Index
L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Verordnungscharakter eines Gemeinderatsbeschlusses über die Änderung eines Flächenwidmungsplanes und Präjudizialität der Verordnung aufgrund der Verpflichtung der Aufsichtsbehörde zur Anwendung der fraglichen Verordnung gegeben; Gesetzwidrigkeit einer Freilandwidmung mangels ordnungsgemäßer Kundmachung aufgrund Kundmachung bereits vor Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde; keine Rechtfertigung der Freilandwidmung eines voll erschlossenen und zentral gelegenen Grundstücks; keine Verfassungswidrigkeit der Bestimmung über Freilandwidmungen im Tir Raumordnungsgesetz; kein automatisches Eintreten einer Freilandwidmung bei Aufhebung einer Widmung durch den Verfassungsgerichtshof; Präjudizialität trotz möglicherweise falscher Rechtsauffassung der Aufsichtsbehörde gegebenSpruch
I. 1. Die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Sölden vom 9. Mai 1994 und 21. Juni 1994, kundgemacht am 30. Juni 1994, soweit damit das Grundstück Nr. 2253/2, KG Sölden, als Freiland gewidmet wird, wird gemäß Art139 Abs1 B-VG als gesetzwidrig aufgehoben.
2. Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.
II. §41 Abs1 Tiroler Raumordnungsgesetz 1997, LGBl. Nr. 10 idF LGBl. Nr. 28/1997, war nicht verfassungswidrig.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu B3178/97 und B3181/97 Beschwerden anhängig, denen folgender Sachverhalt (Schilderung aus dem Prüfungsbeschluss) zugrunde liegt:
"1.1. Zur Vorgeschichte der Beschwerdefälle: In dem zu V36/92 protokollierten Verfahren hatte die nunmehrige Zweitbeschwerdeführerin als Eigentümerin des Grundstückes Nr. 2253/2 der KG Sölden den Antrag auf Aufhebung des am 12. Dezember 1981 in Kraft getretenen Flächenwidmungsplans der Gemeinde Sölden, soweit dieses Grundstück als Sonderfläche Freiland, Schipiste (FSi) gewidmet war, gestellt. Mit Erkenntnis VfSlg. 13.410/1993 hob der Verfassungsgerichtshof den angefochtenen Teil des Flächenwidmungsplans als gesetzwidrig auf, weil diese Sonderfläche entgegen §16 Abs5 TROG nicht innerhalb von 10 Jahren nach Inkrafttreten des Flächenwidmungsplans vom 14. Juli 1981 einer Verwendung als Schipiste zugeführt wurde und der Gemeinderat trotz eines entsprechenden Antrages der Grundeigentümerin die Sonderwidmung nicht aufgehoben hat.
1.2. Auf Grund dieses Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes beschloss der Gemeinderat der Gemeinde Sölden am 9. Mai 1994 und 21. Juni 1994 (Kundmachung am 30. Juni 1994) die Änderung des Flächenwidmungsplanes im Bereich der GP 2253/2 KG Sölden in Freiland. Diese Änderung des Flächenwidmungsplanes wurde von der Tiroler Landesregierung nicht aufsichtsbehördlich genehmigt, weil sie davon ausging, die Aufhebung der Sonderflächenwidmung durch den Verfassungsgerichtshof habe zur Folge, dass das Grundstück gemäß §41 Abs1 TROG 1997 als Freiland gewidmet sei.
1.3. Mit Schreiben vom 29. September 1993 beantragte der Erstbeschwerdeführer als Bauwerber die Erteilung einer Baubewilligung zum Zweck der Errichtung eines sportmedizinischen Zentrums mit integrierter Physikotherapie und Wellnesscenter, sowie Geschäft, sechs Personalzimmer, Privatwohnung und drei Appartements auf dem Grundstück Nr. 2253/2 der KG Sölden. Dieses Ansuchen wurde vom Bürgermeister der Gemeinde Sölden mit Bescheid vom 29. Jänner 1996 wegen Widerspruchs zum Flächenwidmungsplan (Freiland) abgewiesen. Eine Berufung an den Gemeindevorstand der Gemeinde Sölden wurde mit Bescheid vom 25. April 1996 abgewiesen. Die dagegen erhobene Vorstellung wurde mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 26. August 1996 als unbegründet abgewiesen.
1.4. Diesen Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 26. August 1996 hat der Verfassungsgerichtshof zu B3378/96 und B3401/96 aufgehoben. Grund dieser Aufhebung war das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 14.679/1996, mit dem Teile des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1994 wegen verfassungswidriger Kundmachung aufgehoben wurden, auf welches sich der Bescheid der Tiroler Landesregierung stützte (Quasianlassfall). Nach Aufhebung des Bescheides des Gemeindevorstandes durch die Landesregierung wurde die Berufung der nunmehrigen Beschwerdeführer mit Bescheid vom 30. Juni 1997 wiederum als unbegründet abgewiesen. Die dagegen erhobene Vorstellung an die Tiroler Landesregierung wurde mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 10. Dezember 1997 als unbegründet abgewiesen.
1.5. Die Beschwerde behauptet die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz. Das Grundstück Nr. 2253/2 der KG Sölden stelle eine Inselwidmung dar, da es auf einer Seite an die Straße grenze und die Grundstücke an zwei anderen anliegenden Seiten als Bauland ausgewiesen seien. Diese Baulücke sei unsachlich und verletze den Gleichheitsgrundsatz.
1.6. Die Beschwerde behauptet weiters die Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung. Der Flächenwidmungsplan der Gemeinde Sölden vom 14. Juli 1981, soweit das Grundstück Nr. 2253/2 der KG Sölden als Freiland ausgewiesen ist, widerspreche dem Tiroler Raumordnungsgesetz. Insbesondere sei §27 Abs2 lita iVm §27 Abs1 Tiroler Raumordnungsgesetz (TROG) 1997 verletzt worden, da die geordnete räumliche Entwicklung der Gemeinde bei dieser Festlegung nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Weiters sei ein Widerspruch zu §67 Abs3 TROG 1997 gegeben, weil die Widmung im Widerspruch zu den örtlichen Raumordnungsgegebenheiten, zu den Planungsvoraussetzungen und der Eignungsvoraussetzung des Grundstücks stehe.
