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L1 GemeinderechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / LegitimationLeitsatz
Zurückweisung der Beschwerde einer Gemeinde mangels zugrundeliegenden Beschlusses der GemeindevorstehungSpruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Mit Bescheid vom 31. Jänner 2000 erklärte die Gemeindevertretung der Marktgemeinde Neumarkt am Wallersee den Bescheid des Bürgermeisters vom 8. Oktober 1999 betreffend die Zurkenntnisnahme einer Bauanzeige infolge Widerspruchs zu §24 Abs3 Raumordnungsgesetz 1992 (Fehlen einer Einzelgenehmigung vom Ausschluss der Wirkungen des Flächenwidmungsplans) und Unzuständigkeit des Bürgermeisters für nichtig.
Dagegen erhoben die Bauwerber Vorstellung. Dieser wurde mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 27. März 2000 Folge gegeben und der Nichtigerklärungsbescheid wurde ersatzlos aufgehoben.
2. Dagegen richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde der Marktgemeinde Neumarkt am Wallersee, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm (§34 Abs6 Z7 Salzburger Gemeindeordnung 1994, LGBl. Nr. 107/1994 idF LGBl. Nr. 8/2000) behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheids beantragt wird.
Die Beschwerde beruft sich bezüglich der Vertretung der Marktgemeinde Neumarkt am Wallersee zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ausdrücklich auf einen am 28. April 2000 gefassten Beschluss der Gemeindevertretung. In der Beschwerde wird vorgebracht, dass der Gemeindevertretung als oberstem Organ der Gemeinde in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinde im Lichte der Art20 Abs1, 117 Abs1, 118 Abs5 B-VG und im Sinne eines demokratisch-parlamentarischen Systems der Gemeindeselbstverwaltung nach dem B-VG das Recht zukommen "muss", die Erhebung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde zu beschließen.
Obwohl der Beschluss durch die Gemeindevertretung gefasst wurde, sei der Bürgermeister der Weisung der Gemeindevertretung nicht nachgekommen, dem Anwalt die zur Beschwerdeerhebung notwendige Vollmacht zu erteilen. Auf Grund der Weigerung des Bürgermeisters, diese Weisung der Gemeindevertretung zu befolgen, sei nun die erste Gemeinderätin für die Vollziehung des Beschlusses der Gemeindevertretung - somit zur Vollmachterteilung - zuständig.
Die Gemeindevorstehung habe es mit Beschluss vom 28. April 2000 bei einem Abstimmungsverhältnis von vier zu vier Stimmen abgelehnt, eine Verfassungsgerichtshofbeschwerde zu erheben. Auch der Gegenantrag sei mit demselben Abstimmungsverhältnis abgelehnt worden; somit liege eine Handlungsunfähigkeit der Gemeindevorstehung vor. Ein Beschluss der Gemeindevertretung zur Beschwerdeerhebung sei jedoch am 28. April 2000 gefasst worden. Die Gemeindevorstehung sei hiefür nicht ausschließlich zuständig und §34 Abs6 Z7 Salzburger Gemeindeordnung 1994 müsse dahingehend verfassungskonform interpretiert werden. Weiters sei die erste Gemeinderätin berechtigt, für die Gemeinde zu handeln, da eine Befangenheit des Bürgermeisters vorliege, die darin begründet sei, dass er im Wissen, dass die Gemeindevertretung die gegenteilige Rechtsansicht vertrat, nach Zurückziehung des Devolutionsantrags durch die Bauwerber durch Bescheid vom 8. Oktober 1999 die Bauanzeige zur Kenntnis genommen hatte. Damit habe er den Rechtsstandpunkt der mitbeteiligten Partei unsachlich bevorzugt und die Tatsache, dass die Gemeindevertretung das ihm vorgesetzte Verwaltungsorgan sei, außer Acht gelassen. Als weiterer Befangenheitsgrund wird geltend gemacht, dass es im beschwerdegegenständlichen Verwaltungsverfahren um die Frage der Aufhebung der Nichtigerklärung des Bescheids des Bürgermeisters durch die Gemeindevertretung gehe, und somit ein Befangenheitsgrund analog zu §7 Abs1 Z5 AVG vorliege. Auch indiziere die Weigerung des Bürgermeisters, den Beschluss der Gemeindevertretung vom 28. April 2000 zu vollziehen, da er diese für ein unzuständiges Organ hielt, seine Befangenheit. Der Bürgermeister hätte in dieser "rechtlichen Schwebephase" noch die notwendigen, vorläufigen Maßnahmen zu setzen gehabt, nämlich der Weisung der Gemeindevertretung Folge zu leisten. Die Rechtmäßigkeit der Weigerung des Bürgermeisters, die Weisung der Gemeindevertretung zu befolgen, werde derzeit aufsichtsbehördlich geprüft. Die rechtliche Klärung dieser Situation sei aber erst nach Ablauf der Beschwerdefrist beim Verfassungsgerichtshof erfolgt.
