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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hanslik, über die Beschwerde des P in J, vertreten durch Dr. Hans Lehofer, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kalchberggasse 8, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 7. März 2000, Zl. 146/7-DOK/99, betreffend Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung, nach der am 22. Oktober 2003 durchgeführten Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie den Ausführungen des Vertreters des Beschwerdeführers Mag. Bernhard Lehofer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stand als "OWm" (Postbeamter) in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er war im maßgebenden Tatzeitraum als Sprechstellenentstörer des Service-Bezirkes J tätig.
Mit (seit 2. August 1999) rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 29. Juli 1999, GZ EVr X, wurde der Beschwerdeführer des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahles nach den §§ 127, 130 (erster Deliktsfall, erste Alternative) StGB dahin gehend schuldig erkannt, er habe im Zeitraum von Anfang 1998 bis 7. Juni 1999 in J in zahlreichen Angriffen Verfügungsberechtigten der Telekom Austria AG fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeldbeträge in der Höhe von insgesamt S 20.000,-
- mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er die Tathandlungen in der Absicht vornahm, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen.
Er wurde hiefür zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen a S 300,-- das sind insgesamt S 72.000,-- verurteilt, wobei ein Teil der verhängten Geldstrafe von 120 Tagessätzen, das sind insgesamt S 36.000,--, unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
In dem sachgleichen, dieselbe Vorgangsweise betreffenden Disziplinarverfahren wurde der Beschwerdeführer mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 17. November 1999 für schuldig befunden, er habe - über seine strafgerichtliche Verantwortung hinaus - seine Dienstpflichten gemäß § 43 Abs. 1 und Abs. 2 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979) verletzt. Wegen dieser Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 91 BDG 1979 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 92 Abs. 1 Z. 3 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in Höhe von fünf Monatsbezügen unter Ausschluss der Kinderzulage verhängt.
Dagegen erhob der Disziplinaranwalt Berufung hinsichtlich des Strafausspruches.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Disziplinarerkenntnis der belangten Behörde vom 7. März 2000 wurde der Berufung des Disziplinaranwaltes Folge gegeben und über den Beschwerdeführer gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt.
Zur Begründung der über den Beschwerdeführer verhängten Disziplinarstrafe führte die belangte Behörde nach Darlegung der maßgebenden Rechtslage und Judikatur unter anderem folgendes aus:
"Der Beschuldigte hat mit der ihm angelasteten Vorgangsweise, die Gegenstand der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung war, das in ihn als Beamten der Post und Telekom Austria AG vom Dienstgeber entgegengebrachte Vertrauen gröblichst verletzt und damit gegen seine ihm auferlegten Dienstpflichten in schwerstwiegender Weise verstoßen. Die Bedeutung der Tat des Beschuldigten ist im vorliegenden Verfahren nicht aus strafrechtlicher, sondern aus disziplinärer Sicht zu beurteilen. Die Dienstpflichtverletzungen des Beschuldigten erschöpfen sich in Ansehung des schweren Vertrauensverlustes somit - wie die Erstinstanz richtig erkannte - nicht in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes. Die Disziplinarkommission gelangte bei der Prüfung der Frage, ob über den Beschuldigten zusätzlich zu der strafgerichtlich verhängten Geldstrafe im Ausmaß von 240 Tagessätzen a S 300,-- (das sind S 72.000,--), deren Vollzug unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren zum Teil (zur Hälfte) bedingt nachgesehen wurde, noch eine Disziplinarstrafe zu verhängen war, unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Recht zu der Auffassung, dass wegen der Art des Fehlverhaltens des Beschuldigten, vor allem wegen der engen Bindung seiner dienstlichen Stellung mit der Tätigkeit, die ihm die Gelegenheit zur strafbaren Handlung geboten hat, die Voraussetzungen für die Verhängung einer zusätzlichen Disziplinarstrafe gegeben sind.
...
