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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Entziehung des Vertretungsrechtes des beschwerdeführenden Rechtsanwaltes in Strafsachen mit einstweiliger Maßnahme infolge Anklageerhebung wegen Sittlichkeitsdelikten; keine Bedenken gegen diese Regelung; kein Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot, das Legalitätsprinzip, die Unschuldsvermutung; keine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren sowie auf Abhaltung einer mündlichen VerhandlungSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Mit Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 31. Juli 1997 wurde der Beschwerdeführer - ein (ehemaliger) Rechtsanwalt - wegen teils versuchter, teils vollendeter geschlechtlicher Nötigung nach den §§202 Abs1 iVm. 15 StGB sowie wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach §207 Abs1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten (davon vier Monate unbedingt) verurteilt. Dieses Urteil wurde mit Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes vom 22. April 1998, 13 Os 17/98, sowohl hinsichtlich des Schuldspruches als auch hinsichtlich des Ausspruches über die Strafe bestätigt. Mit Beschluß des Landesgerichtes Leoben vom 2. September 1999 wurde gemäß §31a Abs1 StGB die über den Beschwerdeführer verhängte teilbedingte Freiheitsstrafe von zwölf Monaten auf zehn Monate gemildert, wobei ihm ein Teil der Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten für eine Probezeit von drei Jahren gemäß §43a Abs3 StGB bedingt nachgesehen wurde.
1.2. Mit Beschluß des Disziplinarrates der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer (im folgenden: Disziplinarrat) vom 13. Mai 1998 wurde dem Beschwerdeführer mit einstweiliger Maßnahme gemäß §19 Abs3 Z1 litd Disziplinarstatut 1990, BGBl. 1990/474 (im folgenden: DSt 1990; auch die in weiterer Folge vorgenommenen Bezugnahmen auf das DSt 1990 beziehen sich auf die hier maßgebliche Stammfassung), die Ausübung der Rechtsanwaltschaft vorläufig untersagt.
1.3. Der Beschwerde gegen diesen Beschluß gab die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im folgenden: OBDK) mit Beschluß vom 23. November 1998 keine Folge.
2. Gegen diesen als Bescheid zu wertenden Beschluß der OBDK richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, mit der die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes sowie eine Verletzung der durch Art6 Abs1 EMRK und Art4 des 7. ZPEMRK garantierten Rechte geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.
3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete jedoch keine Gegenschrift.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.1. Der Beschwerdeführer behauptet, der angefochtene Bescheid stütze sich auf die verfassungswidrige Bestimmung des §19 DSt 1990. §19 DSt 1990 - insbesondere §19 Abs3 leg.cit. - sei mangels hinreichender Bestimmtheit wegen Verstoßes gegen Art18 B-VG verfassungswidrig.
1.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, von der abzugehen im konkreten Fall kein Anlaß besteht, verstößt §19 DSt 1990 nicht gegen das Legalitätsprinzip (vgl. zur Vorläuferbestimmung des §19 DSt 1990 - §17 DSt 1872 idF des BG BGBl. 1933/346 - VfSlg. 7440/1974; zu §19 DSt 1990 vgl. VfSlg. 13148/1992, VfGH 4.10.1999, B2598/97, B997/98 und das Erk. des Verfassungsgerichtshofes vom heutigen Tag, B537/98). Der Beschwerdeführer ist daher nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
2.1. Zur behaupteten Verletzung des Art6 EMRK führt die Beschwerde aus, daß die Maßnahme der gänzlichen Untersagung der Rechtsanwaltschaft nur durch ein Tribunal verhängt werden könne. Ein solches Tribunal sei im vorliegenden Fall jedoch nicht eingeschritten.
2.2. Zur Widerlegung dieses Vorbringens genügt es, auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach der OBDK "Tribunalqualität" zukommt (vgl. etwa VfSlg. 11512/1987, 11879/1988, 13580/1993), zu verweisen. Entscheidet aber in letzter Instanz ein Tribunal, so ist dem Art6 EMRK Genüge getan (vgl. etwa VfSlg. 11500/1987).
3. Wenn der Beschwerdeführer behauptet, er sei in dem durch Art4 des 7. ZPEMRK gewährleisteten Recht auf das Verbot der Doppelbestrafung verletzt worden, ist ihm entgegenzuhalten, daß es sich nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bei einstweiligen Maßnahmen nach §19 DSt 1990 nicht um Strafen im Sinne des Art6 EMRK, sondern um sichernde Maßnahmen handelt (vgl. dazu VfGH 4.10.1999, B2598/97, B997/98 und das Erkenntnis vom heutigen Tag, B537/98). Der Umstand, daß es sich beim Verfahren der vorläufigen Untersagung der Rechtsanwaltschaft sohin nicht um ein Strafverfahren handelt, entzieht dem Vorwurf, der Beschwerdeführer sei in dem durch Art4 des 7. ZPEMRK gewährleisteten Recht auf das Verbot der Doppelbestrafung verletzt worden, den Boden.
4. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Erwerbsausübungsfreiheit, Rechtsanwälte Disziplinarrecht, Strafen, fair trial, Mündlichkeit, civil rightsEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:B347.1999Dokumentnummer
JFT_09999379_99B00347_00