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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art130 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Thoma und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des H in G, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 12. Juni 2001, Zl. 2- 11. H/415 - 00/18, betreffend Verleihung und Erstreckung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die Steiermärkische Landesregierung (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers (eines Staatsangehörigen von Ghana) auf Verleihung der Staatsbürgerschaft und Erstreckung derselben auf seine Ehegattin und die gemeinsamen minderjährigen Kinder gemäß § 10 Abs. 1, §§ 11, 16, 17 und 18 in Verbindung mit § 39 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) ab.
Die belangte Behörde legte dem angefochtenen Bescheid folgende Feststellungen zugrunde:
"Der Einbürgerungswerber gelangte erstmals am 30.08.1990 im Bundesgebiet zur Anmeldung. ...
Anlässlich der Vorsprache des Einbürgerungswerbers und seiner Gattin wurde ... festgestellt, dass die Deutschkenntnisse der Ehegattin unzureichend und äußerst mangelhaft waren.
Das Arbeitsmarktservice Steiermark spricht sich gegen ein Einbürgerung des Einbürgerungswerbers aus, weil aus arbeitsmarktpolitischer Sicht kein Grund für eine Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft vorliegt und die Qualifikation des Einbürgerungswerbers als Hilfsarbeiter am heimischen Arbeitsmarkt nicht gesucht wird. Darüber hinaus stehen dem österreichischen Arbeitsmarkt nicht nur inländische, sondern auch ausländische Fachkräfte für diese Tätigkeit arbeitslos zur Verfügung und erhalten Leistungen aus öffentlichen Mitteln.
Aus der Versicherungszeitenbestätigung des Einbürgerungswerbers ist zu entnehmen, dass er in einem Zeitraum vom 16.02.1991 bis 24.03.2000 bei 9 verschiedenen Arbeitgebern beschäftigt war."
Weiters stellte die belangte Behörde in Bezug auf den Beschwerdeführer fest, dass der Beschwerdeführer 1991 wegen des Verdachtes des schweren Betruges, 1992 wegen des Verdachtes der Entwendung und 1996 wegen des Verdachtes der gefährlichen Drohung zur Anzeige gebracht worden sei, wobei jedoch in sämtlichen Verfahren eine Einstellung bzw. Zurücklegung der Anzeige gemäß § 90 Abs. 1 StPO erfolgte.
Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass beim Beschwerdeführer die zehnjährige Hauptwohnsitzdauer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 StbG erfüllt sei. Die belangte Behörde vermeinte jedoch, das Ermessen im Sinne des § 11 StbG nicht zugunsten des Beschwerdeführers üben zu können. Sie begründete dies damit, dass im Ermittlungsverfahren festgestellt worden sei, dass der Beschwerdeführer und auch dessen Gattin wegen bestimmter Delikte zur Anzeige gebracht worden seien, und dass "aufgrund des o.a. Sachverhaltes, insbesondere aufgrund der mangelnden Deutschkenntnisse der Gattin des Einbürgerungswerbers und die häufigen Arbeitsplatzwechsel des Einbürgerungswerbers" erkannt werde, dass "die persönliche und berufliche Integration des Einbürgerungswerbers noch nicht in ausreichendem Maße gegeben bzw. abgeschlossen ist und somit die Ermessensentscheidung aufgrund des Gesamtverhaltens des Einbürgerungswerbers nicht zugunsten des Antragstellers getroffen werden kann". Weiter wird ausgeführt:
"Die persönliche Integration des Einbürgerungswerbers würde als gegeben angesehen werden, wenn der Einbürgerungswerber dafür Sorge getragen hätte, dass seine Familie über entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache im jeweiligen - den Lebensumständen angepassten - Ausmaß verfügen würde."
Mangels Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer sei auch die beantragte Erstreckung der Verleihung auf die Ehegattin und die Kinder zu versagen gewesen.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde ist in der Begründung des angefochtenen Bescheides erkennbar von der Erfüllung der Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 1 bis 8 StbG ausgegangen. Sie vertrat jedoch die Auffassung, dass sie das ihr durch § 11 StbG eingeräumte Ermessen nicht zugunsten des Beschwerdeführers üben könne.
Soweit die belangte Behörde dabei auf die nicht weiter verfolgten Anzeigen aus den Jahren 1991, 1992 und 1996 Bezug nahm, ist ihr zunächst zu entgegnen, dass Anzeigen als solche - losgelöst von der Frage ihrer Berechtigung - nicht als Ermessensgesichtspunkt zum Nachteil des Einbürgerungswerbers verwertbar sind. Dass aber der Beschwerdeführer ungeachtet des Vorgehens der Strafverfolgungsbehörden nach § 90 StPO tatsächlich strafbare Handlungen begangen habe, wurde nicht festgestellt. Indem die belangte Behörde im vorliegenden Fall die erwähnten Anzeigen in ihre Ermessensübung einbezog, liegt dem angefochtenen Bescheid daher schon aus diesem Grund eine fehlerhafte Ermessensübung zugrunde.
Weiters hat die belangte Behörde bei der Beurteilung des von ihr im Zuge der Ermessensübung zu berücksichtigenden Integrationsausmaßes die "persönliche Integration" des Beschwerdeführers deshalb verneint, weil der Beschwerdeführer nicht "dafür Sorge getragen hätte, dass seine Familie über entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen würde". Entgegen der Auffassung der belangten Behörde kann jedoch allein daraus, dass es einem Familienmitglied des Beschwerdeführers an entsprechenden Kenntnissen der deutschen Sprache fehlt (über die Sprachkenntnisse der mj. Kinder des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde keine Feststellungen getroffen), ohne Berücksichtigung der sonstigen Umstände des Falles nicht darauf geschlossen werden, dass beim Beschwerdeführer persönlich keine ausreichende Integration gegeben wäre (vgl. das Erkenntnis vom 17. September 2002, Zl. 2001/01/0357).
Die belangte Behörde hat ihrer Ermessensübung schließlich zugrunde gelegt, dass es dem Beschwerdeführer aufgrund der "häufigen Arbeitsplatzwechsel" auch an der beruflichen Integration fehle. Dass der Beschwerdeführer in einem Zeitraum vom mehr als neun Jahren bei neun verschiedenen Arbeitgebern beschäftigt war - wobei die belangte Behörde keine Feststellungen über längere Zeiten der Arbeitslosigkeit während dieses Zeitraumes getroffen hat und der Beschwerdeführer vor Erlassung des angefochtenen Bescheides in einem aufrechten Arbeitsverhältnis stand - vermag jedoch der Annahme einer beruflichen Integration nicht entgegenzustehen. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, sprechen wechselnde Beschäftigungsverhältnisse für sich allein nicht gegen die berufliche Integration (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 2. Oktober 2001, Zl. 2000/01/0156, und vom 17. September 2002).
Nach dem Gesagten vermögen die behördlichen Feststellungen eine auf mangelnde Integration des Beschwerdeführers gegründete Ermessensübung zu dessen Lasten nicht zu rechtfertigen. Im Hinblick darauf war auch die Ablehnung der Erstreckungsgesuche als rechtswidrig zu qualifizieren.
Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Die im Betrag von S 2.500,-- entrichtete Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war im Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil dieses in der erwähnten Verordnung keine Deckung findet. Wien, am 7. Oktober 2003
Schlagworte
Ermessen besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001010358.X00Im RIS seit
11.11.2003