Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hanslik, über die Beschwerde des G in H, vertreten durch Mag. Gabriele Pfandlsteiner, Rechtsanwältin in 6900 Bregenz, St. Annastraße 1/III, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen in Wien vom 23. Juni 2000, Zl. OB. 910-009454-001, betreffend Neubemessung der Beschädigtenrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der im Jahr 1923 geborene Beschwerdeführer bezieht aufgrund eines Bescheides des Landesinvalidenamtes für Vorarlberg in Bregenz vom 19. Oktober 1981 eine Beschädigtenrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG 1957) entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von insgesamt 70 v.H.
Als Dienstbeschädigungen des Beschwerdeführers wurden mit dem genannten Bescheid in Zusammenhalt mit früher ergangenen Bescheiden (vom 7. Jänner 1965 und vom 27. Jänner 1981) insgesamt die folgenden Gesundheitsbeschädigungen rechtskräftig anerkannt:
"Bezeichnung der Gesund-
heitsschädigung
Position nach
der Richt-satz-verordnung
Gesamte MdE.
kausal und akausal zusammen
Als Dienst-beschä-digung anzuer- kennen
MdE. nach § 7 KOVG.
1) Oberschenkelschußbruch li.
knöchern verheilt mit Ver-
Pos. 111
10 v.H.
1/1
10 v.H.
kürzung um ca. 2 cm
Rahmensatzwert entsprechend der Verkürzung
2) Seitenbandschäden des li.
Kniegelenkes
Pos. 123
30 v.H.
1/1
30 v.H.
3) Arthrose des li. Kniegelenkes
mit mäßiger Einschränkung der
Pos. 418
30 v.H.
1/1
30 v.H.
Beweglichkeit
Rahmensatzwert entsprechend dem Ausmaß der Veränderungen
4) Mäßige linkskonvexe Skoliose
der LWS bei Beckenschiefstand
mit schmerzhafter Verspannung
Pos. 180
20 v.H.
1/1
20 v.H.
der Streckmuskulatur
Rahmensatzwert entsprechend der Einschränkung der Beweglichkeit und der Schmerzhaftigkeit
5) Reizlose Narbe am linken
Pos. 702
Oberschenkel
Tab.1, Sp. 1Zl.
0 v.H.
1/1
0 v.H.
6) Kyphotischer Knick und beträchtliche I, f,
Spondylose an der unteren HWS
Pos. 191
40 v.H.
3/4
30 v.H.
unterer Wert des Rahmensatzes entsprechend dem Ausmaß der Spondylose"
Das Landesinvalidenamt für Vorarlberg in Bregenz führte in seinem Bescheid vom 19. Oktober 1981 zur Einschätzung des Grades der Gesamtminderung der MdE mit "65 v.H." aus, es resultiere "aus dem Zusammenwirken aller Dienstbeschädigungen eine Erhöhung der führenden Einzel-MdE um vier Stufen". Die durch die Dienstbeschädigung verminderte Erwerbsfähigkeit gemäß §§ 7, 8 und 9 KOVG 1957 betrage 70 v.H.
Mit Eingabe vom 6. August 1998 stellte der Beschwerdeführer unter Vorlage eines Arztberichtes den Antrag auf Neubemessung seiner Beschädigtenrente "unter Anerkennung der Implantation einer Knie-Endoprothese als Dienstbeschädigung".
Mit Bescheid vom 26. April 1999 hat das Bundessozialamt Vorarlberg über diesen Neubemessungsantrag des Beschwerdeführers wie folgt entschieden:
"Gemäß §§ 1 und 4 KOVG 1957 werden folgende Gesundheitsschädigungen nunmehr als Dienstbeschädigungen anerkannt:
Bezeichnung der Dienstbeschädigung:
Kausalanteil
1. Mit geringer Rekurvation und Verkürzung von 2 cm knöchern
geheilter Oberschenkelbruch links
1/1
2. Endoprothese des linken Kniegelenkes
1/1
3. Skoliotische Verkrümmung der Lendenwirbelsäule mit erheblichen
röntgenologischen Veränderungen und Funktionsbeeinträchtigung
1/2
4. Reizlose Narbe am linken Oberschenkel und linken Knie
1/1
5. Kyphotischer Knick und beträchtliche Spondylose der unteren
Halswirbelsäule
3/4
Gemäß § 52 KOVG 1957 wird die Beschädigtenrente nicht neu bemessen."