1.7. Die Tiroler Landesregierung legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Antrag stellt, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen. Nach der Aufhebung der Sonderflächenwidmung durch den Verfassungsgerichtshof sei nun die Freilandwidmung eine gesetzlich zwingende Folge, die sich aus §41 Tiroler Raumordnungsgesetz 1997, LGBl. Nr. 10 idF LGBl. Nr. 28/1997 ergäbe. Im vorliegenden Fall sei daher keine Verordnung zur Entscheidung herangezogen worden, welche präjudiziell sein könnte. Soweit weiters die Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet werde, bezögen diese sich lediglich auf angeblich verfassungswidriges Verhalten des Gemeinderates der Gemeinde Sölden als Verordnungsgeber und könnten keine Beachtung finden.
1.8. Die Gemeinde Sölden legte die bezughabenden Verwaltungsakten vor und erstattete eine Äußerung. Der Erstbeschwerdeführer sei nicht legitimiert, eine Beschwerde einzubringen, da er zu keiner Zeit Eigentümer des Grundstückes Nr. 2253/2 KG Sölden gewesen sei. Die Zweitbeschwerdeführerin könnte keine Legitimation aufweisen, da sie selbst als Eigentümerin des Grundstückes keinen Antrag auf Baubewilligung eingebracht habe. Die Freilandwidmung beruhe lediglich auf §41 Abs1 TROG 1997, weshalb der Flächenwidmungsplan Sölden im vorliegenden Verfahren nicht präjudiziell sein könne. Bezüglich der Freilandwidmung wird ausgeführt, dass sich aus dem TROG 1994 und TROG 1997 nicht ableiten ließe, dass die Gemeinde verpflichtet sei, das Grundstück Nr. 2253/2 der KG Sölden als Bauland auszuweisen. Außerdem ergäbe sich aus dem TROG 1997, dass all jene Flächen, die zwar grundsätzlich verbaubar wären, aber derzeit nicht als Bauland gewidmet sind, als Baulandreserve für künftige Generationen anzusehen seien. Eine solche Baulandreserve müsse nicht zwingend an den Siedlungsrändern angelegt werden.
1.9. Eine Baulandwidmung sei auch aus dem Gleichheitsgrundsatz nicht zwingend geboten. Das Grundstück Nr. 2253/2 sei als Freiland gewidmet worden, weil diesem Grundstück bzw. dem unbebauten Teil dieses Grundstückes eine Schlüsselfunktion für künftige Entwicklungsaspekte der Gemeinde Sölden zukomme. Der unverbaute Teil dieses Grundstückes komme grundsätzlich für eine Errichtung einer Talstation für eine mögliche zusätzliche leistungsfähige Aufstiegshilfe in Betracht, weshalb es unverantwortlich wäre, es durch eine entsprechende Flächenwidmung zu ermöglichen, dass das Grundstück mit einem Vorhaben verbaut wird, das ebenso gut auf einem anderen Grundstück errichtet werden könne. Weiters seien das Landesgericht und das Oberlandesgericht Innsbruck im Zuge eines Amtshaftungsverfahrens zu dem Ergebnis gekommen, dass in der Erlassung der diesbezüglichen Verordnung (gemeint: Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Sölden vom 9. Mai 1994 und 21. Juni 1994) ein schuldhaftes und rechtswidriges Verhalten der Organe der beklagten Partei (Gemeinde Sölden) nicht erblickt werden kann, weshalb die Widmung in Freiland gerechtfertigt scheine. Schließlich beantragt die Gemeinde Sölden, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen."
2. Aus Anlass dieser Beschwerden hat der Verfassungsgerichtshof am 15. März 2000 beschlossen, gemäß Art139 Abs1 und 140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Sölden vom 9. Mai 1994 und 21. Juni 1994, kundgemacht am 30. Juni 1994, soweit damit das Grundstück Nr. 2253/2, KG Sölden, als Freiland gewidmet wird, und ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §41 Abs1 Tiroler Raumordnungsgesetz 1997 (TROG 1997), LGBl. Nr. 10 idF LGBl. Nr. 28/1997, einzuleiten.
3. Der Verfassungsgerichtshof hat im Beschluss über die Einleitung des Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahrens seine Bedenken gegen die Verfassungs- und Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmungen wie folgt begründet:
"1. Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass die Beschwerden zulässig sind, weil der Erstbeschwerdeführer als Bauwerber und die Zweitbeschwerdeführerin als Grundeigentümerin Parteien des baubehördlichen Verfahrens, das zum angefochtenen Bescheid führte, waren.
2. Der Verfassungsgerichtshof geht weiters vorläufig davon aus, dass die belangte Behörde
a) §41 Abs1 TROG 1997 sowie
b) den Flächenwidmungsplan der Gemeinde Sölden vom 14. Juli 1981, genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 11. November 1981, in der Fassung der Verordnung des Gemeinderates vom 9. Mai 1994 und 21. Juni 1994, soweit das Grundstück Nr. 2253/2, KG Sölden, durch diese Verordnung als Freiland ausgewiesen ist,
bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendet hat und er zur Beurteilung des vorliegenden Falles §41 Abs1 TROG 1997 sowie die genannte Verordnung anzuwenden hätte.
3. §41 des Gesetzes vom 12. Dezember 1996 über die Raumordnung in Tirol (Tiroler Raumordnungsgesetz 1997 - TROG 1997), LGBl. Nr. 10/1997 idF LGBl. Nr. 28/1997, lautet:
'Freiland
§41
(1) Als Freiland gelten alle Grundflächen des Gemeindegebietes, die nicht als Bauland, Sonderflächen oder Vorbehaltsflächen gewidmet sind und die nicht Verkehrsflächen nach §54 Abs3 erster Satz sind.
