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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §6 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des T in G, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 22. März 2002, Zl. 226.911/0-V/13/02, betreffend § 6 Z 3 und § 8 Asylgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, reiste am 1. Dezember 2001 in das Bundesgebiet ein und stellte am 2. Dezember 2001 (bei der Bundespolizeidirektion Schwechat - Grenzübergangsstelle) einen Asylantrag (beim Bundesasylamt eingelangt am 3. Dezember 2001). Niederschriftlich führte der Beschwerdeführer vor der Grenzübergangsstelle aus, er habe die Türkei verlassen, weil er keine Arbeit bekomme und in wirtschaftlichen Nöten sei.
Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 25. Februar 2002 legte der Beschwerdeführer im Wesentlichen dar, er sei beschuldigt worden, Mitglied der PKK zu sein, und werde von der Polizei seit 15. November 2001 gesucht. Er sei beschuldigt worden, an einem Bombenanschlag beteiligt gewesen zu sein, als dessen Urheberin die PKK verdächtigt werde. 15 Tage lang sei er inhaftiert gewesen, und zwar sei er immer am Abend mitgenommen und am Tag wieder freigelassen worden. Der Beschwerdeführer legte ein (im Akt in Kopie enthaltenes) Schriftstück im Original vor, welches mit einem (laut Niederschrift) roten Stempel mit der Aufschrift "Republik Türkei, G. Antep Staatsanwaltschaft, Vorbereitungsbüro Vorbereitung" versehen ist. Darin ist "an alle Sicherheitseinheiten" geschrieben, dass der Beschwerdeführer nach türkischem Strafgesetz (Art. 168/2/55/3) in der gesamten Türkei auf Grund der Mitgliedschaft zur PKK und des Separatismus gegen die Türkei wegen Kampfhandlungen mit den Sicherheitskräften und des Verteilens von illegalen Mitteilungen gesucht werde. Der Beschwerdeführer gab an, dass dieses Schriftstück seiner Familie geschickt worden sei.
Mit Bescheid vom 26. Februar 2002 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers vom 13. (gemeint offensichtlich: 3.) Dezember 2001 gemäß § 6 Z 3 Asylgesetz als offensichtlich unbegründet ab und erklärte seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei gemäß § 8 Asylgesetz für zulässig. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, bei dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Schriftstück betreffend seine Verfolgung in der Türkei handle es sich ganz offensichtlich um kein von einer Behörde ausgestelltes Fahndungsersuchen. Auf Grund der Länderdokumentation sei die Ausstellung eines derartigen Schriftstückes in dieser Form nicht üblich bzw. werde eine derartige Fahndungsaufforderung nicht der Familie des zu Inhaftierenden zugestellt. Abgesehen davon, dass es völlig unlogisch sei, dass der Beschwerdeführer durch die Zustellung eines derartigen Schriftstückes vorgewarnt worden sei, werde ein Fahndungsersuchen niemals im Original übermittelt. Da das Beweismittel im Original vorgelegt worden sei, könne es sich dabei um keine behördliche Fahndungsaufforderung handeln. Zwischen den Aussagen des Beschwerdeführers am Flughafen Schwechat und vor dem Bundesasylamt sei es zu gravierenden Widersprüchen gekommen. Die Angaben zu den Festnahmen seien völlig allgemein und vage gehalten gewesen, und der Beschwerdeführer habe weder die genaue Anzahl noch die Zeiten nennen können. Es könne sich nur um eine frei erfundene Geschichte handeln, zumal es völlig unlogisch erscheine, dass die Polizei den Beschwerdeführer als im Zusammenhang mit der Begehung eines Kapitalverbrechens Verdächtigen ständig wieder auf freien Fuß gesetzt habe.
