Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des DW in S, vertreten durch Dr. Horst Brunner und Dr. Emilio Stock, Rechtsanwälte in 6370 Kitzbühel, Jochberger Straße 98, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 13. Juni 2001, Zl. uvs-2001/K9/054B-1, betreffend Zurückweisung der Berufung in einer Angelegenheit einer Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 14. Mai 2001 wurde der Beschwerdeführern einer Übertretung gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 GütbefG schuldig erkannt.
In der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers vom 5. Juni 2001 (eingelangt bei der erstinstanzlichen Behörde am 6. Juni 2001) wurde ausgeführt, dass die Berufung rechtzeitig erhoben werde, da der Beschwerdeführer das Straferkenntnis auf Grund einer zweiwöchigen Tour erst am 2. Juni 2001 erhalten habe; das Straferkenntnis sei "Wohnungsleuten" bereits zehn Tage vorher übergeben worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als verspätet gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückgewiesen.
Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung damit, dass die nachweisliche Zustellung des Straferkenntnisses am 16. Mai 2001 erfolgt sei, die dagegen erhobene Berufung sei am 5. Juni 2001, somit nach Ablauf der zweiwöchigen Berufungsfrist, die am 30. Mai 2001 geendet habe, eingebracht worden.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 63 Abs. 5 erster und zweiter Satz AVG i.d.F. BGBl. Nr. 471/1995 ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser.
Der Beschwerdeführer bringt vor, er sei seit 6. Mai 2001 als LKW-Fahrer im Nah- und Fernverkehr beruflich im In- und Ausland unterwegs gewesen und erst am 2. Juni 2001 an die Abgabestelle zurückgekehrt. Erst an diesem Tag sei ihm von einer Mitbewohnerin das Straferkenntnis übergeben worden, wogegen er bereits am 5. Juni 2001 die Berufung eingebracht habe. Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Juni 1968, Zl. 1435/67, sei die erfolgte Ersatzzustellung unrechtmäßig gewesen, da bereits eine dreitägige Abwesenheit von der Abgabestelle einen regelmäßigen Aufenthalt ausschließe. Da dem Beschwerdeführer am 2. Juni 2001 das Straferkenntnis tatsächlich zugekommen sei, sei die unrechtmäßige Zustellung gemäß § 7 Zustellgesetz geheilt und der Fristenlauf mit diesem Datum in Gang gesetzt. Die am 5. Juni 2001 erstattete Berufung sei sohin rechtzeitig.
Der Beschwerdeführer habe bereits in der Berufung darauf hingewiesen, dass er erst am 2. Juni 2001 nach seiner Rückkehr an die Abgabestelle von dem gegen ihn ergangenen Straferkenntnis in Kenntnis gesetzt worden sei. Die Berufungsbehörde sei von Amts wegen verpflichtet gewesen, den Beschwerdeführer zur Untermauerung seiner Angaben aufzufordern, entsprechende Beweismittel vorzulegen. Die vorgelegten Arbeitsberichte wären nach entsprechender Aufforderung der Berufungsbehörde zur Verfügung gestellt worden.
Schon diesem verfahrensrechtlichen Einwand kommt im Ergebnis Berechtigung zu. Nach der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 29. November 1995, Zl. 95/03/0200) hat jemand, der Zustellmängel behauptet, diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, die die vom Gesetz im Zusammenhang mit einem vorhandenen Rückschein aufgestellte Vermutung der vorschriftsmäßigen Zustellung zu widerlegen geeignet erscheinen lassen. Die Berufungsbehörde hat das Risiko einer Bescheidaufhebung dann zu tragen, wenn sie von der Feststellung der Versäumung der Rechtsmittelfrist ausgeht, diese Feststellung aber - wie im Beschwerdefall - dem Rechtsmittelwerber vor ihrer Entscheidung nicht vorgehalten hat (vgl. die in Walter - Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, S. 1260, in E. 88 angeführte hg. Judikatur). Dieser Verfahrensmangel ist auch wesentlich, weil im Lichte der Darlegungen des Beschwerdeführers in der Beschwerde zu der Frage der wirksamen Zustellung nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Vermeidung des Verfahrensfehlers zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, wäre der Beschwerdeführer doch dadurch in die Lage versetzt worden, seine Behauptungen durch ein entsprechendes Beweisanbot zu untermauern. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, da der maßgebende Sachverhalt gemäß § 37 Abs. 1 AVG nicht entsprechend ermittelt worden war.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 16. Oktober 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001030237.X00Im RIS seit
20.11.2003