TE Vwgh Erkenntnis 2003/10/28 2002/11/0175

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Veröffentlicht am 28.10.2003
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E6J;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;

Norm

61977CJ0106 Simmenthal 2 VORAB;
62000CJ0294 Gräbner VORAB;
AusbildungsvorbehaltsG 1996 §1;
AusbildungsvorbehaltsG 1996 §2;
EURallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:* Ausgesetztes Verfahren: 2000/11/0108 B 4. Oktober 2000 * EuGH-Entscheidung: EuGH 62000CJ0294 11. Juli 2002 Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2002/11/0176 2002/11/0177 2002/11/0180 2002/11/0179 2002/11/0178

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerden des Dkfm. E in M, vertreten durch Dr. Reinhard Ratschiller, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Imbergstraße 22, gegen die Bescheide 1. des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 23. Oktober 1998, Zl. UVS- 06/42/00528/98 (hg. Zl. 2002/11/0175), 2. des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 3. August 1998, Zl. 1- 692 bis 1-0694/97/E2 (hg. Zl. 2002/11/0176), 3. des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 13. Mai 1998, Zl. UVS-06/18/00317/98 (hg. Zl. 2002/11/0177), 4. des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 31. Oktober 1997, Zl. UVS-06/46/00491/97 (hg. Zl. 2002/11/0178), 5. des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 17. April 2000, Zl. uvs-1999/14/139-1 (hg. Zl. 2002/11/0179), und 6. des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 28. September 2000, Zl. uvs-2000/2/041-4 (hg. Zl. 2002/11/0180), jeweils betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Ausbildungsvorbehaltsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

1. Die Beschwerden gegen die oben unter 1., 2. und 5. genannten Bescheide werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund in diesen Beschwerdeverfahren Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 381,90 (insgesamt also EUR 1.145,70) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. Die oben unter 3., 4. und 6. bezeichneten Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer in diesen Beschwerdeverfahren Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.172,88 (insgesamt also EUR 3.518,64) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit den angefochtenen Bescheiden wurde über den Beschwerdeführer jeweils wegen einer Übertretung des § 1 des Ausbildungsvorbehaltsgesetzes eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

1.1. Im Berufungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 23. Oktober 1998 wurde ihm angelastet, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen Berufener der P. GmbH zu verantworten, dass diese am 2. Jänner 1998 in einer näher genannten Tageszeitung ein Inserat eingeschaltet habe, in dem unter anderem die Ausbildung zum Heilpraktiker beworben worden sei.

1.2. Im Berufungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 3. August 1998 wurde dem Beschwerdeführer angelastet, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das zur Vertretung nach außen berufene Organ der P. GmbH (mit Sitz in München) zu verantworten, dass in der Ausgabe einer näher genannten Tageszeitung vom 8. März 1997 für die Ausbildung zum Naturpraktiker bzw. Heilpraktiker geworben worden sei.

1.3. Im Berufungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 13. Mai 1998 wurde dem Beschwerdeführer angelastet, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen Berufener der P. GmbH zu verantworten, dass am 13. Mai 1997 an einer näher bezeichneten Adresse in Wien durch das Aushändigen eines Prospektes ("Studienziel Heilpraktiker D., Naturpraktiker A.") durch Mag. G. an Mag. H. die Ausbildung zum Heilpraktiker für Deutschland und zum Naturheilpraktiker für Österreich angeboten worden sei, wobei die Ausbildung zu solchen Tätigkeiten ausschließlich den nach § 1 Abs. 1 Ausbildungsvorbehaltsgesetz vorgesehenen Einrichtungen obliege.

1.4. Im Berufungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 31. Oktober 1997 wurde dem Beschwerdeführer angelastet, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen Berufener der P. GmbH zu verantworten, dass am 6. März 1997 in den Studienräumen der Schule an einer näher genannten Adresse in Wien eine Lehrveranstaltung zur Ausbildung zum Heilpraktiker (Kollegstufe I.) abgehalten worden sei, die den Unterricht über klinische Symptome und Therapien verschiedener Krankheitsbilder enthalten habe, und Anmeldeformulare für bestimmte Sonderseminare für Homöopathie sowie weitere näher genannte Therapien aufgelegen seien.

