Index
10/10 Datenschutz;Norm
DSG 2000 §1 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde der K in Wien, vertreten durch Mag. Nadja Lorenz, Dr. Gabriele Vana-Kowarzik, Rechtsanwältinnen in 1070 Wien, Kirchengasse 19, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 28. Oktober 2001, Zlen. UVS-02/43/302/2001/12, UVS-02/43/361/2001, betreffend §§ 88 und 89 SPG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Spruchpunkte
1. ("Anhaltung im Zuge der Identitätsfeststellung") und 2. ("erkennungsdienstliche Behandlung") sowie im Kostenpunkt, soweit dem Bund Kosten zugesprochen wurden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben; im Übrigen wird die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Verletzung von Richtlinien richtet, als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin erhob am 9. Jänner 2001 Beschwerde an die belangte Behörde, in der sie Folgendes ausführte:
"Am Mittwoch, den 29. November 2000, gegen 14.10 Uhr, verließ die BF (Beschwerdeführerin) gemeinsam mit ihrem Freund S., aus der Straßenbahnlinie 18 am Südtirolerplatz, um auf die Favoritenstraße zu gelangen. Über Tag angekommen, stellten sie fest, dass sie nicht den Ausgang Favoritenstraße genommen hatten, und kehrten daher um, um den richtigen Aufgang zu suchen. Sie nahmen die Rolltreppe zurück in den Halbstock; nachdem sie sich dort orientiert hatten, stellten sie fest, dass sie noch einen Stock tiefer mussten, um zum gewünschten Ausgang zu gelangen. Dort wurden sie von zwei Männern in Zivil, die sich in der Folge als Beamte der Bundespolizeidirektion Wien - Sicherheitsbüro erwiesen, von hinten angesprochen. Diese wiesen ihre Polizeiplaketten vor und fragten in überaus unfreundlichem Ton nach den Ausweisen der BF und ihres Freundes.
Bevor dies geschah, hörte der Freund der BF noch, wie der eine (etwas festere) Beamte zum anderen sagte: 'He, die schauen wir uns an, die kommen wieder runter'.
Es kam dann zu einem überaus unangenehmen Wortwechsel, da die BF erfahren wollte, warum gerade sie zu Ausweisleistung aufgefordert würden und die Beamten derart unfreundlich seien. Die Beamten gaben keine zufriedenstellende Erklärung ab. Daher wollte die BF auch ihre Personalien nicht angeben. Mit den Worten: 'Lass die Depperte laufen.', durfte sie sich dann entfernen. Der Freund der BF wollte keine Schwierigkeiten haben und gab daher in der Folge sowohl die Namen beider, als auch die gemeinsame Wohnadresse an.
Als ihr Freund wieder bei der BF angelangt war, sagte diese, die ein paar Schritte entfernt gestanden war, dass sie sich den Ton und die Art der beiden Beamten nicht gefallen lassen und deren Dienstnummern wissen wolle. Auf Grund dessen liefen beide wieder zurück zu den Beamten, um sie nach der Nummer zu fragen.
Von den Beamten wurde dann mitgeteilt, dass sie, um die Dienstnummern zu erhalten, mit ihnen mitkommen müssten. In diesem Zeitpunkt war der Ton der beiden Beamten relativ freundlich. Die BF nahm daher an, dass sie zu irgendeinem Arbeitstisch oder Raum geführt würden, damit die beiden ihre Dienstnummern hergeben könnten. Tatsächlich führten sie die BF und ihren Freund zu von ihnen so bezeichneten 'Lagerräumen'. Nachdem sich eine Metalltür dazu geöffnet hatte und die BF und ihr Freund in ein Kellergewölbe aus Backsteinen gebracht worden waren, bekamen sie jedoch nicht die Dienstnummern ausgehändigt, sondern wurden von den beiden Beamten zu einem Raum begleitet und wurden in überaus scharfem Ton angehalten, Name, Adresse und Geburtsdatum bei einem Computer anzugeben.