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 23. Juni 2000 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte den genannten erstinstanzlichen Bescheid.
Zur Begründung führte die belangte Behörde - nach (nahezu wörtlicher) Wiedergabe von Befund und Begutachtung bzw. Beurteilungsbegründung aus dem im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten des Facharztes für Unfallchirurgie Dr. D - folgendes aus:
"Unter Berücksichtigung dieses Befundes ergibt sich nachfolgende Richtsatzeinschätzung; vorgenommen durch die Leitende Ärztin des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen Tirol, Dr. K, welche sich von der erstinstanzlichen Einschätzung nicht unterscheidet.
Als Dienstbeschädigung (§ 4 KOVG 1957) wird festgestellt:
Position in den Richtsätzen zu § 7 KOVG 1957
Der Gesamt-leidens-zustand (kausaler und nicht kausaler Anteil zusammen) bedingt eine MdE von
Durch die Dienst-leistung verur-sachter Anteil (kausaler Anteil)
MdE gemäß § 7 KOVG 1957
1. Oberschenkelschussbruch links
knöchern verheilt
111
10v.H.
1/1
10v.H.
2. Endoprothese des linken Kniege-
lenkes
g. Z. 419
40v.H.
1/1
40v.H.
3. Sokoliotische Verkrümmung der
Lendenwirbelsäule mit erheblicher röntgenologischer
Veränderung und
Funktionsbeeinträchtigungen
191
60v.H.
1/2
30v.H.
4. Kyphotischer Knick an der
unteren Halswirbelsäule
190
40v.H.
3/4
30v.H.
5. Reizlose Narbe linker
Oberschenkel und linkes Knie
702
10v.H.
1/1
10v.H.
Die Einreihung der angeführten Dienstbeschädigung innerhalb des Rahmensatzes der jeweiligen Position erfolgt gleich lautend wie im erstinstanzlichen Verfahren. Diesbezüglich wird auf die Begründung des angefochtenen Bescheides verwiesen.
Für die Bemessung des durch die Dienstleistung verursachten Anteils bei der unter Punkt 3 und 4 bezeichneten Gesundheitsschädigung (Verschlimmerungskomponente) war der Umstand maßgebend, dass die Verkürzung des linken Beines für die skoliotische Veränderung mitverantwortlich ist und der kyphotische Knick der unteren Halswirbelsäule bereits seit 1981 mit einem Kausalanteil von 3/4 weiterhin als Dienstbeschädigung anerkannt bleibt.
Gemäß § 3 der Verordnung des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen (BMSG) vom 9. Juni 1965, BGBl. Nr. 150/1965, ist ...
Die Schiedskommission hat gemäß der zitierten Gesetzesstelle und dem Ergebnis des eingeholten Sachverständigengutachtens erwogen, dass die Einschätzung der Gesamt-Minderung der Erwerbsfähigkeit infolge des Zusammenwirkens der einzelnen Gesundheitsschädigungen weiterhin mit 70 v.H. gerechtfertigt ist. Hiefür ist maßgebend, dass das unter Punkt 2 angeführte Leiden mit der führenden Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 v.H. im Zusammenwirken der übrigen Leiden um drei Stufen angehoben wird.
Das Gutachten des Sachverständigen Dr. D und die zusammenfassende Einschätzung von Dr. K wurden als schlüssig anerkannt und daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.
Da im erhobenen Befund (§ 7 KOVG 1957) gegenüber dem Vergleichsbefund keine maßgebliche Änderung eingetreten ist und auch die beruflichen Verhältnisse (§ 8 KOVG 1957) unverändert geblieben sind, sind die Voraussetzungen für die Neubemessung der Grundrente gemäß § 52 KOVG 1957 nicht gegeben.
Hinsichtlich des Wortlautes der für die Entscheidung maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen wird auf die Begründung des angefochtenen Bescheides verwiesen.
