TE Vwgh Erkenntnis 2003/10/22 2001/20/0090

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Veröffentlicht am 22.10.2003
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ZustG §8 Abs1;
ZustG §8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des K in L, geboren am 10. Februar 1980, vertreten durch Mag. Franz Hintringer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Graben 28, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 13. Oktober 2000, Zl. 216.364/0-XII/05/00, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Asylangelegenheit (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, seinen Angaben zufolge ein Staatsangehöriger von Sierra Leone, reiste am 27. Jänner 2000 in das Bundesgebiet ein und stellte an diesem Tag einen Asylantrag. Die Ladung zu seiner ersten Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 21. Februar 2000 war an die Anschrift "Notquatier des BAL-Zimmer 11069, Lunzerstraße 42, 4030 Linz" gerichtet. In der Niederschrift über seine Einvernahme wurde als Adresse des Beschwerdeführers "unsteten Aufenthaltes" angeführt. Eine ausdrückliche Befragung des Beschwerdeführers nach seinem Aufenthalt geht aus der Niederschrift nicht hervor.

In einem Aktenvermerk des Bundesasylamtes vom 1. März 2000 wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer einerseits "laut Auskunft bei SOS-Mitmensch, Rudolfstraße 64, 4040 Linz nicht dort aufhältig (Anfrage 29.02.2000)" und andererseits "laut Auskunft der Fremdenpolizei Linz, Meldeabteilung, Frau S., ... auch nicht polizeilich in Linz gemeldet (Auskunft am 01.03.2000)" sei.

Mit Bescheid vom 2. März 2000 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z 2 Asylgesetz 1997 (AsylG) als offensichtlich unbegründet ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Sierra Leone zulässig sei. Auf der im Verwaltungsakt befindlichen Bescheidausfertigung wurde handschriftlich vermerkt "am 02.03.2000 im Akt hinterlegt". Ein Zustellversuch erfolgte nach der Aktenlage nicht.

Am 10. März 2000 legte der Beschwerdeführer dem Bundesasylamt per Fax einen Meldezettel vom 9. März 2000 vor, in dem als bisheriger Hauptwohnsitz "Notquartier" und als neuer Hauptwohnsitz die Adresse Lunzerstraße 54, 4030 Linz, angegeben wurden. Im Akt befindet sich weiters ein Vermerk, wonach dem Beschwerdeführer am 14. März 2000 eine Kopie des Bescheides vom 2. März 2000 ausgefolgt worden ist. Mit Schreiben vom 21. März 2000, zur Post gegeben am 24. März 2000, erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als verspätet zurück. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe es unterlassen, der Behörde erster Instanz nach einem Wechsel der Abgabestelle seine neue Adresse unverzüglich bekannt zu geben, wozu er gemäß § 8 Abs. 1 Zustellgesetz (ZustG) jedenfalls verpflichtet gewesen wäre. Da der Behörde erster Instanz bei Zustellung des Ladungsbescheides eine Abgabestelle bekannt gewesen sei, sei von einer Änderung der Abgabestelle gemäß § 8 Abs. 1 ZustG auszugehen, weil der Beschwerdeführer seinen eigenen Angaben bei der Vernehmung vom 21. Februar 2000 nach ("eigene Adresse: unsteten Aufenthaltes") diese offensichtlich verändert habe. Die Behörde erster Instanz habe in der Folge ordnungsgemäß eine "Zentralmeldeanfrage" durchgeführt (wie aus dem Aktenvermerk vom 1. März 2000 eindeutig hervorgehe) und darüber hinaus eine Auskunft bei SOS-Mitmensch Linz eingeholt, um eine Abgabestelle feststellen zu können. Da diese "(Melde)Anfragen" negativ verlaufen seien, sei seitens der Erstbehörde die Hinterlegung des Bescheides gemäß § 23 ZustG verfügt worden. Der mit 2. März 2000 im Akt der Behörde erster Instanz hinterlegte Bescheid gelte gemäß § 23 Abs. 4 ZustG als mit diesem Tag zugestellt. Die vorliegende Berufung sei erst am 21. März 2000 (laut Poststempel am 24. März 2000), somit nach Ablauf der gemäß § 32 Abs. 1 AsylG zehntägigen Rechtsmittelfrist, erhoben worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Gemäß § 8 Abs. 1 ZustG hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.

Gemäß § 8 Abs. 2 ZustG ist dann, wenn diese Mitteilung unterlassen wird und die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

Die Ermächtigung gemäß § 8 Abs. 2 ZustG, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, hat nicht nur zur Voraussetzung, dass die unverzügliche Mitteilung über die Änderung der Abgabestelle unterlassen wurde, sondern auch, dass eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Ohne - wenn auch durch "einfache Hilfsmittel" - versucht zu haben, die neue Abgabestelle auszuforschen, darf von § 8 Abs. 2 ZustG kein Gebrauch gemacht werden. Die durch § 8 Abs. 2 ZustG geschaffene Möglichkeit der einfachen Zustellung durch Hinterlegung bedeutet nicht, dass die Behörde den Versuch, mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln auf zumutbare Weise die neue Abgabestelle auszuforschen, unterlassen darf. Eine Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch ist folglich nur dann mit der Wirkung der Zustellung ausgestattet, wenn die Behörde ergebnislos den ihr zumutbaren und ohne Schwierigkeiten zu bewältigenden Versuch unternommen hat, eine (neue) andere Abgabestelle festzustellen. Daran ändert es auch nichts, wenn sich nachträglich herausstellen sollte, dass die der Behörde zumutbar gewesenen Ausforschungsversuche ergebnislos verlaufen wären. Eine Anfrage bei der Meldebehörde der letzten Abgabestelle stellt ein der Behörde zur Verfügung stehendes Mittel dar, um auf zumutbare Weise eine neue Abgabestelle auszuforschen (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 2003, Zl. 2002/01/0315, mwN).

Als Maßnahmen zur Feststellung einer Abgabestelle des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Aktenvermerk des Bundesasylamtes vom 1. März 2000 nur Anfragen an SOS-Mitmensch und an die Fremdenpolizei. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 19. Februar 2002, Zl. 2000/01/0113, auf dessen Begründung insoweit gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dargelegt hat, ist eine Anfrage an die Fremdenbehörde allein kein taugliches Mittel zur Erforschung einer Abgabestelle; erforderlich bleibt eine Anfrage bei der Meldebehörde, die im vorliegenden Fall - entgegen der Begründung des angefochtenen Bescheides - nach der Aktenlage nicht stattgefunden hat. Die verfügte Hinterlegung war somit schon deshalb rechtswidrig, weil das Bundesasylamt die ihm zumutbare und ohne Schwierigkeiten zu bewältigende Anfrage an die Meldebehörde unterlassen hat.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich die Auseinandersetzung mit der Frage, ob die belangte Behörde, ausgehend davon, dass der Beschwerdeführer schon im Zeitpunkt seiner Einvernahme "unsteten Aufenthaltes" gewesen sei, und im Hinblick auf den vom Beschwerdeführer vorgelegten Meldezettel überhaupt die "Änderung" einer "bisherigen Abgabestelle" als gegeben erachten konnte.

Der angefochtene Bescheid war aus den oben dargestellten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 22. Oktober 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001200090.X00

Im RIS seit

24.11.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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