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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AWG 1990 §32;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Beschwerde der H Hoch- und Tiefbau GmbH in P, vertreten durch Saxinger Chalupsky Weber & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Linz, Europaplatz 7, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 10. April 2003, Zl. UR-062256/30-2003-Hay, betreffend einen abfallwirtschaftsrechtlichen Auftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Wie einem im Akt erliegenden Aktenvermerk vom 28. März 2000 zu entnehmen ist, wurde von einem Beamten der Umweltrechtsabteilung des Amtes der oberösterreichischen Landesregierung gemeinsam mit einem Amtsachverständigen für Abfalltechnik auf Grund einer telefonischen Anzeige, dass in der Gemeinde N Erdaushubmaterial und Bauschutt vom Betriebsareal einer näher bezeichneten Unternehmung in einem Waldstück gelagert werde, ein Lokalaugenschein durchgeführt. Dieser habe ergeben, dass die Ablagerungen auf den Grundstücken Nr. 956/3 und 958 der KG R durchgeführt worden seien. Diese Grundstücke seien im Besitz des Franz E. Die Anschüttungen seien auf der Grundlage der wasserrechtlichen Bewilligung des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 17. Juni 1997 erfolgt. Die Erlaubnis umfasse die Ablagerung von reinem Aushubmaterial und sei bis Ende Dezember 2002 befristet. Bei dem Gelände handle es sich um eine offene Fläche, welche in einem Waldstück (Auwald) unmittelbar neben einem Altarm der Donau gelegen sei.
Im Akt befindet sich auch ein "Gutachten über die Wassergefährdung der Lagerung von Aushubmaterial im Wald, Grundstücksnummer 956/3 und 958 KG R in N" eines Zivilingenieurs für technische Chemie. Darin heißt es, die Grundstücke 956/3 und 958, auf welchen die Ablagerungen getätigt worden seien, würden forstwirtschaftlich (Holzlagerplatz) genutzt.
Die belangte Behörde spricht in mehreren Schreiben (z.B. vom 12. Mai 2000, Zl. UR-062256/6-2000-Hay/Le und vom 19. Juli 2000, Zl. U-AW-730026/11-2000-Zie/Bs von einer "Lagerung von Aushubmaterial im Wald".
Auch in einem Gutachten eines Amtsachverständigen für Abfallwirtschaft vom 19. Juli 2000 ist davon die Rede, dass die Grundstücke 956/3 und 958 forstwirtschaftlich (Holzlagerplatz) genutzt werden.
Im Akt erliegende Auszüge aus dem Grundstücksverzeichnis der Katastralgemeinde R des Vermessungsamtes Linz weisen bei Grundstück Nr. 956/3 die Benutzungsart Wald, bei Grundstück Nr. 958 die Benutzungsart "landwirtschaftlich genutzt" aus.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 10. April 2003 wurde der beschwerdeführenden Partei gemäß § 32 Abs. 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes 1990, BGBl. Nr. 325 (AWG 1990) aufgetragen, die auf den Grundstücken Nr. 956/3 und 958 der KG R derzeit lagernden nicht gefährlichen Abfälle bis längstens 10. Mai 2003 so zu entfernen und zu verbringen, dass durch deren Transport, Lagerung bzw. Behandlung die Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes, der Deponieverordnung und der Baurestmassentrennungsverordnung voll inhaltlich entsprochen wird.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die beschwerdeführende Partei bringt vor, die Erteilung eines Behandlungsauftrages nach § 32 AWG 1990 sei unzulässig gewesen, weil es sich beim betroffenen Areal zumindest teilweise um Wald handle. Wie auf dem Deckblatt des von der beschwerdeführenden Partei der belangten Behörde vorgelegten "Gutachten über die Wassergefährdung der Lagerung von Aushubmaterial im Wald, Grundstücksnummern 956/3 und 958" in großen Lettern hervorgehoben sei und wie sich vor allem aus dem offenen Grundbuch ergebe, handle es sich bei dem vom Behandlungsauftrag betroffenen Areal jedenfalls hinsichtlich des Grundstückes 956/3 um Wald im Sinne des Forstgesetzes 1975. Auf Waldgrundstücke aber finde § 32 AWG 1990 keine Anwendung.
