TE Vwgh Erkenntnis 2003/10/22 99/20/0153

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Veröffentlicht am 22.10.2003
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Index

25/02 Strafvollzug;

Norm

StVG §107 Abs1 Z7;
StVG §26 Abs1;
StVG §44;
StVG §54 Abs3 idF 1993/799;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Berger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, in der Beschwerdesache des N in S, vertreten durch Dr. Ferdinand Weber, Rechtsanwalt in 3500 Krems, Ringstraße 50, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 23. Dezember 1998, Zl. 401.761/18-V.61998, betreffend eine Angelegenheit des Strafvollzuges, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer verbüßte auf Grund mehrerer Verurteilungen in der Justizanstalt Graz-Karlau eine mehrjährige Freiheitsstrafe. Am 23. März 1999 wurde er in die Justizanstalt Stein verlegt.

Ab 1. April 1998 wurde der Beschwerdeführer in der Justizanstalt Graz-Karlau als "Beamtenfriseur" zur Arbeit herangezogen. Für Strafgefangene, denen diese Arbeit zugewiesen wurde, ist für die Bewegung im Freien während der Woche die Zeit von 11.30 bis 12.30 Uhr vorgesehen. Für den Großteil der übrigen in der Justizanstalt Graz-Karlau Inhaftierten findet die Bewegung im Freien hingegen während der Woche zwischen 15.00 und 16.00 Uhr statt.

Am 22. April 1998 ersuchte der Beschwerdeführer darum, die tägliche Bewegung im Freien wieder gemeinsam mit den anderen Insassen um 15.00 Uhr vornehmen zu dürfen. Laut Aktenvermerk eines Angehörigen des Justizwachekommandos der Justizanstalt Graz-Karlau vom 22. April 1998 wurde diesem Ersuchen des Beschwerdeführers "aus Sicherheitsgründen" nicht Folge gegeben, worauf der Beschwerdeführer geäußert habe, dass er nicht mehr als Beamtenfriseur tätig sein wolle, und um sofortige Ablösung von dieser Tätigkeit ersucht habe. Weiters wird in diesem Aktenvermerk festgehalten: "Der Leiter des Wirtschaftsbereiches wird ersucht,

dem genannten Insassen die ihm ... gewährte Vergünstigung

(Eigengeldausspeise) sowie die Arbeitsvergütung ... zu entziehen."

Im Hinblick auf die daraufhin erfolgte Ablösung des Beschwerdeführers als Beamtenfriseur verfügte der Leiter des Wirtschaftsbereiches der Justizanstalt am 23. April 1998, dem Beschwerdeführer keine Unbeschäftigtenvergütung gemäß § 54 Abs. 3 StVG zukommen zu lassen.

Am 21. Juni 1998 erhob der Beschwerdeführer eine Administrativbeschwerde an den Leiter der Justizanstalt Graz-Karlau, in der er Folgendes ausführte:

"Als Beamtenfriseur ließ ich mich in beiderseitigem Einverständnis ablösen, nachdem ich in der Zeit meines Spazierganges erheblich benachteiligt wurde.

Als dann der Standfriseur vakant wurde, ersuchte ich um Arbeitseinteilung als Standfriseur an, dies mir jedoch abgelehnt wurde. Hier ist somit festzuhalten, dass ich Arbeitswilligkeit gezeigt habe und es weiterhin auch bin - eine weitere Arbeitseinteilung erfolgte durch die hg. Zuständigkeit allerdings nicht!

Mir wurde hiermit ungerechtfertigt die Unbeschäftigte von S ... ohne Beschluss und Vorankündigung aberkannt. ..."

Am 26. Juni 1998 teilte der Anstaltsleiter dem Beschwerdeführer mit, dass seiner Beschwerde vom 21. Juni 1998 keine Folge gegeben werde.

