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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ZustG §25 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Z in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Zatlasch, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 49, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 17. Jänner 2003, Zl. UVS-FSG//6/10971/2002/3, betreffend Ausfolgung des Führerscheines, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 12. November 2002 auf Ausfolgung seines Führerscheines gemäß § 3 Abs. 2 FSG iVm § 24 Abs. 3 FSG abgewiesen.
Dieser Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, mit Mandatsbescheid vom 22. März 2001 sei gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 FSG iVm. § 57 Abs. 1 AVG die dem Beschwerdeführer am 9. März 1993 erteilte Lenkberechtigung für die Klasse B entzogen worden; gemäß § 26 Abs. 2 FSG sei ausgesprochen worden, dass die Lenkberechtigung für die Zeit von vier Monaten, gerechnet ab der vorläufigen Abnahme des Führerscheines, somit bis einschließlich 4. Juli 2001, entzogen werde. Die Abnahme des Führerscheines gemäß § 39 Abs. 1 FSG sei am 4. März 2001 erfolgt. Der genannte und ein gesonderter Bescheid, mit dem eine begleitende Maßnahme (Einstellungs- und Verhaltenstraining für alkoholauffällige Lenker) angeordnet worden sei (beide mit 22. März 2001 datiert und am 26. März 2001 der Post zur Beförderung mit RSa übergeben), seien an den Beschwerdeführer, wohnhaft an einer näher bezeichneten Wiener Adresse, gerichtet gewesen und seien beide als unzustellbar retour gekommen. Erstbehördlich vorgenommene Nachforschungen hätten ergeben, dass sich der Beschwerdeführer an der genannten Adresse am 13. Jänner 2000 abgemeldet habe und ohne Adressenangabe nach Jugoslawien verzogen sei. Infolge des unbekannten Aufenthaltes des Beschwerdeführers und der Unmöglichkeit einer Postzustellung an den damals laut Aktenlage noch nicht vertretenen Beschwerdeführer und der auch unterbliebenen Mitteilung der Änderung der Abgabestelle (§ 8 Zustellgesetz) sei die Zustellung beider Bescheide vom 22. März 2001 gemäß § 25 Zustellgesetz durch öffentliche Bekanntmachung (vom 2. bis zum 16. April 2001) erfolgt. Die Zustellung beider Bescheide vom 22. März 2001 gelte somit ex lege mit 17. April 2001 als bewirkt. Beide Bescheide würden somit als erlassen gelten und seien unbekämpft in Rechtskraft erwachsen. Im Hinblick auf die vorläufige Führerscheinabnahme am 4. März 2001 hätte die viermonatige Entziehungsdauer zwar mit Ablauf des 4. Juli 2001 geendet; der Beschwerdeführer habe jedoch die Absolvierung der angeordneten begleitenden Maßnahme unterlassen, weshalb gemäß § 24 Abs. 3 FSG die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung geendet habe. Nach Ablauf einer Entziehungsdauer von 18 Monaten erlösche aber die Lenkberechtigung gemäß § 27 Abs. 1 Z. 1 FSG.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften des angefochtenen Bescheides geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Begehren die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. § 28 FSG lautet in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 81/2002 (auszugsweise):
"Ablauf der Entziehungsdauer
(1) Der Führerschein ist nach Ablauf der Entziehungsdauer auf Antrag wieder auszufolgen, wenn
1. die Entziehungsdauer nicht länger als 18 Monate war und
..."
1.2. § 25 des Zustellgesetzes lautet (auszugsweise):
"Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung
§ 25. (1) Zustellungen an Personen, deren Abgabestelle unbekannt ist, oder an eine Mehrheit von Personen, die der Behörde nicht bekannt sind, können, wenn es sich nicht um ein Strafverfahren handelt, kein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist und nicht gemäß § 8 vorzugehen ist, durch Anschlag an der Amtstafel, daß ein zuzustellendes Schriftstück bei der Behörde liegt, vorgenommen werden. Findet sich der Empfänger zur Empfangnahme des Schriftstückes (§ 24) nicht ein, so gilt, wenn gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, die Zustellung als bewirkt, wenn seit dem Anschlag an der Amtstafel der Behörde zwei Wochen verstrichen sind.
..."
2. Die belangte Behörde stützt die Abweisung des Antrags des Beschwerdeführers auf Ausfolgung seines Führerscheines im Ergebnis darauf, dass die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers infolge einer länger als 18 Monate währenden Entziehungsdauer bereits erloschen sei. Der angefochtene Bescheid könnte demnach nur dann rechtmäßig sein, wenn eine Entziehung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers überhaupt wirksam geworden ist. Letzteres setzt aber eine wirksame Zustellung des (Mandats)Entziehungsbescheides der Bundespolizeidirektion Wien vom 22. März 2001 voraus.
