TE Vwgh Erkenntnis 2003/10/7 2002/01/0293

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Veröffentlicht am 07.10.2003
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

B-VG Art130 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §11 idF 1998/I/124;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Thoma und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des C in G, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 17. Mai 2002, Zl. 2.11.C/58 - 94/11, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17. Mai 2002 wies die Steiermärkische Landesregierung (belangte Behörde) den Antrag des am 26. Februar 1976 geborenen Beschwerdeführers, eines rumänischen Staatsbürgers, auf Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 4 und § 11 iVm § 39 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) ab. Die belangte Behörde stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der Beschwerdeführer sei erstmals am 11. August 1992 im Bundesgebiet zur Anmeldung gelangt, sodass er im entscheidungsrelevanten Zeitpunkt noch keinen zehnjährigen Wohnsitz im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 1 StbG aufgewiesen habe. Dem Beschwerdeführer sei am 26. August 1992 "die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt" worden. Erstmals sei der Beschwerdeführer am 13. März 1995 einer Beschäftigung in Österreich nachgegangen. In einem Zeitraum vom 11. Juli 1994 bis 18. Dezember 2001 sei der Beschwerdeführer insgesamt mehr als 48 Monate ohne eine geregelte Beschäftigung gewesen bzw. habe er Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bezogen. Dem Beschwerdeführer sei dieser Umstand vorgehalten worden, er habe jedoch hiezu keine Stellungnahme abgegeben.

Trotz des Vorliegens eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes (Flüchtlingseigenschaft) habe das Ermessen nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers geübt werden können, weil dieser erst mehrere Jahre nach Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu arbeiten begonnen habe und "überdurchschnittliche Arbeitslosenzeiten" aufweise, ohne dass er stichhaltige Gründe für eine solche beschäftigungslose Zeit aufgezeigt habe, weshalb eine berufliche Integration beim Beschwerdeführer noch nicht ausreichend gegeben sei. Im Hinblick darauf sei das Verleihungsgesuch des Beschwerdeführers abzuweisen gewesen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes i.d.F. der Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1998, BGBl. I Nr. 124, lauten - soweit für den Beschwerdefall von Relevanz - wie folgt:

"§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft kann einem Fremden verliehen werden, wenn

1. er seit mindestens zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet hat; ...

(4) Von der Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 kann abgesehen werden

1. aus besonders berücksichtigungswürdigem Grund ...

(5) Als besonders berücksichtigungswürdiger Grund (Abs. 4 Z 1) gilt insbesondere

.... 4. die Gewährung von Asyl nach dem Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76, einschließlich der Asylberechtigung (§ 44 Abs. 6 AsylG) nach einer Wohnsitzdauer von vier Jahren ...

§ 11. Die Behörde hat sich unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Fremden bei der Ausübung des ihr in § 10 eingeräumten Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen."

Die belangte Behörde hat ihrer Ermessensübung auch zu Grunde gelegt, es sei auf mangelnde "berufliche Integration" des Beschwerdeführers zu schließen, weil dieser innerhalb der letzten sieben Jahre ca. vier Jahre ohne Beschäftigung gewesen sei. Soweit die belangte Behörde eine ausreichende Integration im Sinne des § 11 StbG aus dieser Gegenüberstellung von Beschäftigungszeiten und Gesamtaufenthaltsdauer des Einbürgerungswerbers im Inland ableitet, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Bei der Beurteilung nach § 11 StbG kommt es auf den Stand des Integrationsprozesses im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides an; eine Betrachtungsweise dergestalt, die Beschäftigungszeiten eines Fremden seiner Gesamtaufenthaltsdauer im Inland gegenüberzustellen, ist verfehlt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 4. April 2001, Zl. 2000/01/0258, und vom 17. September 2002, Zl. 2001/01/0357). Die belangte Behörde hätte zur Beurteilung des Ermessensgesichtspunktes der Integration des Beschwerdeführers zu dessen Gunsten überdies berücksichtigen müssen, dass der Beschwerdeführer bei erstmaliger Begründung eines Wohnsitzes im Bundesgebiet und der darauf folgenden Anerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft erst 16 Jahre alt war, dass er in weiterer Folge durchaus längere Zeiten durchgehender Beschäftigung aufwies und dass zum Zeitpunkt der Entscheidung eine ununterbrochene Beschäftigung seit einem Jahr und drei Monaten bestand.

Aus den angeführten Gründen vermögen die behördlichen Feststellungen eine auf mangelnde (berufliche) Integration des Beschwerdeführers gegründete Ermessensübung zu dessen Lasten nicht zu rechtfertigen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 7. Oktober 2003

Schlagworte

Ermessen besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002010293.X00

Im RIS seit

11.11.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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