Gegen die Entscheidung vom 26. Juni 1998 richtete der Beschwerdeführer am 28. Juni und 16. Juli 1998 Administrativbeschwerden an den Bundesminister für Justiz (die belangte Behörde). Darin brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er habe sich "im beiderseitigen Einverständnis" von der Arbeit als Beamtenfriseur ablösen lassen, weil er "in der Zeit meines Spazierganges beeinträchtigt und benachteiligt" worden sei. Er habe am 26. Mai 1998 um Arbeitseinteilung (als "Standfriseur") ersucht, sodass festzuhalten sei, dass er sich arbeitswillig gezeigt habe.

Der Leiter der Justizanstalt Graz-Karlau nahm über Ersuchen der belangten Behörde zu dieser Beschwerde mit Schreiben vom 21. Dezember 1998 u.a. dahingehend Stellung, dass der Beschwerdeführer niederschriftlich befragt angegeben habe, dass die Nichtzuerkennung der Unbeschäftigtenvergütung ihm erst am 16. Juni 1998 im Zuge des Ankaufes von Nahrungs- und Genussmitteln zur Kenntnis gelangt sei. Zur Behauptung des Beschwerdeführers, er habe am 26. Mai 1998 um Arbeitseinteilung (als "Standfriseur") angesucht, führte der Anstaltsleiter aus, dies sei zutreffend, dem Ansuchen habe jedoch "aus Sicherheitsgründen" mit Entscheidung vom 28. Mai 1998 nicht stattgegeben werden können. Am 26. Juni 1998 sei dem Beschwerdeführer Arbeit in der Wäscherei bzw. Weberei angeboten worden, er habe jedoch diese Arbeit nicht angenommen. Seit 23. Juli 1998 sei der Beschwerdeführer nunmehr in der Küche tätig. Die erwähnten "Sicherheitsgründe" wurden in einer bereits am 25. November 1998 eingebrachten Stellungnahme von der Anstaltsleitung dahingehend erläutert, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner Tätigkeit einem Hausarbeiter gleichzusetzen gewesen sei und Hausarbeiter die Bewegung im Freien zu anderen Zeiten als die übrigen Insassen absolvierten.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Administrativbeschwerde keine Folge gegeben. Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe vorsätzlich aus Gründen, die im Gesetz keine Deckung fänden, die ihm zugewiesene Arbeit nicht erbracht. Die Nichtgewährung der Unbeschäftigtenvergütung gemäß § 54 Abs. 3 StVG sei zu Recht erfolgt. Soweit der Beschwerdeführer vermeine, seine Arbeitswilligkeit durch das Ansuchen vom 28. (richtig: 26.) Mai 1998 dokumentiert zu haben, sei er darauf hinzuweisen, dass er sich gegen die abweisliche Entscheidung nicht an den Anstaltsleiter gewandt habe und die ihm in der Folge angebotene Arbeitseinteilung in die Wäscherei oder Weberei nicht angenommen habe. Grundsätzliche Arbeitswilligkeit zeige sich aber durch die Bereitschaft, jede angebotene Arbeit zu verrichten.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Zuerkennung der Unbeschäftigtenvergütung gemäß § 54 Abs. 3 StVG verletzt. Er sei nicht auf Grund eines ihm vorwerfbaren Verhaltens unbeschäftigt gewesen; seine Nichtbeschäftigung sei vielmehr "das Resultat mangelnder Bemühungen seitens der Anstaltsleitung, mir eine angemessene und für mich mit keinem über das Strafübel an sich hinausgehenden Übel verbundene Tätigkeit zu beschaffen". Die Tätigkeit als Beamtenfriseur habe es auf Grund der Zeiteinteilung für die Bewegung im Freien mit sich gebracht, dass der Beschwerdeführer nicht mehr an dem von ihm früher geübten Tischtennistraining habe teilnehmen können und mit anderen Strafgefangenen keinen Kontakt mehr habe pflegen können, was für ihn "zweifelsohne ein Übel" dargestellt habe. Die Anstaltsleitung sei seinem Wunsch auf Entbindung von der Arbeit als Beamtenfriseur unverzüglich "nachgegangen", eine andere Arbeit sei ihm jedoch, obwohl er "mehrmals darum ersuchte", nicht zugeteilt worden. Die belangte Behörde habe sich mit den vom Beschwerdeführer geltend gemachten, durchaus im Einklang mit dem Strafvollzugsgesetz stehenden Gründen für sein Ersuchen um Änderung seiner Hofgehzeiten als Beamtenfriseur sowie danach um Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz nicht ausreichend auseinander gesetzt.

