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66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;Norm
ASVG §308 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Erich S in R, vertreten durch Mag. Rudolf Lind, Rechtsanwalt in 2103 Langenzersdorf, Korneuburger Straße 25, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 29. Juli 2002, Zl. GS8-SV-56-2002, betreffend Erstattung von Beiträgen gemäß § 70 Abs. 5 ASVG (mitbeteiligte Partei: Pensionsversicherungsanstalt, vertreten durch Dr. Hans Pernkopf, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Mölkerbastei 10), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Schreiben vom 14. Jänner 2002 beantragte der Beschwerdeführer die Beitragserstattung gemäß § 70 Abs. 5 ASVG für die während seines Karenzurlaubes in der Zeit vom 10. Jänner 2000 bis 31. Dezember 2001 erworbenen Zeiten einer Pflichtversicherung nach dem ASVG. Dem Antrag war eine Bestätigung der Österreichischen Bundesbahnen als öffentlich-rechtlichen Dienstgebers angeschlossen, wonach der Beschwerdeführer in dem betreffenden Zeitraum gegen Entfall der Bezüge beurlaubt gewesen und die Zeit dieses Karenzurlaubes für die ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit anrechenbar sei.
Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten vom 19. April 2002 wurde der Antrag des Beschwerdeführers "abgelehnt". Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, gleichzeitig mit Beendigung des Karenzurlaubes habe das ruhegenussfähige Dienstverhältnis des Beschwerdeführers geendet. Im durchzuführenden Überweisungsverfahren gemäß § 311 Abs. 1 ASVG würden die öffentlich-rechtlichen Dienstzeiten als Versicherungsmonate im Sinne des ASVG zur Anrechnung vorgemerkt. Eine Erstattung von deckenden ASVG-Versicherungszeiten sei nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht vorgesehen.
In seinem Einspruch gegen diesen Bescheid legte der Beschwerdeführer im Wesentlichen dar, dass erst die Zahlung des Überweisungsbetrages gemäß § 311 ASVG dazu führe, dass die im Überweisungsbetrag berücksichtigten vollen Monate als Versicherungsmonate in der Pensionsversicherung gelten. Solange dies nicht erfolgt sei, könnten die Zeiten einer pensionsversicherungsfreien Beschäftigung nicht als Beitragszeiten gemäß § 225 Abs. 1 Z 4 ASVG und damit auch nicht als deckende ASVG-Versicherungszeiten bewertet werden. Der Beschwerdeführer habe daher am Tag der Antragstellung die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 70 Abs. 5 ASVG erfüllt.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde dem Einspruch des Beschwerdeführers keine Folge gegeben. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei bis 31. Dezember 2001 in einem ruhegenussfähigen Dienstverhältnis zu den Österreichischen Bundesbahnen gestanden. Mit Ablauf des 31. Dezember 2001 sei der Beschwerdeführer ohne Anspruch auf Ruhegenuss aus diesem Dienstverhältnis ausgeschieden. Ab 10. Jänner 2000 sei dem Beschwerdeführer eine Freistellung unter Entfall der Bezüge (Karenzurlaub) gewährt worden. Während des Karenzurlaubes und auch seit dem Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem ruhegenussfähigen Dienstverhältnis sei der Beschwerdeführer als Dienstnehmer bei dem Unternehmen S beschäftigt und nach den Bestimmungen des ASVG in der Pensionsversicherung pflichtversichert gewesen. § 70 Abs. 5 ASVG könne aber nur dann zur Anwendung gelangen, wenn das pensionsversicherungsfreie Dienstverhältnis nach Beendigung des Karenzurlaubes weiter bestehe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 17. Oktober 2001, Zl. 99/08/0086, auf dessen Begründung insoweit gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dargelegt hat, hängt die Erstattung nach dem Wortlaut des § 70 Abs. 5 ASVG davon ab, dass die betreffenden Zeiten des Karenzurlaubes "für die ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit angerechnet" werden, was das Fortbestehen eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses - sei es im Aktivstand, sei es im Ruhestand - nach Beendigung des Karenzurlaubes voraussetzt.