(2) Im Freiland dürfen nur ortsübliche Städel in Holzbauweise, die land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen, wie Heupillen, Hainzenhütten, Harpfen, Stanggerhütten und dergleichen, Bienenhäuser in Holzbauweise mit höchstens 10 m2 Nutzfläche, der Wildgehege und der Jagdausübung dienende bauliche Anlagen mit Ausnahme von Gebäuden, kleinflächige Anlagen, die Bestandteil öffentlicher Versorgungs- oder Entsorgungsleitungen sind, Wartehäuschen im Zusammenhang mit dem Betrieb von Kraftfahrlinien, Telefonzellen, Meßstellen und Trafostationen errichtet werden.
(3) Im Freiland dürfen weiters Nebengebäude, die nicht Wohnzwecken dienen, und sonstige Nebenanlagen zu Gebäuden errichtet werden.'
4.1. Geht man von der von der belangten Behörde gewählten Auslegung des §41 Abs1 TROG 1997 aus, so käme man zu dem Ergebnis, dass das von der seinerzeitigen Aufhebung betroffene Grundstück mangels einer anderweitigen Widmung kraft §41 Abs1 TROG 1997 als Freiland gilt. Für eine derartige Auslegung des Gesetzes scheint - abgesehen vom Wortlaut - auch Art139 B-VG zu sprechen, der im Falle der Aufhebung ein Inkrafttreten früherer Verordnungsbestimmungen nicht kennt (vgl. VfSlg. 12.560/1990 zu §56 Abs5 TBO, LGBl. Nr. 33/1989).
4.2. Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass die Freilandwidmung eines Grundstückes auf Grund der Generalklausel des §41 Abs1 TROG 1997 nur dann dem Willen des Gesetzgebers entspricht, wenn sie auch der Verordnungsgeber durch ausdrückliche Festlegung der Widmung zulässigerweise anordnen kann. Treffen die raumordnungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Freilandwidmung im Verordnungswege nicht zu, so dürfte die Gemeinde verpflichtet sein, nach Aufhebung einer Flächenwidmung durch den Verfassungsgerichtshof diese Fläche unverzüglich entsprechend den geltenden Raumordnungsbestimmungen durch Verordnung neu zu widmen.
4.3. Ist §41 Abs1 TROG 1997 dahin auszulegen, dass nach Aufhebung einer Grundstückswidmung durch den Verfassungsgerichtshof eine mit den sonstigen Bestimmungen des TROG 1997 unvereinbare (vgl. oben 4.2.) Freilandwidmung gilt, mithin die an sich durch Verordnung rechtmäßig nicht festzulegende Freilandwidmung perpetuiert würde, so hat der Verfassungsgerichtshof Bedenken gegen §41 Abs1 TROG 1997 unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes.
Geht man nämlich davon aus, dass auch im Falle der Aufhebung einer Verordnung durch den Verfassungsgerichtshof wegen Gesetzwidrigkeit die durch §41 Abs1 TROG 1997 verfügte Freilandwidmung - wie die Tiroler Landesregierung meint - eintritt und trotz Widerspruchs zu den im TROG 1997 geregelten Voraussetzungen für die verordnungsmäßige Festlegung der Freilandwidmung unangreifbar würde, so wäre eine solche gesetzliche Bestimmung unsachlich.
Der Verfassungsgerichtshof geht daher vorläufig davon aus, dass der Sitz der oben dargestellten Verfassungswidrigkeit in der unbedingt formulierten Rechtsfolge der Freilandwidmung im §41 Abs1 TROG 1997 gelegen ist (vgl. die strukturell teilweise ähnliche Situation in VfSlg. 11.632/1988). Er geht weiters vorläufig davon aus, dass eine Verpflichtung der Gemeinde, nach Aufhebung einer Widmung durch den Verfassungsgerichtshof - allenfalls verbunden mit einem befristeten Bauverbot - unverzüglich eine dem Gesetz entsprechende Widmung durch Verordnung festzulegen, auch aus anderen Bestimmungen des TROG 1997 nicht entnommen werden kann.
5. Sollten sich diese Bedenken als zutreffend erweisen, wird jedoch auch zu prüfen sein, ob - entgegen der Annahme der belangten Behörde - im Fall der Aufhebung einer Flächenwidmung durch den Verfassungsgerichtshof die Rechtsfolge der Freilandwidmung gemäß §41 Abs1 TROG 1997 überhaupt eintritt. Denn im Fall der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof scheint der für die Anwendung der Generalklausel des §41 Abs1 TROG 1997 vorausgesetzte Wille der Gemeinde, durch Nichtwidmung einer Fläche die Rechtsfolge der Freilandwidmung herbeizuführen, zu fehlen. Diese Argumentation würde zu dem Ergebnis führen, dass für das Grundstück dann überhaupt keine Widmungs- und Nutzungsart festgelegt ist. Trifft dies zu, dann könnte - als Folge der eigentumsrechtlichen Baufreiheit - die Baubewilligung für ein beabsichtigtes Bauvorhaben nicht wegen Widerspruchs zum Flächenwidmungsplan versagt werden.
6.1. Im Verfahren wird weiters zu prüfen sein, ob die Gemeinde Sölden für das Grundstück Nr. 2253/2 der KG Sölden eine ausdrückliche Freilandwidmung verfügt hat. Denn der Gemeinderat Sölden hat am 21. Juni 1994 folgenden Beschluss gefasst:
'e) F R, Hof:
Der Bürgermeister berichtet zu diesem Tagesordnungspunkt, daß die Stellungnahme des Raumplaners Dipl. Ing. R. sowie die Stellungnahme des Dr. M. L. den Gemeinderäten zur Kenntnisnahme übermittelt wurden und diese sich daher bereits eine Meinung über den Umwidmungsantrag und den eingegangenen Einspruch bilden konnten. Zur Anfrage des Gemeinderates E. F., ob es sich hier nicht um einen besonderen Härtefall handle, stellen einige Gemeinderäte fest, daß viele andere Gemeindebürger Grund für die Allgemeinheit zur Verfügung stellen müssen und dies jedenfalls kein Einzelfall sei. Die Gemeinde müsse in diesem Falle auch die öffentlichen Interessen berücksichtigen, die sich durch die bisher ventilierten Verkehrslösungsideen ergeben. Laut Gutachten des Raumplaners soll die Baulücke noch freigehalten werden, bis man weiß, wie das Grundstück im öffentlichen Interesse genutzt werden soll.
