Index
L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Gesetzwidrigkeit zweier Grünlandwidmungen in einem örtlichen Raumordnungsprogramm mangels ausreichender GrundlagenforschungSpruch
I. Die Verordnung der Marktgemeinde Eichgraben vom 21. Juni 1994, mit der das örtliche Raumordnungsprogramm 1994 erlassen wurde, genehmigt mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. September 1995, soweit damit für das Grundstück Nr. 2151 die Widmungs- und Nutzungsart "Grünland-Forstwirtschaft" und für die Grundstücke Nr. 745 und 746 die Widmungs- und Nutzungsart "Grünland-Grüngürtel" festgelegt wird, wird gemäß Art139 Abs1 B-VG als gesetzwidrig aufgehoben.
II. Im Übrigen wird das Verfahren eingestellt.
III. Die Niederösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu B2188/97 und B1152/99 Beschwerden anhängig, denen folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
"1.1. Die beschwerdeführende Gesellschaft zu B2188/97 ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. 2151 KG Eichgraben. Sie hat diese Liegenschaft mit Kaufvertrag vom 18. November 1993 erworben. Zum damaligen Zeitpunkt war das genannte Grundstück im Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Eichgraben als 'Bauland-Wohngebiet' gewidmet. Mit Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Eichgraben vom 21. Juni 1994 wurde die Widmungs- und Nutzungsart auf dieser Liegenschaft von 'Bauland-Wohngebiet' in die Widmungs- und Nutzungsart 'Grünland-Forstwirtschaft' abgeändert.
Nachdem ein Individualantrag (V174/95) der Eigentümerin auf Aufhebung des Flächenwidmungsplanes auf dem Grundstück Nr. 2151 zurückgewiesen worden war, wurde ein Antrag auf Bauplatzerklärung gestellt. Diesen Antrag hat der Bürgermeister der Marktgemeinde Eichgraben mit Bescheid vom 7. November 1996 abgewiesen. Eine dagegen erhobene Berufung an den Gemeinderat der Marktgemeinde Eichgraben wurde mit Bescheid vom 24. April 1997 abgewiesen. Mit dem vor dem Verfassungsgerichthof bekämpften Bescheid hat die Niederösterreichische Landesregierung als Vorstellungsbehörde der Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Eichgraben keine Folge gegeben und die Entscheidung damit begründet, dass ein Grundstück, welches als Grünland ausgewiesen sei, nicht zum Bauplatz erklärt werden könne.
1.2. Der Beschwerdeführer zu B1152/99 ist Eigentümer der Grundstücke Nr. 745 und 746 KG Eichgraben. Diese Grundstücke waren ursprünglich so wie das Nachbargrundstück Nr. 744 als 'Bauland-Wohngebiet-Aufschließungszone 9' gewidmet. Mit dem Raumordnungsprogramm 1994 wurden diese drei Grundstücke in 'Bauland-Wohngebiet + Grünland-Grüngürtel' umgewidmet. Am 24. April 1997 stellte der Beschwerdeführer den Antrag, die Grundstücke Nr. 745 und 746 zum Bauplatz zu erklären. Dieser Antrag wurde vom Bürgermeister der Marktgemeinde Eichgraben abgewiesen. Eine Berufung an den Gemeinderat der Marktgemeinde Eichgraben wurde mit Bescheid vom 9. Dezember 1998 abgewiesen. Mit dem vor dem Verfassungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeinderates keine Folge gegeben, da die Grundstücke Nr. 745 und 746 zur Gänze im Widmungsbereich 'Grünland-Grüngürtel' lägen."
2. Aus Anlass dieser Beschwerden hat der Verfassungsgerichtshof am 4. März 2000 beschlossen, gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der den angefochtenen Bescheiden zugrundeliegenden Verordnung der Marktgemeinde Eichgraben vom 21. Juni 1994, mit der das örtliche Raumordnungsprogramm erlassen wurde, genehmigt mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. September 1995, einzuleiten.
3. Der Verfassungsgerichtshof hat im Beschluss über die Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens seine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung wie folgt begründet:
"Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass die Beschwerden zulässig sind und die belangte Behörde die in Rede stehende Verordnung bei Erlassung der angefochtenen Bescheide angewendet hat. Ferner geht er vorläufig davon aus, dass er zur Beurteilung der vorliegenden Fälle das Raumordnungsprogramm 1994 der Marktgemeinde Eichgraben anzuwenden hätte.
