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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §19 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des M, geboren 1973, vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. September 2002, Zl. 121.427/10-III/11/02, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 20. September 2002 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, vom 22. April 2002 auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung gemäß § 14 Abs. 3 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, zurückgewiesen.
Aus der Aktenlage sei ersichtlich, dass die Ladung vom 19. Juni 2002 dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 21. Juni 2002 zugestellt worden sei. In dieser Ladung sei der Beschwerdeführer auf die Rechtsfolgen gemäß § 14 Abs. 3 FrG hingewiesen worden. Da der Beschwerdeführer der Ladung - ein Ladungsbescheid sei nicht erforderlich - nicht Folge geleistet habe, sei der Antrag zurückzuweisen gewesen.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser Gerichtshof lehnte die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluss vom 11. Dezember 2002, B 1617/02).
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. § 14 Abs. 3 FrG in der hier maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 126/2002 lautet:
"Im Antrag ist der jeweilige Zweck der Reise oder des Aufenthaltes bekanntzugeben; der Antragsteller darf ihn während des Verfahrens nicht ändern. Der Fremde hat der Behörde die für die Feststellung des Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel vorzulegen. Er hat über Verlangen der Behörde vor dieser persönlich zu erscheinen. Der Antrag ist zurückzuweisen, sofern der Antragsteller kein gültiges Reisedokument vorlegt oder wenn der Antragsteller trotz entsprechenden Verlangens nicht persönlich vor der Behörde erschienen ist, obwohl in der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde."
1.2.1. Aus dem letzten Satz dieser Bestimmung wird deutlich, dass die Aufforderung zum persönlichen Erscheinen durch Ladung zu erfolgen hat. Diese Bestimmung kann daher nicht losgelöst von § 19 AVG betrachtet werden. So hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 21. Dezember 1999, Zl. 99/19/0189, ausgesprochen, dass das bloße Faktum des Nichterscheinens des Geladenen nicht für eine Zurückweisung gemäß § 14 Abs. 3 FrG ausreiche. Der Geladene müsse vielmehr im Sinn des § 19 Abs. 3 AVG verpflichtet gewesen sein, der Ladung Folge zu leisten. Es ergebe sich kein Hinweis darauf, dass mit § 14 Abs. 3 FrG der Niederlassungsbehörde die Möglichkeit habe eingeräumt werden sollen, ein Verfahren über die Erteilung eines Aufenthaltstitels ohne Eingehen in die Sache nur deshalb abzuschließen, weil der Antragsteller nicht vor der Behörde erschienen sei, obwohl er gemäß § 19 Abs. 3 AVG gar nicht verpflichtet gewesen sei, der an ihn ergangenen Ladung Folge zu leisten.
1.2.2. Im Licht der eben dargestellten Verflechtung von § 14 Abs. 3 FrG mit § 19 AVG ist es geboten, das "Verlangen der Behörde" nach § 14 Abs. 3 FrG an den Maßstab des § 19 Abs. 1 AVG, also die Notwendigkeit des Erscheinens der zu ladenden Person, zu binden. Ein Antrag auf Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels kann daher nur dann wegen - unentschuldigter - Nichtbefolgung einer Ladung zum persönlichen Erscheinen gemäß § 14 Abs. 3 FrG zurückgewiesen werden, wenn die Ladung auch "nötig" war.
2. Die belangte Behörde führte aus, dass der Beschwerdeführer ordnungsgemäß unter Hinweis auf die Rechtsfolge der Zurückweisung geladen worden sei. Da er der Ladung nicht Folge geleistet habe, sei der Antrag gemäß § 14 Abs. 3 FrG zurückzuweisen gewesen.
Damit vertrat sie die Ansicht, dass die Nichtbefolgung einer Ladung gemäß § 14 Abs. 3 FrG in jedem Fall die Zurückweisung des Antrages zur Folge habe.
Insofern hat sie die oben 1.2.2. dargestellte Rechtslage verkannt. Infolge dieser Verkennung der Rechtslage hat sie sich nicht damit auseinandergesetzt, aus welchen Gründen das persönliche Erscheinen des Beschwerdeführers vorliegend nötig war. Sie hat den angefochtenen Bescheid daher mit einem sekundären Verfahrensmangel belastet.
3. Auf Grund der dargestellten Verkennung der Rechtslage durch die belangte Behörde war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 10. Oktober 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003180001.X00Im RIS seit
06.11.2003Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008