Der Gemeinderat beschließt, den in der Zeit vom 19.4. bis 17.5.1994 zur Einsichtnahme aufgelegenen Entwurf über die Änderung des Flächenwidmungsplanes im Bereich der Gp. 2253/2 KG Sölden in Freiland unter Bedachtnahme auf die raumplanerische Stellungnahme des Dipl. Ing. F. R. (Bes. F R, Hof 124) gemäß §65 TROG zu genehmigen. Der Beschluß erfolgt mit 14 Stimmen und einer Stimmenthaltung.'
Dieser Beschluss wurde am 30. Juni 1994 durch Anschlag an der Amtstafel kundgemacht. Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass es sich bei diesem Beschluss um eine Änderung des Flächenwidmungsplanes 1981 mit einer Freilandwidmung des Grundstückes Nr. 2253/2 in Verordnungsform handelt.
6.2. Diese Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Sölden dürfte jedoch von der Aufsichtsbehörde nicht genehmigt worden sein. Ein Schreiben der Gemeinde Sölden vom 9. September 1994 an die Aufsichtsbehörde um Genehmigung der Widmungsänderung wurde von dieser telefonisch beantwortet. In einem Aktenvermerk ist festgehalten, dass die Aufsichtsbehörde die Meinung vertrat, eine aufsichtsbehördliche Genehmigung sei in diesem Fall nicht nötig, da das Grundstück 'automatisch' als Freiland gewidmet sei. Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass diese Verordnung als ausdrückliche Widmungsänderung zumindest denkmöglich hätte angewendet werden können, weshalb sie für ihn im gegenständlichen Fall präjudiziell ist.
6.3. Gemäß §68 Abs1 TROG 1997 ist der Beschluss des Gemeinderates über die Erlassung oder Fortschreibung des Flächenwidmungsplanes innerhalb zweier Wochen nach Vorliegen der aufsichtsbehördlichen Genehmigung durch öffentlichen Anschlag während zweier Wochen kundzumachen. Die Verordnung des Gemeinderates vom 21. Juni 1994 dürfte daher mangels Genehmigung nicht gesetzmäßig zustandegekommen sein.
7. Gegen die durch Verordnung vom 9. Mai 1994 und 21. Juni 1994 ausgesprochene Freilandwidmung des Grundstückes Nr. 2253/2 der KG Sölden bestehen folgende inhaltliche Bedenken:
Aus den vorgelegten Akten scheint sich zu ergeben, dass das Grundstück Nr. 2253/2 der KG Sölden im Ortszentrum gelegen ist. Der bloße Hinweis der Gemeinde, Flächen, die nicht als Bauland gewidmet sind, als Baulandreserve für künftige Generationen zu bewahren, scheint im gegenständlichen Fall eine Freilandwidmung nicht rechtfertigen zu können. Wenn die Gemeinde darauf hinweist, dass das derzeit unverbaute Grundstück eine Schlüsselfunktion für künftige Entwicklungsaspekte der Gemeinde Sölden habe, dann wäre eine derartige Planungsabsicht in einem konkreten Widmungsakt darzulegen gewesen. Der Verfassungsgerichtshof geht daher vorläufig davon aus, dass die Widmung des gegenständlichen Grundstücks in Freiland gesetzwidrig ist."
4. Im Verordnungsprüfungsverfahren erstattete der Gemeinderat der Gemeinde Sölden eine Äußerung, in der er beantragt, "1. das Verordnungsprüfungsverfahren einzustellen bzw. 2. die Freilandwidmung des Grundstückes Nr. 2253/2 KG Sölden (sei es nunmehr aufgrund der Bestimmungen des §41 Abs1 TROG 1997, oder sei es aufgrund der Beschlüsse des Gemeinderates der Gemeinde Sölden vom 9. Mai 1994 und vom 21. Juni 1994) nicht als gesetzwidrig oder verfassungswidrig aufzuheben".
Dem eingeleiteten Verordnungsprüfungsverfahren fehle das Substrat, da mit dem Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde Sölden vom 9. Mai 1994 lediglich verfügt worden sei, den Entwurf über die Änderung des Flächenwidmungsplanes zur öffentlichen Einsichtnahme aufzulegen. Mit dem Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde Sölden vom 21. Juni 1994 sei der mittlerweile zur Einsichtnahme aufgelegte Entwurf über die Änderung des Flächenwidmungsplanes lediglich gemäß §65 TROG 1997 genehmigt worden. Da bis dato die aufsichtbehördliche Genehmigung der Flächenwidmungsplanänderung durch die Tiroler Landesregierung nicht erfolgt sei, handle es sich nur um Teilakte im Verfahren zur Erzeugung einer Verordnung. Die Verpflichtung zur Kundmachung der beiden Gemeinderatsbeschlüsse ergebe sich aus den §§53 Abs1 TGO und 65 Abs1 TROG 1997, weshalb daraus nicht das Zustandekommen einer Verordnung abgeleitet werden könne, welche in einem Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof präjudiziell sei.
Aus §2a TROG 1997 ergebe sich, dass die mit der Raumordnung befassten Behörden tatsächlich verbaubare Flächen für künftige Generationen, also für einen Baulandbedarf reservieren müssten, der in frühestens 60 Jahren entstehe, was eben nur möglich sei, wenn die betreffenden Flächen derzeit als Freiland gewidmet würden. Die Gemeinden seien verpflichtet, für den Bedarf künftiger Generationen an unverbauten Grundflächen in zentraler Lage vorzusorgen. Die Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes im Einleitungsbeschluss würden die Gemeinde zwingen, künftige Generationen schlechter zu behandeln als die derzeit lebenden Mitbürger und ihnen die wertvollen teilweise unabdingbar notwendigen zentralen Bauplätze im Zentrum wegzunehmen. Die Gemeinde Sölden erachte daher die von ihr beschlossene, aber aufsichtbehördlich noch nicht genehmigte Freilandwidmung des Grundstückes Nr. 2253/2 KG Sölden für gesetzmäßig.