3. Der Bürgermeister teilte in einer Stellungnahme mit, dass die beim Verfassungsgerichtshof nunmehr erhobene Beschwerde auf Grund einer Beschlussfassung der Gemeindevertretung nicht der Marktgemeinde Neumarkt am Wallersee zuzurechnen sei.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß §19 Abs1 Salzburger Gemeindeordnung 1994, LGBl. Nr. 107/1994 idF LGBl. Nr. 8/2000 fasst der Gemeinderat (Gemeindevertretung) in allen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs, die nicht ausdrücklich durch Gesetz dem Bürgermeister (der Gemeindevorstehung) zugewiesen sind, die erforderlichen Beschlüsse. Gemäß §34 Abs6 Z7 leg. cit. ist der Gemeindevorstehung die Einbringung von Rechtsmitteln gegen verwaltungsbehördliche Entscheidungen, einschließlich von Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof oder Verwaltungsgerichtshof vorbehalten. Der Gemeindevorstehung ist daher die Zuständigkeit für die Einbringung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde ausdrücklich durch Gesetz zugewiesen. Gemäß §44 Abs3 leg. cit. gilt für die Enthaltung des Bürgermeisters und der Gemeinderäte von Amtshandlungen §27 Abs1 leg. cit. sinngemäß. Gemäß §27 Abs1 litd leg. cit. liegt Befangenheit eines Mitglieds der Gemeindevertretung (des Bürgermeisters) vor, wenn sonstige, nur in seiner Person gelegene, wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, die volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Gemäß §44 Abs4 leg. cit. ergibt sich, wenn die Gemeindevorstehung infolge Befangenheit von Mitgliedern beschlussunfähig ist, hieraus die Zuständigkeit der Gemeindevertretung für die betreffende Angelegenheit. Für die Abstimmung und Beschlussfassung der Gemeindevorstehung gelten gemäß §34 Abs8 iVm §33 Abs8 leg. cit. die Bestimmungen für die Gemeindevertretung. Gemäß §26 Abs1 leg. cit. ist die Gemeindevertretung (die Gemeindevorstehung) bei Anwesenheit von wenigstens zwei Drittel ihrer Mitglieder beschlussfähig. Gemäß §30 Abs1 leg. cit. gilt für die Gemeindevertretung, dass zu einem gültigen Beschluss, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, die Zustimmung von mehr als der Hälfte der anwesenden Mitglieder der Gemeindevertretung (absolute Mehrheit) erforderlich ist. Der Vorsitzende gibt seine Stimme als Letzter ab. Entsteht dadurch Stimmengleichheit, so gilt jene Meinung als angenommen, für die der Vorsitzende gestimmt hat.
Der Antrag, eine Verfassungsgerichtshofbeschwerde zu erheben, wurde von der Gemeindevorstehung mit Dirimierung des Bürgermeisters abgelehnt. Dem Argument, dass die "Entscheidungssituation" die Gemeindevorstehung "handlungsunfähig" mache, ist entgegenzuhalten, dass Stimmengleichheit keine "Handlungsunfähigkeit" auslöst, da dann die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag gibt. Eine Beschlussunfähigkeit gemäß §44 Abs4 leg. cit. der Gemeindevorstehung wird in der Beschwerde jedoch nicht geltend gemacht. Auch dem Gemeindevertretungsprotokoll vom 28. April 2000 ist nicht zu entnehmen, dass die Gemeindevertretung ihre Zuständigkeit auf Grund einer Beschlussunfähigkeit der Gemeindevorstehung gemäß §44 Abs4 leg. cit infolge Befangenheit des Bürgermeisters ausübt. Vielmehr gründet die Gemeindevertretung schon zum Zeitpunkt ihrer Beschlussfassung ihre Zuständigkeit auf allgemeine die Gemeinde betreffenden Grundsätze der Bundesverfassung, die im Beschwerdevorbringen wiederholt wurden.
2. Da somit der Beschwerde weder vor Ablauf der Beschwerdefrist gefasste Beschlüsse der Gemeindevorstehung noch ein auf §44 Abs4 leg. cit. gestützter Beschluss der Gemeindevertretung auf Grund einer Beschlussunfähigkeit der Gemeindevorstehung infolge Befangenheit eines Mitglieds zugrunde liegen, war die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.
3. Auf das weitere Vorbringen betreffend die Berechtigung der ersten Gemeinderätin zur Vollmachterteilung an den nunmehr einschreitenden Rechtsanwalt auf Grund der Befangenheit des Bürgermeisters war auf Grund eines fehlenden Beschlusses eines zuständigen Organs nicht einzugehen.
4. Gegen §34 Abs6 Z7 Salzburger Gemeindeordnung 1994, LGBl. Nr. 107/1994 idF LGBl. Nr. 8/2000 bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Bundesverfassung legt nicht fest, welche Angelegenheiten von welchem Organ der Gemeinde zu besorgen sind. Soweit in der Landesverfassung nichts anderes bestimmt ist, obliegt die Zuweisung der Aufgaben an die Organe der Gemeinde dem einfachen Landesgesetzgeber als Gemeindeorganisationsgesetzgeber. Die Zuständigkeit der Gemeindevorstehung zur Erhebung von Rechtsmitteln und einer Verfassungsgerichtshof- bzw. Verwaltungsgerichtshofbeschwerde zu normieren, liegt innerhalb des rechtspolitischen Gestaltungsspielraums des Gemeindeorganisationsgesetzgebers.
III. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Gemeinderecht, Gemeindevorstand, Vertretung nach außen (Gemeinderecht), VfGH / LegitimationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:B863.2000Dokumentnummer
JFT_09999379_00B00863_00