Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §21 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Wechner, über die Beschwerde des B, vertreten durch Mag. Bettina Knötzl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schubertring 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 24. März 2000, Zl. Fr 469/2000, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach der Aktenlage kam der Beschwerdeführer am 3. Jänner 2000 mit dem Flugzeug in Wien-Schwechat an. Zu diesem Zeitpunkt sei er, wie er später aussagte, im Besitz eines verfälschten Reisepasses gewesen, der ihm bei der Ankunft in Österreich vom Schlepper abgenommen worden sei. In der niederschriftlichen Vernehmung durch die Bundespolizeidirektion Schwechat (Grenzübergangsstelle) ersuchte der Beschwerdeführer am 4. Jänner 2000 um Asyl und gab an, aus Jerusalem zu stammen und der palästinensischen Volksgruppe anzugehören. Der Beschwerdeführer wurde angewiesen, sich vorläufig im Transitraum des genannten Flughafens aufzuhalten. Nachdem der Beschwerdeführer am 25. Jänner 2000 seinen Asylantrag zurückgezogen hatte, wurde ihm am 27. Jänner 2000 von der Bundespolizeidirektion Schwechat die Einreise in das Bundesgebiet mit der Auflage gestattet, sich selbst ein Ausreisedokument zu besorgen.
Mit Bescheid vom 27. Jänner 2000 erließ die Bundespolizeidirektion Schwechat gegen den Beschwerdeführer ein auf § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 7 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, gestütztes und auf drei Jahre befristetes Aufenthaltsverbot. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und brachte vor, er habe, um frei zu kommen, seinen Asylantrag "im Sondertransit" zurückgezogen, dies aus Angst vor Rückschiebung in seinen Heimatstaat. Gleichzeitig beschrieb der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe aus Israel und führte aus, er habe "mit Schriftsatz vom 27.01.2000 ... vor dem Bundesasylamt beantragt", ihm in Österreich Asyl zu gewähren. Zu der ihm in seiner Heimat drohenden Verfolgung verwies der Beschwerdeführer an einer anderen Stelle des Berufungsschriftsatzes u.a. auf die "Niederschrift des Bundesasylamtes". Wenn die Erstbehörde das gegen den Beschwerdeführer gerichtete Aufenthaltsverbot damit begründe, dass dieser keinerlei Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes habe, so sei darauf hinzuweisen, dass die Mittellosigkeit und der fehlende Besitz eines Reisedokumentes geradezu typische Merkmale eines Flüchtlings seien. Gemäß Art. 31 der Genfer Flüchtlingskonvention dürften Flüchtlinge weder wegen rechtswidriger Einreise noch wegen rechtswidrigen Aufenthalts bestraft werden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte den Bescheid der Erstbehörde mit der Maßgabe, dass die Dauer des verhängten Aufenthaltsverbotes fünf Jahre betrage. In der Begründung des angefochtenen Bescheides stellte sie nach Wiedergabe des Verfahrensganges und des wesentlichen Berufungsvorbringens fest, der Beschwerdeführer habe seinen Asylantrag am 25. Jänner 2000 zurückgezogen und halte sich seit seiner Einreise illegal im Bundesgebiet auf. Er sei weder im Besitz eines Einreise- oder Aufenthaltstitels noch habe er bislang über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verfügt. Mit Blick auf § 36 Abs. 2 Z 7 FrG führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe keine Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes nachweisen können und verfüge auch über keine Möglichkeit, einer legalen Beschäftigung in Österreich nachzugehen. Vom Beschwerdeführer, der somit als mittellos anzusehen sei, gehe die Gefahr aus, er werde sich seinen Lebensunterhalt auf illegalem Wege verschaffen. Daher sei die Annahme gerechtfertigt, sein Aufenthalt im Bundesgebiet werde die öffentliche Ordnung und das wirtschaftliche Wohl des Landes gefährden. In der Berufung habe der Beschwerdeführer vollkommen neue und somit nach Ansicht der belangten Behörde "höchst fragwürdige" Angaben zu den Gründen seiner Flucht vorgebracht, sodass sich die belangte Behörde bei Ausübung ihres Ermessens außerstande sehe, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes abzusehen. Da sich der Beschwerdeführer niemals rechtmäßig in Österreich aufgehalten habe und hier auch nicht über familiäre Bindungen verfüge, erübrige sich eine Beurteilung des Aufenthaltsverbotes nach § 37 FrG.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
In seiner Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Ansicht der belangten Behörde über die Mittellosigkeit seiner Person und bringt weiters vor, er sei von den Behörden keinesfalls aufgegriffen worden, sondern habe sich selbst bei den österreichischen Behörden gemeldet und dort einen Antrag auf Asylgewährung gestellt.
Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2).
Gemäß § 36 Abs. 2 Z 7 FrG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (abgesehen von einer im Beschwerdefall nicht in Betracht kommenden Ausnahme) den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag.
Gemäß § 21 Abs. 1 AsylG findet § 36 Abs. 2 Z 7 FrG keine Anwendung auf Asylwerber mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung, sofern sie (Z 1) den Asylantrag außerhalb einer Vorführung persönlich beim Bundesasylamt eingebracht haben, bzw. (Z 2) den Antrag anlässlich der Grenzkontrolle oder anlässlich eines von ihnen sonst mit einer Sicherheitsbehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgenommenen Kontaktes gestellt haben.
Wie dargestellt hat der Beschwerdeführer in seiner Berufung vorgebracht, er habe, nachdem er seinen (ersten) Asylantrag zurückgezogen habe und ihm die Einreise in das Bundesgebiet gestattet worden sei, mit Schriftsatz vom 27. Jänner 2000 vor dem Bundesasylamt (neuerlich) um Asyl ersucht. Im angefochtenen Bescheid hat sich die belangte Behörde mit dem zuletzt genannten Asylantrag (der auch im vorgelegten Verwaltungsakt nicht enthalten ist) und der Art seiner Einbringung nicht befasst und somit auch nicht festgestellt, ob und gegebenenfalls in welcher Weise über diesen Asylantrag bereits entschieden wurde. Eine Auseinandersetzung mit diesen Fragen wäre aber, wie im folgenden zu zeigen ist, deswegen erforderlich gewesen, weil davon - bei Zutreffen der Angaben des Beschwerdeführers über seinen neuerlichen Asylantrag - die Zulässigkeit des gegenständlichen, auf § 36 Abs. 2 Z 7 FrG gestützten Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 21 Abs. 1 AsylG abhängt:
Was die in der zuletzt genannten Bestimmung geforderte vorläufige Aufenthaltsberechtigung betrifft, so konnte der Beschwerdeführer (der auch nach der Beschwerde unstrittig ohne gültigen Reisepass und somit entgegen den Bestimmungen des 2. Hauptstückes des FrG in das Bundesgebiet einreiste) eine solche nur durch Zuerkennung durch die Asylbehörde erlangen (§ 19 Abs. 2 AsylG). Auch wenn der Beschwerdeführer aber im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nach den dortigen Feststellungen noch nicht im Besitz einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung war, durfte die belangte Behörde bei Ausübung ihres in § 36 Abs. 1 FrG begründeten Ermessens ein Aufenthaltsverbot gemäß § 36 Abs. 2 Z 7 FrG nicht erlassen, wenn einerseits zumindest die Voraussetzungen für die Zuerkennung der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach § 19 Abs. 2 AsylG und andererseits die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Z 1 oder Z 2 AsylG erfüllt waren (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2000, Zl. 2000/21/0033).
Zu § 21 Abs. 1 Z 1 AsylG hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, diese Bestimmung verlange, dass sich der Fremde selbst zum Bundesasylamt begeben und dort den Asylantrag deponiert hat (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 19. Oktober 2001, Zl. 98/02/0119, vom 10. April 2003, Zl. 2002/18/0202, sowie zuletzt vom 26. Juni 2003, Zl. 99/18/0013). Im Hinblick auf das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Berufung (dort ist nicht nur von der Einbringung eines Asylantrages vom 27. Jänner 2000 "vor dem Bundesasylamt", sondern auch von einer "Niederschrift des Bundesasylamtes" die Rede) ist im vorliegenden Beschwerdefall auch die Erfüllung der Voraussetzung des § 21 Abs. 1 Z 1 AsylG nicht von vornherein auszuschließen.
Indem sich die belangte Behörde somit zu Unrecht über die Behauptung des Beschwerdeführers betreffend einen neuerlich eingebrachten Asylantrag hinweggesetzt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 15. Oktober 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2000210106.X00Im RIS seit
05.11.2003