Bei der Behandlung der Beschwerden sind jedoch Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung der Marktgemeinde Eichgraben vom 21. Juni 1994, mit der das örtliche Raumordnungsprogramm erlassen wurde, genehmigt mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. September 1995, soweit damit für das Grundstück Nr. 2151 die Widmungs- und Nutzungsart 'Grünland-Forstwirtschaft' und für die Grundstücke Nr. 745 und 746 die Widmungs- und Nutzungsart 'Grünland-Grüngürtel' festgelegt wird, entstanden.
Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig gemäß den Behauptungen der Parteien des Verfahrens davon aus, dass das Grundstück Nr. 2151 KG Eichgraben im Widmungsbereich 'Grünland-Forstwirtschaft' und die Grundstücke Nr. 744, 745 und 746 im Widmungsbereich 'Bauland-Wohngebiet + Grünland-Grüngürtel' liegen.
Soweit das Grundstück Nr. 2151 KG Eichgraben von 'Bauland-Wohngebiet' in 'Grünland-Forstwirtschaft' umgewidmet wurde, hat der Verfassungsgerichtshof vorläufig das Bedenken, dass diese Widmung gesetzwidrig ist. Nach den unwidersprochen gebliebenen Behauptungen der beschwerdeführenden Gesellschaft liegt das Grundstück mitten im verbauten Gebiet und ist annähernd rechteckig figuriert. Es ist an zwei Seiten von Straßen begrenzt, und an den angrenzenden öffentlichen Flächen sind sämtliche für die Versorgung erforderlichen Einrichtungen, wie Wasserleitung, Stromleitung und Telefonleitung vorhanden. Wenn die belangte Behörde behauptet, das gegenständliche Grundstück sei bewaldet, so scheint dies nicht zuzutreffen. Aus der von der Marktgemeinde Eichgraben vorgelegten forstfachlichen Stellungnahme vom 3. August 1987, welche alle aus forstlicher Sicht zu beurteilenden Grundstücke erfasst, geht dies nicht hervor, da das Grundstück Nr. 2151 KG Eichgraben bei der Beurteilung aus forstfachlicher Sicht offensichtlich nicht berücksichtigt wurde. Ein Verweis der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift auf die Seite 53 des Erläuterungsberichtes ist nicht nachvollziehbar, da ein derartiger dem Verfassungsgerichtshof nicht vorgelegt wurde.
In einem geologischen Gutachten vom 22. Oktober 1987 im Zuge der Erstellung des örtlichen Raumordnungsprogrammes für die Marktgemeinde Eichgraben ist festgehalten:
'e) Auhofstraße, südöstlicher Teil nach Abzweigung Eichenstraße.
Das Gelände talseits der Auhofstraße fällt im gegenständlichen Abschnitt zu einem Gerinne (rechtsufriger Zubringer des Anzbaches) ab. Der teils bewaldete Hang ist mit einzelnen Häusern bebaut. Auf diesem Hang haben sich bereits mehrmals Rutschungen ereignet, die teilweise bis auf den Hang bergseits der Straße zurückgereicht haben. Im Zuge eines Rodungs- und Bauverfahrens wurden auf den Parzellen 2150 und 2151 insgesamt drei Probebohrungen abgeteuft. Die vom geologischen Landesdienst aufgenommenen Bohrkerne zeigten, daß in diesem Bereich bis zu 10 m mächtige, tonig-schluffige Verwitterungsmaterialien vorliegen, die stark von Sickerwässern durchfeuchtet sind. Gleichartige Verhältnisse wurden auch beim Bau des Hauses Jenisch talseits der Auhofstraße angetroffen.
Für das Areal gilt: Jegliche Baumaßnahmen, welche mit einer größeren Erdbewegung verbunden sind (u.a. auch solche, welche nach §92, 93 und 94 der NÖ Bauordnung nicht per Gesetz anzeigepflichtig sind) sollten nur unter Zugrundelegung eines geotechnischen Gutachtens baubehördlich bewilligt werden.
Für die unmittelbar angrenzenden Grundstücke des abgesteckten Areals ist eine solche prophylaktische Maßnahme ebenfalls anzuraten
...'
