TE Vwgh Erkenntnis 2003/10/15 2002/21/0074

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Veröffentlicht am 15.10.2003
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §15 Abs1;
AsylG 1997 §15 Abs3;
AsylG 1997 §8;
FrG 1997 §10 Abs4;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §57;
FrG 1997 §75;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Wechner, über die Beschwerde des I, vertreten durch Dr. Werner Posch, Rechtsanwalt in 2640 Gloggnitz, Hauptstraße 37, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 4. Jänner 2002, Zl. Fr 4342/01, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist ein der albanischen Volksgruppe angehörender aus dem Kosovo stammender Staatsbürger der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien. Er kam am 13. November 1998 (gemeinsam mit seiner Ehefrau) illegal nach Österreich und stellte am selben Tag einen Asylantrag, der mit dem rechtskräftigen Berufungsbescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 5. Oktober 2000 (im Instanzenzug) nach § 7 des Asylgesetzes 1997 - AsylG, BGBl. I Nr. 76, abgewiesen wurde. Im Hinblick auf die bereits vom Bundesasylamt gemäß § 8 AsylG getroffene Feststellung, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Bundesrepublik Jugoslawien nicht zulässig sei, erteilte der unabhängige Bundesasylsenat dem Beschwerdeführer mit dem erwähnten Bescheid gemäß § 15 Abs. 1 AsylG eine bis 31. März 2001 befristete Aufenthaltsberechtigung. Der von der Ehegattin des Beschwerdeführers gestellte Asylerstreckungsantrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 14. November 2000 ebenfalls rechtskräftig abgewiesen. Ihr wurde in der Folge von der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen eine bis 31. März 2001 befristete Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gemäß § 10 Abs. 4 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, erteilt. Am 23. März 2001 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung, der mit dem Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. April 2001 abgewiesen wurde. Unter einem wurde "e contrario zu § 8 AsylG" festgestellt, dass seine Abschiebung "in die Bundesrepublik Jugoslawien, Provinz Kosovo," (nunmehr) zulässig sei. Dagegen erhob der Beschwerdeführer eine Berufung.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 4. Jänner 2002 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 33 Abs. 1 FrG ausgewiesen. Zur Begründung führte die belangte Behörde in Ergänzung zum eingangs wiedergegebenen bisherigen Verwaltungsgeschehen aus, die Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. April 2001 sei verspätet erhoben worden. Eine Berufungsentscheidung des unabhängigen Bundesasylsenates liege zwar derzeit noch nicht vor, jedoch sei aufgrund der verspäteten Einbringung davon auszugehen, dass der erstinstanzliche Bescheid seit 20. April 2001 rechtskräftig sei. Der Beschwerdeführer habe seit 17. August 1999 bis 31. März 2001 über "vorläufige Aufenthaltsberechtigungen nach dem AsylG" verfügt. Seit 1. April 2001 halte er sich somit unrechtmäßig in Österreich auf. Der Beschwerdeführer habe in der Berufung gemeint, dass sein Aufenthalt im Hinblick auf den rechtzeitig vor Ablauf dieser "Aufenthaltsbewilligung" gestellten Verlängerungsantrag bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens nach § 31 Abs. 4 FrG rechtmäßig sei. Dazu werde - so die belangte Behörde - darauf hingewiesen, "dass diese Bestimmung das Fremdengesetz betrifft", der Beschwerdeführer habe aber lediglich Aufenthaltsberechtigungen nach dem AsylG innegehabt. Rechtlich folgerte die belangte Behörde, dass im Hinblick auf den unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers die Ausweisung nach § 33 Abs. 1 FrG zulässig sei.

Unter dem Gesichtspunkt der Ermessensübung und des § 37 Abs. 1 FrG führte die belangte Behörde nach Betonung des "eminenten" öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen zusammengefasst aus, der Beschwerdeführer weigere sich nach Ablauf seiner Aufenthaltsberechtigung "beharrlich", das Bundesgebiet zu verlassen. Der Beschwerdeführer könne auf Grund der "Konzeption des Fremdengesetzes (§ 14 Abs. 2 FrG)" seinen Aufenthalt "vom Inland her" nicht legalisieren. Eine allfällige Rückreise in den Kosovo "erscheint" aufgrund der momentanen dortigen Situation möglich und auch vertretbar. Außerdem sei die Zumutbarkeit des Aufenthaltes im Heimatland nicht zu prüfen, weil nicht darüber entschieden werde, in welches Land der Beschwerdeführer auszureisen habe. Sein Aufenthalt seit November 1998 sei nicht als besonders lang zu bezeichnen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sei daher "die Kannbestimmung" des § 33 Abs. 1 FrG "zu Ihren Lasten auszulegen". Diese Überlegungen würden auch für die Beurteilung nach § 37 Abs. 1 FrG gelten. Die Ehegattin des Beschwerdeführers werde "mit ihm" ausgewiesen. Sonstige maßgebliche "familiäre Bande" zu in Österreich lebenden Personen seien nicht erkennbar und auch nicht behauptet worden. Durch die Ausweisung erfolge somit auch kein maßgeblicher Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers. Darüber hinaus erscheine die Ausweisung auf Grund der vorliegenden Umstände (längerer illegaler Aufenthalt, keine inländische Legalisierungsmöglichkeit des Aufenthaltes, mangelnder Ausreisewille, Absicht der Aufrechterhaltung des illegalen Aufenthaltes) im Sinne des § 37 Abs. 1 FrG auch dringend geboten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 33 Abs. 1 FrG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Die Beschwerde wendet sich gegen die Ansicht der belangten Behörde, der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich sei unrechtmäßig. Sie geht in diesem Zusammenhang - ohne dies jedoch näher zu begründen - davon aus, dass der Beschwerdeführer zum "Verbleib in Österreich weiterhin befugt" sei, wenn das Rechtsmittel gegen die den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung abweisende Entscheidung des Bundesasylamtes fristgerecht ergriffen worden sei. Soweit die Beschwerde diese Rechtsansicht allerdings auch dem angefochtenen Bescheid unterstellt, scheinen dagegen aber die Ausführungen der belangten Behörde zu sprechen, dass § 31 Abs. 4 FrG im vorliegenden Fall nicht anzuwenden sei.

