TE Vwgh Erkenntnis 2003/10/22 2002/20/0134

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Veröffentlicht am 22.10.2003
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Berger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des D in W, geboren 1969, vertreten durch Dr. Markus Frank, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neustiftgasse 3/5, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 29. Oktober 2001, Zl. 220.273/0- VIII/22/00, betreffend §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein der armenischen Volksgruppe und der gregorianischen Kirche zugehöriger Staatsangehöriger des Iran, reiste am 7. September 2000 in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag Asyl. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 30. Oktober 2000 gab er als Fluchtgrund im Wesentlichen an, er sei von der Leitung eines Krankenhauses, für das er Reparaturleistungen erbracht habe, aufgefordert worden, mit den Sepah Pasdaran zusammenzuarbeiten und zum Islam überzutreten, widrigenfalls ihm wahrheitswidrig ein Verhältnis zu einer Krankenschwester moslemischen Glaubens vorgeworfen und er hingerichtet werden würde.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit Bescheid vom 24. November 2000 gemäß § 7 AsylG ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran gemäß § 8 AsylG für zulässig. Es schenkte seinen Angaben keinen Glauben.

Auf Grund der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Berufung hielt die belangte Behörde am 3. August 2001 eine mündliche Berufungsverhandlung ab, in der der Beschwerdeführer sowohl die zu seiner Ausreise führenden Ereignisse im Zusammenhang mit dem Versuch, ihn zum Glaubenswechsel zu zwingen, als auch frühere Vorgänge, bei denen er infolge seiner Volksgruppen- und Glaubenszugehörigkeit im Iran in Schwierigkeiten geraten sei, beschrieb.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß §§ 7 und 8 AsylG ab. Sie traf folgende Feststellungen über die individuellen Fluchtgründe ("Zur Person") des Beschwerdeführers:

"Er ist Staatsbürger des Iran und Angehöriger der armenischen Volksgruppe und der gregorianischen Kirche. Er wurde 1969 in Teheran geboren und arbeitete nach Abschluss der Pflichtschule zunächst als Elektriker und Löter, im Laufe der Zeit spezialisierte er sich auf die Reparatur und Wartung von Großtextilreinigungsmaschinen, wobei er sich in dieser Branche 1994 selbständig machte.

Er hat sich politisch nicht betätigt. 1996 erlitt er einen Autounfall, wobei die Unfallgegnerin die Witwe eines Märtyrers war, die zunächst behauptete, dass er sie belästigt habe, wobei sie jedoch schließlich ihre Anzeige zurückzog. Er erhielt keinen Schadenersatz für diesen Unfall, wobei die Verschuldensfrage im Asylverfahren nicht mehr geklärt werden kann.

Als er seinen Hund äußerln führte - wobei er ein Kreuz um den Hals trug - wurde er von Basidjis beschimpft, wobei er diese ebenfalls beschimpfte und von ihnen zusammengeschlagen wurde. Weitere Folgen hatte dieser Vorfall nicht.

Anlässlich der Feier des Neujahrsfestes 2000 spielte er Elektronenorgel. Das Haus wurde von Basidjis gestürmt, wobei er mit einem Stück Glas an der linken Hand verletzt wurde.

