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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §19;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Wechner, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. Herwig Ernst, Rechtsanwalt in 2100 Korneuburg, Hauptplatz 32, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 22. Mai 2000, Zl. Fr 1208/00, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein armenischer Staatsangehöriger, reiste am 23. März 1992 illegal nach Österreich ein und stellte einen Asylantrag, der mit dem am 5. April 1993 erlassenen Berufungsbescheid rechtskräftig abgewiesen wurde. Während des Asylverfahrens verfügte der Beschwerdeführer über eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991. Für den Zeitraum 13. Juli 1993 bis 31. Juli 1994 und 1. August 1994 bis 30. Juni 1995 wurden dem Beschwerdeführer sodann Aufenthaltsbewilligungen erteilt; letztere aufgrund einer Verpflichtungserklärung zum Aufenthaltszweck "privat". Der am 30. Juni 1995 bei der Bezirkshauptmannschaft Baden gestellte Verlängerungsantrag wurde mangels Nachweises ausreichender eigener Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes und einer alle Risken abdeckenden Krankenversicherung im Instanzenzug abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 8. Jänner 1999 in Anwendung der Übergangsbestimmungen des mittlerweile in Kraft getretenen Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt; damit trat auch der Bescheid der Behörde erster Instanz außer Kraft.
Die Erstbehörde teilte dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 22. April 1999 mit, dass dem (nunmehr als Antrag auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung anzusehenden) Antrag vom 30. Juni 1995 Versagungsgründe entgegen stünden und deshalb beabsichtigt sei, den Beschwerdeführer auszuweisen. Dazu äußerte sich der Beschwerdeführer, dass er "momentan" eine Firma gründe und "bereits alle dahingehenden Schritte in die Wege geleitet" habe. Danach sei er in der Lage, die Mittel für seinen Unterhalt nachzuweisen. Außerdem beabsichtige er, "in Kürze" eine Krankenversicherung abzuschließen.
Mit Bescheid der Erstbehörde vom 3. November 1999 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 FrG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 22. Mai 2000 keine Folge gegeben. Die belangte Behörde ging vom eingangs dargestellten Sachverhalt aus. Ergänzend stellte sie fest, der Beschwerdeführer habe zwar auch in der Berufung wiederholt, die Firmengründung befinde sich "im Endstadium", doch habe er bisher nicht glaubhaft darlegen können, dass er tatsächlich eine Firma gegründet habe, und "noch weniger", dass diese Firma die zur Bestreitung des Lebensunterhaltes des Beschwerdeführers notwendigen Mittel "abwerfen würde". Nach der Aktenlage sei vielmehr ein Antrag des Beschwerdeführers betreffend die Ausübung des Güterbeförderungsgewerbes rechtskräftig abgewiesen worden. Der Beschwerdeführer habe seit 4. Februar 1997 Sozialhilfe erhalten (bis Jänner 2000 insgesamt ATS 86.000,--). "Außer den Zuwendungen durch die Sozialhilfe" gingen aus dem Akt "keinerlei legale Einkommen" hervor. In diesem Zusammenhang stellte die belangte Behörde noch fest, der Beschwerdeführer sei seit 1994 ohne Beschäftigung.
Daraus folgerte die belangte Behörde, der Beschwerdeführer verfüge weder über ausreichende eigene Mittel für seinen Unterhalt noch über eine alle Risken abdeckende Krankenversicherung, sodass sein weiterer Aufenthalt in Österreich - wie schon in der Vergangenheit durch den Bezug von Sozialhilfe - zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könne. Der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels stehe daher ein Versagungsgrund entgegen, weshalb der Beschwerdeführer nach § 34 Abs. 1 Z 2 FrG ausgewiesen werden könne. Darüber hinaus sei gegen den Beschwerdeführer bereits 1993 eine Strafverfügung wegen Schlepperei (Geldstrafe von ATS 3.000,--) erlassen worden. Am 30. Dezember 1999 sei der Beschwerdeführer wegen des Verdachtes der gewerbsmäßigen Schlepperei festgenommen worden. Er befinde sich in Untersuchungshaft; das Verfahren sei noch anhängig.
Zur Ermessensübung und unter dem Gesichtspunkt des § 37 FrG führte die belangte Behörde zusammengefasst noch aus, der Beschwerdeführer sei ledig und habe in Österreich keine familiären Bindungen. Aufgrund der langen Aufenthaltsdauer sei zwar von einem (durch die Ausweisung bewirkten) Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen, doch sei der "Entzug der Aufenthaltsberechtigung" zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Es bestehe nicht nur die Gefahr, dass mittellose Personen zu einer finanziellen Belastung für den Staat werden, sondern auch, dass sich diese Personen ihren Unterhalt durch "unlautere Machenschaften" verdienen. Die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung seien somit "bei weitem" schwerer zu gewichten als die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich.