Bereits mit diesem Vorbringen ist die beschwerdeführende Partei im Recht.
Nach § 77 Abs. 3 Z. 4 AWG 2002, BGBl. I Nr. 102/2002, sind zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes anhängige Verfahren gemäß § 32 AWG 1990 nach den vor In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes geltenden Vorschriften abzuschließen.
Das AWG 2002 ist mit 2. November 2002 in Kraft getreten. Das Verfahren zur Erteilung eines Auftrages nach § 32 AWG 1990 an die beschwerdeführende Partei war bereits vor diesem Zeitpunkt anhängig. Es war daher nach dem AWG 1990 abzuschließen.
Nach § 42 Abs. 4 AWG 1990 ist dieses Bundesgesetz für Waldflächen, die dem Forstgesetz, BGBl. Nr. 440/1975, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegen, hinsichtlich der §§ 18 und 32 nicht anzuwenden.
In den in der Sachverhaltsdarstellung dieses Erkenntnisses wiedergegebenen, im Akt erliegenden Unterlagen wurden die Grundstücke Nr. 956/3 und 958 teils als "Wald", teils als "forstwirtschaftlich genutzt" bezeichnet.
Da § 32 AWG 1990, auf den der der beschwerdeführenden Partei erteilte Behandlungsauftrag gestützt wird, auf Waldflächen keine Anwendung findet, hätte die belangte Behörde zunächst die Frage zu klären gehabt, ob es sich bei diesen Grundstücken tatsächlich um Wald handelt oder nicht. Das gilt auch für das Grundstück 958, ist doch im Verwaltungsakt mehrfach davon die Rede, dass es Wald sei bzw. forstwirtschaftlich genutzt werde.
Dass in einem Auszug aus dem Grundstücksverzeichnis dem Grundstück Nr. 958 die Benutzungsart "landwirtschaftlich genutzt" zugeordnet ist, besagt nicht, dass es sich bei diesem Grundstück nicht um Wald handeln kann. Für die Waldeigenschaft ist die Zuordnung der Fläche im Grundsteuer- oder Grenzkataster bedeutungslos (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1981, 3594/80=VwSlg 10372/A). Gleiches gilt für die im Grundbuch ausgewiesene Benützungsart (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. April 1989, 88/10/0214).
Für eine Prüfung der Frage, ob es sich um Wald im Sinne des Forstgesetzes 1975 handelt, bestand hinsichtlich des Grundstückes Nr. 958 auch deswegen Anlass, weil dieses Grundstück nach den im Akt erliegenden Unterlagen als Holzlagerplatz genutzt wird.
Nach § 1a Abs. 3 des Forstgesetzes 1975 gelten unbeschadet ihrer besonderen Nutzung als Wald im Sinne des Forstgesetzes 1975 auch dauernd unbestockte Grundflächen, insoweit sie in einem unmittelbaren räumlichen und forstbetrieblichen Zusammenhang mit Wald stehen und unmittelbar dessen Bewirtschaftung dienen (wie forstliche Bringungsanlagen, Holzlagerplätze, Waldschneisen).
Handelte es sich aber bei den in Rede stehenden Grundstücken um Wald, dann hätte ein Behandlungsauftrag nach § 32 AWG 1990 nicht erteilt werden dürfen.
Dadurch, dass die belangte Behörde die Frage, ob es sich bei diesen Flächen um Wald im Sinne des Forstgesetzes 1975 handelt, trotz entsprechender Hinweise im Akt nicht geprüft hat, hat sie ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb diese gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 16. Oktober 2003
Schlagworte
Verfahrensbestimmungen BerufungsbehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003070061.X00Im RIS seit
06.11.2003