Auch der vorliegende Fall bietet keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzugehen:
§ 70 Abs. 5 ASVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 139/1997 lautet:
"(5) Versicherte, die im Rahmen eines pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnisses gegen Entfall der Bezüge beurlaubt sind (Karenzurlaub) und während des Karenzurlaubes eine die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz begründende Erwerbstätigkeit ausüben, können beantragen, daß ihnen die auf Grund dieser Erwerbstätigkeit für nach dem 31. Dezember 1994 liegende Zeiten des Karenzurlaubes, soweit diese für die ruhegenußfähige Gesamtdienstzeit angerechnet werden, entrichteten Beiträge erstattet werden; hiebei ist als Beitragssatz jeweils die Hälfte der Summe der Beitragssätze gemäß § 51 Abs. 1 Z 3 lit. a und § 51a zur Zeit der Entrichtung heranzuziehen. Der Antrag auf Erstattung ist beim zuständigen Pensionsversicherungsträger zu stellen und bedarf zu seiner Wirksamkeit einer Bestätigung über die Anrechenbarkeit des Karenzurlaubes für die ruhegenußfähige Gesamtdienstzeit. Die Beiträge sind aufgewertet mit dem der zeitlichen Lagerung entsprechenden Aufwertungsfaktor (§ 108 Abs. 4) zu erstatten. Mit der Erstattung der Beiträge erlöschen alle Ansprüche und Berechtigungen aus der Pensionsversicherung, die aus den Versicherungsmonaten erhoben werden können, für die die Beiträge erstattet wurden."
Dem Antrag des Beschwerdeführers auf Beitragserstattung war, wie dies im § 70 Abs. 5 ASVG für die Wirksamkeit dieses Antrages vorgesehen ist, eine Bestätigung der Österreichischen Bundesbahnen über die "Anrechenbarkeit" der Zeit des Karenzurlaubes für die ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit beigeschlossen. Voraussetzung für die Erstattung gemäß dem ersten Satz des § 70 Abs. 5 ASVG ist jedoch, dass diese Zeiten für die ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit "angerechnet werden". Diese Voraussetzung kann im Hinblick auf die Beendigung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses mit 31. Dezember 2001 mangels Vorhandenseins einer "ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit" nicht (mehr) erfüllt werden. Das folgt bereits aus dem Wortlaut des § 70 Abs. 5 ASVG, sodass sich die in der Beschwerde geäußerte Auffassung, dieser wäre klar und eindeutig im Sinne des Beschwerdeführers zu verstehen und die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes in dem oben genannten Erkenntnis sei nur durch Kenntnis der Entwicklungsgeschichte der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und des gesamten ASVG erzielbar, als nicht zutreffend erweist.
Im Hinblick darauf erübrigt es sich auch, auf die Ausführungen in der Beschwerde näher einzugehen, dass eine abschließende Beurteilung über den Versicherungsverlauf erst im Falle der altersmäßigen Pensionierung erfolgen könne und der Beschwerdeführer vielleicht wieder ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis antreten werde. Sollte sich im Übrigen die Sach- und Rechtslage ändern, stünde einem neuerlichen Antrag des Beschwerdeführers die Rechtskraft des angefochtenen Bescheides nicht entgegen.
Dennoch ist die Beschwerde zielführend. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem oben zitierten Erkenntnis nämlich auch ausgesprochen, dass in Fällen, in denen erst durch die Leistung eines Überweisungsbetrages einander deckende Beitragszeiten nach dem ASVG zustande kommen, § 70 Abs. 2 ASVG anwendbar sei. Ein auf § 70 Abs. 5 ASVG gestütztes Erstattungsansuchen sei in diesen Fällen auch unter dem Gesichtspunkt des § 70 Abs. 2 ASVG zu prüfen. Gegebenenfalls ist der Beschwerdeführer zur Klärung der Frage, ob er an seinem Erstattungsantrag festhält oder die Höherversicherung des § 70 Abs. 1 ASVG in Anspruch nehmen möchte, zu hören. All dies hat die belangte Behörde jedoch unter Verkennung der Rechtslage unterlassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 2003, Zl. 2000/08/0116).
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das auf den Ersatz der Beschwerdegebühr gerichtete Mehrbegehren war im Hinblick auf die auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 110 ASVG bestehende sachliche Abgabenfreiheit abzuweisen. Wien, am 5. November 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002080225.X00Im RIS seit
02.12.2003