Dem bevollmächtigten Vertreter des Berufungswerbers wurde das Ergebnis der Beweisaufnahme gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht. Die vorgebrachten Einwendungen waren nicht geeignet, die Beweiskraft des ärztlichen Sachverständigengutachtens zu mindern. Insbesondere ist jedoch zu entgegnen, dass die medizinische Vorfrage hinlänglich geprüft und schlüssig beantwortet wurde. Lediglich die früher anerkannten Schädigungen des linken Kniegelenkes wurden durch die Endoprothese des linken Kniegelenkes beseitigt und der Zustand nach dieser Operation als Dienstbeschädigung anerkannt. Alle übrigen Leiden bleiben auch weiterhin als Dienstbeschädigung anerkannt. Eine Weiterführung des Beweisverfahrens erachtet die Schiedskommission als nicht zielführend."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid nach seinem gesamten Beschwerdevorbringen erkennbar in dem Recht auf Neubemessung seiner Beschädigtenrente verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 52 Abs. 2 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 (KOVG 1957), BGBl. Nr. 152/1957, ist unter anderem die Beschädigtenrente neu zu bemessen, wenn eine für die Höhe der Leistung maßgebende Veränderung eintritt.
Gemäß § 4 Abs. 1 KOVG 1957 ist eine Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 leg. cit. anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist.
Gemäß § 7 Abs. 1 KOVG 1957 hat der Beschädigte Anspruch auf Beschädigtenrente, wenn und insoweit seine Erwerbsfähigkeit infolge Dienstbeschädigung um mindestens 25 v.H. vermindert ist. Unter MdE im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die durch die Dienstbeschädigung bewirkte körperliche Beeinträchtigung im Hinblick auf das allgemeine Erwerbsleben zu verstehen. Nach dem Abs. 2 der genannten Gesetzesstelle ist die MdE im Sinne des Abs. 1 nach Richtsätzen einzuschätzen, die den wissenschaftlichen Erfahrungen entsprechen.
Gemäß § 90 Abs. 1 KOVG 1957, in der vorliegend anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 139/1997, haben die Bundesämter für Soziales und Behindertenwesen, soweit die Berechtigung von Versorgungsansprüchen von der Beantwortung von Vorfragen abhängt, die in das Gebiet ärztlichen Fachwissens fallen, ärztliche Sachverständig zu befragen.
Gemäß Abs. 5 dieser Gesetzesstelle sind die vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen eingeholten Sachverständigengutachten zur Wahrung der Einheitlichkeit der ärztlichen Beurteilung vom Leitenden Arzte des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen oder einem vom Leitenden Arzte hiezu bevollmächtigten Arzte zu prüfen und mit einem Sichtvermerk zu versehen. Widerspricht der Leitende Arzt oder der von ihm bevollmächtigte Arzt einem Gutachten, so ist der Sachverständigenbeweis durch Beiziehung eines anderen Sachverständigen zu wiederholen. Wenn hiedurch keine Klärung zu erzielen ist, kann der Leiter des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Vorschlag des Leitenden Arztes die Stellungnahme des Bundesministeriums für soziale Verwaltung nachsuchen, das, gegebenenfalls nach Einholung einer gutachterlichen Äußerung von hiezu besonders berufenen Sachverständigen, über die strittige Frage gutachterlich befindet.
Wenn ein von der Schiedskommission beigezogener Sachverständiger in seinem Gutachten zu einem Ergebnisse gelangt, das von der Stellungnahme des Leitenden Arztes, bzw. des Bundesministeriums für soziale Verwaltung (Abs. 5) abweicht, so hat zufolge § 90 Abs. 6 er die Abweichung ausführlich zu begründen; dem Leitenden Arzt ist Gelegenheit zu geben, sich hiezu zu äußern.
Gemäß § 2 Abs. 1 zweiter Satz der gemäß § 7 Abs. 2 KOVG 1957 erlassenen Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 9. Juni 1965, BGBl. Nr. 150, über die Richtsätze für die Einschätzung der MdE nach den Vorschriften des KOVG hat sich die Festsetzung des Grades der MdE innerhalb eines Rahmensatzes nach der Schwere des Leidenszustandes zu richten, für den der Rahmensatz aufgestellt ist. Das Ergebnis einer Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist im Bescheid über den Anspruch auf Beschädigtenrente jedenfalls auch in medizinischer Hinsicht zu begründen.