5. Die Tiroler Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt, das Gesetzesprüfungsverfahren einzustellen, in eventu auszusprechen, dass §41 Abs1 TROG 1997, LGBl. Nr. 10 idF LGBl. Nr. 28/1997, nicht verfassungswidrig war.
Zur Vorgeschichte wird vorgebracht, dass seitens der Tiroler Landesregierung eine aufsichtsbehördliche Genehmigung des Beschlusses des Gemeinderates der Gemeinde Sölden vom 21. Juni 1994 nicht erforderlich gewesen sei, da nach der Aufhebung der Widmung Sonderfläche FSi durch den Verfassungsgerichtshof auf dem Grundstück Nr. 2253/2 die Widmung Freiland aufgrund des §15 Abs1 des damals in Geltung stehenden Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 eingetreten sei. Nachdem somit für dieses Grundstück bereits Freiland gelte, komme der Verordnung des Gemeinderates vom 21. Juni 1994 keine konstitutive Bedeutung zu und erübrige sich eine aufsichtsbehördliche Genehmigung.
Nach Ansicht der Tiroler Landesregierung komme der Frage, ob der Widmungsbeschluss des Gemeinderates der Gemeinde Sölden vom 21. Juni 1994 jemals den Charakter einer Verordnung erlangt habe, für die Frage der Präjudizialität des §41 Abs1 TROG 1997 in dem dem Gesetzesprüfungsverfahren zugrundeliegenden Beschwerdeverfahren entscheidende Bedeutung zu. Das vom Verfassungsgerichtshof eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren zu dieser Bestimmung sei aber nur im Fall ihrer Präjudizialität im Beschwerdeverfahren zulässig.
Die Tiroler Landesregierung geht weiters davon aus, dass der Widmungsbeschluss des Gemeinderates der Gemeinde Sölden Verordnungscharakter habe. Aufgrund des eindeutig normativen Wortlautes des Beschlusses, der an der Absicht des Gemeinderates, für die gegenständliche Grundfläche die Widmung als Freiland festzusetzen, nicht zweifeln lasse, könne dessen Verordnungscharakter nur im Hinblick darauf, dass die Kundmachung ohne die vorherige Erteilung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung erfolgt sei, zweifelhaft sein. Es sei dem Verfassungsgerichtshof beizupflichten, dass dies mit §68 Abs1 iVm §69 Abs1 TROG 1997 nicht im Einklang stehe. Ein solcher Mangel belaste die Kundmachung und damit auch die ihr zugrundeliegende Verordnung zwar mit Gesetzwidrigkeit, was aber an der Normqualität nichts ändere. Da sich die Freilandwidmung allein aus der vom Verordnungsgeber getroffenen Widmungsentscheidung ergebe, bedürfe es keines Rückgriffs auf §41 Abs1 TROG 1997. Die Tiroler Landesregierung sehe sich im Hinblick auf diese Überlegungen aber veranlasst, "ihren im bereits erwähnten Schreiben an die Gemeinde Sölden vom 13. März 1995 vertretenen Standpunkt (womit zum Ausdruck gebracht wurde, dass eine aufsichtsbehördliche Genehmigung nicht nötig sei, da eine Widmung kraft Gesetz eintrete) zu relativieren". Die Gemeinde sei aber durch §15 Abs1 des damals in Geltung stehenden Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984, dem nur der Charakter einer Auffangregelung zukomme, an der ausdrücklichen Festlegung einer Freilandwidmung nicht gehindert gewesen. Es lägen daher die Voraussetzungen für das gegenständliche Gesetzesprüfungsverfahren nach Ansicht der Tiroler Landesregierung nicht vor.
§41 Abs1 TROG 1997 sei aber auch nicht verfassungswidrig:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes träten im Falle der Aufhebung von Widmungsfestlegungen durch den Verfassungsgerichtshof frühere entgegenstehende Verordnungsbestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit. Auch die Literatur folge überwiegend dieser Ansicht. Es sei daher davon auszugehen, dass als unmittelbare Folge der Aufhebung der Widmung Sonderfläche FSi durch den Verfassungsgerichtshof raumordnungsrechtlich eine widmungsfreie Fläche (im Sinne des so genannten "Weißen Flecks") entstanden sei, hinsichtlich der - ausgehend vom eigentumsrechtlichen Grundsatz der Baufreiheit - widmungsrechtliche Schranken für die Zulässigkeit von Bauvorhaben nicht bestanden haben. Es stelle sich allerdings die Frage, ob es bei der Widmungsfreiheit geblieben oder aufgrund des §41 Abs1 TROG 1997 praktisch zeitgleich die Fläche in Freiland übergeführt worden sei. Gegen die letztere Auslegungsvariante spreche allerdings, dass der tatsächlich für die Anwendung der Generalklausel des §41 Abs1 TROG 1997 vorausgesetzte Wille der Gemeinde, durch Nichtwidmung einer Fläche die Rechtsfolge der Freilandwidmung herbeizuführen, fehle. Daraus lasse sich allerdings nicht die Verfassungswidrigkeit des §41 Abs1 TROG 1997 ableiten, sondern es ergebe sich dessen Nichtanwendbarkeit, die dazu führe, dass für das betroffene Grundstück keine Widmungs- und Nutzungsart festgelegt sei.
Als Folge der eigentumsrechtlichen Baufreiheit könne die Baubewilligung für ein beabsichtigtes Bauvorhaben in diesem Fall daher nicht wegen Widerspruchs zum Flächenwidmungsplan versagt werden. Die Tiroler Landesregierung verweist in diesem Zusammenhang darauf, "dass ihre abweisliche Vorstellungsentscheidung, ..., im Lichte dieser Überlegungen nicht aufrecht erhalten werden kann".