Auch aus diesem Gutachten kann der Verfassungsgerichtshof vorläufig nicht erkennen, warum lediglich das Grundstück Nr. 2151 KG Eichgraben (und nicht etwa auch die umliegenden Grundstücke) von Bauland-Wohngebiet in Grünland-Forstwirtschaft rückgewidmet wurde. Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass der Gemeinderat der Marktgemeinde Eichgraben bei der Auswahl der rückzuwidmenden Grundstücke keine hinreichende Interessenabwägung vorgenommen hat. Insbesondere scheint der Gemeinderat der Marktgemeinde Eichgraben die Nutzungsart Forstwirtschaft festgelegt zu haben, ohne auf die tatsächlichen Verhältnisse Rücksicht zu nehmen.
Der Verfassungsgerichtshof hegt das weitere Bedenken, dass die Umwidmung im Bereich der Grundstücke Nr. 744, 745 und 746 von 'Bauland-Wohngebiet-Aufschließungszone 9' in 'Bauland-Wohngebiet + Grünland-Grüngürtel' ebenfalls gesetzwidrig erfolgte. Nach den unwidersprochen gebliebenen Behauptungen des Beschwerdeführers liegen die Grundstücke Nr. 745 und 746 unmittelbar an der Anzengruberstraße. Alle umliegenden Grundstücke innerhalb des Gemeindegebietes Eichgraben sind bebaut bzw. als Bauland-Wohngebiet gewidmet.
Im Verfahren wird zu prüfen sein, ob die Widmungen auf den Grundstücken 744, 745 und 746 durch das Raumordnungsprogramm 1994 hinreichend präzisiert sind. In den vom Beschwerdeführer vorgelegten Teilen des Raumordnungsprogrammes 1994 der Marktgemeinde Eichgraben findet sich auf der Seite 38 unter Hi 13 folgender Textteil:
'Grundstücksnummer: 744, 745, 746
alte Widmung: Bauland-Wohngebiet-Aufschließungszone 9 neue Widmung: Bauland-Wohngebiet + Grünland-Grüngürtel Begründung: Der Bereich, wo schon ein Baum- und Strauchbestand vorhanden ist, wird als Grünland-Grüngürtel ausgewiesen. Eine Teilfläche wird als Bauland-Wohngebiet auf Grund der vorhandenen technischen Infrastruktur beibehalten.'
Wenn der Beschwerdeführer die Verfehlung des grundsätzlichen Zieles der Flächenwidmung, nämlich die Schließung von Baulücken, gemäß §14 Abs2 Z18 Satz 2 NÖ ROG 1976 behauptet, so ist ihm Folgendes zu entgegnen: Diese Behauptungen übersehen, dass diese Bestimmung erst mit der 6. Novelle zum NÖ ROG 1976, LGBl. 8000-10, eingefügt wurde, die mit 1. Jänner 1996 in Kraft trat. Für das Raumordnungsprogramm 1994 der Marktgemeinde Eichgraben war das NÖ ROG 1976 idF LGBl. 8000-8 anzuwenden, in dem diese Bestimmung nicht enthalten war. In dieser Fassung des Raumordnungsgesetzes fehlte eine Bestimmung, die den Gemeinderat der Marktgemeinde Eichgraben ausdrücklich verpflichtet, Baulücken zu schließen.
Gemäß §19 Abs2 NÖ ROG 1976 idF LGBl. 8000-0 konnte nach Maßgabe der örtlichen Gegebenheiten und Erfordernisse u.a. für Grüngürtel die entsprechende Grünlandwidmungsart ausgewiesen werden. Durch die Novelle LGBl. 8000-10 wurde in §19 Abs2 Z2 NÖ ROG 1976 näher ausgeführt, welche Funktion ein Grüngürtel erfüllen soll:
'Flächen zur Trennung von sich gegenseitig beeinträchtigenden Nutzungen (einschließlich immissionsabschirmender Maßnahmen) sowie Flächen mit ökologischer Bedeutung. Die Gemeinde hat die Funktion und erforderlichenfalls die Breite des Grüngürtels im Flächenwidmungsplan festzulegen.'
Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass dem Begriff 'Grüngürtel' bereits im §19 Abs2 NÖ ROG 1976, LGBl. 8000-8, eine Bedeutung zukam, die der durch die Novelle LGBl. 8000-10 näher ausgeformten entspricht. Im Verfahren wird zu prüfen sein, ob dem Grüngürtel schon nach dem NÖ ROG in der Fassung LGBl. 8000-8 die Funktion zur Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes zukam, welche erst durch die Novelle LGBl 8000-13 hinzutrat.
Dem Hinweis der belangten Behörde in der Gegenschrift, die Widmung Grünland-Grüngürtel sei aufgrund der ökologischen Bedeutung des Grundstückes auf Anraten des Naturschutzsachverständigen erfolgt, kann der Verfassungsgerichtshof vorläufig nicht folgen, da das vorgelegte Gutachten des Naturschutzsachverständigen vom 3. Mai 1994, das zur Widmung im Flächenwidmungsplan 1994 führte, keine taugliche Grundlage dafür darstellen dürfte, Bauland-Wohngebiet in Grünland-Grüngürtel rückzuwidmen.
In diesem Gutachten aus der Sicht des Natur- und Landschaftsschutzes vom 3. Mai 1994 wird bezüglich der gegenständlichen Grundstücke ausgeführt:
'Anzengruberstraße:
Im Entwurf war die Rückwidmung zweier nicht bebauter Baulandbereiche (bisher BW-A 9) südlich der Anzengruberstraße auf Gl vorgesehen. Laut letztem Gemeinderatsbeschluß sollen diese Flächen nunmehr im Bauland verbleiben. Aus naturschutzfachlicher Sicht wird dazu bemerkt, daß der östliche Teilbereich aufgrund seiner landschaftlich exponierten und weithin sichtbaren Lage jedenfalls auf Grünland rückgewidmet werden sollte, da durch die unmittelbar anschließende Rückwidmung nördlich der Anzengruberstraße ein größerer zusammenhängender Grünbereich erhalten werden kann. Der westliche Teil wird entlang der Gemeindegrenze durch einen dichten Baum- und Strauchbestand gegenüber der freien Landschaft abgegrenzt. Wegen der landschaftsprägenden Wirkung sollte dieser Bestand jedenfalls gesichert bleiben! Eine Bebauung der verbleibenden Freiflächen zwischen Waldrand und der vorhandenen Bebauung könnte in Anbetracht des auch oberhalb der Anzengruberstraße gewidmeten Wohnbaulandes als vertretbar angesehen werden. Eine Ausweisung als Aufschließungszone mit der Freigabebedingung '... Straßenverbreiterung und Wendeplatz ...' ist nach Auffassung des Raumordnungssachverständigen im Hinblick auf die vorhandene Grundausstattung und die weitgehend bereits erfolgte Bebauung im Umgebungsbereich nicht begründet.'
Im Hinblick darauf, dass die Gemeinde die Flächenwidmungsplanakten nicht vollständig vorgelegt hat, geht der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass der Gemeinderat der Marktgemeinde Eichgraben die Nutzungsart Grüngürtel auf den Grundstücken Nr. 745 und 746 ausgewiesen hat, ohne sich mit der Funktion dieses Grüngürtels als Planungsziel oder Widmungsbegründung näher auseinander gesetzt zu haben, weshalb auch diese Umwidmung mit Gesetzwidrigkeit belastet sein dürfte. Die Bedenken erfassen die unter den Punkten II.5. und II.6. dargestellten Umwidmungen. Da der Flächenwidmungsplan nicht vorgelegt wurde und somit nicht überprüft werden kann, ob die Widmungen parzellenscharf vorgenommen worden sind, war das gesamte örtliche Raumordnungsprogramm 1994 in Prüfung zu ziehen."
4. Im vorliegenden Verfahren legte die Marktgemeinde Eichgraben nunmehr die Akten betreffend das Zustandekommen des örtlichen Raumordnungsprogrammes 1994 vor und erstattete eine Äußerung.