Treffen mehrere Leiden zusammen, dann ist nach § 3 der genannten Verordnung bei der Einschätzung der MdE zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste MdE verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Gesamtleidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller gemäß § 4 KOVG zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der MdE rechtfertigt.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2002, Zl. 99/09/0136, und die darin angegebene Judikatur) hat die Behörde bei ihrer Entscheidung über die Neubemessung der Beschädigtenrente von der als Dienstbeschädigung anerkannten Gesundheitsschädigung auszugehen und zu prüfen, ob eine für die Höhe der Leistung maßgebende Veränderung des Gesundheitszustandes gegenüber dem der letzten rechtskräftigen Rentenbemessung zugrundeliegenden Befund eingetreten ist. Hat sich der Befund der anerkannten Dienstbeschädigung maßgebend geändert, so hat die Behörde hinsichtlich dieser Verschlimmerung auch die Frage zu beantworten, ob es sich um eine im Sinne der Bestimmungen des KOVG 1957 kausale Verschlimmerung des Leidenszustandes handelt. Aus der auf dem seinerzeit gegebenen Sachverhalt bezogenen Anerkennung einer Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung folgt nicht, dass auch der erst später eingetretene und festgestellte Sachverhalt ohne Prüfung der Kausalität zur Neubemessung im Sinne der Erhöhung der Beschädigtenrente führt. Dies gilt auch dann und umso mehr, wenn der ursächliche Zusammenhang einer Verschlimmerung im Zustand eines Leidens aus Gründen verneint wird, die zugleich die Verneinung eines solchen Kausalzusammenhanges des Gesamtleidenszustandes bedeuten. In einem solchen Fall bleibt die Dienstbeschädigung als solche anerkannt. Die damit verbundenen Versorgungsleistungen bleiben dem Versorgungsberechtigten erhalten, die eingetretene Verschlimmerung führt indes mangels eines ursächlichen Zusammenhanges nicht zu einer Rentenerhöhung.
Aus der dargelegten Rechtsprechung folgt für den Beschwerdefall, dass bei der Entscheidung über den Neubemessungsantrag eine Kausalitätsprüfung hinsichtlich der als Dienstbeschädigung mit dem Bescheid vom 19. Oktober 1981 rechtskräftig anerkannten Gesundheitsschädigung an der Halswirbelsäule (kyphotischer Knick und beträchtliche Spondylose an der unteren Halswirbelsäule; Richtsatzposition 191; MdE 30 v. H.) zulässig war.
Der Sachverständige Dr. D hat - ausgehend von seinem dargelegten Befund - in seinem Gutachten vom 23. November 1999 diese Gesundheitsschädigung an der Halswirbelsäule als degenerative Veränderung und als gänzlich akausal beurteilt und für diese Gesundheitsschädigung keine MdE angegeben.
Der Beschwerdeführer hat in seiner im Rahmen des Parteiengehörs im Berufungsverfahren erstatteten Stellungnahme vom 11. Februar 2000 - unter Hinweis auf zur seinerzeitigen rechtskräftigen Anerkennung als Dienstbeschädigung führende Beweismittel - diese Kausalitätsbeurteilung bestritten und die Notwendigkeit einer Berichtigung und Ergänzung des Sachverständigenbeweises geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat daraufhin eine Stellungnahme der Leitenden Ärztin des Bundessozialamtes Tirol Dr. K eingeholt. In dieser Stellungnahme wurde ausgeführt, dass "die Einstufung und Kausalität bleibt wie bisher im Abl. 187 festgestellt" und "eine Seitenbandlockerung nach prothetischer Versorgung liegt nicht mehr (zu ergänzen ist: vor), weil durch die operative Versorgung diese weggefallen ist". Die genannte Ärztin nimmt danach eine Richtsatzeinschätzung vor, die im angefochtenen Bescheid von der belangten Behörde wiedergegeben wurde.
Der Beschwerdeführer hat mit Eingabe vom 2. März 2000 unter Vorlage eines Befundes vom 4. Dezember 1978 und Hinweis auf weitere Beweismittel betreffend seine Schädigung der Halswirbelsäule gegen das Gutachten des Facharztes für Unfallchirurgie Dr. D (neuerlich) Stellung genommen.