Schließlich stehe auch die Bestimmung des § 35 Abs. 1 FrG über die Aufenthaltsverfestigung der Ausweisung nicht entgegen, weil "aus der Akte" nicht "ersehen" werden könne, dass der Beschwerdeführer bestrebt wäre, die Mittel zu seinem Unterhalt durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern bzw. dies aufgrund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer bereits seit 1994 keiner Beschäftigung nachgehe, aussichtslos erscheine.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Nach § 34 Abs. 1 Z 2 FrG können unter anderem Fremde, die sich während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhalten, mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht. Ein solcher Versagungsgrund kann nach § 10 Abs. 2 FrG idF vor der FrG-Novelle 2002 wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z 2 FrG) unter anderem dann gegeben sein, wenn der Fremde nicht über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz oder nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt verfügt (Z 2 erster und zweiter Fall) oder der Aufenthalt des Fremden zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, es sei denn, diese Belastung ergäbe sich aus der Erfüllung eines gesetzlichen Anspruches (Z 3).
Der Beschwerdeführer gesteht zu, in der Vergangenheit etwa ATS 1.500,-- monatlich Sozialhilfe bezogen zu haben. "Derzeit" sei er nicht mehr "Sozialhilfebezieher". Eine "ständige" Gefahr einer finanziellen Belastung zum Nachteil eines Bundeslandes als Sozialhilfeträger bestehe somit nicht. Die belangte Behörde habe "sohin den Ermessensspielraum im Sinne des § 34 Abs. 1 FrG nicht wahrgenommen".
Diese Beschwerdeausführungen, denen keine Hinweise auf ein legales Einkommen des Beschwerdeführers entnommen werden können, sind nicht geeignet, die Annahme der belangten Behörde zu entkräften, es lägen die erwähnten Versagungsgründe des § 10 Abs. 2 FrG vor. Es sind auch keine Umstände ersichtlich, welche die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, von dem ihr eingeräumten Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen.
Soweit sich die Beschwerde auf den zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides mehr als achtjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich beruft und die Ausweisung im Hinblick auf § 35 Abs. 2 FrG für unzulässig hält, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden:
§ 35 Abs. 1 und 2 FrG lautet:
"Aufenthaltsverfestigung bei Fremden mit
Niederlassungsbewilligung
(1) Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen waren, dürfen mangels eigener Mittel zu ihrem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft nicht ausgewiesen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn und solange erkennbar ist, dass der Fremde bestrebt ist, die Mittel zu seinem Unterhalt durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern, und dies nicht aussichtslos scheint.
(2) Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen waren, dürfen nur mehr ausgewiesen werden, wenn sie von einem inländischen Gericht wegen Begehung einer strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt wurden und ihr weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde."
Der Beschwerdeführer ist erst seit Erteilung der (ersten) Aufenthaltsbewilligung (13. Juli 1993) in Österreich unterbrochen und rechtmäßig auf Dauer niedergelassen. Die (vorläufige) Aufenthaltsberechtigung, die ihm aufgrund seines Asylantrages zuerkannt wurde, erfüllt nämlich nicht den Tatbestand der rechtmäßigen Niederlassung auf Dauer (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2002, Zl. 2000/21/0013). Selbst wenn man im vorliegenden Fall - im Hinblick auf die der letzten Aufenthaltsbewilligung zu Grunde liegende Verpflichtungserklärung -
die Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes (Fehlen eines Krankenversicherungsschutzes und ausreichender eigener Unterhaltsmittel; dadurch bewirkte Gefahr einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft) erst mit Erlassung des angefochtenen Bescheides am 7. Juni 2000 annehmen wollte (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2003, Zl. 99/18/0118), sind seit 13. Juli 1993 jedenfalls noch nicht acht Jahre vergangen. Der in der Beschwerde relevierte § 35 Abs. 2 FrG stand der Erlassung einer Ausweisung schon aus diesem Grund nicht entgegen. In Bezug auf § 35 Abs. 1 FrG ist die belangte Behörde davon ausgegangen, es sei nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer bestrebt wäre, die Mittel zu seinem Unterhalt durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern bzw. dass dies deshalb aussichtslos erscheine, weil der Beschwerdeführer bereits seit 1994 keiner Beschäftigung nachgehe. Gegen diese - durch die Aktenlage gedeckte - Annahme führt die Beschwerde nichts ins Treffen. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen nach dem letzten Satz des § 35 Abs. 1 FrG kommt dem Beschwerdeführer somit auch diese Bestimmung nicht zugute.
Aber auch die von der belangten Behörde nach § 37 FrG vorgenommene Beurteilung ist nicht zu beanstanden. Zwar kann der Beschwerdeführer auf einen langen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich verweisen, mangels Beschäftigung ist die dadurch bewirkte Integration aber deutlich relativiert. Familiäre Bindungen bestehen im Inland nicht. Unter diesen Umständen durfte die belangte Behörde das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung zur Verhinderung (weiterer) finanzieller Belastungen der öffentlichen Hand und zur Vermeidung - der nicht auszuschließenden Gefahr einer Anwendung - illegaler Methoden zur Einkommenserzielung derart hoch einschätzen, dass sie die Ausweisung im Sinne des § 37 Abs. 1 FrG für dringend geboten erachtete und bei der Abwägung nach § 37 Abs. 2 FrG das gegenläufige Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in Österreich jedenfalls nicht schwerer gewichtete als das besagte öffentliche Interesse.
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 15. Oktober 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2000210172.X00Im RIS seit
06.11.2003