Die für den Beschwerdefall maßgeblichen §§ 26 Abs. 1, 44, 47 Abs. 1, 51 und 54 Abs. 3 des Strafvollzugsgesetzes (StVG), BGBl. Nr. 144/1969 (§ 54 leg. cit. in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung BGBl. Nr. 799/1993) lauten auszugsweise:

"Allgemeine Pflichten der Strafgefangenen

§ 26. (1) Die Strafgefangenen haben den Anordnungen der im Strafvollzug tätigen Personen Folge zu leisten. Sie dürfen die Befolgung von Anordnungen nur ablehnen, wenn die Anordnung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstößt oder die Befolgung dagegen verstoßen oder offensichtlich die Menschenwürde verletzen würde.

...

Bewegung im Freien

§ 43. Wenn es die Witterung gestattet, haben sich Strafgefangene, die nicht im Freien arbeiten, täglich, andere Strafgefangene an arbeitsfreien Tagen eine Stunde im Freien zu bewegen. ... In der für die Bewegung im Freien bestimmten Zeit ist eine sportliche Betätigung zu gestatten, soweit dies nach den zur Verfügung stehenden Einrichtungen möglich ist und nach dem Alter und Gesundheitszustand des Strafgefangenen angemessen erscheint. ...

Arbeitspflicht

§ 44. (1) Jeder arbeitsfähige Strafgefangene ist verpflichtet Arbeit zu leisten.

(2) Zur Arbeit verpflichtete Strafgefangene haben die Arbeiten zu verrichten, die ihnen zugewiesen werden. Zu Arbeiten, die für die Strafgefangenen mit einer Lebensgefahr oder Gefahr schweren Schadens an ihrer Gesundheit verbunden sind, dürfen sie nicht herangezogen werden.

Arbeitszuweisung

§ 47. (1) Bei der Zuweisung der Arbeit ist auf den Gesundheitszustand, das Alter, die Kenntnisse und Fähigkeiten des Strafgefangenen, die Dauer der Strafe, das Verhalten des Strafgefangenen im Vollzuge und sein Fortkommen nach der Entlassung, endlich auch auf seine Neigungen angemessene Rücksicht zu nehmen. Die Art der Beschäftigung darf nur geändert werden, wenn es zur sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Führung der Anstalt geboten ist.

...

Arbeitsertrag und Arbeitsvergütung

§ 51. ...

(2) Strafgefangene, die eine befriedigende Arbeitsleistung erbringen, haben für die von ihnen geleistete Arbeit eine Arbeitsvergütung zu erhalten.

(3) Bei unbefriedigender Arbeitsleistung eines Strafgefangenen, die auf Bosheit, Mutwillen oder Trägheit zurückzuführen ist, ist die Arbeitsvergütung nach vorangegangener Ermahnung in einem der Leistungsminderung entsprechenden Ausmaß zu kürzen oder zu entziehen.

Hausgeld und Rücklage

§ 54. ...

(3) Kann der Strafgefangene ohne sein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verschulden keine Arbeitsvergütung bekommen, so sind ihm monatlich im Nachhinein ein Betrag von fünf vH der niedrigsten Arbeitsvergütung als Hausgeld gutzuschreiben."