Mit Eingabe vom 22. März 2000 hat der Beschwerdeführer eingewendet, dass in der Stellungnahme der Leitenden Ärztin des Bundessozialamtes Tirol die vom Gutachten Dris. D abweichende Beurteilung nicht begründet worden sei. Bei der Gesamteinschätzung der MdE mit 70 v.H. habe die genannte Gutachterin den kyphotischen Knick (der Halswirbelsäule) nicht berücksichtigt.
Die belangte Behörde hat - wie im angefochtenen Bescheid dargelegt wurde - "eine Weiterführung des Beweisverfahrens als nicht zielführend erachtet".
Dabei hat die belangte Behörde außer Acht gelassen, dass das Gutachten eines Sachverständigen aus einem Befund und dem Urteil, dem Gutachten im engeren Sinn, zu bestehen hat. Hiebei hat der Befund alle jene Grundlagen und die Art ihrer Beschaffung zu nennen, die für das Gutachten, das sich auf den Befund stützende Urteil, erforderlich sind. Dieses Urteil muss so begründet sein, dass die Behörde ihrer Aufgabe, das Sachverständigengutachten auf seine Schlüssigkeit zu überprüfen, nachkommen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. September 1998, Zl. 98/09/0147).
Im Gutachten (bzw. der Stellungnahme) der Leitenden Ärztin des Bundessozialamtes Tirol wird - ohne Begründung - die Kausalität der als Dienstbeschädigung anerkannten Gesundheitsschädigung an der Halswirbelsäule bejaht und an der bisherigen Einstufung festgehalten. Eine Auseinandersetzung mit dem in dieser Hinsicht gegenteiligen Gutachten des Facharztes Dr. D oder eine Widerlegung seiner zur Veränderung der Halswirbelsäule des Beschwerdeführers angestellten Kausalitätsbeurteilung fehlt. Die genannte Leitende Ärztin hat - begründungslos - danach fünf Leiden angegeben, für diese (teilweise vom Gutachten Dris. D abweichende) Einschätzungen der MdE vorgenommen und schließlich eine "Gesamt MdE 70 %" angegeben.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid eine Synthese (Kombination) dieser widersprechenden Ergebnisse der eingeholten ärztlichen Sachverständigenbeweise dahingehend vorgenommen, dass sie Befund und Beurteilung bzw. Beurteilungsbegründung aus dem Gutachten Dris. D (nahezu wortwörtlich) feststellte und anschließend die Bezeichnung der Dienstbeschädigungen und die Einschätzung der MdE (nicht aus der Beurteilung Dris. D sondern) aus der begründungslose Beurteilung der Leitenden Ärztin Dr. K übernommen hat. Dabei bleibt unbeantwortet, warum die Kausalität der Dienstbeschädigung Nr. 4 (betreffend die Halswirbelsäule) - im Sinne des Gutachtens Dris. D - verneint und - im Sinne der Stellungnahme der Leitenden Ärztin Dr. K - mit einer MdE von 30 v.H. eingeschätzt wurde. Da für die Einschätzung der Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit eine auf ein ärztliches Sachverständigengutachten gestützte Begründung fehlt, ist nicht nachvollziehbar, ob und allenfalls in welcher Weise die Dienstbeschädigung betreffend die Halswirbelsäule in die Einschätzung der Gesamtminderung einbezogen wurde.
Gegenstand der Gesamteinschätzung ist die durch das Zusammenwirken mehrerer - wenn auch voneinander unabhängiger - Dienstbeschädigungen bewirkte Beeinträchtigung der gesamten körperlichen und seelischen Beschaffenheit des Geschädigten in Hinsicht auf das allgemeine Erwerbsleben. Die Gesamtbeurteilung zweier oder mehrer Dienstbeschädigungen hat nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht im Wege einer bloßen Addition sondern nach den Grundsätzen des § 3 der Richtsatzverordnung zum KOVG zu erfolgen; sie unterliegt der fachlichen Beurteilung des ärztlichen Sachverständigen, der sie ausreichend zu begründen hat. In der Begründung ist auszuführen, von welcher Dienstbeschädigung er bei der Einschätzung der MdE ausgegangen ist und warum sich durch das Zusammenwirken aller Dienstbeschädigungen nicht eine höhere Gesamteinschätzung ergibt. Die Gesamteinschätzung vollzieht die Verwaltungsbehörde unter Bedachtnahme auf den durchgeführten Sachverständigenbeweis, den sie im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung zu beurteilen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2000, Zl. 99/09/0097, und die dort angegebene Judikatur).