In der Folge eskortierten die gleichen Beamten die BF und ihren Freund zu einem weiteren Raum, in welchen die BF hineinbefohlen wurde. Dort wurde sie von einer Polizistin aufgefordert, Jacke und Pullover auszuziehen. Dann wollte die Beamtin wissen, ob 'sie etwas in ihrem BH' hätte. Als die BF angab, dass sie keinen BH trage, wurde sie von der Polizistin abgetastet. Überdies untersuchte die Beamtin die Taschen der BF. In der Folge wurde die BF ohne ihre Einwilligung fotografiert.
Zu diesem Zeitpunkt war die BF von der überraschenden Entwicklung der Geschehnisse bereits so erschüttert, dass sie den Rest der Zeit im Kellergewölbe heulend verbrachte.
Nach dem Fotografieren wurde sie von ihrem Freund getrennt und mußte die BF abwechselnd an zwei verschiedenen Computertischen Fragen beantworten, beispielsweise ob sie süchtig sei, Kontakt zu Rauschgiften oder Dealern hätte.
In einem weiteren Raum wurde die BF dann angehalten, das Protokoll zu unterschreiben, wobei sie vor lauter Tränen dessen Inhalt gar nicht erfasste.
Während der gesamten 'Amtshandlung' in dem Kellergewölbe war keine Möglichkeit gegeben, daß die BF dieses aus eigenen, freien Stücken hätte verlassen können. Nachdem sie unterschrieben hatte, bekam sie zwei Visitkarten ausgehändigt.
Aus diesen Visitkarten gehen die Namen der beiden Beamten als
T. und J. hervor.
II. Beschwerdepunkte
Die BF erachtet sich dadurch, dass sie am 29.11.2000 durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien ohne gesetzliche Grundlage von ca. 14.15 Uhr bis 14.40 Uhr in den beschriebenen Lagerräumlichkeiten angehalten wurde, in ihrem Recht auf persönliche Freiheit gemäß Art. 5 EMRK und Art. 1 PersFrG verletzt.
Die BF erachtet sich überdies dadurch, dass ohne gesetzliche Grundlage eine erkennungsdienstliche Behandlung bzw. ein Foto von ihr angefertigt wurde und ihren Taschen durchsucht wurden, in ihrem Recht auf Schutz des Privatlebens gemäß Art. 8 EMRK verletzt.
Ebenfalls verletzt erachtet sich die BF dadurch, dass sie sich ohne gesetzliche Grundlage am Oberkörper halb entkleiden mußte, in ihrem Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterzogen zu werden, verletzt.
Weiters erachtet sich die BF auch mehrfach in ihren Rechten nach der Richtlinienverordnung gemäß § 31 SPG verletzt.
Die BF stellt sohin nachstehende
Anträge:
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien möge feststellen,
1. dass die BF dadurch, dass sie am 29.11.2000 durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien angehalten wurde, in ihrem Recht auf persönliche Freiheit gemäß Art. 5 EMRK und Art. 1 PersFrG verletzt worden ist; insbesondere möge er diese Amtshandlung für rechtswidrig erklären;
2. dass die BF durch Anfertigen des Fotos sowie das Untersuchen ihrer Taschen, in ihrem Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK verletzt worden ist;
3. dass die BF, dadurch, dass sie sich am Oberkörper entkleiden mußte und von einer Beamtin abgetastet wurde, in ihrem Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterzogen zu werden, verletzt.
3. dass die BF gemäß § 89 RLV in ihren Rechten verletzt worden ist:
-
weil der BF der Zweck des Einschreitens nicht bekanntgegeben wurde (§ 6 Abs. 1 Ziff.2 RLV);
-
weil der BF nach der ersten Amtshandlung die Dienstnummern der beiden Beamten nicht bekanntgegeben wurden (§ 9 Abs. 1 RLV);
-
weil die Amtshandlung in einer Form geführt worden ist, bei der die Achtung der Menschenwürde der BF nicht gewahrt wurde und überdies der Eindruck der Voreingenommenheit der Beamten erwecken würde (§ 5 Abs. 1 RLV).