Der Gemeinderat der Marktgemeinde Eichgraben habe sich in der Sitzung vom 24. Mai 1994 mit der Widmung des Grundstückes Nr. 2151 auseinander gesetzt. Nach dem Ergebnis der Beratung handle es sich bei diesem Grundstück um eine rutschgefährdete Hangfläche, weshalb die Standsicherheit nicht gegeben sei. Die Frage der Bewaldung sei daher von geringer Bedeutung. Die festgestellten Rutschungs- und Gleitvorgänge stellten im Zusammenhang mit dem Fehlen einer Bewaldung auf diesem Grundstück eine vergrößerte Hangunsicherheit dar. Die Lage des Grundstückes sowie der Umstand, dass es voll aufgeschlossen sei, sei im Hinblick auf die zwingenden öffentlichen Bedenken in Richtung einer Umwidmung in Bauland von unerheblicher Bedeutung. Im Umstand, dass die umliegenden Grundstücke nicht in Grünland umgewidmet wurden, sehe in Ansehung der vorliegenden geologischen Gutachten der Gemeinderat der Marktgemeinde Eichgraben keinen Grund, eine Gesetzwidrigkeit der Widmung anzunehmen. Eine Abwägung der Interessen sei aufgrund vorliegender zwingender öffentlicher Gründe nicht zulässig.
Hinsichtlich der Grundstücke Nr. 744 bis 746 wird vorgebracht, dass diese im vereinfachten Flächenwidmungsplan als Bauland-Wohngebiet-Aufschließungszone gewidmet gewesen seien. Mit dem Raumordnungsprogramm 1994 seien daher die beiden Grundstücke Nr. 745 und Nr. 746 in "Grünland-Grüngürtel" und das Grundstück Nr. 744 in "Bauland-Wohngebiet" gewidmet worden, weshalb von keiner "Rückwidmung" gesprochen werden könne. Der im Zusammenhang mit der Widmung in Grünland verwendete Begriff "Grüngürtel" habe zum Unterschied zu dem durch die Novelle LGBl. 10 (gemeint wohl LGBl. 8000-10) näher ausgeformten gleich lautenden Begriff keine eigenständige normative Bedeutung. Mit diesem Begriff sollte der derzeitige aus der Sicht der Marktgemeinde Eichgraben gewünschte Zustand zum Ausdruck gebracht werden. In diesem Sinn sei auch die im Gutachten enthaltene Feststellung "wegen der landschaftsprägenden Wirkung sollte dieser Bestand jedenfalls gesichert bleiben" zu verstehen.
5. Die Niederösterreichische Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt, die Verordnung der Marktgemeinde Eichgraben nicht als gesetzwidrig aufzuheben.
Hinsichtlich des Grundstückes Nr. 2151 wird darauf verwiesen, dass sich aufgrund der nunmehr vorgelegten Akten eine Waldeigenschaft dieses Grundstückes erkennen lasse. Hinsichtlich der geologischen Situation dieses Grundstückes wird vorgebracht, dass die angrenzenden Parzellen 2225, 2226 und 2227 entsprechend der ursprünglichen Auflage des Raumordnungsprogrammes ebenso in "Grünland-Forstwirtschaft" gewidmet werden sollten. Aufgrund der Tatsache, dass zum damaligen Zeitpunkt für diese Parzellen Rodungsbewilligungen noch immer gültig gewesen seien, habe man diese Parzellen wieder als Bauland-Wohngebiet ausgewiesen. Für das Grundstück Nr. 2151 sei daher eine Baulandeignung alleine nicht ausreichend, um daraus ein höherwertiges öffentliches Interesse als jenes der Walderhaltung abzuleiten. Es würden daher die wesentlichen Voraussetzungen für eine Rodungsbewilligung fehlen. Die Rückwidmung lediglich des Grundstückes Nr. 2151 erkläre sich daraus, dass für dieses Grundstück keine Rodungsbewilligung vorgelegen und raumordnungsfachlich auch keine Aussicht für eine solche erkannt worden sei.