In seiner Berufung bekämpfte der Beschwerdeführer den Schluss, dass sein Vorbringen zu einer Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspreche, ohne dabei neue Sachverhaltselemente vorzubringen.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe seine Probleme mit den türkischen Behörden nicht in einem glaubhaften Licht erscheinen lassen können. Es sei ihm gänzlich unmöglich gewesen, klar und eindeutig darzulegen, wann bzw. wie oft er festgenommen bzw. inhaftiert gewesen sei. Vor der Behörde erster Instanz habe der Beschwerdeführer eine bloß "leere Rahmengeschichte" präsentiert, ohne diese durch Details zu substantiieren bzw. mit Leben zu erfüllen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers vor der Behörde erster Instanz stelle sich als Torso einer Fluchtgeschichte dar. Seine Angaben seien als blass und unvollständig bzw. gänzlich wirr und ohne klaren Duktus zu bezeichnen. Auf Grund der gravierenden Widersprüche in den Aussagen des Beschwerdeführers am Flughafen Schwechat und vor dem Bundesasylamt sowie der Tatsache, dass es ihm nicht gelungen sei, eine glaubhafte Fluchtgeschichte zu erzählen, sei seinem Vorbringen zu seinen Fluchtgründen gänzlich jegliche Glaubhaftigkeit zu versagen bzw. sei er als persönlich unglaubwürdig zu qualifizieren. Zu dem vom Beschwerdeführer vorgelegten, angeblich seiner Familie übermittelten behördlichen Schriftstück werde bemerkt, dass dieses - als zweifelhaft zu qualifizierende Schriftstück - keinen hinreichenden Hinweis auf eine tatsächliche, dem Antragsteller drohende Verfolgung darstelle. Es werde dazu auf die diesbezüglichen begründeten Ausführungen des erstinstanzlichen Bescheides verwiesen, und diese würden zum Inhalt des Berufungsbescheides erhoben.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 6 Asylgesetz sind Asylanträge als offensichtlich unbegründet abzuweisen, wenn sie eindeutig jeder Grundlage entbehren. Dies ist gemäß § 6 Z 3 Asylgesetz der Fall, wenn ohne sonstigen Hinweis auf Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat das Vorbringen der Asylwerber zu einer Bedrohungssituation offensichtlich den Tatsachen nicht entspricht.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfasst der Tatbestand des § 6 Z 3 Asylgesetz nur Fälle "qualifizierter Unglaubwürdigkeit", nicht jedoch solche einer "schlichten Unglaubwürdigkeit". Die Erfüllung des Tatbestandes des § 6 Z 3 Asylgesetz ist nur dann gegeben, wenn Umstände vorliegen, die besonders deutlich die Unrichtigkeit der erstatteten Angaben vor Augen führen. Es muss ummittelbar einsichtig ("eindeutig", "offensichtlich") sein, dass die abgegebene Schilderung tatsächlich wahrheitswidrig ist. Dieses Urteil muss sich gleichsam "aufdrängen", die dazu führenden Gesichtspunkte müssen klar auf der Hand liegen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 2003, Zl. 2002/01/0086).
Die genannten Anforderungen sind schon auf Grund der Würdigung des vom Beschwerdeführer vorgelegten Schriftstückes nicht erfüllt. Einerseits hat die belangte Behörde dieses Schriftstück - zum Unterschied von der Behörde erster Instanz - als "behördlich" bezeichnet, andererseits hat sie es (nur) "als zweifelhaft zu qualifizierend" angesehen und dargelegt, dass es "keinen hinreichenden Hinweis" auf eine Verfolgung darstelle.
Auch dadurch, dass die belangte Behörde die Würdigung dieses Schriftstückes durch die Behörde erster Instanz zum Inhalt ihres Bescheides erklärt hat (wodurch insofern ein Widerspruch entstanden ist, als die Behörde erster Instanz das Schriftstück nicht als "behördlich" qualifizierte), vermochte sie nicht ausreichend zu begründen, dass "offensichtliche" Tatsachenwidrigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers vorliegt. Die Behörde erster Instanz hat nämlich lediglich ausgeführt, dass "auf Grund der ho. Länderdokumentation" die Ausstellung eines derartigen Schriftstückes "in dieser Form nicht üblich" sei bzw. eine derartige Fahndungsaufforderung nicht der Familie des zu Inhaftierenden zugestellt werde. Die Behörde erster Instanz führte sodann aus, dass ein Fahndungsersuchen niemals im Original übermittelt werde, ohne jedoch anzugeben, auf Grund welcher Quellen sie zu dieser Aussage gelangte.
Weder aus der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides noch aus jener des angefochtenen Bescheides ergibt sich somit, dass das Offensichtlichkeitskalkül des § 6 Z 3 Asylgesetz hinsichtlich der vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunde (und damit aber auch hinsichtlich seines Vorbringens zu einer Bedrohungssituation) erfüllt ist (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2001, Zl. 2001/20/0442).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Die Abweisung des Mehrbegehrens betreffend die Umsatzsteuer beruht darauf, dass die Abgeltung der Umsatzsteuer bereits im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist.
Wien, am 22. Oktober 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002200241.X00Im RIS seit
11.11.2003