4. Der belangten Behörde die Kosten des Verfahrens auferlegen."
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der die Beschwerdeführerin, ihr Begleiter sowie die am behaupteten Vorfall beteiligten Polizeibeamten einvernommen wurden, hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid wie folgt entschieden:
"Gemäß § 67a Abs. 1 Z 2 iVm § 67c Abs. 3 AVG wird die Beschwerde, soweit darin die Verletzung der Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf persönliche Freiheit durch Anhaltung im Zuge der Identitätsfeststellung, am 29.11.2000 von 14.10 Uhr bis 14. 45 Uhr behauptet wird, als unbegründet abgewiesen.
Gemäß § 67a Abs. 1 Z 2 iVm § 67c Abs. 3 AVG wird die Beschwerde, soweit darin die Verletzung der Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch ihre erkennungsdienstliche Behandlung gemäß Artikel 8 EMRK behauptet wird, als unzulässig zurückgewiesen.
Gemäß § 67a Abs. 1 Z 2 iVm § 67c Abs. 3 AVG wird der Beschwerde, soweit darin die Verletzung der Beschwerdeführerin durch unmenschliche und erniedrigende Behandlung gemäß Artikel 3 EMRK behauptet wird, weil die Beschwerdeführerin auf unzumutbare Art und Weise perlustriert worden sei, Folge gegeben und bezughabende Amtshandlung für rechtswidrig erklärt.
Gemäß § 67a Abs. 1 Z 2 iVm § 67c Abs. 3 AVG wird der Beschwerde, soweit darin die Verletzung der Richtlinienverordnung wegen Nichtausfolgung der Dienstnummer behauptet wird, Folge gegeben und die bezughabende Amtshandlung für rechtswidrig erklärt.
Gemäß § 67a Abs. 1 Z 2 iVm § 67c Abs. 3 AVG wird die Beschwerde, soweit darin die Verletzung der Richtlinienverordnung wegen Nichtbekanntgabe des Grundes des Einschreitens sowie wegen behaupteter Inobjektivität der einschreitenden Beamten behauptet wird, abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund gemäß § 79a AVG iVm der Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl. Nr. 855/1995, die mit ATS 6.865,-- (entspricht 498,90 EUR) bestimmten Kosten (ATS 565,-- Vorlageaufwand, ATS 2.800,--Schriftsatzaufwand und ATS 3.500,-- Verhandlungsaufwand) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin gemäß § 79a AVG iVm der Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl. Nr. 855/1995, den Ersatz der Aufwendungen (ATS 8.400,-- Schriftsatzaufwand, ATS 10.400,-- Verhandlungsaufwand, ATS 88,-- Fahrtkosten und ATS 180,-- Stempelgebühren) in der Höhe von ATS 19.068,-- (entspricht 1.366,25 EUR) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu leisten.
Ein Kostenausspruch hinsichtlich des Richtlinienbeschwerdeverfahrens findet nicht statt."
Begründend gab die belangte Behörde die bei ihr erhobene Beschwerde sowie den Inhalt der Protokolle über die im Rahmen der mündlichen Verhandlung durchgeführten Einvernahmen wieder und traf folgende Feststellungen:
"Am 29.11.2000 fuhr die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrem Freund S. mit der Straßenbahn in die Favoritenstraße, um dort in einem dort etablierten Geschäft Schuhe zu kaufen. In der Passage Südtirolerplatz benützten die beiden den falschen Ausgang und mussten daher nochmals mit der Rolltreppe zwei Stockwerke hinunter fahren, um zum richtigen Ausgang zu gelangen. Der Freund der Beschwerdeführerin hielt einige Geldscheine in Händen, die beiden Personen verhielten sich insoferne 'auffällig', als sie zwecks Orientierung nach dem richtigen Ausgang aufmerksam umher blickten.