1.5. Im Berufungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 17. April 2000 wurde dem Beschwerdeführer angelastet, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der P. GmbH in München zu verantworten, dass von der genannten Gesellschaft zumindest vom 20. November 1996 bis zum 15. Oktober 1997 in einer näher bezeichneten periodischen Druckschrift Werbung für Kurse zur Ausbildung zum Heilpraktiker gemacht und dadurch versucht worden sei, Ausbildungen zu einer Tätigkeit anzubieten, die gemäß § 1 Ausbildungsvorbehaltsgesetz ausschließlich den dafür vorgesehenen Einrichtungen obliege.

1.6. Im Berufungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 28. September 2000 wurde dem Beschwerdeführer angelastet, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der P. GmbH zu verantworten, dass dieses Unternehmen in der Zeit vom 1. September 1999 bis 27. März 2000 in Innsbruck näher bezeichnete Lehrinhalte im Rahmen von Lehrveranstaltungen mit dem Ziel der Ausbildung für die Ausübung auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründeter Tätigkeiten, die unmittelbar an Menschen oder unmittelbar für Menschen ausgeführt werden, also Tätigkeiten, die durch das Ärztegesetz 1998 geregelt seien, angeboten worden seien.

2.1. Gegen die im Spruch unter 1. bis 4. (bzw. zuvor unter 1.1. bis 1.4.) genannten Bescheide erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

Mit dem Erkenntnis vom 15. März 2000, B 2767/97 u.a., Slg. Nr. 15.766, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass der Beschwerdeführer durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden sei, und wies die Beschwerden (sowie zwei Beschwerden eines anderen Beschwerdeführers gegen gleichartige Bescheide) ab.

Der Verfassungsgerichtshof führte in der Begründung dieses Erkenntnisses u.a. aus, er habe keine Bedenken dagegen, dass der Gesetzgeber, der die Ausübung der Heilkunde den Ärzten vorbehalten und den Beruf eines Heilpraktikers nicht zugelassen habe, dementsprechende Beschränkungen auch hinsichtlich der Ausbildung zu diesem Beruf vorsehe, wie sie im Ausbildungsvorbehaltsgesetz enthalten seien. Es sei nämlich auf Grund des Zusammenhanges zwischen berufsrechtlicher Regelung und Ausbildungsregelung sowohl unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 als auch unter jenem des Art. 17 Abs. 2 StGG verfassungsrechtlich zulässig, die Ausbildungsvorschriften an den jeweiligen Berufsbildern zu orientieren, und es sei insoweit folgerichtig, die Ausbildung zu Tätigkeiten im Sinne des in Österreich nicht zugelassenen Berufes eines Heilpraktikers ausschließlich der ärztlichen Ausbildung vorzubehalten. Dabei mache es keinen Unterschied, ob die Ausbildung zu einem nicht zugelassenen Beruf im Ganzen oder in einzelnen (Teil-)Lehrgängen angeboten werde. Eine auf Art. 47 Abs. 2 (ex Art. 57) EG gestützte Richtlinie zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsländer betreffend arztähnliche Berufe gebe es derzeit nicht, sodass im Sinne des Urteiles des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften in der Rechtssache Bouchoucha (Rs C-61/89, Urteil vom 3. Oktober 1990, Slg. 1990 S. I- 3551) weiterhin davon auszugehen sei, dass Österreich gemeinschaftsrechtlich zulässigerweise Tätigkeiten, wie sie in Deutschland zugelassene Heilpraktiker verrichten, den Ärzten vorbehalte. Auf Grund des aus Art. 47 EG sich ergebenden engen Zusammenhanges zwischen Berufsausbildung einerseits und Berufszulassung bzw. Berufsausübung andererseits verstoße es auch nicht gegen das Gemeinschaftsrecht, die Ausbildung zu (Teil-)Tätigkeiten des ärztlichen Berufes in jener Weise der ärztlichen Ausbildung vorzubehalten, wie dies im Ausbildungsvorbehaltsgesetz vorgesehen sei.