Ein Beamter, der unter Ausnützung seiner dienstlichen Möglichkeiten und während seines Dienstes - so wie der Beschuldigte - wiederholt und gezielt durch missbräuchliche Verwendung eines Münzerschlüssels und widerrechtliche Manipulationen an Münzkassetten um des eigenen Vorteils willen, somit in Bereicherungsabsicht (die Disziplinarbehörden sind gemäß § 95 Abs. 2 BDG 1979 an die Feststellungen des Strafgerichtes auch zur subjektiven Tatseite gebunden) seine Dienstbehörde über einen Zeitraum von rund eineinhalb Jahren schädigt, ist grundsätzlich als Beamter nicht mehr tragbar, weil durch eine derartige Straftat nicht nur das für die Erfüllung der Aufgaben öffentlicher Verwaltungen unerlässliche Vertrauensverhältnis zu seinem Vorgesetzten und zu seinem Dienstgeber, sondern auch das Vertrauen der Allgemeinheit wesentlich zerstört wird. Denn der entscheidende Gesichtspunkt ist hiebei, dass sich die Verwaltung auf die Redlichkeit und Vertrauenswürdigkeit eines Beamten bei dessen Dienstausübung verlassen muss, weil die lückenlose Kontrolle eines Beamten nicht möglich ist. Im Fall einer derart starken und nachhaltigen Belastung des Vertrauensverhältnisses wird es in der Regel notwendig sein, den betreffenden Beamten aus dem Dienst zu entlassen.
...
Was im Übrigen die Heranziehung des Milderungsgrundes der vollständigen Wiedergutmachung nach Tatbegehung anlangt, so ist zunächst festzustellen, dass der Beschuldigte mehrmals deliktisch gehandelt hat und daher nicht von einer einmaligen unbedachten Gelegenheitstat ("Augenblickstat") gesprochen werden kann. Diesem Milderungsgrund könnte bei Wiedergutmachung der Tat vor ihrer Entdeckung daher allenfalls bei einem einmaligen Zugriff Relevanz zukommen, nicht aber bei mehrfachen Zugriffen in einem Zeitraum von eineinhalb Jahren. Zu erwähnen bleibt, dass im Bereich der Privatwirtschaft bereits geringere Verfehlungen zum Verlust des Arbeitsplatzes führen und von einem Beamten als Gegenleistung für die ihm gebotene soziale Sicherheit u.a. ein besonderes Maß an Treu und Integrität erwarten wird. Es war auch nicht außer Acht zu lassen, dass die Strafe lediglich die Folge der vom Beschuldigten selbst zu verantwortenden Handlungen ist und eine unangebrachte Milde der Disziplinarbehörden in der Öffentlichkeit und in der Kollegenschaft kein Verständnis fände."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, dass über ihn nicht die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt wird.
Er beantragt, eine mündliche Verhandlung beim Verwaltungsgerichtshof anzuberaumen und den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig "hinsichtlich des Ausspruches der Strafe insofern abzuändern, dass eine mildere Disziplinarstrafe nämlich eine Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Monatsbezügen verhängt werde zumindest aber das gegenständliche Verfahren an eine der Vorinstanzen rückverwiesen werde".
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahren (trotz gebotener Gelegenheit aber unter Hinweis auf die Begründung des angefochtenen Bescheides) ohne Erstattung einer Gegenschrift vor und beantragte, die Beschwerde unter Zuerkennung des Vorlageaufwandes kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung einer vom Beschwerdeführer beantragten öffentlichen mündlichen Verhandlung - zu der ein Vertreter der belangten Behörde nicht erschienen ist - erwogen:
Als Disziplinarstrafen sieht § 92 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333, (BDG 1979) neben Verweis, Geldbuße und Geldstrafe die Entlassung (als schwerste Disziplinarstrafe) vor.
Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.
Insoweit der Beschwerdeführer die strafgerichtliche Strafbemessung bzw. die im gerichtlichen Strafverfahren erfolgte Verhängung einer Strafe unter der Grenze des § 27 StGB für sich ins Treffen zu führen sucht, ist zu erwidern, dass dem gerichtlichen Strafurteil in dieser Hinsicht keine Bindungswirkung und auch sonst kein Einfluss auf die Bemessung der Disziplinarstrafe zukommt. Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer daher nicht auf, dass die erfolgte Verhängung der Disziplinarstrafe nicht gerechtfertigt wäre (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 28. September 2000, Zl. 98/09/0244, und die darin angegebene Judikatur).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 28. September 2000, Zl. 98/09/0043, und die darin angegebene Judikatur) dargelegt hat, ist die Disziplinarstrafe der Entlassung keine Strafe, die der Sicherung der Gesellschaft, der Resozialisierung des Täters oder gar der Vergeltung dient, sondern eine Strafe, die sich wesentlich auch als dienstrechtliche Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes darstellt. Im Vordergrund steht die Frage des durch die Verfehlung eingetretenen Vertrauensverlustes. Die Gründe für eine solche Unvereinbarkeit lassen sich nur den Anforderungen entnehmen, die das Dienstrecht an einen Beamten stellt. Wird dieser überhaupt nicht mehr der Achtung und dem Vertrauen gerecht, die seine Stellung als Beamter erfordert, hat er das Vertrauensverhältnis zwischen sich und der Verwaltung zerstört, dann kann er auch nicht mehr im Dienst verbleiben. Ist das gegenseitige Vertrauensverhältnis zerstört, fehlt es an der Grundlage für weitere Differenzierungen und Bemessungserwägungen. Verträgt die Funktion der staatlichen Verwaltung die Weiterbeschäftigung eines Beamten nicht mehr, dann auch nicht teilweise. Hier geht es nicht, wie beim Strafrecht um die Wiedereingliederung in die soziale Gemeinschaft, sondern um die weitere Tragbarkeit in einem besondern Dienstverhältnis. Auch wenn die Disziplinarstrafe der Entlassung nicht der Sicherung der Gesellschaft, der Resozialisierung des Täters oder gar der Vergeltung dient, so handelt es sich dabei doch um eine Strafe. Die Frage, ob durch die Verfehlung des Beamten das gegenseitige Vertrauensverhältnis zwischen diesem und der Verwaltung zerstört wurde, ist auf der Grundlage der Schwere der Dienstpflichtverletzung zu beurteilen. Auch hier hat die Disziplinarbehörde zunächst am Maß der Schwere der Dienstpflichtverletzung zu prüfen, ob die Verhängung der höchsten Strafe geboten ist. Hiebei hat sie sich gemäß § 93 Abs. 1 dritter Satz BDG 1979 an den nach dem StGB für die Strafbemessung maßgebenden Gründen zu orientieren und somit im Hinblick auf § 32 Abs. 1 StGB vom Ausmaß der Schuld des Täters als Grundlage für die Bemessung der Strafe auszugehen, wobei sie vor allem zu berücksichtigen hat, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und auf äußere Umstände und Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen nahe liegen könnte. Erst wenn eine an diesem - an der Modellfigur des mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Beamten orientierten - Maßstab erfolgte Beurteilung der Schwere der Dienstpflichtverletzung des Beamten ergibt, dass ein weiteres Verbleiben im Dienst untragbar geworden ist, fehlt es im Sinne der angeführten Rechtsprechung an der Grundlage für weitere Differenzierungen und Bemessungserwägungen dahingehend, ob im Sinne des § 93 Abs. 1 zweiter Satz BDG 1979 die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, ihn von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. In diesem Fall bleibt für spezialpräventive Erwägungen kein Raum (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 99/09/0042) .
In diesem Sinne erweist sich die im Beschwerdefall verhängte Disziplinarstrafe der Entlassung als gesetzmäßig. Ein Beamter, der wie vorliegend der Beschwerdeführer unter Ausnutzung seiner dienstlichen Möglichkeiten wiederholt (in einem Zeitraum von rund eineinhalb Jahren) vorsätzlich seine Befugnis, über einen Münzerschlüssel zu verfügen, missbraucht und sich widerrechtlich Zugang zu Münzkassetten von Telefonautomaten verschafft, um sich dadurch unrechtmäßig (gewerbsmäßig) zu bereichern, ist grundsätzlich nicht mehr tragbar, weil durch diese (fortgesetzten) Taten nicht nur das Vertrauensverhältnis zu seinen Vorgesetzten sondern auch das Vertrauen der Allgemeinheit zerstört wird. Der entscheidende Gesichtspunkt ist hierbei, dass sich die Verwaltung auf die Redlichkeit und Vertrauenswürdigkeit eines Beamten bei dessen Dienstausübung verlassen muss, weil eine lückenlose Kontrolle des Beamten nicht möglich ist. Dass dies gerade im Bereich der Post ein ganz wesentlicher Gesichtspunkt ist, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgeführt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2000, Zl. 97/09/0082, und die darin angegebenen Fälle sogenannter "ungetreuer Postbeamter").
Der Verwaltungsgerichtshof vermag dem Vorbringen in der Beschwerde, das Fehlverhalten des Beschwerdeführers sei "nicht gewichtig" bzw. "nicht schwerwiegend", um dafür die Disziplinarstrafe der Entlassung zu verhängen insbesondere auch vor dem Hintergrund der genannten bisherigen hg. Rechtsprechung nicht zu folgen. Der Beschwerdeführer vermag keine erheblichen Umstände des Falles darzutun, die geeignet wären, seine Untragbarkeit für das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis zu widerlegen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 22. Oktober 2003
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2000090110.X00Im RIS seit
26.11.2003