TE Vwgh Erkenntnis 2003/10/7 2003/01/0062

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Veröffentlicht am 07.10.2003
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §67d idF 2001/I/137;
B-VG Art130 Abs2;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des V in L, geboren 1982, vertreten durch Dr. Friedrich Fromherz, Mag. Dr. Wolfgang Fromherz und Mag. Dr. Bernhard Glawitsch, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Graben 9, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 15. Jänner 2003, Zl. 232.919/0-V/13/02, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Mazedoniens, reiste am 25. Mai 2002 in das Bundesgebiet ein und beantragte die Gewährung von Asyl. Bei der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 1. August 2002 begründete er seinen Asylantrag im Wesentlichen wie folgt:

"Frage: Warum verließen Sie Ihr Heimatland?

Antwort: Ich bin hier, um zu arbeiten. Bei uns war Krieg und wir hatten nichts. Ich wurde aber auch von der mazedonischen Polizei gesucht, weil man annahm, ich sei bei der UCK gewesen. Die mazedonische Polizei sagt, dass alle Familienangehörigen bei der UCK waren.

Frage: Haben Sie noch weitere Gründe?

Antwort: Nein

...

Frage: Was erwarten Sie im Falle Ihrer Rückkehr?

Antwort: Es kann mir passieren, dass ich ohne Arbeit bin.

Frage: Und was ist mit der mazedonischen Polizei?

Antwort: Ich sagte bereits, dass nach uns gesucht wird.

Frage: Wer ist 'uns'?

Antwort: Meine Familie, mein Vater wird sehr oft befragt. Die Polizei war dreimal bei ihm. Ich wurde auch einmal befragt. Zuhause. Dies dauerte 20 Minuten. Dies war einen Monat bevor ich nach Österreich gekommen bin.

..."

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab und sprach aus, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Mazedonien gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Es traf Feststellungen zur gegenwärtigen Situation in Mazedonien und führte dabei ua. zum Thema "Amnestie für UCK-Kämpfer" aus, dass die mazedonische Regierung am 9. Oktober 2001 eine Amnestie für die entwaffneten Kämpfer der UCK angeordnet und damit einen wesentlichen Teil des Mitte August (2001) in Ohrid vereinbarten Friedensabkommens erfüllt habe. Auf Grund der Amnestie sei (auch) "aus dieser Sicht" keine Verfolgungshandlung erblickbar. Mit der Umsetzung der Amnestie sei bereits begonnen worden (Enthaftung von UCK-Kämpfern). Die Angaben des Beschwerdeführers seien zwar - so das Bundesasylamt weiter - glaubwürdig, seinem Vorbringen sei jedoch keine Verfolgungsgefahr zu entnehmen gewesen. Überdies werde der "diesbezügliche Sachverhalt" durch die erfolgte Amnestiegesetzgebung "weiter dahingehend relativiert", dass eine diesbezügliche Verfolgungsgefahr ausgeschlossen werden könne.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Darin brachte er ua.

Folgendes vor:

     "Solange ich in Mazedonien war, wurde ich von der Polizei

festgenommen, misshandelt, Terrorist der UCK genannt, usw. ...

     Wenn Sie mich nach Mazedonien zurückschieben, so wäre dies

eine große Katastrophe für mich. Die mazedonische Polizei würde mich sofort nach der Ankunft am Flughafen inhaftieren. ..."

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.); außerdem stellte sie gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Mazedonien zulässig sei (Spruchpunkt II.). Sie erklärte, die Ausführungen des Bundesasylamtes - insbesondere die Feststellungen betreffend Mazedonien - zum Inhalt ihres Bescheides zu erheben und ergänzte, dass nicht festgestellt werden könne, dass dem Beschwerdeführer bei Rückkehr auf Grund seiner Volksgruppenangehörigkeit bzw. einer ihm unterstellten Nähe zur UCK planmäßige Verfolgung drohe. Den im Erstbescheid hinlänglich dargestellten Fakten zur Lageentwicklung in Mazedonien sei entnehmbar, dass Angehörige der Volksgruppe der Albaner per se in Mazedonien keiner relevanten Verfolgung oder Diskriminierung ausgesetzt seien und dass auch dem Beschwerdeführer bei Rückkehr für den Fall "einer ihm zum vormaligen Zeitpunkt unterstellten 'Mittäterschaft' bei der UCK, auf Grund der angeordneten und durchgeführten Amnestie für sogar tatsächlich tätig gewesene UCK-Kämpfer keine planmäßige Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit (mehr)" drohe. Konkrete Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer "auf Grund ihm inhärierender risikoerhöhender Momente" ausnahmsweise dennoch mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer massiven planmäßigen Verfolgung ausgesetzt wäre, habe er nicht glaubhaft ins Treffen zu führen vermocht; auch im Rahmen des Berufungsschriftsatzes habe "nicht auf nachvollziehbare diesbezügliche Quellen eines ihn allenfalls treffenden Risikos" verwiesen werden können. Der Beschwerdeführer sei sohin nicht Flüchtling, auch eine vor dem Hintergrund des § 8 AsylG maßgebliche Bedrohungssituation habe er nicht darzulegen vermocht.

Von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung habe Abstand genommen werden können, weil in der Berufung keine neuen, konkreten Tatsachenbehauptungen aufgestellt worden seien.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Die Beschwerde weist zutreffend darauf hin, dass das oben wiedergegebene Berufungsvorbringen entgegen der Ansicht der belangten Behörde über die eingangs dargestellten Angaben des Beschwerdeführers im erstinstanzlichen Verfahren hinausgegangen ist. Während der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt nur auf eine Suche und eine Befragung durch die mazedonische Polizei hingewiesen hatte, war in der Berufung einerseits von Festnahme und Misshandlung sowie andererseits von einer sofortigen Inhaftierung am Flughafen die Rede. Aus den im hg. Erkenntnis vom 12. Juni 2003, Zl. 2002/20/0336, dargestellten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, wäre die belangte Behörde daher zur Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung verpflichtet gewesen. Daran vermag auch der im bekämpften Bescheid enthaltene Hinweis auf die Amnestie für UCK-Kämpfer nichts zu ändern, weil - abgesehen davon, dass die aus dem erstinstanzlichen Bescheid übernommenen Feststellungen betreffend diese Amnestie sehr vage gehalten sind - mit dem Berufungsvorbringen im Ergebnis eine ungeachtet der Amnestie erfolgte bzw. zu befürchtende Verfolgung behauptet wurde. Insofern kann auch an der Relevanz des aufgezeigten Verfahrensmangels kein Zweifel bestehen, weshalb der bekämpfte Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am 7. Oktober 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003010062.X00

Im RIS seit

30.10.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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