TE Vwgh Erkenntnis 2003/10/15 2001/21/0004

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.10.2003
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs2 Z8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Wechner, über die Beschwerde der H, vertreten durch Dr. Arnulf Summer, Dr. Nikolaus Schertler und Mag. Nicolas Stieger, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Kirschstraße 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 23. November 2000, Zl. Fr-4250a-56/00, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 23. November 2000 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine chinesische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z 8 iVm §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von sechs Jahren erlassen.

Zur Begründung dieser Maßnahme stellte die belangte Behörde fest, die Beschwerdeführerin sei am 26. März 2000 nach Österreich eingereist. Sie habe über eine am 20. Oktober 1999 vom italienischen Innenministerium (Questura di Mantova) ausgestellte, bis 11. Oktober 2001 befristete (italienische) Aufenthaltsbewilligung verfügt. Am 27. April 2000 sei die Beschwerdeführerin anlässlich einer Kontrolle des Arbeitsinspektorates bei der Bedienung von Gästen eines näher bezeichneten China-Restaurants in Dornbirn betreten worden. Die "Chefin des Restaurants", die Schwägerin der Beschwerdeführerin, habe angegeben, dass ihr die Beschwerdeführerin ab und zu aushelfe und für diese Mithilfe im Lokal kein Geld erhalte, sondern Kost und Logis. Entgegen den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) - so die belangte Behörde weiter - sei für die Beschwerdeführerin weder um eine Beschäftigungs- oder Entsendebewilligung noch um eine Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein angesucht oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt worden. Diesbezüglich sei gegen die genannte Restaurantinhaberin ein Strafverfahren eingeleitet worden.

Rechtlich folgerte die belangte Behörde, es sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 8 FrG verwirklicht. Das stelle eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 36 Abs. 1 FrG dar, welche die Annahme rechtfertige, dass der Aufenthalt der Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Verstärkt werde diese Annahme durch den Umstand, dass sich die Beschwerdeführerin seit 26. März 2000 unangemeldet an der "Anschrift des China-Restaurants" aufgehalten habe. Diesbezüglich und wegen ihres unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet sei gegen die Beschwerdeführerin auch ein Strafverfahren eingeleitet worden.

Zur Ermessensübung führte die belangte Behörde aus, von der Möglichkeit der Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme werde - unter Berücksichtigung der (von der belangten Behörde danach vorgenommenen) Abwägungen gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG - auf Grund der Tatsache Gebrauch gemacht, dass sich die Beschwerdeführerin hier unangemeldet aufhalte, "Schwarzarbeit" betrieben habe und auch nicht bereit sei, das österreichische Bundesgebiet zu verlassen, woraus zu ersehen sei, dass sie nicht bereit wäre, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten.

Unter dem angesprochenen Gesichtspunkt des § 37 FrG berücksichtigte die belangte Behörde, dass die Beschwerdeführerin die Schwester des Ehegatten der Inhaberin des China-Restaurants sei und sich seit 26. März 2000 bei ihrem Bruder und dessen Familie aufhalte. Der italienische Aufenthaltstitel berechtige sie lediglich, sich im Bundesgebiet "frei zu bewegen", jedoch nicht zur Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit. "Deshalb" halte sich die Beschwerdeführerin "zumindest seit dem 27.04.2000, als sie vom Arbeitsinspektor dabei betreten wurde, wie sie Gäste des China-Restaurants bedient hatte, obwohl sie über keine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung verfügte, jedenfalls unrechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet auf." Auf Grund der sehr kurzen Dauer des Aufenthaltes und der Gegebenheit, dass es sich "nur" um ihren Bruder, einen knapp 48-jährigen Mann, der nicht auf die Unterstützung seiner Schwester angewiesen sei, und dessen Familie handle, sei davon auszugehen, dass kein Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin stattfinde. Aber selbst wenn man diesbezüglich von einem gewissen Eingriff ausginge, sei dieser dringend geboten. Der unangemeldete und durch die Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit ohne arbeitsmarktrechtliche Bewilligung unrechtmäßige Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich widerspreche nämlich einem geordneten Fremdenwesen, dem ein sehr hoher Stellenwert zukomme. Unter Berücksichtigung aller Umstände und Abwägung der gegenläufigen Interessen dränge das in hohem Maße bestehende öffentliche Interesse, den weiteren Aufenthalt der Fremden im Bundesgebiet zu untersagen, ihr privates Interesse in den Hintergrund. Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes würden weit schwerer wiegen als dessen Auswirkungen auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 36 Abs. 1 FrG die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, dass der (weitere) Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 36 Abs. 2 Z 8 FrG (in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 69/2002) gilt als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1, wenn ein Fremder von einem Organ der Arbeitsinspektorate, der regionalen Geschäftsstellen oder der Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht ausüben hätte dürfen.

Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin am 27. April 2000 von einem Organ der Arbeitsinspektorate bei einer Beschäftigung im Rahmen des näher bezeichneten China-Restaurantbetriebes betreten wurde, die sie nach den Bestimmungen des AuslBG nicht hätte ausüben dürfen, und folgerte daraus, dass der zitierte Tatbestand des § 36 Abs. 2 FrG verwirklicht sei. Die Beschwerde bestreitet weder die Richtigkeit der in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid, noch kritisiert sie die darauf gegründete rechtliche Beurteilung der belangten Behörde.