Auf Grund seiner Fachkenntnisse wollten die Sepah Pasdaran, die unter anderem drei Spitäler in Teheran betreiben, mit ihm einen Vertrag über die Reparatur, Wartung und Instandhaltung von Textilreinigungsanlagen abschließen. Er erfüllte jedoch die Voraussetzung der islamischen Religion nicht. Trotzdem wurde er - schon vor Vertragsabschluss - ersucht, nachmittags bis nachts in diesen Spitälern zu arbeiten. Als er eines Abends bereits mit seiner Tätigkeit fertig war, wurde er daheim angerufen, dass eine dringende Reparatur zu verrichten sei und fuhr er, weil diese Tätigkeit gut bezahlt war, allein noch spät abends in das Spital. Nach Beendigung der Reparaturarbeit fuhr er im Aufzug gemeinsam mit einer moslemischen Krankenschwester, die er nicht weiter kannte, vom Keller in das Erdgeschoss, ohne diese zu grüßen oder sonst mit ihr in irgendeiner Weise Kontakt aufzunehmen. Am nächsten Tag rief ihn der Krankenhausdirektor in sein Büro und kündigte ihm zunächst an, dass die Probleme mit dem Vertrag beseitigt seien, hielt ihm jedoch dann vor, dass er in der Nacht zusammen mit einer moslemischen Krankenschwester gesehen worden sei und behauptete er, dass er mit dieser eine sexuelle Beziehung habe. Es wurde ihm nahegelegt, zum Islam zu konvertieren, ansonsten würde die Krankenhausdirektion den Fall zur Anzeige bringen, wobei ihm eine Frist von zwanzig bis dreißig Tagen zum Nachdenken eingeräumt worden sei. Daraufhin beriet er sich mit Anwälten, die ihm empfahlen, aus dem Iran auszureisen. Sodann verließ er im Wege des Flughafens Teheran-Mehrabad legal mit seinem eigenen unverfälschten Reisepass unter Verwendung eines offiziellen Visums, das ihm am Flughafen ausgestellt wurde, den Iran Richtung Türkei und flog von dort nach Bosnien weiter, wofür er kein eigenes Visum benötigte. Von dort gelangte er auf dem Landwege illegal nach Österreich. Nach dem Verlassen des Iran hätten Angehörige der Sepah Pasdaran bei seiner Mutter mehrmals nach ihm nachgefragt. Eine Auswanderung in die USA wurde von dieser in erster Instanz abgelehnt, wobei er jedoch Berufung erhob."

Darüber hinaus traf die belangte Behörde allgemein gehaltene Feststellungen über die Situation der armenischen Minderheit im Iran, über die Modalitäten der Ausreise aus dem Iran und darüber, dass "aus dem Iran" (gemeint wohl: in den Iran) "abgeschobene (abgelehnte) Asylwerber in der Regel deswegen" keiner Verfolgung ausgesetzt seien.

Nach Ausführungen zur Beweiswürdigung - in denen die belangte Behörde unter anderem darlegte, weshalb sie im Gegensatz zum Bundesasylamt den Beschwerdeführer als glaubwürdig einstufe - sowie allgemein gehaltenen Rechtsausführungen und einer rechtlichen Würdigung der vom Beschwerdeführer selbst nicht als fluchtauslösend beschriebenen Schwierigkeiten im Iran unterzog die belangte Behörde die Vorfälle, die zur Ausreise des Beschwerdeführers geführt hätten, unter den Gesichtspunkten des § 7 AsylG sowie des § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 Abs. 2 FrG folgender rechtlicher Beurteilung (Hervorhebungen im Original):

"Diese Vorgänge stehen im Zusammenhang damit, dass die Pasderan mit dem Berufungswerber anscheinend von sich aus einen Reparatur- und Wartungsvertrag für Textilreinigungsgeräte für ihre Krankenhäuser in Teheran schließen wollten, dem Abschluss eines solchen Vertrages die christliche Konfession des Berufungswerbers entgegenstand. Aus der Sicht des Krankenhausdirektors, der mit der Tätigkeit des Berufungswerbers offenbar hoch zufrieden war, ist es daher nur allzu verständlich, nach einer Möglichkeit zu suchen, dass der Berufungswerber doch konvertiert (wobei er aus der Sicht eines überzeugten Moslems bei der Konversion eines Christen zum islamischen Glauben noch 'ein gutes Werk' getan hätte). Es mag daher dahingestellt bleiben, ob der Vorfall mit der Krankenschwester von der Krankenhausleitung absichtlich arrangiert wurde oder ob ihm dieser nur zu Paß gekommen ist, um auf den Berufungswerber mehr Druck auszuüben, damit er konvertiert und der Vertrag abgeschlossen werden kann, an dem - wegen der guten Bezahlung - offenbar auch der Berufungswerber ein großes Interesse hatte. Der Berufungswerber gibt im Übrigen selbst zu, dass die Krankenhausleitung eine Möglichkeit suchte, ihn unter Druck zu setzen, damit er konvertiere und damit das Hindernis für einen Vertrag mit den Sepah Pasdaran beseitigt werde. Darüber hinaus gehende Bedeutung kommt diesen Vorfällen jedoch nicht zu. Vor allem ist keine Vergleichbarkeit mit dem Fall Hofer gegeben, da der Berufungswerber mit der Krankenschwester überhaupt keine Kontakte hatte (was soll auf der kurzen Fahrt in dem Aufzug zwischen Kellergeschoss und Erdgeschoss schon passiert sein, wo der Berufungswerber selbst angab, dass er die Krankenschwester nicht einmal gegrüßt habe). Ein mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohender Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Berufungswerbers wird deswegen jedenfalls nicht gesehen, zumal der Berufungswerber - wie aus obigen Sachverhaltsfeststellungen zu entnehmen ist - auch kein strafgesetzwidriges Verhalten oder sonst ein Verhalten, dass Grund für Verfolgungsmaßnahmen hätte sein können, gesetzt hat.