In der Nähe der Rolltreppe im zweiten Untergeschoss wurden die Beschwerdeführerin sowie ihr Begleiter von Kriminalbeamten der Bundespolizeidirektion Wien, Sicherheitsbüro, angesprochen und legitimierten sich die beiden Beamten mit ihren Dienstmarken. Sie forderten die beiden Personen auf, einen Ausweis vorzuweisen, da sie verdächtig seien, mit Suchtgift insoferne zu tun zu haben, als sie offensichtlich beabsichtigen, einiges davon zu erwerben.
Da die Beamten die Beschwerdeführerin und ihren Begleiter in einem zwar korrekten, aber dennoch recht bestimmten - um nicht zu sagen scharfen - Tonfall ansprachen, entgegnete die Beschwerdeführerin, sie sähe nicht ein, warum gerade sie zur Ausweisleistung aufgefordert werde und dass die Beamten einen derartigen unfreundlichen Tonfall verwenden. Da sie von den Beamten auf ihre Vorhaltung keine für sie befriedigende Antwort erhielt, weigerte sie sich, ihren Namen und ihre Anschrift bekannt zu geben. Sie entfernte sich einige Meter vom Ort der Amtshandlung, wo ihr Begleiter nunmehr den beiden Beamten - um Schwierigkeiten zu vermeiden - die Daten von sich und seiner Freundin bekannt gab.
Der Begleiter der Beschwerdeführerin begab sich zu seiner Freundin und sagte diese nunmehr, sie wolle die Dienstnummer der beiden Beamten wissen. Aus diesem Grunde begab sich der Begleiter der Beschwerdeführerin wieder zu den Beamten und forderte sie auf, ihm ihre Dienstnummer zu übermitteln. Der Freund der Beschwerdeführerin rechnete nun damit, eine Visitkarte der beiden Beamten ausgefolgt zu erhalten, auf der die Dienstnummer vermerkt sei.
Doch die Beamten meinten, er könne die Dienstnummer gerne haben, jedoch seien sie nicht im Besitz derselben, sondern müssen die Beschwerdeführerin sowie ihr Freund mit ihnen mitkommen, um die entsprechenden Visitkarten aufgefolgt zu erhalten.
Die Beschwerdeführerin und ihr Begleiter folgten nunmehr den beiden Beamten und wurden von diesen in einen in der U-Bahn-Passage befindlichen Raumtrakt geführt, wo durch die Bundespolizeidirektion Wien improvisierte Diensträume eingerichtet waren und standen in diesen Räumlichkeiten einige Computer und waren auch einige Telefone vorhanden. Nach kurzem Warten wurde die Beschwerdeführerin in einen getrennten Raum geführt und wurde dort von einer weiblichen Beamtin aufgefordert, ihren Oberkörper zu entkleiden und wurde Nachschau darüber gehalten, ob die Beschwerdeführerin verbotene Substanzen am Körper mit sich führt. In weiterer Folge wurde von der Beschwerdeführerin ein Polaroid-Foto angefertigt.
Nach der durchgeführten Perlustrierung wurde die Beschwerdeführerin in dem Computerraum befragt; die Fragen lauteten insbesondere darüber, ob die Beschwerdeführerin Suchtgift konsumiere oder ob sie Kontakt zu Personen, die mit Suchtgift handeln, habe. Über diese Fragen wurde mit der Beschwerdeführerin ein Protokoll aufgenommen und wurde dieses in Folge von ihr unterschrieben.
Nach ihrer Befragung wurden der Beschwerdeführerin die Visitkarten der einschreitenden Kriminalbeamten ausgehändigt und wurden die beiden Personen von den Beamten zum Ausgang der Diensträumlichkeiten geleitet."
