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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
BFV §14;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde der E-Gesellschaft mbH in L, vertreten durch Dkfm. Dr. Wilfried Schlick, Wirtschaftsprüfer in 1170 Wien, Oberwiedenstraße 1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 28. September 1999, Zl. RV 125/1-10/99, betreffend ua Körperschaftsteuer 1996, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Gesellschaft mbH (im Folgenden: Beschwerdeführerin) ist auf dem Gebiet der Erdölbevorratung tätig. Anlässlich einer Betriebsprüfung stellte die Prüferin fest, die Beschwerdeführerin habe 1996 erstmals eine Rückstellung für Instandsetzung in Höhe von rund S 8 Mio steuerlich wirksam gebildet. Die Rückstellungsbildung sei mit den alle sechs Jahre erfolgenden "wiederkehrenden Prüfungen" im Sinne des § 14 der Verordnung für brennbare Flüssigkeiten, BGBl. Nr. 240/1991 (im Folgenden: VbF) begründet worden. Die Lagerbehälter der Beschwerdeführerin stammten aus 1979 (Ersteichung). Spätestens 18 Jahre nach der erstmaligen Prüfung (= Inbetriebnahme) sei eine Prüfung im Inneren der Lagerbehälter vorgeschrieben. Alle zehn Jahre seien Eichungen der Tanks vorzunehmen und diese dafür zu entleeren. Die Berechnung der Rückstellung sei auf Grund von Erfahrungswerten aus der Vergangenheit unter Berücksichtigung einer 3,5 %igen jährlichen Kostensteigerung aliquot nach den Prüfungsintervallen der einzelnen Tanks erfolgt. Dabei seien die Kosten der Prüfung der Dichtheit durch Fachfirmen, die Entleerung der Tanks, die Reinigung, die vollflächige Beschichtung des Tankbodens, der Ersatz der Schwimmdachabdichtungen und weitere nötige Instandhaltungsaufwendungen berücksichtigt worden. Es gebe firmeninterne Prüfungsintervalle von zehn Jahren, wobei die bestehenden neun Tanks aus betrieblichen Erfordernissen zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Prüfung unterzogen würden. Im Rahmen der Prüfung würden die nötigen Instandsetzungsarbeiten vorgenommen und danach die technische Prüfung durch den TÜV veranlasst und eine Nacheichung vorgenommen. Mangels wirtschaftlicher Verursachung des rückgestellten zukünftigen Prüfungs- und Instandhaltungsaufwandes im Jahr 1996 könne die gebildete Rückstellung nicht anerkannt werden.
Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Prüferin und erließ nach Wiederaufnahme des Verfahrens ua einen Körperschaftsteuerbescheid 1996.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung und führte aus, sie sei ein Unternehmen, dessen ausschließlicher Unternehmenszweck die Erdölbevorratung im Sinne des § 5 Erdölbevorratungs- und Meldegesetzes (EBMG), BGBl. Nr. 318/1976, sei. Ihre Tätigkeit bestehe darin, die Pflichten zur Haltung von Pflichtnotstandsreserven, die sämtliche Importeure von Rohöl und Rohölprodukten treffe (und zwar im Ausmaß von 25 % der Importe des jeweils vorangegangenen Kalenderjahres), zu übernehmen. Sie habe ihren Betrieb 1979 aufgenommen. Bis 1992 seien im Hinblick auf den Zeitraum von 18 Jahren für die erstmalige Prüfung der Tankanlagen keine Rückstellungen gebildet worden. Ab 1993 sei mit der Rückstellungsdotierung begonnen worden (zunächst nur in der Handelsbilanz, ab 1996 auch in der Steuerbilanz, jedoch ohne steuerliche Nachholungen). Neben der VbF seien auch Vorschriften über die Eichung von Tankanlagen (die alle zehn Jahre durchzuführen sei) penibel einzuhalten. Die Prüfung der Tankanlagen sei kostenintensiv, weil zur Prüfung des Tankbodens eine vollständige Entleerung stattfinden müsse, die bei Rohöl nur durch den Transport in die Raffinerie Schwechat und Nachbeschaffung der Vorräte über die Adria-Wien-Pipeline aus Triest bewerkstelligt werden könne. Als mit Bundeshaftung ausgestattete Lagerhalterin würden für sie noch weitere Besonderheiten gelten: Gemäß § 5 Abs. 6 EBMG sei die Gesellschaft nicht auf Gewinn gerichtet und dürfe daher lediglich kostendeckende Tarife verrechnen. Der Höchsttarif sei vom Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten zu genehmigen und werde durch Verordnung festgelegt. Das Tarifschema umfasse die Positionen Annuitäten für Investitionskredite, Zinsen für Einlagerungskredite, Betriebskosten, Versicherungskosten