Schon angesichts des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von "Schwarzarbeit" (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. März 2000, Zl. 98/18/0167) in Verbindung mit der im vorliegenden Fall evidenten Wiederholungsgefahr ist es auch nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme für gerechtfertigt erachtet hat, wobei sie dabei zutreffend auch die Nichtbeachtung der Vorschriften des Meldegesetzes in die Beurteilung der Gesamtpersönlichkeit der Beschwerdeführerin einbeziehen durfte. Auch gegen diese Gefährdungsprognose wird in der Beschwerde nichts Konkretes vorgebracht.

Gleiches gilt für die von der belangten Behörde unter dem Gesichtspunkt des § 37 FrG vorgenommene Abwägung. Der belangten Behörde kann diesbezüglich auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie dem Interesse der Beschwerdeführerin an einem weiteren Verbleib in Österreich das - bereits erwähnte - öffentliche Interesse an der Verhinderung von illegaler Beschäftigung gegenübergestellt und Letzteres entsprechend hoch bewertet hat. Die belangte Behörde hat andererseits zu Recht darauf verwiesen, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin - mag sie auch über einen befristeten italienischen Aufenthaltstitel verfügen - bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides erst sehr kurz (etwas mehr als ein halbes Jahr) gedauert hatte und die familiären Bindungen in Österreich nur den erwachsenen Bruder und dessen Familie betreffen, ohne dass in diesem Zusammenhang ein besonderes Naheverhältnis behauptet worden wäre. Vor diesem Hintergrund durfte die belangte Behörde die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 37 Abs. 1 und 2 FrG durchaus bejahen.

Die Beschwerde sieht aber eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin, dass die belangte Behörde das ihr eingeräumte Ermessen bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes unrichtig geübt und mangelhaft begründet habe, wobei die Beschwerde mehrfach in den Vordergrund stellt, dass die belangte Behörde dem Bestehen eines gültigen Aufenthaltstitels zu Unrecht keine Bedeutung geschenkt habe.

Richtig ist, dass die Bestimmung des § 36 Abs. 1 FrG der Behörde insofern Ermessen einräumt, als sie diese ermächtigt, von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes trotz Vorliegens der in den §§ 36 bis 38 FrG normierten Tatbestandsvoraussetzungen abzusehen. Nach Art. 130 Abs. 2 B-VG hat die Behörde von dem besagten Ermessen "im Sinne des Gesetzes" Gebrauch zu machen. Sie hat hiebei in Erwägung zu ziehen, ob und gegebenenfalls welche Umstände im Einzelfall vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung gegen die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sprechen, und sich hiebei insbesondere von den Vorschriften des FrG leiten zu lassen. Es könnten etwa - anders als bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes nach § 37 FrG - öffentliche Interessen zu Gunsten eines Fremden berücksichtigt werden und bei entsprechendem Gewicht eine Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Rahmen der Ermessensentscheidung rechtfertigen. Aber auch persönliche, schon im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes nach § 37 FrG zu berücksichtigende Interessen sind bei der Handhabung des Ermessens nach § 36 Abs. 1 FrG dann zu beachten, wenn dies erforderlich ist, um den besonderen im Einzelfall gegebenen Umständen gerecht zu werden (vgl. etwa das bereist erwähnte Erkenntnis vom 14. März 2000, Zl. 98/18/0167).

Den Beschwerdeausführungen ist darin beizupflichten, dass die belangte Behörde den Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich im Hinblick auf den italienischen Aufenthaltstitel - auch wenn dieser nicht zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt - nicht als unrechtmäßig hätte qualifizieren dürfen. Auf den von der belangten Behörde zur Begründung ihrer Ermessensentscheidung auch herangezogenen Umstand, dass die Beschwerdeführerin "nicht bereit ist, das österreichische Bundesgebiet zu verlassen", hätte sie sich daher nicht stützen dürfen. Das führt aber für sich genommen noch nicht zur Rechtswidrigkeit der von der belangten Behörde vorgenommenen Ermessensübung. Entgegen der Beschwerdemeinung steht nämlich ein befristet bewilligter Aufenthalt eines Fremden nicht der Erlassung eines auf § 36 Abs. 2 Z 8 FrG gegründeten Aufenthaltsverbotes entgegen. Es handelt sich aber dabei auch um keinen besonders ins Gewicht fallenden Umstand, der die Behörde zu einer Ermessensübung im Sinne einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes veranlassen hätte müssen. Schließlich lässt aber auch eine Gesamtbetrachtung der vorliegenden Umstände dieses Falles unter dem Ermessensgesichtspunkt die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht als rechtswidrig erscheinen. Da die belangte Behörde ihre Überlegungen im Rahmen der Ermessensübungen aber auch ausreichend begründet hat, musste der Beschwerde ein Erfolg versagt bleiben.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 15. Oktober 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001210004.X00

Im RIS seit

06.11.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten