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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1 impl;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2003/15/0071Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, 1) über den Antrag des P in W, vertreten durch Weidacher, Imre & Imre, Rechtsanwaltspartnerschaft OEG in 8200 Gleisdorf, Ludwig-Binder-Straße 14, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Verbesserung der Mängel der unter hg. Zl. 2003/15/0042 anhängigen Beschwerde gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 17. Oktober 2001, GZ. RV 505/1-8/01, betreffend Einkommensteuer 1997 und 1998, und 2) in der Beschwerdesache derselben Partei gegen den eben genannten Bescheid, den Beschluss gefasst:
Spruch
1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.
2. Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.
Begründung
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 25. Februar 2003, B 1681/01-6, die Behandlung einer gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 17. Oktober 2001, GZ. RV 505/1-8/01, erhobenen Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Mit Berichterverfügung vom 21. Mai 2003 (dem Beschwerdevertreter zugestellt am 25. Juni 2003) hat der Verwaltungsgerichtshof den Beschwerdeführer gemäß § 34 Abs. 2 VwGG aufgefordert, binnen einer Frist von vier Wochen verschiedene, der Beschwerde anhaftende Mängel zu beheben. Die Versäumung der Frist gelte als Zurückziehung der Beschwerde.
Mit dem am 1. August 2003 zur Post gegebenen Schriftsatz vom 31. Juli 2003 beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ergänzung der Beschwerde. Die versäumte Handlung (Beschwerdeergänzung) wurde unter einem nachgeholt.
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages wurde ausgeführt, den ausgewiesenen Vertretern des Beschwerdeführers sei am 25. Juni 2003 die Aufforderung zur Bezahlung einer Gebühr von 180 EUR zugestellt worden. Am gleichen Tag sei den ausgewiesenen Vertretern die Verfügung vom 21. Mai 2003 betreffend Mängelbehebung zugestellt worden. Die Aufforderung zur Überweisung der angeforderten Gebühr sei einerseits dem Beschwerdeführer mit der Aufforderung zur Zahlung übermittelt und die diesbezügliche Frist mit 2. Juli 2003 von der mit den Fristvermerken beauftragten Kanzleileiterin, Frau P., im Terminbuch eingetragen worden. "Offensichtlich" sei jedoch die auf Grund der am gleichen Tage eingelangten Verfügung zur Vormerkung beauftragte Eintragung der Frist vom 23. Juli 2003 unterblieben, sodass die aufgetragene Ergänzung nicht durchgeführt worden sei. Im Zuge einer Aktenkontrolle durch den Sachbearbeiter Dr. W. sei dieses Versehen am 31. Juli 2003 festgestellt worden. Dieser Vorfall beruhe zweifellos auf einem minderen Grad des Versehens, nämlich einer leichten Fahrlässigkeit. Der Sachbearbeiter Dr. W. habe den auf der Verfügung angebrachten Fristvermerk vom 23. Juli 2003 selbst angeordnet, "jedoch unterblieb aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen aus einem Versehen der Kanzleileiterin die Eintragung dieser Frist in das Terminbuch".
In einer als Beweis angeschlossenen "Eidesstättigen Erklärung" von Frau P. wird ausgeführt, nach Erhalt des Einlaufes werde von ihr eine Frist jeweils im Terminbuch eingetragen, wobei die Frist mit Ausnahme einfacher Fristen (z.B. Kostenvorschusserlag, Antwortschreiben an Rechtsanwälte, Rechtskraftsüberwachungen) von einem der Rechtsanwälte kontrolliert werde. Im vorliegenden Fall seien am 25. Juni 2003 sowohl die Aufforderung zum Erlag einer Gebühr von 180 EUR binnen einer Woche als auch die Verfügung zur Ergänzung der Beschwerde binnen vier Wochen eingelangt. Die Frist für die Gebührenzahlung sei von ihr mit 2. Juli 2003 im Terminbuch eingetragen worden. Hinsichtlich der Frist von vier Wochen für die Ergänzung der Beschwerde habe sie nach Rücksprache mit Dr. W. auf der Verfügung handschriftlich den Terminvermerk "23.7.2003" gemacht. Aus einem nicht mehr nachvollziehbaren Grund sei jedoch die Übertragung dieses Termins in das Kanzleiterminbuch unterblieben. In ihrer langjährigen Tätigkeit als Kanzleileiterin und auch der mehrjährigen Tätigkeit betreffend die Vormerkung und Eintragung von Fristen sei ihr ein solches Versehen noch nicht passiert. Sie könne nur vermuten, dass auf Grund eines Krankenstandes einer Mitarbeiterin der Kanzlei und der damit verbundenen Mehrarbeiten der Fehler unterlaufen sei.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Für die richtige Beachtung von Fristen ist in einer Rechtsanwaltskanzlei stets der Rechtsanwalt verantwortlich. Nur er selbst hat die Fristen festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kanzleikalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen. Dies auch dann, wenn die Kanzleileiterin überdurchschnittlich qualifiziert und deshalb mit der selbständigen Besorgung bestimmter Kanzleiarbeiten, so auch der Führung des Kanzleikalenders, betraut worden ist und es bisher zu keinen Beanstandungen gekommen sein sollte (vgl. z.B. den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. August 1994, 94/15/0112, 0115). Der Rechtsanwalt muss seine Kanzlei so organisieren, dass die richtige und fristgerechte Erledigung von gerichtlichen Aufträgen sichergestellt ist. Dabei wird durch entsprechende Kontrolle dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Rechtsanwalt verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschießen geeignet sind (vgl. z.B. die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. August 2001, 2001/14/0140, sowie vom 30. März 2000, 2000/16/0057, 0112).
Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Antragstellers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgegeben wird. Der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag enthält keinerlei konkrete Ausführungen darüber, ob und in welcher Weise seitens der "ausgewiesenen Vertreter" bzw. des Sachbearbeiters Dr. W. durch entsprechende Kontrollmaßnahmen organisatorisch dagegen vorgesorgt wurde, dass angeordnete Eintragungen von Fristen in das Terminbuch unterbleiben. Der bloße Hinweis darauf, dass im Zuge einer Aktenkontrolle dieses Versehen am 31. Juli 2003 festgestellt worden sei, zeigt noch nicht das Bestehen eines Kontrollsystems auf, das sicherstellt, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach ausgeschlossen sind.
Das Fehlen einer entsprechenden Kanzleiorganisation stellt aber eine dem Rechtsvertreter zuzurechnende Verletzung der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht dar, die über einen geringen Grad des Versehens hinausgeht.
Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher ein Erfolg zu versagen und demgemäß weiters das zu Zl. 2003/15/0042 anhängige Beschwerdeverfahren gemäß § 34 Abs. 2 iVm § 33 Abs. 1 VwGG wegen nicht fristgerechter Mängelbehebung (Ablauf der - vierwöchigen - Mängelbehebungsfrist am 23. Juli 2003) einzustellen.
Wien, am 30. Oktober 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003150042.X00Im RIS seit
06.02.2004Zuletzt aktualisiert am
18.03.2010