Der Wortlaut des §41 Abs1 TROG 1997 stehe diesem Auslegungsergebnis nicht entgegen, da dieser im systematischen Zusammenhang mit den §§35 Abs1 und 37 ff TROG 1997 gesehen werden müsse. §41 TROG 1997 sei im Zusammenhang mit der grundsätzlichen Anordnung des §35 Abs1 erster Satz leg. cit., wonach für alle Grundflächen des Gemeindegebietes eine entsprechende Widmung festzulegen ist, zu sehen. Aus diesem Normenzusammenhang im Sinne einer verfassungskonformen Auslegung entsprechend dem nunmehrigen Prüfungsbeschluss sei abzuleiten, dass es für das Zustandekommen einer Freilandwidmung zumindest des "negativen Widmungswillens" der Gemeinde bedürfe, für ein Grundstück keine andere Widmungsart festzulegen. Wie vom Verfassungsgerichtshof angenommen, fehle dieser Wille aber im Falle der Aufhebung einer Widmung im Verfahren nach Art139 B-VG.
Entgegen der vorläufigen Annahme des Verfassungsgerichtshofes in seinem Prüfungsbeschluss ergebe sich sehr wohl eine Verpflichtung der Gemeinde zur Festlegung einer Ersatzwidmung. Diese ergebe sich anknüpfend an das oben erzielte Auslegungsergebnis des §35 Abs1 erster Satz leg. cit., wonach für alle Grundflächen des Gemeindegebietes der Verwendungszweck durch Widmung festzulegen sei. Bei Grundflächen, deren Widmung vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde, handle es sich mangels Anwendbarkeit des §41 Abs1 TROG 1997 um "weiße Flecken", die einer Widmung entbehren und daher einer Neuwidmung bedürfen würden.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat im Verordnungsprüfungsverfahren erwogen:
Zur Zulässigkeit:
Die vorläufige Annahme, dass die Beschwerden zulässig sind, hat sich als zutreffend erwiesen.
1. Die Gemeinde Sölden behauptet im Verordnungsprüfungsverfahren, diesem fehle das rechtliche Substrat, weil der Gemeinderat nur die öffentliche Auflage der Änderung des Flächenwidmungsplanes beschlossen habe und aus der Kundmachung des Gemeinderatsbeschlusses vom 21. Juni 1994 nicht das Zustandekommen einer Verordnung abgeleitet werden könne. Hingegen vertritt die Tiroler Landesregierung - in Abkehr von ihrer im Vorstellungsverfahren geäußerten Rechtsansicht - nunmehr die Meinung, dass der Widmungsbeschluss des Gemeinderates Verordnungscharakter habe.
2. Aus den diesbezüglich vorgelegten Verordnungsakten der Gemeinde ergibt sich Folgendes:
Die Kundmachung des Gemeinderates über die Planauflage vom 18. April 1994 hat folgenden Wortlaut:
"2. Ansuchen um Widmungsänderung:
...
f) der Gemeinderat beschließt, den Entwurf über die Änderung des Flächenwidmungsplanes ab dem Tag der Kundmachung durch vier Wochen hindurch während der Amtsstunden zur öffentlichen Einsichtnahme aufzulegen. Der Entwurf sieht vor:
Änderung der Flächenwidmung im Bereich der Gp. 2253/2 KG Sölden in Freiland (Bes.: F R, Hof 124)"
Der Beschluss des Gemeinderates vom 21. Juni 1994 lautet:
"Der Gemeinderat beschließt, den in der Zeit vom 19.4. bis 17.5.1994 zur Einsichtnahme aufgelegenen Entwurf über die Änderung des Flächenwidmungsplanes im Bereich der Gp. 2253/2 KG Sölden in Freiland unter Bedachtnahme auf die raumplanerische Stellungnahme des Dipl. Ing. F. R. (Bes. F R, Hof 124) gemäß §65 TROG zu genehmigen. Der Beschluß erfolgt mit 14 Stimmen und einer Stimmenthaltung."
§65 des im Zeitpunkt der Fassung des Gemeinderatsbeschlusses maßgeblichen Tiroler Raumordnungsgesetzes 1994, LGBl. Nr. 81/1993 (TROG 1994), regelt das Verfahren u.a. zur Erlassung des Flächenwidmungsplanes, §67 die aufsichtsbehördliche Genehmigung und §68 die Kundmachung. Gemäß §69 leg. cit. gelten für das Verfahren zur Änderung des Flächenwidmungsplanes die §§65 bis 68 (mit einigen hier nicht maßgeblichen Änderungen) sinngemäß. Die Beschlussfassung des Gemeinderates über die Änderung des Flächenwidmungsplanes ist als Genehmigung der Änderung des Flächenwidmungsplanes gemäß §65 TROG 1994 zu qualifizieren.
Die an der Amtstafel der Gemeinde Sölden in der Zeit vom 1. Juli 1994 bis 30. Juli 1994 angeschlagene Kundmachung des Gemeinderates hat folgenden Wortlaut:
"Der Gemeinderat hat in der Sitzung vom Dienstag, den 21. Juni 1994, nachstehendes beschlossen:
'4. Ansuchen um Flächenwidmungsplanänderung nach Ablauf der Auflagefrist:
...
e) F R, Hof:
Der Gemeinderat beschließt, den in der Zeit vom 19.4. bis 17.5.1994 zur Einsichtnahme aufgelegenen Entwurf über die Änderung des Flächenwidmungsplanes im Bereich der Gp. 2253/2 KG Sölden in Freiland unter Bedachtnahme auf die raumplanerische Stellungnahme des Dipl. Ing. F(.) R(.) (Bes. F R, Hof 124) gemäß §65 TROG zu genehmigen."