Diese Einschätzung bestätigt auch das Faktum der völlig problemlosen Ausreise mit dem eigenen unverfälschten Reisepass des Berufungswerbers über den Flughafen Teheran-Mehrabad, wo es mehrfache und strenge Kontrollen gibt."

Darüber hinaus begründete die belangte Behörde, weshalb die erstinstanzliche Entscheidung auch in Bezug auf § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 Abs. 1 FrG zu bestätigen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde verneint eine asylrelevante Gefährdung des Beschwerdeführers - ausgehend davon, dass dessen Vorbringen der Wahrheit entspreche - im Wesentlichen deshalb, weil es zwischen dem Beschwerdeführer und der moslemischen Krankenschwester zu keinen sexuellen Kontakten gekommen sei und bei der gegebenen Sachlage, wie die belangte Behörde offenbar weiter ins Treffen führen will, auch niemand etwas anderes annehmen werde.

Als Begründung dafür, dass dem Beschwerdeführer nicht - wie insbesondere bei seiner erstinstanzlichen Einvernahme angegeben - unter Umständen sogar die Hinrichtung gedroht habe und im Falle der Rückkehr weiter drohe, greift diese Überlegung der belangten Behörde aber zu kurz. Sie setzt voraus, dass der iranische Staat den Beschwerdeführer vor einer unberechtigten und im Iran wohl auch nach Ansicht der belangten Behörde schwer wiegenden, im Interesse der "Sepah Pasdaran" ("Revolutionswächter") erhobenen Anschuldigung schützen und ihm Gelegenheit geben werde, sich in einem fairen Verfahren zu verteidigen, sodass den negativen Folgen der angedrohten wahrheitswidrigen Anzeige keine asylrelevante Intensität zukommen werde. Dies widerspräche diametral den Behauptungen des Beschwerdeführers und bedürfte schon deshalb einer näheren Begründung, die im angefochtenen Bescheid aber nicht enthalten ist. Der Hinweis auf die problemlose Ausreise des Beschwerdeführers ist mit Rücksicht darauf, dass die angedrohte Anzeige zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfolgt gewesen sein soll, ohne argumentativen Wert.

Ergänzend ist hinsichtlich der - von der belangten Behörde mit Recht nicht in Zweifel gezogenen - Anbindung an einen Konventionsgrund auf die den Iran betreffenden Erkenntnisse vom 27. September 2001, Zl. 99/20/0409, vom 16. April 2002, Zl. 2001/20/0361, und vom 17. September 2003, Zl. 2000/20/0033, (jeweils interkonfessionelle Lebensgemeinschaft bzw. Verlobung oder Ehe) sowie vom 17. Oktober 2002, Zl. 2000/20/0102, vom 24. April 2003, Zl. 2000/20/0278, und vom 17. September 2003, Zl. 99/20/0126, (jeweils wahrheitswidrige Vorwürfe außerehelicher Beziehungen bzw. Verfolgung wegen Ehebruchs) zu verweisen. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Drohung mit einer wahrheitswidrigen Anzeige und den daraus folgenden Nachteilen nach den Feststellungen der belangten Behörde dazu eingesetzt werden sollte, den Beschwerdeführer zur Förderung - wenngleich profaner - Interessen der iranischen "Revolutionswächter" zu einem Glaubensübertritt zu zwingen.

Der angefochtene Bescheid war daher auf Grund des dargestellten Begründungsmangels gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der beantragten Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abzusehen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das Mehrbegehren findet in diesen Vorschriften in Bezug auf die gesondert begehrte Umsatzsteuer sowie mit Rücksicht darauf, dass kein Verhandlungsaufwand entstanden ist, keine Deckung.

Wien, am 22. Oktober 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002200134.X00

Im RIS seit

14.11.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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