Hinsichtlich der Grundstücke Nr. 744 bis 746 wird darauf hingewiesen, dass die Erhebungen demnach eine als Bauland-Wohngebiet-Aufschließungszone gewidmete unbebaute, mit Büschen und Gehölzen bestockte Fläche ergeben hätten, die unter den ortsbildprägenden Grünelementen die Qualität einer erhaltenswerten Fläche aufweisen würden. Zum Begriff des "Grüngürtels" wird Folgendes ausgeführt: In der gegenständlichen Situation handle es sich "aufgrund des Landschaftsschutzes, der Ortsbildanalyse, der Raumordnungsziele und auch der Anforderungen aus überörtlichen Planungen um einen dem jeweils örtlichen Erfordernissen entsprechenden Funktionsmix". Alle diese nunmehr aufgezählten einzelnen Funktionen eines Grüngürtels (gemeint wohl der Begriff "Grüngürtel" im Sinne des §19 Abs2 NÖ ROG 1976, LGBl. 8000-13) wären in der früheren Fassung des NÖ ROG 1976 (gemeint wohl §19 Abs2 NÖ ROG 1976 idF LGBl. 8000-0) umfassend inkludiert gewesen und seien auch von den Fachleuten entsprechend eingesetzt worden.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes, dass die Beschwerdeverfahren, die Anlass zur Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens gegeben haben, zulässig sind, und dass der Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung über die Beschwerden die in Prüfung gezogene Verordnung der Marktgemeinde Eichgraben anzuwenden hätte, haben sich als zutreffend erwiesen.
2. Auch die im Prüfungsbeschluss formulierten Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der in Prüfung stehenden Verordnung, soweit damit für das Grundstück Nr. 2151 die Widmungs- und Nutzungsart "Grünland-Forstwirtschaft" und für die Grundstücke Nr. 745 und 746 die Widmungs- und Nutzungsart "Grünland-Grüngürtel" festgelegt wird, treffen zu. Hingegen treffen die vom Verfassungsgerichthof im Prüfungsbeschluss geäußerten Bedenken, ob die Widmungen hinreichend präzisiert sind, nicht zu. Aus den nunmehr von der Marktgemeinde Eichgraben vorgelegten Verordnungsakten hinsichtlich des Raumordnungsprogrammes 1994 und in Zusammenschau mit dem ebenfalls vorgelegten Flächenwidmungsplan ist eine parzellenscharfe Abgrenzung der einzelnen Widmungen erkennbar. Das Verordnungsprüfungsverfahren hinsichtlich des gesamten Raumordnungsprogrammes 1994 (mit Ausnahme der Grundstücke Nr. 2151, 745 und 746) war daher einzustellen.
3. Die vom Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss geäußerten Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Widmung des Grundstückes Nr. 2151 in "Grünland-Forstwirtschaft" konnten im Normenprüfungsverfahren nicht zerstreut werden. Aufgrund der nunmehr vorgelegten Akten ergibt sich, dass diesem Grundstück nach einer forstlichen Begehung am 4. Mai 1987 und 14. Mai 1987 Waldeigenschaft zugesprochen worden ist. In der Notiz zur Begehung ist angemerkt:
"Wald ('größere Waldfläche' und wegen der erforderlichen Befestigung des Bodens zur Verhinderung von Rutschungen)". Unklar bleiben in diesem Zusammenhang die Ausführungen der Marktgemeinde Eichgraben, wonach die festgestellten Rutschungs- und Gleitvorgänge im Zusammenhang mit dem Fehlen einer Bewaldung auf dem Grundstück Nr. 2151 eine vergrößerte Hangunsicherheit darstellen.
Die Niederösterreichische Landesregierung bezweifelt in ihrer Äußerung keineswegs, dass auch bei den an das Grundstück Nr. 2151 anliegenden Parzellen (Nr. 2225, 2226 und 2227) eine ähnliche geologische Situation gegeben ist. Als einziger Grund für die Herausnahme des Grundstückes Nr. 2151 aus dem Widmungsbereich "Bauland-Wohngebiet" und die Widmung desselben in "Grünland-Forstwirtschaft" wird weiterhin bloß genannt, dass für die umliegenden Parzellen zum Zeitpunkt der Widmung eine gültige Rodungsbewilligung vorgelegen sei. Dieses Argument kann aber nicht überzeugen und lässt auf eine mangelhafte Grundlagenforschung für die Auswahl der rückzuwidmenden Grundstücke seitens des Gemeinderates der Marktgemeinde Eichgraben schließen.
4. Der Verfassungsgerichtshof bleibt auch bei seiner im Prüfungsbeschluss formulierten Annahme, dass das Raumordnungsprogramm 1994 der Marktgemeinde Eichgraben hinsichtlich der Grundstücke Nr. 745 und 746, soweit für diese damit die Widmungs- und Nutzungsart "Grünland-Grüngürtel" festgelegt wird, ebenfalls gesetzwidrig ist. Die vorgelegten Akten hinsichtlich des Flächenwidmungsplans haben ergeben, dass die Widmungen auf den Grundstücken Nr. 744, 745 und 746 durch das Raumordnungsprogramm 1994 hinreichend präzisiert sind. Das Grundstück Nr. 744 ist demnach als "Bauland-Wohngebiet" und die Grundstücke Nr. 745 und 746 sind als "Grünland-Grüngürtel" gewidmet.