sowie Gewerbeertragsteuer. Unter der Komponente "Annuitäten für Investitionskredite" seien die jährlichen Dotierungen der Rückstellung für Prüfungskosten von Tanklagereinrichtungen berücksichtigt. Die Komponente "Betriebskosten" enthalte ua den durchschnittlichen jährlichen Aufwand für Instandhaltungskosten. Eine Komponente Körperschaftsteuer sei im Hinblick auf die Gewinnlosigkeit vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Auf Grund des vom Handelsausschuss des Parlaments festgelegten Tarifschemas werde der jährlich durchschnittliche Aufwand für die Prüfungskosten als Erlöskomponente vereinnahmt, während die dieser Erlöskomponente entsprechenden Aufwendungen erst in der Zukunft anfallen würden, sodass es ohne die Rückstellung zu einem falschen Periodenergebnis und damit zu einer Ertragsbesteuerung käme, die im Tarifschema keine Deckung finde. Die steuerliche Berücksichtigung der Rückstellung sei daher eine Konsequenz, die sich zwingend aus der Bestimmung des EBMG über die Gewinnlosigkeit ergebe bzw. die im Tarifschema durch die Nichtberücksichtigung der Körperschaftsteuer als Tarifkomponente zum Ausdruck komme. Die Bildung der Rückstellung sei zulässig, da die gesetzlichen Verpflichtungen bekannt seien und die Verursachung auf Grund der vorgeschriebenen Perioden zeitproportional anzunehmen sei. Auch aus Teilwertüberlegungen sei davon auszugehen, dass ein fiktiver Erwerber des Unternehmens für das Unternehmen unterschiedliche Kaufpreise zahlen würde, je nachdem, ob die aufwändigen Prüfungen der Tankanlagen in unmittelbarer Vergangenheit bereits erfolgt seien oder ob sie in naher Zukunft bevorstünden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, die Bildung einer Rückstellung würde im Beschwerdefall auf die Einrichtung eines Fonds hinauslaufen, aus dem noch vor dem Vorliegen von Verpflichtungen bestimmte künftige Ausgaben bestritten werden sollten, ohne dass eine echte Schuld gegenüber einem bestimmten Gläubiger bestehe und noch bevor sich eine objektivierbare Wahrscheinlichkeit für den Eintritt (und den Zeitpunkt) des für diese Ausgaben kausalen Ereignisses manifestiert habe. Eine solche Aufwandsrückstellung, wie die Rückstellung für unterlassene Instandhaltung, sei dadurch verursacht, dass der Vermögensgegenstand in vergangenen Wirtschaftsjahren zur Einkünfteerzielung genützt worden sei. Der Betrieb einer Anlage ziehe späteren Reparaturaufwand nach sich. Damit die Anlage auch in Zukunft zur Einkünfteerzielung genützt werden könne, müsse sie gewartet werden. Betriebswirtschaftlich ergebe sich eine Notwendigkeit zur Rückstellung des Aufwandes. Werde handelsrechtlich in Ausübung des Wahlrechtes des § 198 Abs. 8 Z 2 HGB eine Aufwandsrückstellung gebildet bzw. in späterer Folge aufgelöst, seien auf Grund des § 9 EStG idF BGBl. Nr. 818/1993 die ertragsteuerlichen Wirkungen dieser Vorgänge jedoch im Wege einer Mehr-Weniger-Rechnung zu eliminieren. Im Beschwerdefall möge zwar eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Durchführung von Wartungen und Prüfungen auf Grund der VbF bestehen, die Verpflichtung müsse jedoch, um zu einer steuerlichen Rückstellung zu führen, nicht nur an die Vergangenheit anknüpfen, sondern auch Vergangenes abgelten. Für künftige Wartungsarbeiten sei keine Rückstellung zulässig, auch wenn diese periodisch vorgeschrieben seien. Gegenstand der periodischen Prüfung sei nicht die Funktionsfähigkeit bzw. Dichtheit der Tankanlagen in den abgelaufenen Wirtschaftsjahren, sondern die Funktionsfähigkeit im Zeitpunkt der Prüfung und Wartung. Die Kosten der Tankprüfung dienten somit nur dem künftigen Betrieb und seien nicht durch die bisherige unternehmerische Tätigkeit verursacht. Die Kosten beeinflussten nur das Betriebsergebnis der folgenden Jahre. Wäre die Frist zur Prüfung allerdings abgelaufen gewesen, ohne dass eine solche stattgefunden hätte, wäre eine Rückstellung zu bilden. Das sei im Beschwerdefall aber nicht der Fall gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 EStG 1988 idF SteuerreformG 1993, BGBl. 818/1993, "dürfen" Rückstellungen gebildet werden für Anwartschaften auf Abfertigungen, laufende Pensionen und Anwartschaften auf Pensionen, sonstige ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften.
