TE Vwgh Erkenntnis 2003/10/22 2000/20/0366

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Veröffentlicht am 22.10.2003
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des A in G, geboren 1958, vertreten durch Dr. Werner Thurner und Dr. Peter Schaden, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Sporgasse 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 26. Juli 2000, Zl. 209.524/0- III/07/99, betreffend § 7 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991, 20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Ghana, reiste am 17. Jänner 1996 in das Bundesgebiet ein und ersuchte um Asyl. Vor dem Bundesasylamt gab er dazu an, er habe in seiner Heimat die Funktion des Vorsitzenden einer Unterorganisation der NCP, der früheren Oppositionspartei Ghanas, innegehabt. Seine Partei habe ursprünglich mit der Führungspartei des ghanesischen Präsidenten Rawlings zusammengearbeitet. Im Dezember 1995 sei es zwischen dem Vizepräsidenten der Partei des Beschwerdeführers und dem Präsidenten von Ghana zu einer Meinungsverschiedenheit gekommen. Um die Partei von Rawlings unpopulär zu machen, sei der Beschwerdeführer von seiner Parteileitung aufgefordert worden, einen Aufmarsch in Agona zu organisieren. Nach dieser Demonstration am 30. Dezember 1995, an der 45 oder 50 Personen teilgenommen hätten, hätten maskierte Männer den Beschwerdeführer in der Nacht aufgesucht und geschlagen. Später sei die Polizei gekommen und habe den Beschwerdeführer festgenommen und ihm die Diskreditierung der Regierung vorgeworfen. Aus der zweiwöchigen Haft sei der Beschwerdeführer freigekommen, weil Parteifreunde eine Kaution für ihn bezahlt hätten. Im Fall seiner Rückkehr nach Ghana befürchte der Beschwerdeführer von "geheimen Killern" Rawlings getötet zu werden.

Mit Bescheid vom 1. März 1996 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 des Asylgesetzes 1991 ab. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung. Eine gegen den in der Folge erlassenen Berufungsbescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. April 1997 erhobene Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 24. März 1999, Zl. 97/01/0476, gemäß § 44 Abs. 3 AsylG zurück.

Im zufolge § 44 Abs. 2 leg. cit. wieder offenen Berufungsverfahren führte die belangte Behörde am 26. Juli 2000 eine Berufungsverhandlung durch. Dabei erläuterte der Beschwerdeführer, man könne in Ghana wegen Handlungen gegen die Regierung vor Gericht kommen. Es könne aber auch geschehen, dass man von geheimen Kommandos umgebracht werde, noch bevor man vor Gericht gestellt werde. Die maskierten Männer, die den Beschwerdeführer nach der Demonstration verprügelt und verhaftet hätten, hätten ihn anschließend der Polizei übergeben. Über Vorhalt verschiedener Länderberichte zur Situation in Ghana entgegnete der Beschwerdeführer, insbesondere kleine Parteimitglieder in den Dörfern würden von den Leuten der Regierung Rawlings umgebracht, wenn sie sich gegen dessen Partei aussprächen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab. In ihrer Sachverhaltsfeststellung ging sie begründend von den Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Herkunft, zu dessen Mitgliedschaft bei der Oppositionspartei und bezüglich der von ihm organisierten Demonstration, wegen der er geschlagen und danach inhaftiert gewesen sei, aus. Unter Bezugnahme auf Länderberichte aus den Jahren 1994 bis 1998 stellte die belangte Behörde weiters fest, dass in Ghana beginnend mit dem Jahr 1992 eine Entwicklung zu demokratischen und rechtsstaatlichen Strukturen begonnen habe. So sei seit dem Außerkrafttreten repressiver Gesetze im September 1992 und dem Inkrafttreten einer neuen Verfassung am 7. Jänner 1993 "zumindest de jure" eine wesentliche Verbesserung der Menschenrechtslage garantiert und es "schienen" Strafverfolgungs- und Repressionsmaßnahmen aus politischen Gründen nicht mehr gesetzt zu werden. Einem Bericht des österreichischen Außenministeriums vom März 1997 sei zu entnehmen, dass der österreichischen Botschaft in Ghana keine Umstände bekannt geworden seien, die im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention als Rechtfertigung für die Gewährung von politischem Asyl dienen könnten. Unter weiterer Bezugnahme auf Berichte des U.S. Department of State aus den Jahren 1997 und 1998, nach denen im Heimatstaat des Beschwerdeführers keine Anzeichen für politisch motivierte Verfolgung erkennbar seien, gelangte die belangte Behörde zur Ansicht, die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Gefahr bestehe angesichts der geänderten politischen Verhältnisse in Ghana "aktuell nicht".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der Beschwerdeführer macht in der Beschwerde im Wesentlichen geltend, die belangte Behörde habe ihre im Juli 2000 getroffene Berufungsentscheidung und ihre Ansicht über eine für den Beschwerdeführer aktuell nicht mehr bestehende Verfolgungsgefahr in Ghana lediglich auf Berichte gestützt, deren jüngster aus dem Jahre 1998 stammt. In diesem Zusammenhang verweist die Beschwerde konkret auf aktuelle Länderberichte von Amnesty International aus den Jahren 1999 und 2000. Diese sprächen von der Inhaftierung möglicherweise gewaltloser politischer Gefangener, der Verhaftung und strafrechtlichen Verfolgung von Journalisten wegen angeblicher Verleumdung von Mitgliedern der Regierung und von der gerichtlichen Zulassung von erwiesenermaßen durch Schläge und Misshandlungen zustandegekommenen Aussagen als Beweismittel. Wenn die belangte Behörde daher ihre Entscheidung auf Berichte stütze, die zuletzt aus dem Jahr 1998 stammten, so habe sie eine mehr als einjährige Entwicklung des Heimatstaates des Beschwerdeführers außer Acht gelassen.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg:

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass sich der unabhängige Bundesasylsenat laufend über asylrechtlich maßgebliche Entwicklungen auf dem neuesten Stand zu halten hat. Die belangte Behörde hat daher ihren Bescheiden die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Beweismittel zugrundezulegen. Diesen Anforderungen wird die belangte Behörde jedenfalls dann nicht gerecht, wenn die herangezogenen Berichte, wie im vorliegenden Fall, im Zeitpunkt der Bescheiderlassung durchwegs älter als ein Jahr waren (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/01/0197, vom 3. Juli 2003, Zl. 2001/20/0040 und zuletzt vom 17. September 2003, Zl. 2001/20/0177).

Da nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei Berücksichtigung von im Bescheiderlassungszeitpunkt aktuellen Länderberichten zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 22. Oktober 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000200366.X00

Im RIS seit

13.11.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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