Die im Berufungsverfahren eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten enthalten keine nachvollziehbare Begründung über die Gesamteinschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit.
Im Bescheid vom 19. Oktober 1981 wurde ein Zusammenwirken von sechs Dienstbeschädigungen mit einer Erhöhung der führenden "Einzel-MdE" um vier Stufen eingeschätzt und eine Gesamtminderung von 65 v.H. erzielt, die gemäß § 9 KOVG 1957 daher 70 v.H. beträgt. Im erstinstanzlichen Bescheid vom 26. April 1999 wurde ein Zusammenwirken von fünf Dienstbeschädigungen mit einer Erhöhung der Dienstbeschädigung Nr. 2 um drei Stufen eingeschätzt (mit einem Ergebnis der Gesamtminderung von 70 v.H.). Im Gutachten des Facharztes Dr. D sind drei kausale Dienstbeschädigungen, eine akausale Gesundheitsschädigung und eine Dienstbeschädigung ohne "zusätzliche MdE" angegeben und die Gesamtminderung wird mit 70 v.H. eingeschätzt. In der Stellungnahme der Leitenden Ärztin Dr. K sind fünf kausale Dienstbeschädigungen und die "Gesamt MdE 70 %" angegeben. Für diese trotz abweichender Grundlagen hervorgekommenen Ergebnisse der Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit ist eine nachvollziehbare Erklärung (Begründung) nicht zu erkennen.
Über das Zusammenwirken der einzelnen Dienstbeschädigungen bzw. von welcher Dienstbeschädigung auszugehen sei, bzw. warum und in welchem Ausmaß durch das Zusammenwirken aller Dienstbeschädigungen eine konkrete Gesamteinschätzung bewirkt wird, fehlt eine fachliche ärztliche Beurteilung der im Berufungsverfahren beigezogenen ärztlichen Sachverständigen. Es wurde in diesem Zusammenhang unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Neubemessungsantrages auch nicht geprüft, ob bzw. inwieweit eine maßgebende Veränderung der Gesamteinschätzung bzw. des Zusammenwirkens der Dienstbeschädigungen gegenüber der letzten (rechtskräftigen Rentenbemessung zugrundegelegten) Gesamteinschätzung eingetreten ist. Die Ergänzung der ärztlichen Sachverständigengutachten bzw. die vom Beschwerdeführer begehrte Weiterführung des Beweisverfahrens wurde somit zu Unrecht abgelehnt.
In diesem Zusammenhang ist zudem auf § 90 Abs. 5 und Abs. 6 KOVG 1957 zu verweisen. Demnach hätte auch im Hinblick darauf, dass die Leitende Ärztin dem Gutachten Dris. D (zumindest teilweise) widersprochen hat, der Sachverständigenbeweis durch Beiziehung eines anderen Sachverständigen wiederholt werden müssen. Die Einholung einer Begründung Dris. D im Sinne von § 90 Abs. 6 KOVG 1957 hinsichtlich seiner Kausalitätsbeurteilung der Gesundheitsschädigung der Halswirbelsäule - die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid als Sachverhaltsfeststellung übernommen wurde - ist gleichfalls unterblieben.
Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung sohin auf nicht hinreichend begründete bzw. unschlüssige Sachverständigenbeweise gestützt. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 333/2003. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die im Hinblick auf die Gebührenbefreiung gemäß § 64 Abs. 2 KOVG 1957 zu Unrecht verzeichneten Barauslagen von S 2.500,-- (die allerdings zutreffend nicht entrichtet wurden).
Wien, am 2. Oktober 2003
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltUrsächlicher Zusammenhang und Wahrscheinlichkeit AllgemeinBesondere Rechtsprobleme VerschlimmerungsanteilLeidenszustand Maßgebende Veränderung AllgemeinLeidenszustand Maßgebende Veränderung Anspruch auf Einschätzung nach KOVG §7European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2000090139.X00Im RIS seit
31.10.2003Zuletzt aktualisiert am
10.08.2009