Beweiswürdigend verwies die belangte Behörde auf die ihrer Meinung nach "nahezu identische Schilderung des Sachverhaltes" durch alle einvernommenen Personen. Diskrepanzen hätten sich nur hinsichtlich der Frage ergeben, inwieweit die Beamten gegenüber der Beschwerdeführerin einen unzumutbaren Tonfall angeschlagen hätten. Nachdem die Beamten aber im Zuge ihrer Einvernahme einen an sich korrekten und gewissenhaften Eindruck hinterlassen hätten, sei die belangte Behörde "verhalten" gewesen, der Version der Beamten den Vorzug zu geben. Es sei somit davon auszugehen gewesen, dass die Beamten zwar in einem relativ scharfen und bestimmten Tonfall gegenüber der Beschwerdeführerin und ihrem Begleiter agiert hätten, dass jedoch der verwendete Tonfall "absolut im Rahmen des Vorschriftsmäßigen" gelegen sei.
In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Ansicht, die Beschwerdeführerin habe die Aufforderung zur Bekanntgabe ihrer Identität nächst der Rolltreppe nicht bekämpft. Zur behaupteten Anhaltung in den provisorischen Diensträumlichkeiten ("Lagerräumen") von ca. 14.15 Uhr bis 14.40 Uhr führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei im Zuge dieser Amtshandlung nicht festgenommen worden. Der Wille der Behörde sei nicht auf eine Freiheitsbeschränkung gerichtet gewesen. Der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in den genannten Räumlichkeiten sei eine Folge der - von ihr nicht bekämpften - dort durchgeführten Identitätsfeststellung.
Die Durchsuchung der Beschwerdeführerin sei rechtswidrig gewesen, weil die Beamten keinen Grund gehabt hätten anzunehmen, sie habe einen Gegenstand bei sich, von dem Gefahr ausgehe.
Die von der Beschwerdeführerin gemachten Fotos seien "ausschließlich ... zu Beweiszwecken und nicht zum Zwecke der erkennungsdienstlichen Behandlung angefertigt" worden. Bei einer erkennungsdienstlichen Behandlung hätte die Behörde
"wohl auch Fingerabdrücke der Beschwerdeführerin eingeholt sowie weitere erkennungsdienstliche Maßnahmen durchgeführt, was jedoch nicht geschehen ist. Der unabhängige Verwaltungssenat Wien geht daher davon aus, dass eine erkennungsdienstliche Behandlung der Beschwerdeführerin nicht vorgelegen war und war die Beschwerde daher aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen."
Richtlinien seien insofern verletzt worden, als die Beamten ihre Dienstnummer nicht bekannt gegeben hätten, während die Beschwerdeführerin von den Beamten auf den Grund ihres Einschreitens hingewiesen worden sei und die Beamten beim Einschreiten sachlich und bestimmt aufgetreten seien. Entsprechende Richtlinien seien demnach nicht verletzt worden.
Die Kostenentscheidung begründete die belangte Behörde nach Darstellung der Bestimmung des § 79a AVG einerseits mit dem Obsiegen der Beschwerdeführerin hinsichtlich der behaupteten Rechtsverletzung durch die Durchsuchung ihrer Person und andererseits mit dem Obsiegen der belangten Behörde hinsichtlich der Anhaltung, woraus der jeweils "volle Kostenzuspruch" resultiere. Im Richtlinienverfahren hätten beide Parteien kein Kostenbegehren gestellt.
Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde mit Beschluss vom 11. Juni 2002, B 56/02, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Über die ergänzte, gegen die abweisenden Teile bzw. den zurückweisenden Teil des angefochtenen Bescheides sowie gegen den Kostenzuspruch an den Bund erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die Beschwerdeführerin vertritt in ihrer Beschwerde die Ansicht, die belangte Behörde hätte auch über die Frage abzusprechen gehabt, ob die Feststellung der Identität der Beschwerdeführerin rechtmäßig gewesen sei; sie habe nämlich in der an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde bei der Darstellung des Sachverhaltes vorgebracht, sie sei von den Beamten angehalten worden und man habe ihren Namen, ihre Adresse und ihr Geburtsdatum "bei einem Computer" aufgenommen. Damit habe sie zum Ausdruck gebracht, dass sie auch diese Vorgangsweise, nämlich die - nach Meinung der Beschwerdeführerin rechtswidrige - Identitätsfeststellung angefochten hätte.
Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, dass die Beschwerdeführerin eine Identitätsfeststellung anlässlich der "Anhaltung von 14.10 Uhr bis 14.45 Uhr" nicht bekämpft habe. Tatsächlich hat die Beschwerdeführerin in der an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde bei der Schilderung des Sachverhaltes erwähnt, sie und ihr Freund seien "von den beiden Beamten zu einem Raum begleitet und ... in überaus scharfem Ton angehalten (worden), Name, Adresse und Geburtsdatum bei einem Computer anzugeben"; der so umschriebene Vorgang hat jedoch bei den von der Beschwerdeführerin geltend gemachten "Beschwerdepunkten" bzw. bei den in der Beschwerde gestellten "Anträgen" keine Erwähnung gefunden. Während somit andere im Beschwerdesachverhalt dargestellte Handlungen, etwa das Anfertigen von Fotos und die Durchsuchung der Person der Beschwerdeführerin, ausdrücklich als selbstständige Verwaltungsakte umschrieben und angefochten wurden, trifft Letzteres auf die Identitätsfeststellung nicht zu (zum Begriff des "angefochtenen Verwaltungsaktes" vgl. das Erkenntnis vom 23. September 1998, Zl. 97/01/0407). In diesem Zusammenhang ist in der an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde nur allgemein von Rechtsverletzungen aufgrund der Anhaltung der Beschwerdeführerin in den "Lagerräumen" die Rede.
Allerdings hat die belangte Behörde auch Feststellungen über eine Befragung der Beschwerdeführerin im Computerraum der "Lagerräume" getroffen, wobei ihr Fragen betreffend Suchtgiftkonsum und Kontakte zu Suchtgifthändlern gestellt wurden. Über diese Befragung wurde mit der Beschwerdeführerin ein Protokoll aufgenommen, das von ihr unterschrieben wurde. Zum Zwecke dieser Befragung musste sich die Beschwerdeführerin in den "Lagerräumen" aufhalten. Dieser Verwaltungsakt fällt in den Zeitraum der "Anhaltung von 14.10 Uhr bis 14.45 Uhr". Trotz dieser Feststellungen hat die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht den Schluss gezogen, die Anhaltung sei lediglich Folge einer nicht bekämpften Identitätsfeststellung; die festgestellte Befragung hat die belangte Behörde in keiner Weise gewürdigt. Sie hätte aber zu beurteilen gehabt, ob die mit dieser Befragung verbundene Anhaltung rechtmäßig gewesen ist. Durch das Fehlen einer solchen Prüfung erweist sich der angefochtene Bescheid im Spruchpunkt 1. als inhaltlich rechtswidrig.
Die Zurückweisung ihrer Beschwerde hinsichtlich der erkennungsdienstlichen Behandlung bekämpft die Beschwerdeführerin mit dem Argument, die Voraussetzungen einer erkennungsdienstlichen Behandlung durch das Anfertigen von Fotos ihrer Person seien nicht vorgelegen; das Anfertigen eines Fotos sei jedenfalls als erkennungsdienstliche Maßnahme zu werten.
Die belangte Behörde vertrat dagegen die Ansicht, zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung reiche das Anfertigen von Fotos alleine nicht aus, dazu hätten etwa auch das Abnehmen von Fingerabdrücken oder weitere erkennungsdienstliche Maßnahmen treten müssen.
