunterlagen vom Maschinenring gemietet werden sollten. Die mitbeteiligte Partei habe in dieser Hinsicht sohin kürzeste Anlaufzeiten und Anlaufkosten. Dies würde indes auch bedeuten, dass die Beschwerdeführer - gerade während der heißen Sommer- und Herbstmonate - jedenfalls bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens den mit dem Betrieb der Anlage verbundenen Emissionen ungehindert und ungeschützt ausgesetzt wären. Die dabei zu befürchtenden gesundheitlichen Schädigungen durch die Lärm-, Staub-, Geruchs- und Rauchbelästigung könnten auch im Falle eines Verfahrenserfolges vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht mehr rückgängig gemacht werden. Die Schäden wären insofern bleibend und dauerhaft. Im Verhältnis dazu würden die eventuellen Schäden, die der mitbeteiligten Partei aus einer zeitlich späteren Inbetriebnahme der Anlage entstehen könnten, weitaus geringer wiegen. Da die in der Anschaffung teuersten Geräte nur angemietet werden sollten, bestehe der Schaden lediglich in der derzeitigen Umsatzeinbuße. Andere Schäden seien nicht zu gewärtigen, zumal auf der gegenständlichen Betriebsanlage noch nicht einmal ein ständiger Arbeitsplatz eingerichtet werden solle, sodass gegenwärtig auch kein Arbeitsplatzverlust zu befürchten sei.
Die mitbeteiligte Partei sprach sich gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus, und zwar im Wesentlichen mit der Begründung, die mitbeteiligte Partei habe bereits an Investitionskosten einen Betrag in Höhe von EUR 82.500,-- aufgewendet. Mehrere (näher bezeichnete) Gemeinden würden zur Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei ihren Grünschnitt bzw. ihr Altholz anliefern, ebenso die Straßenmeisterei und eine näher bezeichnete Gärtnerei. Bei Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung müssten diese auf die 30 km entfernte, nächstliegende öffentliche Kompostieranlage verwiesen werden. Nicht zu übersehen sei auch der Umstand, dass momentan sicherlich die höchsten Umsatzeinbuße zu verzeichnen wäre, weil in den Herbstmonaten der höchste Anfall an Grünschnitt und Altholz zu verzeichnen sei, was für die mitbeteiligte Partei mit einer Umsatzeinbuße von rund EUR 100.000,-
- verbunden sei. Darüber hinaus leiste die mitbeteiligte Partei einen jährlichen Pachtschilling in Höhe von EUR 3.371,-- und habe Personalkosten im Betrag von rund EUR 9.000,-- aufzuwenden.
Auch die belangte Behörde sprach sich in ihrer Stellungnahme gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus, weil zwingende öffentliche Interessen gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bestünden. Wenn Grünschnitt und Altholz auf die 30 km entfernte, nächstliegende öffentliche Kompostieranlage verbracht werden müsste, so würde erfahrungsgemäß dieses Material in der freien Natur entsorgt. Auch habe es nach dem Erfahrungsstand der belangten Behörde keine Beschwerden wegen unzumutbarer Belästigungen gegeben, obwohl die Anlage bereits über den Sommer betrieben worden sei und auch derzeit betrieben werde.
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, kann von zwingenden öffentlichen Interessen im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG nur gesprochen werden, wenn die konkrete Interessenslage öffentliche Rücksichten berührt, die einen umgehenden Vollzug des angefochtenen Bescheides gebieten. Der Umstand, dass öffentliche Interessen am Vollzug einer behördlichen Maßnahme bestehen, berechtigt nicht ohne Weiteres schon zur Annahme, dass eben diese Interessen auch eine sofortige Verwirklichung der getroffenen Maßnahmen zwingend gebieten. Hiezu bedarf es noch des Hinzutretens weiterer Umstände, um die öffentlichen Interessen als "zwingend" im Sinne der genannten Gesetzesstelle ansehen zu können (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 2. April 1994, Zl. AW 94/17/0008, und die dort zitierte Vorjudikatur). Dass derartige Umstände vorlägen, hat - auf dem Boden des Vorbringens der belangten Behörde - das Verfahren nicht ergeben.
Weiters ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof in diesem, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde betreffenden Verfahren die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu prüfen hat (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 17. Juni 1999, Zl. AW 99/03/0027).
Auch vermag er - auf dem Boden des Antragsvorbringens - die im angefochtenen Bescheid enthaltenen, bei der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde angestellten und zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes führenden Erwägungen in diesem Provisorialverfahren nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen. Damit sind aber keine solchen Auswirkungen beim Betrieb der gegenständlichen Betriebsanlage zu erwarten, durch welche die rechtlichen Schutzinteressen der Antragsteller als Nachbarn in solcher Weise beeinträchtigt würden, dass dies gegenüber dem rechtlichen Interesse, welches der mitbeteiligten Partei aus dem angefochtenen Bescheid erwachsen ist, einen unverhältnismäßigen Nachteil darstellen würde.
Dem Aufschiebungsantrag war somit nicht stattzugeben.
Es ist darauf hinzuweisen, dass dann, wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben, auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden ist (§ 30 Abs. 2 vorletzter Satz VwGG).
Wien, am 1. Oktober 2003
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Gewerberecht Zwingende öffentliche InteressenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:AW2003040031.A00Im RIS seit
23.01.2004