Eine solche wirksame Zustellung liegt aus folgenden Gründen nicht vor:
Ihre Annahme, der erwähnte (Mandats)Entziehungsbescheid sowie der (Mandats)Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom selben Tag, mit dem dem Beschwerdeführer begleitende Maßnahmen vorgeschrieben wurden, seien wirksam zugestellt worden, begründet die belangte Behörde wie folgt:
"Infolge des unbekannten Aufenthaltes des BW und der Unmöglichkeit einer Postzustellung des damals lt. Aktenlage noch nicht vertretenen BW und der auch unterbliebenen Miteilung der Änderung der Abgabestelle (§ 8 ZustellG) erfolgte die Zustellung beider Bescheide vom 22.03.2001 gemäß § 25 ZustellG durch öffentliche Bekanntmachung und Dokumentation auf Abl 20. Die Zustellung beider Bescheide vom 22.03.2001 gilt somit ex lege mit 17.04.2001 als bewirkt."
Mit diesen Ausführungen zeigt die belangte Behörde, dass sie die Rechtslage verkannt hat.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die ersten gegen den Beschwerdeführer im Entziehungsverfahren gerichteten Verfahrenshandlungen die beiden erwähnten Mandatsbescheide sein sollten. Von einer Kenntnis des Beschwerdeführers von einem ihn betreffenden Verwaltungsverfahren im Sinne des § 8 Abs. 2 Zustellgesetz konnte demnach nicht die Rede sein, weshalb es auch keine Veranlassung des Beschwerdeführers geben konnte, eine Änderung seiner Abgabestelle der Behörde bekannt zu geben. Es geht im Beschwerdefall vielmehr ausschließlich darum, ob die von der Bundespolizeidirektion Wien vorgenommene Zustellung der Mandatsbescheide durch öffentliche Bekanntmachung nach § 25 Zustellgesetz wirksam geworden ist.
Da mit der Zustellung für die Partei in der Regel weitreichende Rechtsfolgen, insbesondere der Beginn von Fristen, verbunden sind, ist die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung als ein Ausnahmefall zu betrachten. Es ist bei dieser Zustellungsform als "ultima ratio" ein eher strenger Maßstab anzulegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 2000, Zl. 97/08/0564, mit weiteren Hinweisen). Der Verwaltungsgerichtshof hat daher in seiner Rechtsprechung klargestellt, dass eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung voraussetzt, dass die Behörde alle ihr zu Gebote stehenden Mittel für die Ermittlung der Abgabestelle und die ihr nach den Umständen zumutbaren amtswegigen Ermittlungen zu deren Erforschung ausgeschöpft hat (vgl. neben dem vorgenannten ferner das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1996, Zl. 95/04/0201, mit weiterem Hinweis). Für die Erfüllung ihrer Verpflichtung, die Abgabestelle einer Person festzustellen, kommen für die Behörde einerseits eine Anfrage an die Meldebehörden, andererseits aber auch Auskünfte von Personen, von denen angenommen werden kann, dass sie die Abgabestelle des Empfängers kennen - etwa Angehörige, Nachbarn, etc. -, in Betracht.
Im Beschwerdefall holte die Bundespolizeidirektion Wien, nachdem eine Zustellung beider Mandatsbescheide an der vom Beschwerdeführer aus Anlass der vorläufigen Abnahme seines Führerscheines bekannt gegebenen Anschrift gescheitert war, eine Meldeauskunft vom 30. März 2001 ein, in der vermerkt war, dass der Beschwerdeführer von der von ihm angegebenen Adresse, an der der Zustellversuch unternommen worden war, seit 13. Jänner 2000 abgemeldet und "nach Jugoslawien verzogen" sei.
Da aus dem Inhalt der Akten eine Anschrift des Beschwerdeführers hervorging, wäre nach dem bisher Gesagten in einem Fall wie dem vorliegenden die Bundespolizeidirektion Wien verhalten gewesen, in geeigneter Weise zu versuchen, Kenntnis vom Aufenthaltsort des Beschwerdeführers zu erlangen. Ihre ohne weitere Ermittlungsschritte verfügte Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung bewirkte, da die Voraussetzungen hiefür nicht vorlagen, keine wirksame Zustellung der beiden Bescheide.
Die belangte Behörde durfte folglich im Verfahren über die Ausfolgung des Führerscheines des Beschwerdeführers nicht von einer wirksamen Zustellung der beiden Bescheide ausgehen. Fehlte es aber bereits an einem wirksamen Entziehungsbescheid, so lagen auch die Voraussetzungen für eine Abweisung des Ausfolgungsantrages nach § 28 Abs. 1 Z. 1 FSG nicht vor.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 28. Oktober 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003110056.X00Im RIS seit
19.11.2003