2.2. Über Antrag des Beschwerdeführers trat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 17. April 2000, B 2767/97 u. a., die Beschwerden gegen die oben unter 1. bis 4. genannten Bescheide gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Beschwerdeführer hat diese Beschwerden im verwaltungsgerichtlichen Verfahren verbessert.

2.3. Gegen die oben unter 5. und 6. genannten (nach dem zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. März 2000 erlassenen) Bescheide erhob der Beschwerdeführer unmittelbar Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

2.4. Die belangten Behörden haben in sämtlichen Beschwerdeverfahren die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragen in ihren Gegenschriften die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

2.5. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 36 Abs. 8 zweiter Satz VwGG weitere Schriftsätze erstattet.

3.1. Der Oberste Gerichtshof hatte als Revisionsgericht im Rahmen eines zivilgerichtlichen Verfahrens, in dem das vereinbarte Entgelt aus einem Vertrag über die Heilpraktikerausbildung eingeklagt wurde, die Frage zu beurteilen, ob die Vereinbarung im Hinblick auf den Verstoß gegen das Ausbildungsvorbehaltsgesetz nichtig ist oder ob auf Grund gemeinschaftsrechtlicher Normen die Ausübung des Heilpraktikerberufes in Österreich und die Ausbildung dazu zulässig sind. Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Juli 2000 zu 8 Ob 284/99v den Beschluss gefasst, das Verfahren bis zum Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften auszusetzen und diesem Gerichtshof gemäß Art. 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

"Kann weiterhin, insbesondere nach Erlassung der zweiten allgemeinen Anerkennungs-Richtlinie, 92/51/EWG, ein Mitgliedsstaat eine arztähnliche Tätigkeit wie die eines Heilpraktikers nach dem deutschen Heilpraktikergesetz, RGBl I 251/1939 in der geltenden Fassung, den Inhabern eines Ärztediploms vorbehalten oder steht dem nunmehr insbesondere Art. 43 EG (ex 52 EGV) über die Niederlassungsfreiheit und Art. 50 EG (ex 60 EGV) über den freien Dienstleistungsverkehr entgegen?

Stehen die genannten europarechtlichen Normen nationalen Bestimmungen entgegen, die die Ausbildung zu Tätigkeiten, die durch Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Gesundheitswesens geregelt sind, den hiefür vorgesehenen Einrichtungen vorbehalten und die das Anbieten oder Vermitteln solcher Ausbildungen durch andere Personen oder Einrichtungen sowie das Werben hiefür verbieten, auch wenn sich diese Ausbildung nur auf Teilgebiete der ärztlichen Tätigkeit bezieht?"

3.2. Da die vom Obersten Gerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Beantwortung vorgelegten Fragen auch für die vorliegenden Beschwerdeverfahren von entscheidender Bedeutung waren, hat der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerdeverfahren mit den Beschlüssen vom 4. Oktober 2000 bzw. 20. März 2001 bis zur Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften über die ihm mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 13. Juli 2000 vorgelegten Fragen ausgesetzt.

4. Mit Urteil vom 11. Juli 2002 in der Rechtssache C-294/00 hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften über das an ihn gerichtete Ersuchen um Vorabentscheidung wie folgt entschieden:

"1. Beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts hindert keine seiner Bestimmungen einen Mitgliedsstaat, die Ausübung einer Tätigkeit wie der des Heilpraktikers im Sinne des deutschen Rechts den Inhabern eines Arztdiploms vorzubehalten.

2. Die Artikel 52 und 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG und 49 EG) stehen dem nicht entgegen,

dass ein Mitgliedsstaat, der in seinem Hoheitsgebiet die Ausübung der Tätigkeit des Heilpraktikers im Sinne des deutschen Rechts durch Personen verbietet, die nicht Inhaber eines Arztdiploms sind, auch die Organisation von Ausbildungen für diese Tätigkeit in seinem Hoheitsgebiet durch hierfür nicht zugelassene Einrichtungen verbietet, sofern dieses Verbot so angewandt wird, dass es nur solche Modalitäten der Organisation dieser Ausbildungen betrifft, die geeignet sind, in der Öffentlichkeit Unklarheit darüber entstehen zu lassen, ob der Beruf des Heilpraktikers im Hoheitsgebiet des Mitgliedsstaates, in dem die Ausbildung stattfindet, rechtmäßig ausgeübt werden kann,

dass ein Mitgliedsstaat, der in seinem Hoheitsgebiet die Ausübung der Tätigkeit des Heilpraktikers durch Personen, die nicht Inhaber eines Arztdiploms sind, und die Ausbildungen für die Tätigkeit des Heilpraktikers verbietet, auch die Werbung für solche in seinem Hoheitsgebiet erteilte Ausbildungen verbietet, wenn sich diese Werbung auf Modalitäten der Ausbildung bezieht, die als solche in diesem Mitgliedsstaat im Einklang mit dem Vertrag verboten sind. Artikel 59 des Vertrages verwehrt es jedoch einem Mitgliedsstaat, der in seinem Gebiet die Ausübung des Berufes des Heilpraktikers und die Ausbildungen für die Tätigkeit des Heilpraktikers verbietet, auch die Werbung für solche Ausbildungen, die in einem anderen Mitgliedsstaat erteilt werden, zu verbieten, wenn in dieser Werbung angegeben ist, an welchem Ort die Ausbildung stattfinden soll, und darauf hingewiesen wird, dass der Beruf des Heilpraktikers im erstgenannten Mitgliedsstaat nicht ausgeübt werden darf."

In den Gründen führte der Gerichtshof aus, eine nationale Regelung, die, wie das österreichische Ärztegesetz, die Ausübung des Berufes des Heilpraktikers verbiete, gehe nicht über das hinaus, was erforderlich sei, um das Ziel des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung zu erreichen. Somit stünden Art. 52 und 59 des Vertrages einer derartigen nationalen Regelung nicht entgegen (Randnr. 50 und 51). Wenn es das Gemeinschaftsrecht einem Mitgliedsstaat nicht verwehre, die Ausübung des Heilpraktikerberufes zu verbieten, müsse es diesem Mitgliedsstaat zubilligen, dieses Verbot in kohärenter und glaubwürdiger Weise durchzusetzen. Die Notwendigkeit, das Verbot des Heilpraktikerberufes durchzusetzen, könne daher als zwingender Grund des Allgemeininteresses betrachtet werden (Randnr. 61). Das Verbot der Ausbildung für eine Tätigkeit des Heilpraktikers könne als geeignetes Mittel betrachtet werden, um die Wirksamkeit der nationalen Maßnahme zu gewährleisten, die die Ausübung des Heilpraktikerberufs verbiete (Randnr. 62). Nicht alle praktischen Modalitäten, nach denen die Ausbildung für eine Tätigkeit des Heilpraktikers in einem Mitgliedsstaat erteilt werden könne, beeinträchtigten notwendigerweise die Wirksamkeit der nationalen Maßnahme, die das Verbot dieses Berufes in diesem Mitgliedsstaat vorsehe. Die Wirksamkeit dieser Verbotsmaßnahme könne vielmehr nur durch solche Modalitäten der Ausbildung beeinträchtigt werden, die geeignet seien, in der Öffentlichkeit Unklarheiten darüber entstehen zu lassen, ob die von dieser Ausbildung betroffene Tätigkeit im Hoheitsgebiet des Mitgliedsstaats, in dem diese Ausbildung stattfinde, rechtmäßig als Beruf ausgeübt werden dürfe (Randnr. 64 und 65). Werde in einem Mitgliedsstaat für eine in einem anderen Mitgliedsstaat stattfindende Ausbildung geworben und angegeben, an welchem Ort diese Ausbildung stattfinden solle, und darauf hingewiesen, dass der Beruf des Heilpraktikers im erstgenannten Mitgliedsstaat nicht ausgeübt werden dürfe, sei dies nicht geeignet, die Wirksamkeit der nationalen Maßnahme zu beeinträchtigen, die in diesem Staat die Ausübung des Heilpraktikerberufes verbiete (Randnr. 68). Das in einem Mitgliedsstaat aufgestellte Verbot der Werbung für eine Ausbildung für die Tätigkeit des Heilpraktikers, die zumindest teilweise im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedsstaates erteilt werde, sei eine Beeinträchtigung, die gerechtfertigt sei, wenn es sich auf Modalitäten der Ausbildung beziehe, die als solche in diesem Mitgliedsstaat im Einklang mit dem Vertrag verboten seien (Randnr. 69).

5. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerdeverfahren wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und darüber in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

6. Für das Beschwerdeverfahren sind folgende Bestimmungen des Ausbildungsvorbehaltsgesetzes, BGBl. Nr. 378/1996, maßgebend:

"§ 1. Die Ausbildung zu Tätigkeiten, die durch das

1. Bundesgesetz über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1984 - ÄrzteG), BGBl. Nr. 373/1984,

...

jeweils in der geltenden Fassung, geregelt sind, obliegt ausschließlich den nach diesen Bundesgesetzen dafür vorgesehenen Einrichtungen. Das Anbieten oder Vermitteln solcher Ausbildungen durch andere Personen oder Einrichtungen ist verboten.

§ 2. Wer durch Handlungen oder Unterlassungen gegen § 1 Abs. 1 verstößt, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist hiefür mit Geldstrafe bis zu 500 000 S zu bestrafen.

..."

Die durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 108/1997 mit Wirksamkeit ab 1. September 1997 vorgenommenen Änderungen des § 1 Ausbildungsvorbehaltsgesetz (Einfügung einer Absatzbezeichnung und Anführung des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes) sind für die Beschwerdefälle nicht von Bedeutung.

7.1. Insoweit das Ausbildungsvorbehaltsgesetz mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar ist, ist es auf Grund des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechtes vor dem innerstaatlichen Recht nicht anzuwenden (siehe dazu u.a. das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 9. März 1978 in der Rechtssache 106-77 (Simmenthal, Slg. 1978, 629). Aus dem oben zitierten Urteil dieses Gerichtshofes vom 11. Juli 2002 folgt, dass ein Verbot der Heilpraktikerausbildung in Österreich und damit die Strafbarkeit eines Verstoßes gegen dieses Verbot gemeinschaftsrechtlich insoweit nicht zu beanstanden ist, als es Modalitäten der Organisation dieser Ausbildung betrifft, die geeignet sind, in der Öffentlichkeit Unklarheit darüber entstehen zu lassen, ob der Beruf des Heilpraktikers in Österreich rechtmäßig ausgeübt werden kann. Mit dieser Frage haben sich die belangten Behörden nicht befasst. Sie haben daher in den Beschwerdefällen, in denen dem Beschwerdeführer das Anbieten und Durchführen von Ausbildungen für den nicht zugelassenen Beruf des Heilpraktikers angelastet wird (es handelt sich dabei um die im Spruch unter 3., 4. und 6. bezeichneten Bescheide), keine konkreten Tatsachenfeststellungen getroffen, die eine Beurteilung in Bezug auf eine allfällige Unklarheit über die Zulässigkeit der Ausübung des Heilpraktikerberufes in Österreich zuließen. Die drei genannte Bescheide sind daher schon aus diesem Grund inhaltlich rechtswidrig.

7.2. In den im Spruch unter 1., 2. und 5. genannten Bescheiden wird dem Beschwerdeführer die Einschaltung von Zeitungsannoncen zur Last gelegt, in denen u.a. für die Ausbildung zum Heilpraktiker unter Angabe einer Adresse in Österreich, zum Teil auch unter Angabe eines österreichischen Kursortes, geworben wird. Diese Werbung erfüllt nicht die Kriterien für eine zufolge des Urteiles des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 11. Juli 2002 kraft Gemeinschaftsrechts zulässige Werbung für die Heilpraktikerausbildung in Österreich. Die Werbung musste nämlich auch beim aufmerksamen Leser den Eindruck erwecken, dass die Ausbildung (zumindest teilweise) im Inland durchgeführt wird, und lässt jegliche Klarstellung vermissen, dass der Beruf des Heilpraktikers in Österreich nicht ausgeübt werden darf. Eine derartige Klarstellung verlangt der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinem Urteil vom 11. Juli 2002 jedoch sogar für eine im Ausland stattfindende Ausbildung. Das Fehlen einer derartigen Klarstellung erklärt sich daraus, dass der Beschwerdeführer zum Teil auch im Beschwerdeverfahren noch die Auffassung vertreten hat, der Beruf des Heilpraktikers dürfe in Österreich ausgeübt werden. Die durch die Einschaltung von Zeitungsannoncen bewirkte Werbung für die Ausbildung zum Heilpraktiker in Österreich verstößt somit gegen das Verbot der Werbung für eine solche Ausbildung. Die Bestrafung wegen dieser Werbung durch die unter 1., 2. und 5. genannten Bescheide war somit rechtens.

7.3.1. Soweit der Beschwerdeführer in seinem Schriftsatz vom 28. Oktober 2002 die im Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 11. Juli 2002 enthaltenen Einschränkungen betreffend das Verbot der Ausbildung für einen Beruf, der im Inland nicht ausgeübt werden darf, sowie der Werbung hiefür ins Treffen führt, ist er auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen, die diese Einschränkungen berücksichtigen. Die Aufhebung der unter 3., 4. und 6. genannten Bescheide ist letzten Endes auf diese Einschränkungen zurück zu führen, weil es in diesen Beschwerdefällen an entsprechenden Sachverhaltsfeststellungen über die "Modalitäten der Organisation dieser Ausbildungen" mangelt. In diesen Beschwerdeverfahren wird auch die Richtigkeit der Behauptung des Beschwerdeführers, die P. GmbH habe jeden Schüler in Österreich ausdrücklich auf die österreichische Gesetzeslage hingewiesen, von Bedeutung sein. Die Zeitungsannoncen, die die Grundlage für die Bestrafungen durch die im Spruch unter 1., 2. und 5. genannten Bescheide gebildet haben, warben u.a. für die Ausbildung zum Heilpraktiker, ohne dass sich in ihnen ein Hinweis auf die Unzulässigkeit der Ausübung dieses Berufes in Österreich findet.

7.3.2. Der im Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 28. Oktober 2002 geäußerten Auffassung, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz sei unter Beachtung des österreichischen Legalitätsprinzips zur Gänze unanwendbar, kann nicht gefolgt werden, weil der oben beschriebene Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechtes nur insoweit besteht, als das innerstaatliche Recht mit dem Gemeinschaftsrecht in Widerspruch steht. Die Beurteilung, in welchem Umfang der Anwendungsvorrang besteht, kann im Einzelfall schwierig sein und allenfalls die Befassung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften erforderlich machen, doch hat dies nicht zur Folge, dass ein innerstaatliches Gesetz auch in jenem Umfang, in dem der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechtes nicht zum Tragen kommt, unanwendbar wird. Ein Verstoß gegen das Legalitätsprinzip würde im Übrigen nicht zur Unanwendbarkeit sondern zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes führen.

7.3.3. Soweit der Beschwerdeführer schließlich im Schriftsatz vom 28. Oktober 2002 unter Hinweis auf (in der Volkshochschule Wien angebotene) Kurse das Interesse der Bevölkerung an einschlägigem Wissen im medizinischen bzw. medizinnahen Bereich (ohne Berufsausübungsabsicht) ins Treffen führt, ist er darauf hinzuweisen, dass es in den oben unter 1., 2. und 5. genannten Bescheiden um die Werbung für die Ausbildung zum Heilpraktiker geht. Nach der Aktenlage ging es auch in den anderen Beschwerdeverfahren um das Anbieten einer Berufsausbildung und nicht bloß um die Vermittlung von Wissen über bestimmte Teilgebiete, doch braucht darauf hier nicht abschließend eingegangen zu werden, weil diese Bescheide ohnedies aus dem oben unter Punkt 7.1. dargestellten Grund aufzuheben sind.

7.3.4. In seinem Schriftsatz vom 11. März 2003 macht der Beschwerdeführer geltend, ihn treffe an einer allfälligen Verwaltungsübertretung kein Verschulden. Er verweist in diesem Zusammenhang auf ein Rechtsgutachten vom 2. März 1998, in dem die Auffassung vertreten wurde, dass das Verbot, den Heilpraktikerberuf in Österreich auszuüben, europarechtswidrig sei, ebenso wie das Verbot der von der P. GmbH angebotenen Dienstleistung.

Dieses Vorbringen kann dem Beschwerdeführer schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil es sich bei den ihm angelasteten Übertretungen um Ungehorsamsdelikte im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG handelt und der Beschwerdeführer in den Verwaltungsstrafverfahren nicht vorgebracht und auch nicht glaubhaft gemacht hat, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. Das Vorbringen des Beschwerdeführers verstößt daher gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot. Im Übrigen kannte der Beschwerdeführer nach der Aktenlage die gegenteilige Auffassung der Behörden, sodass er sich nicht ohne weiteres auf das von der P. GmbH in Auftrag gegebene Gutachten hätte verlassen dürfen.

7.3.5. Der Beschwerdeführer macht schließlich in seinem Schriftsatz vom 11. März 2003 Verfolgungsverjährung geltend, weil in den ersten Verfolgungshandlungen nicht die im Sinne des Urteiles des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 11. Juli 2002 relevanten Modalitäten der Organisation der Ausbildung genannt worden seien.

Diesen Ausführungen ist zu erwidern, dass die Konkretisierung des Tatvorwurfes in der Verfolgungshandlung dem Zweck dient, die Tat durch Anführung konkreter Umstände (Tatzeit, Tatort, Art der Begehung) so weit abzugrenzen, dass die Gefahr eines weiteren Verwaltungsstrafverfahrens wegen derselben Tat ausgeschlossen wird. Außerdem soll der Beschuldigte durch die Konkretisierung in die Lage versetzt werden, auf den konkreten Tatvorwurf bezogenes Vorbringen zu erstatten und Beweise anzubieten (vgl. dazu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 (2000), unter E. Nr. 83 zu § 32 VStG zitierte Rechtsprechung).

Diesen Anforderungen genügen die in den den angefochtenen Bescheiden zu Grunde liegenden Verwaltungsstrafverfahren ergangenen Aufforderungen des Beschwerdeführers zur Rechtfertigung. Dass die Gefahr der Doppelbestrafung wegen der angelasteten Straftaten gegeben wäre, ist auf Grund der Aktenlage nicht anzunehmen. Der Beschwerdeführer behauptet Derartiges auch nicht. Der Beschwerdeführer war auch, wie aus den vorgelegten Verwaltungsstrafakten ersichtlich ist, durchaus in der Lage, sich zu den Tatvorwürfen wiederholt und umfangreich zu äußern. Da in allen Verwaltungsstrafverfahren von den Behörden ausreichende Verfolgungshandlungen gesetzt wurden, erweist sich der vom Beschwerdeführer nunmehr erhobene Einwand der Verfolgungsverjährung als unbegründet.

8. Aus den dargelegten Gründen waren die Beschwerden gegen die im Spruch unter 1., 2. und 5. genannten Bescheide gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Die unter 3., 4. und 6. genannten Bescheide waren hingegen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich jeweils auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. Oktober 2003

Gerichtsentscheidung

EuGH 62000J0294 Gräbner VORAB
EuGH 61977J0106 Simmenthal 2 VORAB

Schlagworte

Besondere RechtsgebieteGemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang, partielle Nichtanwendung von innerstaatlichem Recht EURallg1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002110175.X00

Im RIS seit

19.11.2003

Zuletzt aktualisiert am

12.03.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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