Als Rechtsgrundlage für die Erlassung eines örtlichen Raumordnungsprogrammes für die Marktgemeinde Eichgraben war das NÖ ROG 1976, idF LGBl. 8000-8 heranzuziehen. In §19 leg. cit. wird die Widmungs- und Nutzungsart Grünland geregelt:
"§19
Grünland
(1) Alle nicht als Bauland oder Verkehrsflächen gewidmeten Flächen gehören zum Grünland.
(2) Nach Maßgabe der örtlichen Gegebenheiten und Erfordernisse sind für Flächen, die für land- und forstwirtschaftliche Nutzung, für familieneigene Wohnbedürfnisse der Inhaber land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, für Grüngürtel, für Schutzhäuser, für im Grünland erhaltenswerte Bauten, für Materialgewinnungsstätten und dazugehörige Deponien, für Gärtnereien und Kleingärten, für Sportstätten, für Friedhöfe und Parkanlagen, für Campingplätze, für Müllablagerungsplätze und Lagerplätze aller Art bestimmt sind, die entsprechenden Grünlandnutzungsarten auszuweisen. Alle Flächen des Grünlandes, die nicht der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung, nicht familieneigenen Wohnbedürfnissen der Inhaber land- und forstwirtschaftlicher Betriebe dienen und nicht Ödland sind, müssen im Flächenwidmungsplan unter Angabe der besonderen Nutzung ausgewiesen werden.
..."
Durch die am 1. November 1995 in Kraft getretene Novelle LGBl. 8000-10 wurde im §19 Abs2 Z2 NÖ ROG 1976 näher ausgeführt, welche Funktion ein Grüngürtel erfüllen soll:
"Flächen zur Trennung von sich gegenseitig beeinträchtigenden Nutzungen (einschließlich immissionsabschirmender Maßnahmen) sowie Flächen mit ökologischer Bedeutung. Die Gemeinde hat die Funktion und erforderlichenfalls die Breite des Grüngürtels im Flächenwidmungsplan festzulegen."
Durch die am 17. November 1999 in Kraft getretene Novelle LGBl. 8000-13 wurde §19 Abs2 Z2 wie folgt neu gefasst:
"2. Grüngürtel:
Flächen zur Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes und zur Trennung von sich gegenseitig beeinträchtigenden Nutzungen (einschließlich immissionsabschirmender Maßnahmen) sowie Flächen mit ökologischer Bedeutung. Die Gemeinde hat die Funktion und erforderlichenfalls die Breite des Grüngürtels im Flächenwidmungsplan festzulegen."
Es kann dahingestellt bleiben, ob dem Begriff "Grüngürtel" bereits im §19 Abs2 NÖ ROG 1976, LGBl. 8000-8, eine Bedeutung zukam, die der durch die Novellen LGBl. 8000-10 und LGBl. 8000-13 näher ausgeformten entspricht. Denn die in der Begründung der Festlegung der Widmungs- und Nutzungsart "Grünland-Grüngürtel" enthaltene Feststellung "wegen der landschaftsprägenden Wirkung sollte dieser Bestand jedenfalls gesichert werden" ist auf Grund der Lage des Grundstückes nicht nachvollziehbar. Eine derartige Begründung bedarf einer nachvollziehbaren Beschreibung der Widmung des Grundstückes auf das Landschaftsbild. Aus der Grundlagenforschung ist die Bedeutung dieses Grundstückes, das im Osten, Norden und Süden an "Bauland-Wohngebiet" und im Westen an - in der Nachbargemeinde Maria Anzbach gelegene - weiträumige Wiesenflächen unmittelbar anschließt, im Hinblick auf seine landschaftsprägende Wirkung nicht erkennbar.
Der Ausspruch über die Kundmachung stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.
Diese Entscheidung wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.
Schlagworte
Raumordnung, Flächenwidmungsplan, VerordnungserlassungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:V23.2000Dokumentnummer
JFT_09999379_00V00023_00