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, ob der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall Anspruch auf Gutschrift des in § 54 Abs. 3 StVG genannten Betrages als Hausgeld ("Unbeschäftigtenvergütung") hatte oder nicht. Die Nichtzuerkennung dieses Betrages für den gegenständlichen Zeitraum wäre rechtmäßig, wenn der Grund dafür, dass der Beschwerdeführer nicht gearbeitet hat, von ihm vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldet wurde (§ 54 Abs. 3 StVG). Als Grund für sein Ersuchen um Ablösung als Beamtenfriseur hat der Beschwerdeführer in der Beschwerde u.a. angeführt, er habe sich auf Grund der Verrichtung dieser Arbeit und der damit verbundenen zeitlichen Einteilung seines Hofganges nicht mehr an der von ihm früher geübten sportlichen Betätigung (Tischtennis) beteiligen können. Weiters führte er schon in seiner Administrativbeschwerde aus, die Ablösung von seiner Arbeit als Beamtenfriseur sei "im beiderseitigen Einverständnis" erfolgt.

Aus dem Aktenvermerk vom 22. April 1998 ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer zunächst um zeitliche Verlegung seines Hofganges ersuchte und, als diesem Ersuchen nicht Folge gegeben wurde, sich dahingehend äußerte, "dass er nicht mehr als Beamtenfriseur tätig sein will" und darum "ersuchte", ihn von dieser Tätigkeit sofort abzulösen.

In der vorliegenden Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer den "Wunsch" bzw. die "Bitte" geäußert habe, von der Arbeit als Beamtenfriseur abgelöst zu werden und "einen anderen Arbeitsbereich zugeteilt zu erhalten". Bei einem solchen Ersuchen, dem offenbar von der Anstaltsleitung - allerdings nur in Bezug auf die Ablösung von der bisherigen Arbeit - nachgekommen wurde, ohne dass eine Abmahnung oder Verhängung einer Ordnungsstrafe gemäß § 107 Abs. 1 Z 7 StVG aktenkundig wäre, könnte nicht von einer Verweigerung der Arbeitspflicht gemäß § 44 StVG sowie einem Verstoß gegen die allgemeine Gehorsamspflicht gemäß § 26 Abs. 1 leg. cit. ausgegangen werden. Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer in seiner Administrativbeschwerde auch behauptet hat, die Ablöse sei "im beiderseitigen Einverständnis" erfolgt - sodass dem Beschwerdeführer zunächst keine Arbeit zugewiesen worden war - hätte die belangte Behörde nicht ohne Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen und nähere Feststellungen, ob der Beschwerdeführer etwa in der Folge eine ihm zugewiesene Arbeit verweigerte, davon ausgehen dürfen, dass der Beschwerdeführer "vorsätzlich aus Gründen, die im Gesetz keine Deckung finden, nicht bereit war, die ihm zugewiesene Arbeit zu erbringen".

Die Unbeschäftigtenvergütung gemäß § 54 Abs. 3 StVG ist dann zu bezahlen, wenn der Strafgefangene ohne sein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verschulden keine Arbeitsvergütung bekommen kann. Da auf Grund des dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegten Sachverhaltes nicht feststeht, ob die - wenn auch auf Wunsch des Beschwerdeführers erfolgte - Enthebung von der ihm zunächst zugewiesenen Arbeit tatsächlich dazu führte, dass der Beschwerdeführer bereits ab dem 23. April 1998 - wie die belangte Behörde meint - "vorsätzlich" nicht bereit gewesen ist, eine ihm zugewiesene Arbeit zu erbringen, war der angefochtene Bescheid infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG aufzuheben, ohne dass auf die in der Beschwerde relevierte Frage, ob sich der Beschwerdeführer weigern durfte, die ihm ursprünglich zugewiesene Arbeit als "Beamtenfriseur" weiter zu verrichten, einzugehen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 22. Oktober 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:1999200153.X00

Im RIS seit

14.11.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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