Die Meinung der belangten Behörde kann aus folgenden Gründen nicht geteilt werden:
Erkennungsdienst ist nach § 64 Abs. 1 SPG in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 146/1999 das Ermitteln personenbezogener Daten durch erkennungsdienstliche Maßnahmen sowie das weitere Verarbeiten, Benützen, Übermitteln, Überlassen und Löschen dieser Daten. Erkennungsdienstliche Maßnahmen sind technische Verfahren zur Feststellung von Merkmalen eines Menschen, die seine Wiedererkennung ermöglichen, wie insbesondere die Abnahme von Papillarlinienabdrücken, die Vornahme von Mundhöhlenabstrichen, die Herstellung von Abbildungen, die Feststellung äußerlicher körperlicher Merkmale, die Vornahme von Messungen oder die Erhebung von Stimm- oder Schriftproben (Abs. 2 leg. cit.). Erkennungsdienstliche Behandlung ist das Ermitteln personenbezogener Daten durch erkennungsdienstliche Maßnahmen, an dem der Betroffene mitzuwirken hat (Abs. 3 leg. cit.).
Zweck von erkennungsdienstlichen Maßnahmen ist es demnach, die Wiedererkennung eines Menschen zu ermöglichen. Wie die BPD in ihrer im Verfahren vor der belangten Behörde erstatteten Gegenschrift selbst ausführte, diente die Anfertigung des Lichtbilds von der Beschwerdeführerin dazu, dieses allfälligen Komplizen oder Suchtgiftabnehmern zwecks Wiedererkennung von Mittätern bzw. Suchtgifthändlern vorzulegen. Dass die Beschwerdeführerin auf dem Foto nicht erkennbar sei, wurde nicht behauptet. Somit lag ohne Zweifel in der Anfertigung des Fotos eine Maßnahme, die die Wiedererkennung der Beschwerdeführerin ermöglichte. Ob das Foto in der Folge vernichtet wurde - wie sich aus dem Akteninhalt ergibt - ist dabei ohne Belang.
Zudem hätte die belangte Behörde selbst bei Zugrundelegung ihrer eigenen Ansicht, es liege keine erkennungsdienstliche Behandlung vor, die Rechtmäßigkeit des für sich allein angefochtenen Fotografierens zu überprüfen gehabt, weil schon allein das "behördliche" Anfertigen eines Fotos ohne Zustimmung des Abgebildeten in dessen Persönlichkeitsrechte eingreift.
Indem die belangte Behörde davon ausgegangen ist, dass das Anfertigen des Fotos von der Beschwerdeführerin rechtmäßig gewesen sei und die Beschwerde in diesem Punkt zurückgewiesen hat, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er auch in diesem Punkt gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Zu den die behaupteten Verletzungen von Richtlinien abweisenden Teilen des angefochtenen Bescheides (Nichtbekanntgabe des Grundes des Einschreitens sowie Inobjektivität der einschreitenden Beamten) führt die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde aus, die belangte Behörde hätte
"begründungslos übergangen, warum sie der ansonsten offenbar glaubwürdigen BF - decken sich doch ihre Schilderungen mit denen der Beamten - genau in diesem Punkt keinen Glauben geschenkt hat, obwohl dadurch offen bleibt, warum die BF überhaupt die Dienstnummern der korrekten und gewissenhaften Beamten verlangt hatte."
Die behauptete Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung liegt schon deshalb nicht vor, weil die belangte Behörde in nachvollziehbarer Weise begründet hat, weshalb sie den Angaben der Beamten gefolgt ist (korrekter und gewissenhafter Eindruck). Keinesfalls handelt es sich bei dieser Beweiswürdigung - wie die Beschwerdeführerin meint - um eine Leerformel. In diesem Umfang war die Beschwerde nach § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis konnte die Kostenentscheidung des angefochtenen Bescheides zugunsten des Bundes keinen Bestand haben und war daher ebenfalls aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 7. Oktober 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002010271.X00Im RIS seit
22.01.2004Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008