Die zuletzt angesprochene Frage, ob sich der Begriff "Aufenthaltstitel" in § 31 Abs. 4 FrG nur auf die im § 7 Abs. 1 FrG genannten Aufenthaltstitel (Aufenthaltserlaubnis und Niederlassungsbewilligung) bezieht, oder ob die genannte Regelung auch für befristete Aufenthaltsberechtigungen nach § 15 AsylG gelten soll, bedarf für den vorliegenden Fall keiner weiteren Erörterung. Der Verwaltungsgerichtshof hatte in seinem Erkenntnis vom 22. März 2002, Zl. 2000/21/0011, eine Ausweisung nach § 33 Abs. 1 FrG zu beurteilen, die gegen einen Fremden erlassen wurde, obwohl ihm auf Grund einer Feststellung nach § 75 Abs. 1 FrG Refoulement-Schutz zugekommen war. Der Verwaltungsgerichtshof kam in diesem Erkenntnis mit näherer Begründung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, zu dem Ergebnis, dass die Erlassung einer Ausweisung nach § 33 Abs. 1 FrG in einer solchen Konstellation nicht als im Sinne des Gesetzes liegend erkannt werden könne und die dort belangte Behörde von ihrer Ermächtigung nach der genannten Bestimmung nicht Gebrauch hätte machen dürfen. Der diesem Erkenntnis zugrundeliegende Sachverhalt ist mit dem vorliegenden Beschwerdefall insofern vergleichbar, als dem Beschwerdeführer aufgrund des nach § 8 AsylG ergangenen Ausspruchs über die Unzulässigkeit seiner Abschiebung - im genannten Erkenntnis wurde auch klargestellt, dass die Feststellung nach § 8 AsylG hinsichtlich des Heimatstaates des Fremden inhaltlich der Feststellung nach § 75 FrG entspricht - ebenfalls Refoulement-Schutz zuerkannt wurde. Dieser bestünde weiterhin, wenn die gegenteilige Entscheidung des Bundesasylamtes vom 2. April 2001 nicht (infolge Verspätung der Berufung mit Ablauf der Rechtsmittelfrist) in Rechtskraft erwachsen wäre (vgl. zur Notwendigkeit eines "contrarius actus" für die Zulässigkeit einer Abschiebung das Erkenntnis vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/01/0256, und die daran anschließende Rechtsprechung, etwa das Erkenntnis vom 14. Jänner 2003, Zl. 2001/01/0017). Dann hätte die belangte Behörde aber auch im vorliegenden Fall nicht von dem ihr eingeräumten Ermessen zur Erlassung einer Ausweisung gegen den Beschwerdeführer Gebrauch machen dürfen.

Es ist daher entscheidungswesentlich, ob die Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. April 2001, mit dem (u.a.) die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers "in die Bundesrepublik Jugoslawien, Republik Kosovo" festgestellt wurde, fristgerecht oder verspätet eingebracht wurde. Dazu lag bei Erlassung des angefochtenen Bescheides noch keine Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenates als Berufungsbehörde vor. Auch die Beschwerde gesteht zu, dass die belangte Behörde daher diese Vorfrage selbstständig beurteilen durfte. Zu Recht macht die Beschwerde aber geltend, dass sich diese Beurteilung in der rechtlichen Schlussfolgerung erschöpft, die Berufung sei verspätet eingebracht worden. Nachprüfbare Tatsachenfeststellungen, insbesondere zu den Zeitpunkten der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides und der Einbringung (Postaufgabe) der Berufung, sind dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen, was die Beschwerde zutreffend bemängelt.

Da dieser Ermittlungs- und Begründungsmangel - wie dargestellt - wesentlich ist und die belangte Behörde bei seiner Vermeidung zu einer anderen Entscheidung hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 15. Oktober 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002210074.X00

Im RIS seit

06.11.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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