Für die Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1 EStG 1988 - die Beschwerdeführerin ermittelt ihren Gewinn nach dieser Bestimmung - bewirkt die bei dieser Gewinnermittlungsart zu beachtende Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, dass innerhalb des von den steuerlichen Vorschriften vorgegebenen Rahmens eine Verpflichtung zur Rückstellungsbildung für die steuerliche Gewinnermittlung besteht, wenn eine solche Verpflichtung für die Handelsbilanz gegeben ist.
§ 9 Abs. 3 EStG 1988 legt als Voraussetzung für die Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung fest, dass im jeweiligen Einzelfall mit dem Vorliegen oder dem Entstehen der Verbindlichkeit ernsthaft zu rechnen ist.
Die Verbindlichkeitsrückstellung ist ein Gewinnkorrektivum, welches steuerrechtlich in der Höhe anerkannt wird, in der der Erfolg des betreffenden Wirtschaftsjahres voraussichtlich mit künftigen Ausgaben belastet wird. Voraussetzung einer steuerrechtlich anzuerkennenden Rückstellung ist stets, dass ein die Vergangenheit betreffender Aufwand bestimmter Art ernsthaft droht. Die wirtschaftliche Verursachung muss im Abschlussjahr gelegen sein.
Es stellt sich somit die Frage, ob die Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur Prüfung der Anlagen und Einrichtungen nach den §§ 14 und 15 VbF am 31. Dezember 1996 wirtschaftlich bereits vor den jeweiligen Bilanzstichtagen verursacht war. Dies ist zu verneinen. Wesentliches Merkmal der Prüfungsverpflichtung ist nämlich - vom Fall der Prüfung infolge außergewöhnlicher Ereignisse (zB Brand, Explosion) gemäß § 16 VbF abgesehen - der in den §§ 14 und 15 VbF festgelegte Fristablauf, welcher im Interesse der weiteren Betriebssicherheit der Möglichkeit von Ermüdungs- und Abnützungserscheinungen der Anlagen und Einrichtungen Rechnung tragen soll. So sieht § 14 Abs. 3 VbF spätestens 18 Jahre nach der erstmaligen Prüfung eine innere Prüfung der von außen nicht überprüfbaren Teile von bestimmten Lagerbehältern einschließlich der Schweißnähte vor. Bei oberirdischen ortsfesten Lagereinrichtungen, Betriebseinrichtungen zum Füllen oder Entleeren dieser Lagereinrichtungen, Tankstellen, Abfüllanlagen und Auffangwannen hat die erste "wiederkehrende Prüfung" zwölf Jahre nach deren Herstellung zu erfolgen (§ 15 Abs. 2 VbF). § 15 Abs. 1 VbF sieht für Anlagen und Einrichtungen nach jeweils ein, drei bzw. sechs Jahren weitere "wiederkehrende Prüfungen" vor, sofern nicht die Behörde im Einzelfall kürzere Fristen festsetzt (§ 15 Abs. 3 VbF).
Die genannten Prüfungen müssen nur dann durchgeführt werden, wenn der Betrieb der Anlagen und Einrichtungen über die in der VbF genannten Fristen hinaus fortgesetzt werden soll. Für innerhalb dieser Fristen außer Betrieb gesetzte Anlagen und Einrichtungen sind keine wiederkehrenden Prüfungen vorgeschrieben. Gemäß § 16 VbF sind solche Prüfungen jedoch vor der Wiederinbetriebnahme nach einer länger als ein Jahr dauernden Unterbrechung durchzuführen. Das zeigt deutlich, dass diese wiederkehrenden Prüfungen nicht mit dem Betrieb der Anlagen und Einrichtungen in der Vergangenheit zusammenhängen, sondern den Betrieb in der Zukunft ermöglichen sollen, indem durch die Prüfungen gewährleistet wird, dass die verwendeten Anlagen und Einrichtungen während des künftigen Betriebes den Sicherheitsvorschriften entsprechen. Da die Aufwendungen für die Prüfung der Anlagen im Jahr 1997 deren künftigen Betrieb betreffen und ihre Ursache nicht vor dem Bilanzstichtag des Streitzeitraumes haben, kann es nicht als rechtswidrig erachtet werden, wenn die belangte Behörde eine diesbezügliche Rückstellung als nicht zulässig erachtet hat (vgl. dazu Hofstätter/Reichel, Tz 62 ff zu § 9; Doralt, EstG4, Tz 23/1 zu § 9; Quantschnigg/Schuch, ESt-Handbuch, Tz 51 zu § 5, Stichwort Wartungsarbeiten).
Entgegen dem Beschwerdevorbringen trifft es auch nicht zu, dass Einnahmen vorliegen, welche im Sinne von passiven Rechnungsabgrenzungsposten Erträge künftiger Wirtschaftsperioden darstellen.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 30. Oktober 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:1999150261.X00Im RIS seit
09.12.2003