3. Der Verfassungsgerichtshof geht daher davon aus, dass der Gemeinderat der Gemeinde Sölden am 21. Juni 1994 gemäß §65 TROG 1994 die Änderung des Flächenwidmungsplanes durch eine Freilandwidmung des Grundstücks Nr. 2253/2, KG Sölden, beschlossen und durch öffentlichen Anschlag während vier Wochen kundgemacht hat. Er hat daher eine Verordnung erlassen und kundgemacht, mit der er den Flächenwidmungsplan für das Grundstück Nr. 2253/2, KG Sölden, durch Freilandwidmung abgeändert hat.
Die Tiroler Landesregierung hat sich zwar in ihrer Vorstellungsentscheidung nicht ausdrücklich auf die genannte Verordnung gestützt, denn sie ging damals von der - nunmehr als rechtsirrig bezeichneten - Meinung aus, die Freilandwidmung ergäbe sich unmittelbar aus §41 Abs1 TROG 1997. Sie begründet aber die Abweisung der Vorstellung mit dem Widerspruch des beantragten Bauvorhabens zur Freilandwidmung. Wurde die Freilandwidmung jedoch - wie der Verfassungsgerichtshof festgestellt hat - durch Verordnung der Gemeinde Sölden ausdrücklich verfügt, so hätte die Tiroler Landesregierung bei ihrer Entscheidung über die Vorstellung diese Verordnung anzuwenden gehabt. Daher hat auch der Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung über die Beschwerde diese Verordnung anzuwenden. Da auch alle übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.
In der Sache:
4. Die Verordnung erweist sich aus folgenden Gründen als gesetzwidrig:
Gemäß §67 TROG 1994 ist der Flächenwidmungsplan nach der Beschlussfassung des Gemeinderates der Landesregierung zur aufsichtsbehördlichen Genehmigung vorzulegen. Gemäß §68 Abs1 leg. cit. ist der Beschluss des Gemeinderates über die Erlassung des Flächenwidmungsplanes innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen der aufsichtsbehördlichen Genehmigung durch öffentlichen Anschlag während zweier Wochen kundzumachen. Diese Bestimmungen gelten gemäß §69 leg. cit. sinngemäß für das Verfahren zur Änderung des Flächenwidmungsplanes.
Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. zB VfSlg. 11.303/1987) ausgesprochen hat, ist die Kundmachung eines zustimmungsbedürftigen Verwaltungsaktes vor Erteilung der Zustimmung nicht als ordnungsgemäße Kundmachung anzusehen. Die Verordnung ist daher schon aus diesem Grunde gesetzwidrig.
Aber auch die im Prüfungsbeschluss geäußerten inhaltlichen Bedenken gegen die Freilandwidmung des Grundstücks Nr. 2253/2 KG Sölden treffen zu.
Aus den vorgelegten Akten (insbesondere aus der Stellungnahme des Ortsplaners vom 26. Mai 1994) ergibt sich, dass das Grundstück Nr. 2253/2 der KG Sölden im Ortszentrum gelegen ist und eine Baulücke innerhalb der die Bundesstraße westseitig begrenzenden Bebauung darstellt. Die Fläche ist voll erschlossen, liegt zentral an der Haupterschließungsachse des Hauptortes Sölden, grenzt nördlich und südlich an bebaute, als Bauland gewidmete Flächen an und ist daher grundsätzlich für eine bauliche Nutzung als gut geeignet zu bezeichnen. Die Größe, die Form und die Lage des Grundstückes direkt an der Haupterschließungsachse der Gemeinde Sölden bieten grundsätzlich gute Standortvoraussetzungen für die vom Antragsteller geplante Nutzung.
Der allgemeine Hinweis der Gemeinde, sie sei verpflichtet, Flächen, die nicht als Bauland gewidmet sind, als Baulandreserve für künftige Generationen zu bewahren, rechtfertigt im vorliegenden Fall die Freilandwidmung nicht. Die der Änderung des Flächenwidmungsplans zugrundeliegende Grundlagenforschung lässt keinen Hinweis darauf erkennen, warum gerade das Grundstück Nr. 2353/2 KG Sölden für künftige Generationen freigehalten werden soll. Die Gemeinde weist darauf hin, dass das derzeit unverbaute Grundstück eine Schlüsselfunktion für künftige Entwicklungsaspekte der Gemeinde Sölden habe. Sie hat damit jedoch nur ein mögliches Raumordnungsziel isoliert herausgegriffen und mit anderen Zielsetzungen nicht in Relation gebracht und weiters eine derartige Planungsabsicht nicht in einem konkreten Widmungsakt festgelegt, sondern wollte offenbar das Grundstück in Form einer Freilandwidmung für künftige noch unbestimmte Planungsvorhaben reservieren. In diese Richtung deutet auch die in den Verordnungsakten enthaltene Stellungnahme des Ortsplaners, der darauf hinweist, dass eine langfristige Blockierung eines, aufgrund seiner örtlichen Lage und seiner Beschaffenheit grundsätzlich für eine Baulandwidmung und auch für die vom Antragsteller beabsichtigte Nutzung als sportmedizinisches Zentrum gut geeigneten Grundstückes im Hinblick auf allfällige künftige, jedoch inhaltlich unbestimmte Nutzungsansprüche sachlich nicht zu rechtfertigen wäre und die Interessen des Grundeigentümers unzumutbar beeinträchtigen würde.
Die in Prüfung gezogene Verordnung war daher als gesetzwidrig aufzuheben. Der Ausspruch über die Kundmachung stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.
III. Der Verfassungsgerichtshof hat im Gesetzesprüfungsverfahren erwogen:
1. Die Tiroler Landesregierung bestreitet in ihrer Äußerung im Gesetzesprüfungsverfahren die Präjudizialität des §41 Abs1 TROG 1997 mit dem Argument, die im Vorstellungsbescheid geäußerte Ansicht, die Flächenwidmung des Grundstücks Nr. 2253/2 KG Sölden ergebe sich unmittelbar aus §41 Abs1 TROG 1997, sei rechtsunrichtig. Vielmehr liege ein ausdrücklicher Widmungsakt der Gemeinde vor.
Dem ist entgegenzuhalten, dass die Tiroler Landesregierung in ihrer Vorstellungsentscheidung §41 Abs1 TROG 1997 ausdrücklich angewendet hat, wenn sie in der Begründung anführt:
"...
Durch die Aufhebung der früheren Sonderflächenwidmung durch den Verfassungsgerichtshof wurde daher das Gst. 2253/2 ex lege zu Freiland. Diese Widmung bleibt so lange aufrecht, bis vom Gemeinderat der Gemeinde Sölden durch Verordnung eine neue Widmung für dieses Grundstück beschlossen und die dafür erforderliche aufsichtsbehördliche Bewilligung erteilt wird.
Es ist daher den Gemeindeinstanzen zuzustimmen, daß derzeit für das verfahrensgegenständliche Grundstück von einer Widmung als 'Freiland' auszugehen ist. Ebenso ist zutreffend, daß auf das gegenständliche Grundstück die Bestimmungen des §41 Tiroler Raumordnungsgesetz 1997 - TROG 1997, LGBl. Nr. 10 idF des Gesetzes LGBl. Nr. 28/1997, anzuwenden sind, da gemäß §109 Abs1 leg. cit. die in Flächenwidmungsplänen nach dem Tiroler Raumordnungsgesetz 1984 festgelegten Widmungen als Widmungen im Sinne des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1997 anzusehen sind und daher die Zulässigkeit von Bauvorhaben auf derartigen Flächen nach den Bestimmungen des TROG 1997 zu beurteilen ist. ..."
Aus diesen Ausführungen in der Begründung ergibt sich, dass die Tiroler Landesregierung bei Erlassung des angefochtenen Bescheides, der Anlass zur Einleitung der Normenprüfungsverfahren bot, §41 Abs1 TROG 1997 angewendet hat. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Tiroler Landesregierung nunmehr behauptet, von einer falschen Rechtsansicht ausgegangen zu sein. Denn unter der - vom Verfassungsgerichtshof zwar als rechtsunrichtig erkannten aber immerhin denkmöglichen - Annahme, dass keine ausdrückliche Freilandwidmung durch Verordnung festgelegt war, war die Rechtsansicht der Tiroler Landesregierung nur folgerichtig.
Da die Tiroler Landesregierung bei Erlassung des Vorstellungsbescheides §41 Abs1 TROG 1997 angewendet hat, hat auch der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung bei seiner Entscheidung über die Beschwerde anzuwenden. §41 Abs1 TROG 1997 ist daher präjudiziell.
2. Die inhaltlichen Bedenken gegen §41 Abs1 TROG 1997 treffen jedoch nicht zu:
Die Tiroler Landesregierung verteidigt §41 Abs1 TROG 1997 mit dem Argument, dass als unmittelbare Folge der Aufhebung der Widmung "Sonderfläche im Freiland, Schipiste" durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 13.410/1993) raumordnungsrechtlich eine widmungsfreie Fläche (im Sinne des sog. "Weißen Flecks") entstanden ist, hinsichtlich der - ausgehend vom eigentumsrechtlichen Grundsatz der Baufreiheit - widmungsrechtliche Schranken für die Zulässigkeit von Bauvorhaben nicht bestanden haben.
Sie pflichtet der Argumentation des Verfassungsgerichtshofs im Prüfungsbeschluss bei, dass gegen das Auslegungsergebnis, im Fall der Aufhebung einer Widmung durch den Verfassungsgerichtshof träte ex lege eine Freilandwidmung in Kraft, begründete Einwände erhoben werden können, weil in einem solchen Fall der für die Anwendung der Generalklausel des §41 Abs1 TROG 1997 vorausgesetzte Wille der Gemeinde, durch Nichtwidmung einer Fläche die Rechtsfolge der Freilandwidmung herbeizuführen, fehlt.
Der Verfassungsgerichtshof ist ebenfalls der Meinung, dass im Fall der Aufhebung einer Flächenwidmung durch den Verfassungsgerichtshof die Rechtsfolge der Freilandwidmung nach §41 Abs1 TROG 1997 nicht eintritt. Denn aus der bei der im Prüfungsbeschluss ausgeführten verfassungskonformen Auslegung dieser Bestimmung ("Als Freiland gelten alle Grundflächen, die nicht als Bauland, Sonderflächen oder Vorbehaltsflächen gewidmet sind" ...) ergibt sich, dass die Anwendung der Generalklausel des §41 Abs1 TROG 1997 den Willen der Gemeinde voraussetzt, durch Nichtwidmung einer Fläche die Rechtsfolge der Freilandwidmung herbeizuführen. Der Verfassungsgerichtshof kommt daher zu dem Ergebnis, dass im Fall der Aufhebung einer Flächenwidmung durch den Verfassungsgerichtshof für das von der Aufhebung der Widmung erfasste Grundstück überhaupt keine Widmungs- und Nutzungsart festgelegt ist und dass daher - solange nicht eine neue rechtmäßige Widmung verfügt oder zu deren Vorbereitung eine Bausperre erlassen wurde - die Baubewilligung für ein beabsichtigtes Bauvorhaben auf diesem Grundstück nicht allein wegen Widerspruchs zum Flächenwidmungsplan versagt werden kann. Die im Prüfungsbeschluss gegen die Verfassungsmäßigkeit des §45 Abs1 TROG 1997 geäußerten Bedenken treffen daher nicht zu.
Da §41 Abs1 TROG 1997, LGBl. Nr. 10 idF LGBl. Nr. 28/1997, aufgrund seiner Neufassung durch die Novelle LGBl. Nr. 21/1998 nicht mehr dem Rechtsbestand angehört, war auszusprechen, dass diese Bestimmung nicht verfassungswidrig war.
Diese Entscheidung wurde in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.
Schlagworte
Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Freiland, Gemeinderecht, Aufsichtsrecht, Genehmigung, Vorstellung, Verordnungsbegriff, Verordnung Kundmachung, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Anlaßfall, Auslegung verfassungskonformeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:G41.2000Dokumentnummer
JFT_09999379_00G00041_00